Verlustausgleich und Verlustabzug So werden Verluste steuerlich verrechnet

Jörg Leine
Finanztip-Experte für Steuern

Das Wichtigste in Kürze

  • Grundsätzlich kannst Du Verluste und Gewinne innerhalb eines Jahres steuerlich miteinander verrechnen.
  • Übersteigen in einem Jahr Deine Aufwendungen die Einkünfte, ist es grundsätzlich möglich, dass Du den Verlust ins Vorjahr rück- oder in die Folgejahre vortragen kannst. Das spart Steuern.
  • Es gibt jedoch einige Beschränkungen beim Verlustausgleich, insbesondere bei Kapitalerträgen.

So gehst Du vor

  • Du kannst das Rücktragen Deiner Verluste ins Vorjahr betragsmäßig so begrenzen, dass Du davon steuerlich profitierst. Einen Verlustabzug beantragst Du in Deiner Steu­er­er­klä­rung. 
  • Die Steu­er­er­klä­rung machst Du am besten mit einem Steuerprogramm oder einer Steuer-App.
  • Wir empfehlen für alle Fälle Wiso Steuer 2024 und Steuersparerklärung (Steuerjahr 2023)ohne Photovoltaik. Wenn Du nicht selbstständig bist, reicht meist unser Preis-Leistungs-Tipp Tax 2024.
  • Für sehr einfache Fälle bieten sich auch die Steuer-Apps Steuerbot, Wiso Steuer und Taxfix an, die uns in unserem ausführlichen Test besonders überzeugt haben.

Es kann Jahre geben, in denen die Ausgaben höher sind als die Einnahmen. Wer ein Unternehmen gründet, macht zunächst oft erstmal Verluste. Auch Studierende und Arbeitnehmer haben manchmal Ausgaben, die sie möglicherweise steuerlich mit positiven Einkünften verrechnen können. Dann müssen sie in diesem Jahr weniger oder gar keine Steuern zahlen. Dieser Ratgeber erklärt die Systematik der Verlustverrechnung und des Verlustabzugs.

Verlustausgleich im selben Jahr

In der Einkommensteuer gibt es sieben Arten von steuerpflichtigen Einkünften, ausführlicher im Ratgeber Einkunftsarten:

  1. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§§ 19, 19a EStG)
  2. Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)
  3. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
  4. Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (§ 18 EStG)
  5. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG)
  6. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13 bis 14a EStG)
  7. Sonstige Einkünfte wie beispielsweise Renten (§§ 22, 23 EStG)

Verrechnung des Verlusts innerhalb einer Einkunftsart

Zunächst werden innerhalb einer Einkunftsart alle positiven und negativen Einkünfte miteinander verrechnet. Das ist der horizontale Verlustausgleich gemäß Paragraf 2 Abs. 3 EStG. Kapitaleinkünfte, die der Abgeltungssteuer unterliegen, werden nicht in den allgemeinen Verlustausgleich einbezogen.

Beispiel: Christiane hat zwei Wohnungen vermietet. Mit der einen erzielt sie 2023 einen Überschuss von 5.000 Euro, mit der anderen einen Verlust von 8.000 Euro. Zusammen ergibt das im Jahr 2023 bei den Vermietungseinkünften einen Verlust von 3.000 Euro.

Verrechnung der Verluste zwischen den Einkunftsarten

Im nächsten Schritt verrechnet das Finanzamt die Einkünfte aus den verschiedenen Einkunftsarten miteinander, das heißt dann vertikaler Verlustausgleich.

Beispiel: John erzielt als Arbeitnehmer ein Gehalt von 35.000 Euro. Nebenbei hat er eine Firma gegründet, die im ersten Jahr einen Verlust von 10.000 Euro erzielt. Das Finanzamt verrechnet beide Positionen miteinander, sodass der Gesamtbetrag der Einkünfte nur noch 25.000 Euro beträgt.

Das Finanzamt akzeptiert jedoch nur dann einen Verlust, wenn eine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt wird. Fehlt diese, dann unterstellt es „Liebhaberei“. Die Tätigkeit stuft es dann als private Angelegenheit ein. Weder Verluste noch Gewinne zählen. 

Falls Du hingegen Anlaufverluste hast, aber damit rechnest, dass Du perspektivisch Gewinne erzielen kannst, dann verlangt das Finanzamt möglicherweise eine stichhaltige Prognoserechnung, die aufzeigt, dass Du mit Gewinnabsicht handelst. Möglicherweise wird das Finanzamt Deine Steuerbescheide für einige Jahre offen halten, um etwaige Verluste noch nachträglich streichen zu können.

Die Verlustverrechnung erfolgt zunächst für jeden der zusammen veranlagten Ehegatten separat, dann werden die Ergebnisse miteinander verrechnet. Im Ergebnis spielt es keine Rolle, wer den Verlust erzielt hat.

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Verlustrücktrag und Verlustvortrag

Auch bei den Arbeitnehmereinkünften kann mal in einem Jahr ein Verlust entstehen. Mögliche Beispiele sind:

  • Ein Student hat 2023 noch keine Einnahmen, aber hohe Ausgaben für sein Masterstudium, zum Beispiel Studienkosten für diese zweite Ausbildung, Fachbücher und Fahrtkosten. Auch seine Bewerbungskosten für seinen ersten Job im nächsten Jahr zählen zu den vorweggenommenen Werbungskosten.
  • Eine Auszubildende hat hohe berufliche Fahrtkosten und nur sehr geringe Einnahmen.
  • Ein Arbeitnehmer investiert 2023 sehr viel in seine Weiterbildung und reduziert zugleich seine Arbeitszeit massiv. Im Jahr 2023 übersteigen seine Werbungskosten sein erzieltes Gehalt.
  • Eine Arbeitnehmerin ist arbeitslos geworden.

Verlustabzug als Sonderausgabe

Kann der Verlust nicht vollständig mit positiven Einkünften im selben Jahr verrechnet werden, kann der nicht ausgeglichene Betrag von einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte in einem anderen Jahr abgezogen werden.

Für den Verlustabzug, also einen Verlustrücktrag oder einen Verlustvortrag, können Verluste aus allen Einkunftsarten in Betracht kommen, wenn sie im Jahr des Entstehens zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte geführt haben (§ 10d EStG). Der Verlustabzug gehört zu den Sonderausgaben.

Paragraf 10d EStG durchbricht das Grundprinzip, wonach die Summe aller positiven und negativen Einkünfte für jedes Steuerjahr gesondert der Einkommensteuer unterliegt. Die periodengerechte Besteuerung wird insoweit außer Kraft gesetzt, indem der Paragraf 10d EStG erlaubt, dass der nicht ausgeglichene Verlust aus einem Veranlagungszeitraum im vorangegangenen Veranlagungszeitraum als Verlustrücktrag oder in einem der folgenden Veranlagungszeiträume als Verlustvortrag abgezogen wird.

Beispiel: Das Corona-Jahr 2020 hatte Sarah als Unternehmerin wirtschaftlich zugesetzt. 2019 hatte sie noch einen Gewinn versteuert, 2020 erzielte sie aber einen Verlust. Mit einem Verlustrücktrag wurde aus ihrem Verlust aus dem Jahr 2020 ihr bereits versteuerter Gewinn 2019 gegengerechnet. Der Verlust reduzierte ihr zu versteuerndes Einkommen. Das Finanzamt änderte den Steuerbescheid für 2019 und Sarah bekam eine Steuererstattung.

Bis 2021: Begrenzung des Verlustrücktrags konnte sich lohnen

Generell hast Du ein Wahlrecht zwischen dem Verlustrücktrag in das Vorjahr und dem Verlustvortrag in die Folgejahre.
Bis zum Steuerjahr 2021 konntest Du einen Verlust sogar teilweise rücktragen. Damit ließ sich der steuerfreie Grundfreibetrag ausnutzen. Den gewünschten Betrag musstest Du in Zeile 8 (Steuererklärung 2021) der Anlage Sonstiges in Deiner Steu­er­er­klä­rung eintragen. 

Wichtig: Ab dem Steuerjahr 2022 ist dieser begrenzte Verlustrücktrag nicht mehr möglich

Grundsätzlich ist der Verlustrücktrag auf eine Million Euro begrenzt, bei zusammen veranlagten Ehepaaren gilt der doppelte Betrag. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Höchstbetrag zuerst in den Steuerjahren 2020 und 2021 auf 10 Millionen Euro und 20 Millionen Euro bei Verheirateten deutlich erhöht. Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2022 blieb es auch in den Steuerjahren 2022 und 2023 bei 10 beziehungsweise 20 Millionen Euro als maximalen Verlustrücktrag. Zudem macht es das Gesetz möglich, Verluste nicht nur in das Vorjahr, sondern sogar in die vorangegangenen beiden Jahre zurückzutragen. Dafür gibt es aber, wie eben beschrieben, ab dem Steuerjahr 2022 nicht mehr die Möglichkeit, den Verlustrücktrag zu begrenzen. 

Ab dem Steuerjahr 2024 greift wieder die Begrenzung auf eine Million Euro. Allerdings bleibt es bei der Möglichkeit, Verluste in die vergangenen zwei Jahre zurückzutragen. 

Der rückgetragene Verlust wird vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Vorjahres abgezogen. Andere Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen des Vorjahres und andere Abzugspositionen werden nachrangig abgezogen.

Verlustvortrag ohne zeitliche Beschränkung

Dein Verlust wird so lange Jahr für Jahr vorgetragen, bis er komplett mit positiven Einkünften verrechnet ist. Begrenzen kannst Du ihn nicht. Du beantragst ihn auf der ersten Seite im Hauptvordruck Deiner Steu­er­er­klä­rung mit einem Kreuz bei „Erklärung zur Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags“.

Der Verlustvortrag muss vom Finanzamt in einem Verlustfeststellungsbescheid gesondert festgestellt werden. Wurde vom Finanzamt ein noch verbleibender Verlustvortrag festgestellt, musst Du im Folgejahr eine Steu­er­er­klä­rung inklusive der Anlage Sonstiges abgeben. Falls im Folgejahr der Verlust nicht vollständig verrechnet wird, fließt er in den Verlustfeststellungsbescheid dieses Jahres.

Nicht ausgeglichene negative Einkünfte (Verluste) können in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von einer Million Euro unbeschränkt und darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abgezogen werden (§ 10d EStG).

Beispiel: Gesamtbetrag der Einkünfte im laufenden Jahr 2 Millionen Euro. Berechnung: 1 Million plus 60 Prozent des darüberliegenden Betrages, macht zusammen 1,6 Millionen maximal im Veranlagungszeitraum verrechenbarer Verlust.

Die steuerfreien Einnahmen sind im Paragrafen 3 EStG aufgezählt. Sie mindern nicht den ausgleichsfähigen Verlust (BFH-Urteil vom 28. Juli 1959, Az. I 41/58 S). Auch steuerfreie Ver­äuß­er­ungs­ge­winne mindern nicht den ausgleichsfähigen Verlust (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1975, Az. VIII R 147/71). Zwar wird im Veranlagungsverfahren der Paragraf 10d EStG von Amts wegen angewendet. Hat aber ein Arbeitnehmer Anspruch auf Verlustausgleich und wird er nicht von Amts wegen veranlagt (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG), so werden die negativen Einkünfte nur berücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer eine Veranlagung beantragt (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG). Über die Höhe des Verlustabzugs ergeht vom Finanzamt eine gesonderte Feststellung.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 (GrS 2/04) hat der Große Senat des BFH die Vererblichkeit des Verlustvortrags des Erben beseitigt. Danach kann der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag nicht mehr zur Minderung seiner eigenen Einkommensteuer geltend machen. Eine Vererblichkeit des Verlustvortrags würde dem Grundsatz der Individualbesteuerung und dem Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit widersprechen.

Ver­lust­ab­zugs­be­schrän­kung­en erklärt

Das Einkommensteuerrecht enthält an einigen Stellen Ver­lust­ab­zugs­be­schrän­kung­en. So dürfen zum Beispiel nach Paragraf 15b EStG Steuerpflichtige im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell entstandene Verluste weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichen. Diese Verluste dürfen auch nicht nach Paragraf 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt. Diese Verluste gehen mithin nicht unbedingt verloren, denn sie dürfen mit positiven Ergebnissen – soweit vorhanden – aus derselben Einkunftsquelle in Folgejahren verrechnet werden.

Weitere Ver­lust­ab­zugs­be­schrän­kung­en können sich ergeben aus

Sieben Regeln für Verluste aus Kapitalvermögen

Für die Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen gelten folgende sieben Regeln:

  1. Verkaufst Du eine Anlage mit Verlust, so kannst Du diesen niemals mit anderen Einkünften, beispielsweise Arbeitslohn, Rente oder aus einer Vermietung, gegenrechnen.
  2. Verkaufst Du Aktien mit Verlust, kann dieser nur mit einem Gewinn aus Aktiengeschäften saldiert werden. Diese Regel ist jedoch umstritten. Der BFH meint, sie sei verfassungswidrig (Beschluss vom 17. November 2020, Az. VIII R 11/18; anhängiges Verfahren beim Bundesverfassungsgericht, Az. 2 BvL 3/21).
  3. Verkaufst Du Anlagen (außer Aktien und Termingeschäfte) mit Verlust, kannst Du diesen mit anderen Kapitalerträgen verrechnen – auch mit einem Gewinn aus dem Verkauf von Aktien.
  4. Neue Beschränkungen gibt es bei wertlosen Forderungen (Totalverlust) – zum Beispiel wenn Aktien nach der Unternehmensinsolvenz nichts mehr wert sind, ein Privatdarlehen oder eine stille Beteiligung ausfallen. Eine Verrechnung ist für jeden Anleger nur mit anderen Kapitalerträgen möglich und ab 2020 begrenzt auf 20.000 Euro im Jahr. Ein übersteigender Verlust muss auf Folgejahre vorgetragen werden. Erstmals betrifft dies die Anlage KAP des Jahres 2020. Entsprechende Angaben machst Du in den Zeilen 15 und/oder 25 (das gilt zum Beispiel für private Forderungen im Ausland). Am besten nutzt Du aber ein Steuerprogramm.
  5. Ab 2021 wird diese auf 20.000 Euro pro Jahr begrenzte Verlustverrechnung auf Verluste aus Termingeschäften ausgeweitet, zum Beispiel bei Derivaten wie Differenzkontrakte (sogenannte CFDs = Contracts for Difference). Optionsscheine und Zertifikate gehören nicht dazu. Dies legte das Bundesfinanzministerium in einem Schreiben vom 3. Juni 2021 fest. Die Verlustverrechnungsbeschränkung (Regel 4) könnte dennoch bei einem völlig wertlosen Knock-out-Zertifikat greifen. Verluste aus Geschäften mit CFDs, Futures, Forwards und Optionen kannst Du ausschließlich mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnen; bis 2020 war noch eine Verrechnung mit anderen Kapitalerträgen möglich. Folglich müssen Banken für Termingeschäfte einen vierten Verlustverrechnungstopf führen.

    Achtung: Mit dem Jahressteuergesetz 2024 ist die in den Regeln 4 und 5 genannte Grenze von 20.000 Euro gestrichen, Du kannst also solche Verluste unbegrenzt gegen Gewinne verrechnen - und das auch rückwirkend für offene Fälle. 
  6. Die Bank verrechnet in jedem Verrechnungstopf Gewinne und Verluste vor einem freigestellten Sparerfreibetrag, zum Beispiel 500 Euro laut Freistellungsauftrag. Im Steuerbescheid saldiert das Finanzamt zunächst Gewinne und Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und zieht dann den Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro und bei einer Zu­sam­men­ver­an­la­gung: von 2.000 Euro ab. Ein bereits auf Bankebene verbrauchter Teilbetrag verrechnet es entsprechend, zum Beispiel 400 Euro bei Freistellungsauftrag über 500 Euro.
  7. Deine positiven Kapitalerträge darfst Du mit anderen negativen Einkünften verrechnen, beispielsweise mit dem Lohn, einem Gewinn aus einer gewerblichen Tätigkeit oder Vermietung. Das ist die vertikale Verlustverrechnung.

Ausführliche Informationen haben wir für Dich im Ratgeber zur Anlage KAP zusammengestellt.

Autoren
Udo Reuß

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