Finanzielle Situation & Anlagen

  • Ja, natürlich! Rückblickend war das vor 10 oder 15 Jahren eine gute Entscheidung, aber für die nächsten?? Damals wusste man das ja auch nicht. Statistich gesehen könnte ein MSCI ja in der Zeit auch nur -0,7% im Schnitt gemacht haben. Ja, bei der Drowdown-Betrachtung muss man beachten von wo aus, denn wenn man da Vorsprung aufgebaut hat, dann steht man vieleicht absolut gesehen dennoch besser da. Ich weiß aber nicht, was heute noch passiert, geschweige denn morgen oder übermorgen.

    Bei 10-15 Jahren wird es schwierig. Bei 30-40 Jahren nicht. Und das sind halt die Zeiträume, die relevant sind, wenn man ein normales Menschenleben betrachtet. Selbst nach Renteneintritt muss man 30 Jahre ansetzen. Geht man von weniger aus, ist es ohnehin egal. Und denkt man dann noch eine Ecke weiter (hinterbliebener Partner, Kinder, Enkel,...) wird jede Abkehr von Eigenkapital unsinnig. Aber diese Diskussion hatten wir ja schon. In Deutschland schwer führbar. Selbst in der Finanz-Bubble.

  • Bei 10-15 Jahren wird es schwierig. Bei 30-40 Jahren nicht. Und das sind halt die Zeiträume, die relevant sind, wenn man ein normales Menschenleben betrachtet. Selbst nach Renteneintritt muss man 30 Jahre ansetzen. Geht man von weniger aus, ist es ohnehin egal. Und denkt man dann noch eine Ecke weiter (hinterbliebener Partner, Kinder, Enkel,...) wird jede Abkehr von Eigenkapital unsinnig. Aber diese Diskussion hatten wir ja schon. In Deutschland schwer führbar. Selbst in der Finanz-Bubble.

    Nicht nur in Deutschland, das 60/40 kommt aus Amiland... Und auch sonst. 100% Aktien sind in keinem Volk die Regel.


    Und nochmals: Ich kenne meinen Anlagehorizont nicht und möchte mein Geld schlicht nicht auf diese Sicht anlegen. Ja, viele Menschen unterschätzen den Anlagehorizont, aber andere überschätzen ihn auch. 70% aller LV/RV werden gekündigt bevor die Leistunsgphase erreicht ist ein großteil zusätzlich beitragsfrei weitergeführt. Natürlich es gibt da ja auch diese Studie 100% Equity (wie hieß die). Abgesehen von der Methodik (block bootstrapping, Datenbasis, Grundanahmen..) ist und bleibt das ein Blick in den Rückspiegel und berücksichtigt nicht die Anlegerpersönlichkeit.


    Es macht auch wenig Sinn nur ex post die vergangenen 10, 15 oder auch 20 Jahre zu betrachten. Um ein besseres Bild zu erhalten ist es wesentlich sinniger die einzelnen 10, 15 oder 20 Jahresperioden innerhalb eines maximalen Zeitraumes zu betrachten und zu schauen, in wievielen dieser Zeitperioden welche Strategie besser war. Aber auch das ist nur modellhaft und retrospektiv.


    Ich bin absolut fein damit, wenn jemand 100% Aktien macht. Das ist auch eine Glaubensfrage, es gibt auch Menschen die eine 100% Bitcoin oder 100% Immobilienstrategie verfolgen und mit einer Flut von Argumenten untermauern können. Ich bin da ganz emotionslos, wichtig ist doch, dass der Anleger sich damit wohlfühlt. Und am Ende ist es alles nur Geld...


    P.S.: Wenn es nur um die beste langfristige historische Rendite geht, dürfte man nicht in Aktien investieren, sondern müsste komplett in EM Bonds in $ gehen. In den letzten 200 Jahren war das die renditestärkste Anlageklasse. Aber das tue ich auch nicht.

  • Ich bin absolut fein damit, wenn jemand 100% Aktien macht.

    Für einen Arbeitnehmer in Deutschland sind 100% Aktien in der Vermögensaufstellung schlichtweg unmöglich.

    Allein schon weil im Laufe der Berufstätigkeit Ansprüche an die GRV entstehen. Wenn ich allein meine zukünftigen Ansprüche an die GRV auf 25 Jahre hochrechne bin ich bei locker 500K€.


    PS: Ich habe 100% Aktien-ETF im Depot. Dazu aber eben auch etwas Tagesgeld auf dem Konto, eine uralte Kapitallebensversicherung und eine stillgelegte bAV.

    Der nächste hat halt eine ETW, ein Haus oder noch 1Kg Gold im Garten vergraben. Ich kenne niemanden, der wirklich nur 100% Aktien in seiner Vermögensaufstellung stehen hat und sonst nix.

  • Für einen Arbeitnehmer in Deutschland sind 100% Aktien in der Vermögensaufstellung schlichtweg unmöglich.

    Allein schon weil im Laufe der Berufstätigkeit Ansprüche an die GRV entstehen. Wenn ich allein meine zukünftigen Ansprüche an die GRV auf 25 Jahre hochrechne bin ich bei locker 500K€.

    Es geht bei so einer Diskussion eigentlich immer um ,,wie viel Aktienanteil im Depot".


    Dein Punkt ist allerdings sehr gut. Die Gesamtbetrachtung vergessen viele, wenn sie über die vermeintlichen Vorteile bei einer Beimischung von Anleihen sprechen.


    Wer heute im Depot nur Aktien-ETF hat, wird durch sein Humankapital, Rentenansprüche usw. trotzdem unter 30% Aktien im Gesamtvermögen bleiben. Vermutlich die meiste Zeit unter 20%. Kommt dann noch eine Immobilie dazu, geht es noch weiter runter. Trotzdem versucht fast jeder seinen Aktienanteil weiter zu reduzieren, weil das Risiko zu hoch sei.

  • Aber Rentenansprüche sind nicht liquide, zweckgebunden und der Wert kann von 0 (sterbe vorher) bis ziemlich viel reichen.


    Das Humankapital ist ein RiskAsset. Ich kann noch Millionen verdienen oder auch weniger oder auch nichts mehr... Mein Humankapital hängt auch an der Wirtschaftslage...


    Das kann man alles so oder so sehen. Wenn schon mein Humankapital risikobehaftet ist brauche ich dann 100% Aktien im liquiden Anlagevermögen?


    Ich glaube da hilft eine rein rationale Betrachtung nicht aus. Es sind vielmehr auch praktische Aspekte und auch Emotionen zu berücksichtigen. An der Supermarktkasse kann ich weder mit Rentenpunkten noch mit Humankapital zahlen. Für einen Immobilienkauf auf Pump bietet es sich an ein gewisses Humankapital vorweisen zu können, dass ausreichend monetarisiert ist, aber Rentenpunkte nehmen die auch ungern. Wenn ich in einer Weltwirtschaftkrise mal nicht nur Zuseher bin, sondern - oh Wunder - auch mal betroffener nützt mir akut das Humankapital wenig und die Aktien sind auch im Keller....


    Ist halt alles Ansichtssache. Ich fand es zuletzt spannen, da hat jemand sein "Spardepot" vorgestellt mit 100% Aktien (und Klumpen in NVIDIA und US Tech). Als Sparziel nannte er u.a. Reisen. Da habe ich mich auch gefragt, ob es nicht sogar eine erwägenswerte Möglichkeit wäre immer alles, was übrig bleibt in Aktien zu stecken und einfach den Lebensstandard anzupassen an die finanziellen Gegebenheiten zum konkreten Zeitpunkt. Ist die Aktienmarktrendite gerade schlecht gewesen und kein Geld da, fahre ich halt nicht in Urlaub und nutze mein Handy weiter. Bei vielen Selbstständigen dürfte das ohnehin Alltag sein. Vieleicht ist das für einige Menschen auch der richtige Weg? Kann sein. Für mich ist das nichts.


    Bin mal gespannt, wie solche Diskussionen nach 15 schlechten Börsenjahren laufen... Vieleicht so: " Warum willst Du Deinen Anleihen denn dann noch die lowperformer Assetklasse Aktien beimischen, Du hast doch schon so viel Vermögen in Form von Humankapital im Risiko." ;)


    Aber Ihr habt natürlich Recht in der Gesamtbilanz müssten Rentenansprüche und Humankapital, sowie alle anderen Vermögenswerte auf den Tisch. Dann sprächen wir halt nicht mehr darüber, ob 100 oder 80% Aktien, sondern ob 10 oder 25%...

  • Aber Rentenansprüche sind nicht liquide, zweckgebunden und der Wert kann von 0 (sterbe vorher) bis ziemlich viel reichen.

    Das ist unlogisch. Stirbst du vorher ist auch die Aktien vs. Mix-Asset Entscheidung irrelevant. Bei der langfristigen Kapitalanlage geht es vorwiegend um einen gesicherten Ruhestand. Bei dieser Thematik sind Rentenansprüche ein relevanter finanzieller Faktor, der in die Asset-Allokation mit einbezogen werden muss.


    Zitat von Factfulness

    Das Humankapital ist ein RiskAsset. Ich kann noch Millionen verdienen oder auch weniger oder auch nichts mehr... Mein Humankapital hängt auch an der Wirtschaftslage...

    Auch das ist unlogisch. Wie viel Prozent der beschäftigten Bevölkerung haben in ihrem Leben weniger als 1 Mio. Euro an Humankapital? 0,01%? Die Arbeitskraft ist kein Risk Asset, sondern das sicherste und wichtigste Asset überhaupt. Es sollte deshalb auch durch eine BU abgesichert sein. Aus der geringen Wahrscheinlichkeit, dass man bis Rentenbeginn nichts oder kaum etwas verdienen kann abzuleiten, dass man mehr Geld in vermeintlich sichere Anleihen investieren sollte ist abenteuerlich. Das macht keinen Sinn.


    Man sollte bei einer Vermögensanalyse und -planung von einem Normalfall ausgehen und nicht von den 0,01% der Ausnahmen. Die kann man mit Versicherungen o.ä. abdecken.

  • Also bei mir in Deutschland ist das anders. Mein Anlagevermögen kann ich vor der Rente beliebig ausgeben und steht im Falle meines Ablebens auch meinen Erben zur Verfügung, ich kann es verschenken, spenden usw.


    An mein Guthaben in der gesetzlichen Rente komme ich aktuell nicht ran und kann dies weder verschenken noch vererben. Verleben kann ich das erst im Alter.


    Wie hoch mein Humankapital in die Zukunft gerichtet noch ist, kann ich nicht sagen. Wieviel ich davon noch nutze, weiß ich auch nicht. Vieleicht höre ich ja auch in ein paar Jahren auf gegen Entgeld zu arbeiten? Vieleicht arbeite ich noch 30 Jahre? Die Wahrscheinlichkeit es nicht zu tun sehe ich höher als 0,001% an. Mein Humankapital wird wahrscheinlich irgendwo noch zwischen 400k und ein paar Millionen liegen. Genau weiß ich das nicht. Aber genau das meine ich ja, Aktien sind riskant, weil sie volatil sind und der Vermögensendwert nicht bekannt ist, auf kurze und mittlere Frist insbesondere. So verhält es sich auch mit meinem Humankapital, wie hoch es ausfallen wird hängt von meinen künftigen Entscheidungen aber auch von äußeren Faktoren ab, es ist schlicht unsicher.



    Und ja, es ist eine Frage des Anlagehorizontes. Ich betreibe aber keine gezielte Altersvorsorge sondern werfe alles außer Notgroschen und kurzfristiges in einen Topf. Ja, von dem Topf muss ich auch Zeiten ohne Erwerbseinkommen bestreiten und letztendlich auch neben der gesetzlichen Rente mein Leben im Alter bestreiten. Aber ich differenziere das nicht. Ich weiß ungefähr welcher Liquiditätsbedarf in unterschiedlichen Szenarien bestehen kann, kenne meinen bereits erreichten Rentenanspruch usw. und weiß, dass ich diesen dann decken muss. Aber mein Geld ist nicht ausschließlich für viel später.


    Ich könnte das auch anders machen, klar. Ich könnte zum Beispiel einen Teil des Aktienteils, welcher für die Rente benötigt wird auf ein Extradepot übertragen. Dann könnte ich zu recht behaupten, dass ich fürs Alter auf 100% Aktien setze. So gesehen steckt meine Altersvorsorge 100% in Aktien...


    Ich gebe zu, dass ich rational gesehen für viele mögliche Pfade meines Lebens einen zu hohen nominalen Anlageanteil habe. Aber ich fühle mich damit wohl und genieße die gefühlte Unabhängigkeit und Sicherheit. Ich finde es halt gut einen Nominalbetrag (zum Teil in Fremdwährung) liegen zu haben, der mir eine gewisse Zeit mein Leben hier oder woanders oder einen kompletten Neustart ermöglicht. Ob das wirklich so ist, wenn es so kommt? Ob das smart oder klug ist? Vieleicht nicht.


    Ich habe selbst schon darüber nachgedacht den Nominalanteil betragsmäßig zu fixieren und nicht mit höherem Vermögen ansteigen zu lassen (safe asset floor). We'll see...


    Funfact am Rande: Ein 60/40 Portfolio hatte in der Vergangenheit eine bessere risikoadjustierte Rendite als ein reines Aktienportfolio. Also wäre es ertragreicher gewesen auch auf die lange Frist ein 60/40 Portfolio auf das Risiko eines 100% Aktieninvestes zu hebeln und so mehr Rendite einzufahren. Aber ich sage ja jetzt nicht allen, sie sollen 60/40 hebeln statt 100% Aktien zu fahren.


    Nach 15 guten Börsenjahren denken auf einmal viele, dass es andere Assetklassen nur zum Spaß gibt und alle, die nicht oder nicht zu 100% in Aktien gehen Vollidioten sind.


    60/40 hat auch schon über 20 Jahre ein reines Aktiendepot outperformend.


    Ich sage ja auch nicht, daß ich 60/40 fahre und auch nicht, dass das die ultimative Lösung ist. Aber 100% Aktien sind es auch nicht immer und für jeden.


    Klar, wenn jetzt ein 20 jähriger einen Sparplan für die Rente aufsetzt, ist das sicher nicht verkehrt das ziemlich aktienlastig zu machen.