Welche finanziellen "Kräfte" wirken beim Aktienverkauf mit Verlust wie gegeneinander?

  • Investoren verkaufen Aktien mit Verlust aus steuerlichen Gründen. Etwa, indem kurz vor Neujahr Aktien mit Verlust verkauft und dann wieder neu gekauft werden.

    Ich möchte anhand eines Beispiels verstehen, wie das funktioniert. Wie kommt trotz Verlustverkaufs noch ein Gewinn heraus, was heißt es hier Gewinn und Verlust gegeneinander zu verrechnen? Welche finanziellen "Kräfte"(verschiedene Steuerarten, Freistellauftrag, Gebühren, etc.) wirken hier wie gegeneinander?

  • Meinst du so etwas:?


    Man hat dieses Jahr Gewinne von 10000Euro 'realisiert' (z.B. durch Dividenden, Vorabpauschale, oder Verkäufe). Von diesen 10000Euro wurden ohne Freistellungsauftrag in etwa 2500Euro Kapitalertragssteuer einbehalten.


    Wenn ich nun eine Position im Depot habe bei der ich einen Verlust von 10000Euro realisieren kann, wird mir die Steuer wieder gutgeschrieben. Ich verkaufe die Position und kaufe sie erneut zum gleichen Preis. Somit hat sich an meinem Depot nichts geändert, aber ich habe zusätzlich die 2500Euro Steuer zurückerhalten.


    Transaktionskosten/Spread/verschiedene Verlusttöpfe habe ich jetzt mal der Einfachheit halber ignoriert.

  • Meinst du so etwas:?

    Gute Erklärung. Aber das muß ich nicht zum Neujahr machen, das kann ich immer machen, wenn ich Gewinne habe.

    Doch da war irgendetwas Besonderes mit dem Neujahr, hat das was mit dem Freistellungsauftrag zu tun?

    Und ergibt es Sinn, gezielt Verluste zu machen, kommt dann unterm Strich mehr raus? Also wenn ich Aktien kaufe, sie mit Verlust verkaufe, dann habe ich Geld verloren, oder geht es darum, gerade soviel Verlust zu machen wie ich Gewinn gemacht habe, damit die 25% KES sich ausgleichen?

    Macht es einen Unterschied, ob ich von dem Geld, das ich nach Verkauf von Verlustaktien erhalte, andere Aktien kaufe?


    Und gilt das alles für mich als Privatperson?

  • Doch da war irgendetwas Besonderes mit dem Neujahr, hat das was mit dem Freistellungsauftrag zu tun?

    Du spielts wahrscheinlich auf die Vorabpauschale bei thesaurierenden Fonds (ETF) an. :/

    Generell würde ich nicht Alles einfach so verkaufen nur um mir die Vorabpauschale zu ersparen. Schließlich muss ich dann ja alle Gewinne versteuern. Und Transaktionskosten/ Spread habe ich dann ja auch noch.

    Und ergibt es Sinn, gezielt Verluste zu machen, kommt dann unterm Strich mehr raus?

    Das Wichtigste zuerst: Nein, unter dem Strich kommt dabei nicht mehr raus!

    Es kann aber Sinn machen wenn Du Dich ohnehin von einer Verlustposition im Depot trennen willst. Dann kannst Du diese Verluste mit einer Gewinnposition verrechnen und zahlst dann keine Steuern mehr auf die realisierten Gewinne dieser Position.

    Es können nicht alle Verluste aus Kapitalerträgen miteinander verrechnet werden.

    Verlustabzug und Verlustausgleich nach § 10d EStG

  • Zum Jahresende können eben schon viele Gewinne (z.B. Dividenden) angefallen sein, die ich dann vor dem Ende des Steuerjahres durch Realisierung von Verlusten ausgleichen kann. Zu Jahresbeginn sind noch nicht viele Gewinne realisiert worden, die man ausgleichen kann. Im neuen Jahr kannst du die Gewinne vom Vorjahr nicht mehr mit Verlusten verrechnen, sondern Verluste würden dann in den Verlusttopf wandern. In Deutschland gibt es zwar verschiedene Verlusttöpfe, aber global spielt diese Unterscheidung meines Wissens keine Rolle.


    Was man nach der Realisierung der Verluste macht ist egal, du kannst die gleiche Position oder andere kaufen.


    Generell muss man die Steuern immer irgendwann bezahlen, jedoch ist es besser diese erst später zu bezahlen (Steuerstundung), da die gestundeten Steuern bis dahin noch Rendite erzielen können. Somit kommt 'unterm Strich mehr heraus'. Im Idealfall hat man natürlich gar keine Verluste.



    Was zum Jahresende auch noch eine Rolle spielen kann ist 'window dressing': Fondsmanager hübschen die Jahresbilanz auf, indem sie Positionen, die gut gelaufen sind nachkaufen und schlecht gelaufene abstoßen um zur Bilanzierungszeitpunkt mehr Topperformer im Portfolio zu haben.

  • Vorsicht

    Hier werden - glaube ich - Verluste direkt mit der Kapitalertragsteuer (KapESt) gedanklich verrechnet (Soli, Kirchensteuer, Freibetrag lass ich mal vereinfachend weg).

    Das führt zu der irrigen Annahme, dass Verluste - über die Reduktion der KapESt - durch verminderte Steuerzahlungen irgendwie ausgeglichen werden können.

    Aber die Verluste sind gegen die zu versteuernden Gewinne zu verrechnen.


    Annahme:

    1000 € Gewinn im laufenden Jahr -> 1000 € * 0.25 =250 € KapESt

    Ein Posten liegt im Depot und hat Verluste. Sagen wir eine Aktie wurde zu 1000 € gekauft und liegt jetzt bei 900 €.

    Wenn ich die jetzt verkaufe und sofort wieder zurück kaufe, dann habe ich einen Verlust von 100 € gemacht.

    Neue KapESt Berechnung: (1000 - 100) € * 0,25 = 225 €.

    D.h. ich habe 100 Euro Verlust gemacht, bekomme aber nur 25 Euro weniger KapESt berechnet. Das sind immer noch 75 € Verlust, die übrig bleiben.


    Und was bei den bisherigen Überlegungen komplett fehlt:

    Wenn ich die Aktie sofort wieder zurückgekauft habe, weil ich davon ausgehe, das sie doch noch in die Gewinnzone kommt und ich durch den Verkauf und Rückkauf nur meine KapESt senken wollte, dann muss ich auch berücksichtigen, was passiert wenn ich sie z.B. im Folgejahr dann vielleicht doch gewinnbringend verkaufe:

    Nehmen wir an, die Aktie steigt im Folgejahr auf 1100 € und ich verkaufe sie dann.

    Dann bezieht sich der zu versteuernde Gewinn auf den letzten Kaufkurs vom Rückkauf des Vorjahres. Das waren 900 €. D.h. der "Gewinn" liegt jetzt bei (1100 - 900) € = 200 €

    Wenn ich die Aktie einfach gehalten hätte, dann wäre der Gewinn (1100 - 1000) € = 100 €.

    Demzufolge ändert sich dann auch die KapESt für den Gewinn.

    Verkauf / Rückkauf im Vorjahr: (1100 - 900) € * 0,25 = 50 €

    Halten: (1100 - 1000) € * 0,25 = 25 €.


    Also habe ich am Ende mit Verkauf/Rückkauf am Ende doch 100 € Verlust gemacht.

    Aber im Folgejahr habe ich ja eine "Gewinn" von 200 € anstelle von 100 € gemacht.

    Da bleiben dann 100 € Gewinn übrig, die ich auch mit Halten gemacht hätte.

    Das wäre ein Nullsummenspiel, wenn nicht noch die zusätzlichen Transaktionskosten von Verkauf/Rückkauf dazu kommen würden. Die zahle ich dann noch drauf.


    Ich hoffe, ich habe nix übersehen. Korrigiert mich bitte, falls doch ein Fehler drin ist


  • Wenn ich die Aktie sofort wieder zurückgekauft habe, weil ich davon ausgehe, das sie doch noch in die Gewinnzone kommt ...

    Ein anderes interessantes Szenario wäre, wenn die verlustbringende Aktie dauerhaft den Bach runtergeht - bis zum Totalverlust. Und was dann dabei herauskommt, wenn man zwischenzeitig Verkauf / Rückkauf durchführt, um während der Verluste wenigstens die KapESt senken zu können. Also z.B. unter der Annahme, dass man ohne die verlustbringende Aktie jedes Jahr 1000 € Gewinn macht, aber die verlustbringende Aktie jedes Jahr 100 € an Wert verliert. Da wird man vermutlich auch nicht final glücklich damit, dass man die KapESt senken konnte.

    Gibt's da eigentlich entsprechende Beispiele auf den Seiten von Finanztip?

  • Das stimmt schon so, die Idee der Steuerstundung ist eben dass die 25 Euro erstatten Steuern auch investiert werden können und sich um 22% (wie die Aktie die von 900 auf 1000 steigt) vermehren. Dann ist es kein Nullsummenspiel.

  • Das stimmt schon so, die Idee der Steuerstundung ist eben dass die 25 Euro erstatten Steuern auch investiert werden können und sich um 22% (wie die Aktie die von 900 auf 1000 steigt) vermehren. Dann ist es kein Nullsummenspiel.

    Danke für den Hinweis. Diesen Aspekt habe ich übersehen. :thumbup: