Entnahmestrategie Prof. Weber / Annuität aus 1.2 Mio. Euro

  • Ich habe eine Frage zum Thema ,,Entnahmestrategie“ bzw. mich würde interessieren welche Meinungen es zu diesem Thema gibt. Bitte gerne melden, falls ich einen Denkfehler habe:


    Die weit verbreitete 4%-Regel (=4% vom Anfangskapital wird als jährlicher Fixbetrag entnommen) wurde ja mehrfach als zu riskant eingestuft, da es ein erhebliches Pleiterisiko gebe (auch bei ,,nur“ 30 Jahren Entnahmedauer und auch bei 60/40 Aktien/Anleihen). Bei solchen einfachen Entnahmestrategien wird mittlerweile zu 3% oder noch weniger geraten. Das ist zwar sicher(er), allerdings ist die Wahrscheinlichkeit ein erhebliches Vermögen zu hinterlassen sehr hoch. Das mag für den einen oder anderen kein Problem darstellen oder gar beabsichtigt sein, senkt aber zwangsläufig den Entnahmebetrag und damit eventuell Lebensqualität.


    Es gibt von Prof. Dr. Martin Weber (Arero) ein interessantes Dokument zu diesem Thema (Entsparen im Alter).

    Es werden mehrere Möglichkeiten der Entnahme vorgestellt.

    Die geringe Höhe des Anfangskapitals und die 5 Jahre Entnahmezeit wurden vermutlich absichtlich so gewählt, um es übersichtlicher zu machen.



    Allgemeine Formel Annuität




    Beispiel 1 (konstante Entnahme ohne risikobehaftetem Portfolioanteil)



    Anmerkung von mir:

    • Man entnimmt jedes Jahr so viel, dass inklusive nominaler Wertsteigerung am Ende des gewählten Zeitraums kein Geld mehr übrig ist.
    • Der jährliche Entnahmebetrag bleibt gleich.
    • Die Planbarkeit ist sehr hoch (keine Wertschwankungen).
    • Das Pleiterisiko ist Null.
    • Die Rendite ist sehr gering (nur Inflationsausgleich).


    Beispiel 2 (variable Entnahme aus risikobehaftetem Portfolio)




    Anmerkung von mir:

    • Da die Annuität jedes Jahr erneut mit dem aktuellen Portfoliowert berechnet wird, ist das Pleiterisiko Null.
    • Wahrscheinlich deutlich mehr Rendite und Entnahme als bei Beispiel 1.
    • Die Entnahmehöhe schwankt stark.
    • Automatischer Inflationsschutz durch die Wertsteigerung im Portfolio.


    Beispiel 3 (variable Entnahme aus risikobehaftetem Portfolio mit Obergrenze)



    Anmerkung von mir:

    • Da die Annuität jedes Jahr erneut mit dem aktuellen Portfoliowert berechnet wird, ist das Pleiterisiko Null.
    • Wahrscheinlich deutlich mehr Rendite und Entnahme als bei Beispiel 1.
    • Die Entnahmehöhe schwankt weniger stark als bei Beispiel 2.
    • Automatischer Inflationsschutz durch die Wertsteigerung im Portfolio.




    Meine persönliche Situation:

    • Depotgröße: ca. 1.2 Mio. Euro
    • Aufteilung: ca. 90% Aktien-ETF (global), ca. 10% risikoarm (Tagesgeld, dt. Staatsanleihen, Geldmarkt-ETF)
    • Entnahme ab 60 für (gerechnet) 35 Jahre
    • Erwartete Rendite: 6% (bewusst geringer gewählt als Prof. Weber)
    • Variante 3:

    1.200.000 Euro

    x

    (1,06)34x0,06

    (1,06)35-1

    =

    78.083 Euro (=Entnahmebetrag im ersten Jahr)


    Kann das stimmen? Habe ich falsch gerechnet?

    Man würde im ersten Jahr 6,5% entnehmen? Das wirkt extrem hoch für mich.




  • Elena H.

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Die weit verbreitete 4%-Regel (=4% vom Anfangskapital wird als jährlicher Fixbetrag entnommen) wurde ja mehrfach als zu riskant eingestuft, da es ein erhebliches Pleiterisiko gebe (auch bei ,,nur“ 30 Jahren Entnahmedauer und auch bei 60/40 Aktien/Anleihen). Bei solchen einfachen Entnahmestrategien wird mittlerweile zu 3% oder noch weniger geraten.

    Das ist zwar sicher(er), allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, ein erhebliches Vermögen zu hinterlassen, sehr hoch.

    Das wäre ja fürchterlich!

    Meine persönliche Situation:

    • Depotgröße: ca. 1.2 Mio. Euro
    • Aufteilung: ca. 90% Aktien-ETF (global), ca. 10% risikoarm (Tagesgeld, dt. Staatsanleihen, Geldmarkt-ETF)
    • Entnahme ab 60 für (gerechnet) 35 Jahre
    • Erwartete Rendite: 6% (bewusst geringer gewählt als Prof. Weber)

    Ich würde den ganzen Ansatz in die Tonne treten. Wenn zu Beginn der Entnahmephase eine Serie von schlechten Jahren kommt, zählst Du mit dieser Vorgehensweise zu den wenigen Prozenten Pleitiers. Gerade dann sind die oben genannten 4% ja auch zuviel. Wenn Du zu Beginn der Entnahmephase ein paar gute Börsenjahre hast, sammelst Du Speck an, von dem Du hinterher dann zehren kannst.


    Finanzplanung muß immer ganzheitlich sein, einen Einzelaspekt zu betrachten bringt nichts. Am Anfang steht immer die Privatbilanz und die bestehende mittelfristige Finanzplanung.


    Was Du hier treibst, ist Spiegelfechterei.

  • Ich habe mich mit der Entnahmephase bzw Entnahmestrategie noch nicht beschäftigt, da dies in ganz weiter Zukunft relevant sein wird bei mir.


    Die 4% Regel gilt m.E. mittlerweile als überholt. Ben Felix von Rational Reminder hat auf seinem Kanal ein Video gemacht. M.E. wird dort 2,7 Prozent genannt. Der liebe monstermania hatte mal einen Link angegeben. Nur leider finde ich diesen nicht mehr. Er war sehr interessant gewesen. Gerade weil auf das Renditereihenfolgerisiko eingegangen wird. Ich tagge das hier mal für ihn. Ich weiß, dass er zu dem Thema Entnahmephase schon ein paar Beiträge hinterlassen hat.


    Die von dir genannten Entnahmestrategie sind interessant. Und Herr Prof. Weber schätze ich auch sehr, nur ist mir der Ansatz ein wenig zu dogmatisch bzw. zu theoretisch.


    Denn die genannten Ansätze setzen nun mal voraus, dass es zu Beginn der Entnahmephase zu keinem Crash kommt.


    Ich weiß nicht wie alt du bist und wie lange du noch hast bis zu deiner Entnahmephase. Die Angaben finde ich nicht unwichtig. Auch ob dein Sicherheitsbaustein lediglich aus den 10% genannten Cashpositionen besteht oder ob noch diverse Rentenansprüche oder Immobilie besteht. Das ist das von Achim Weiss oft zitierte "Finanzplanung ist immer ganzheitlich zusehen".


    Denn hast du noch weiteren regelmäßigen Cashflow wie aus Rentenansprüche dann ist dass nicht unerheblich bei der Höhe der Entnahme.


    Ich verstehe dich zu gut, dass du mit deinem Vermögen gleich Null aufgehen möchtest wenn der letzte Tag gekommen ist. Aber das Leben ist nicht planbar und verläuft auch nicht linear. 35 Jahre oder besser gesagt bis 95 Jahre ist schon mal gut gerechnet wenn man bedenkt dass die durchschnittliche Lebenserwartung geringer ist.


    Bei momentan 1,2 Millionen Vermögen bist du auch schon weit über dem Durchschnitt. Manche würden sagen, du hast das Spiel womöglich schon gewonnen.


    Ich weiß nicht ob man die Entnahmephase so genau planen kann. Der Ansatz von Prof. Weber ist halt ein theoretischer Ansatz. Er berücksichtigt meines Erachtens neben dem Renditereihenfolgerisiko etwas ganz banales nicht: mit zunehmenden Alter wird die Gesundheit nicht besser, eher schlechter. Da muss ich mich - Finanzen ausgeblendet - fragen was dann mein Cash eigentlich noch Wert ist wenn ich mit 87 genauso viel entnehmen kann wie mit 62 Jahren aber ich nicht in der Lage bin damit mehr etwas anzufangen.


    Deswegen würde ich schon mit einer Entnahmeregel arbeiten aber diese nicht so dogmatisch wählen wie von Herrn Prof. Weber denn wir wissen nicht wie das Leben spielt. Auch denke ich dass der Versuch etwas perfekt oder perfekter als perfekt (um zu übertreiben) es nicht unbedingt besser macht. Die 6,5% ist ja nur die erwartete Rendite, nicht die garantierte.


    Ich würde ein paar Jahre zu vor meinem Sicherheitsbaustein erhöhen. Aus dem einfachen Grund falls ein Crash am Aktienmarkt kommt ich nicht meinen Lebensstandard senken muss und/oder Aktien im Minus verkaufen muss. Wenn man das Spiel gewonnen hat sollte man aufhören es zu spielen. Sicherheit und dein Lebensstandard sind nun mal wichtiger.


    Die Entnahme würde ich mit 3 Prozent als Richtlinie vornehmen aber trotzdem individuell schauen. Aber 3 Prozent erachte ich als angemessen soweit.


    Und wenn es soweit ist, dann nicht mehr so viel mit Finanzen beschäftigen sondern LEBEN.

  • Also in der dynamischen Entnahmestrategie von Prof. Weber geht man ja jedes Jahr von dem verbleibenden Restensparzeitraum aus. Hier wären es ja 35 Jahre im ersten Jahr. Man berechnet, welche Entnahme beim gegebenen Erwartungswert und gewünschtem Kapitalverzehr in diesem Jahr möglich wäre. Im folgenden Jahr macht man das dann mit 34 Jahren und so weiter. So ist das Pleiterisiko Null, aber der Konsum schwankt stark.


    Die ca. 78.000€ sind für das Jahr 1 aus meiner Sicht korrekt.


    Es empfielt sich aber - je nachdem - eine Konsumobergrenze einzuziehen um die Schwankungen zu glätten. Auf behavirol-finance.de findest Du eine Simulation unterschiedlicher Pfade der Vergangenheit. Dieser Rechner kann helfen eine passende Konsumobergrenze zu finden, die den persönlichen Bedürfnissen gerecht wird. Allerdings ist das da nur bis 1 Mio. möglich. Ich würde daher einfachheitshalber mit 120k simulieren und eine Null anhängen.

  • Kann das stimmen? Habe ich falsch gerechnet?

    Man würde im ersten Jahr 6,5% entnehmen? Das wirkt extrem hoch für mich.

    Nein, das ist nicht "hoch". Denn Du rechnest ja mit konstanter Verzinsung von 6% plus Entnahme, daher ist die Entnahmerate ja höher als die 6%.


    Ohne Konsumobergrenze schankt die jährliche Entnahme jedoch extrem, nämlich ca. zwischen 31.000 und 110.000€. Eine Konsumobergrenze glättet das ganze, führt aber mitunter dazu, dass das Depot am Ende nicht bei Null liegt.


    Den einzig richtigen Weg gibt es nicht. Bei 4% konstanter Entnahme liegt das Pleiterisiko bei 16% (bei 90/10 Portfolio), aber das durchschnittliche Endvermögen bei über 2 Mio. Bei 3,5% Entnahme sind es nur noch 7% Pleitewahrscheinlichkeit, aber ein durchschnittliches Endvermögen von 2,5 Mio. Alles ohne Inflationsanpassungen gerechnet. Die müsste man dann noch dazu nehmen. Und alles auf 90/10 basierend gerechnet.

  • Georg hat zum Thema Pleite mal was geschrieben.

    Erkennen, wenn die Pleite droht – besteht während der Entnahmephase Handlungsbedarf? – Finanzen? Erklärt!


    Grundsätzlich dürfte es kein sinnvolles Ziel sein, zum Zeitpunkt X auf 0€ zu stehen. Zum einen geht man durch die immer höheren Entnahmen in den mittleren und späteren Jahren ein hohes Risiko ein, doch noch Pleite zu gehen. Zum anderen muss man die Entnahme auch irgendwie sinnvoll verleben. Mit 80 will man statt dem Lambo lieber ein komfortables Auto und mehr als ein Wohnmobil braucht es auch nicht. Was übrig bleibt, kommt den Erben zugute. Das Paradox bei der Entnahme mit Kapitalverzehr ist, dass normalerweise am Ende mehr übrig ist als am Anfang.

  • Zum einen geht man durch die immer höheren Entnahmen in den mittleren und späteren Jahren ein hohes Risiko ein, doch noch Pleite zu gehen.

    Bei der hier diskutierten dynamischen Methode geht man aber nicht vorzeitig Pleite. Auch ist hier in nicht systematisch von über die Zeit steigenden Entnahmen auszugehen.


    Mit exakt 0 abzudanken, ist ohnehin sehr unwahrscheinlich, da auch das genaue Sterbedatum nicht vorhersehbar ist. Es geht bei Entnahmestrategien mit Kapitalverzehr primär darum nicht "zuviel" Endvermögen zu hinterlassen bzw. den Konsum im Vergleich zu einer konstanten Entnahme zu steigern. So liegt eine dynamische Entnahmerate im Durchschitt in diesem Fall bei ca. 60k, bei 3,5% Entnahme nur bei 42k. Ich denke, das kann jeder handhaben, wie er will.


    Strategien gibt´s ja verschiedene. Das hier ist eine. Man kann das alles nach seinem Gusto anpassen, um aber ein Gefühl über mögliche Größen und Risiken zu erhalten, finde ich den Rechner auf der Website ziemlich hilfreich.


    Besonders kritisch sind halt die Extremfälle und diese speziell zu Beginn der Entnahmephase. Es gibt auch die Möglichkeit eine definierte Menge an Jahresbedarfen "sicher" vorzuhalten und in sehr schlechten Börsenjahren davon zu leben. Prof. Weber geht von einer konstanten Assetallokation entsprecheden anteiligen Entnahmen aus. Im Sinne der Antizyklik könnte man da auch andere Ansätze in Erwägung ziehen.


    Aber es ist schlicht blöd, wenn man keine Angehörigen hat, die man bedenken kann oder will und dann mit 2,5 Mio abdankt. Geld das man nicht ausgegeben hat, hat einem auch nicht viel gebracht.

  • Die 6,5% in Entnahmerate empfinde ich als deutlich zu hoch, auch wenn das rechnerisch hinkommt. Ich habe mich auch schon etwas mit dem Thema Entnahmestrategien beschäftigt und die besten Beiträge dazu beim hier schon zitierten Georg von Finanzen? erklärt! gefunden.

    Ich persönlich tendiere zum progressiven Entnehmen unter Zuhilfenahme des Cape Ratio.


    Progressives Entnehmen – die Strategie für maximale Entnahmen bei gleichzeitig geringer Pleitegefahr – Finanzen? Erklärt!


    Zur Zeit ergäbe sich als sichere Entnahmerate nach der Formel von Georg und einem angenommenen globalen CAPE von 25,3:


    15% / √25,3 = 2,98%


    Eventuell ist für die Anfangszeit der Entnahmephase auch noch ein Cash-Puffer sinnvoll.


    Entnahmestrategien optimieren: Die Renaissance der Cash-Puffer-Strategie
    Durch die Arbeit am Blog und in der Finanzberatung wird immer wieder deutlich, wie unterschiedlich die individuellen Anforderungen an eine Finanzplanung ausfall
    www.finanzen-erklaert.de

  • Nein, das ist nicht "hoch". Denn Du rechnest ja mit konstanter Verzinsung von 6% plus Entnahme, daher ist die Entnahmerate ja höher als die 6%.


    Ohne Konsumobergrenze schankt die jährliche Entnahme jedoch extrem, nämlich ca. zwischen 31.000 und 110.000€. Eine Konsumobergrenze glättet das ganze, führt aber mitunter dazu, dass das Depot am Ende nicht bei Null liegt.

    Das heißt, wenn es im Jahr 2 des Ruhestands das Depot massiv einbricht, sinkt auch die Entnahmerate massiv. Ich habe gerade mal beispielshaft mit 500.000 EUR Depotwert gerechnet, da müsste dann die Entnahme nur noch bei ca. 32.800 EUR liegen (wenn ich richtig gerechnet habe). Das passt ja ungefähr auch zu Deiner Rechnung.


    Und ja, ich würde meine Entnahmestrategie auch davon abhängig machen, wieviel ich zusätzlich aus dem Depot wirklich brauche (um die Lebenshaltungskosten zu decken) und wieviel einfach zusätzlicher "Luxus" ist, außerdem würde ich ggf. mit einem Cash-Puffer für einige Jahre arbeiten.


    Bei mir ist es noch lange hin, deshalb habe ich bei Georg hier und da mal reingelesen, aber bin da noch nicht voll eingestiegen, das ist ja doch eine Wissenschaft für sich. Und einige Jahrzehnte vorher weiß man ja ohnehin nicht, ob man überhaupt so alt wird und wieviel Vermögen bis dahin zur Verfügung steht, da sind noch viel zu viele Variablen drin. Mit Kind ist bei mir das Ziel außerdem auch nicht unbedingt, genau den Punkt zu treffen, wo im Todeszeitpunkt nichts mehr übrig ist.

  • Das heißt, wenn es im Jahr 2 des Ruhestands das Depot massiv einbricht, sinkt auch die Entnahmerate massiv. Ich habe gerade mal beispielshaft mit 500.000 EUR Depotwert gerechnet, da müsste dann die Entnahme nur noch bei ca. 32.800 EUR liegen (wenn ich richtig gerechnet habe). Das passt ja ungefähr auch zu Deiner Rechnung.

    Genau!


    John Bogle hat es ja schon schön gesagt. Zu dogmatisch sollte man das alle nicht sehen. Aber die Methode und der dazugehörige Rechner ist halt simpel und zuverlässig und vermittelt einen guten Eindruck, was möglich ist. Es ist ja nicht verboten (wenn man schon 90/10 fährt) einen Chashpuffer von 3-5 Jahren vorzuhalten (dann wäre man faktisch bei 80/20) um insbesondere zu Beginn ein bisschen Sicherheit zu haben. Auch kann man eine Mindestentnahme definieren, oder den schwankungsärmeren Teil höher ansetzten, in schlechten Börsenphasen mehr aus dem "Sicherheitsbaustein", als aus den Aktien zu entnehmen usw. Man sollte bei alledem aber aufpassen, dass man es nicht übertreibt und da helfen die Methoden von Weber und auch der Rechner, bei dem man sich zufällige Konsumpfade ansehen kann.


    Ich denke sich eine passende Strategie zu suchen und festzulegen hilft keine Dummheiten zu machen. Für Geld haben wir keinen Sinn und für Zinsen bzw. exponentielles Wachstum ist unser Hirn nicht gemacht.


    Die Frage ist halt, welche Schwankungen kann ich akzeptieren (habe ich sonstige Einnahmen), welchen Mindestkonsum benötige ich zwingend, usw.


    Ob der benötigte Konsum mit dem Alter zu oder abnimmt, muss jeder für sich festlegen.

  • Beispiel 1 (konstante Entnahme ohne risikobehaftetem Portfolioanteil)

    Anmerkung von mir:

    Man entnimmt jedes Jahr so viel, dass inklusive nominaler Wertsteigerung am Ende des gewählten Zeitraums kein Geld mehr übrig ist.
    Der jährliche Entnahmebetrag bleibt gleich.
    Die Planbarkeit ist sehr hoch (keine Wertschwankungen).
    Das Pleiterisiko ist Null.
    Die Rendite ist sehr gering (nur Inflationsausgleich).

    Ja, es setzt aber voraus, dass Du eine Anlageform findest, die Dir 35 Jahre einen festen Zinssatz bietet... Das wird schwierig. Du könntest eine Sofortrentenversicherung nehmen aber, ob das sinnvoll ist?

  • Bei der hier diskutierten dynamischen Methode geht man aber nicht vorzeitig Pleite. Auch ist hier in nicht systematisch von über die Zeit steigenden Entnahmen auszugehen.

    Jein. Du kannst innerhalb des geplanten Entnahmezeitraums nicht pleitegehen, da sich die Entnahme ggf. stark reduziert. Aber zum Ende des Entnahmezeitraums ist nichts mehr da. Soweit die Theorie.

    In der Praxis endet der Entnahmezeitraum mit dem Tod und der meldet sich nicht mit mehreren Jahren Vorlauf genau an. Eine Überschreitung des geplanten Entnahmezeitraums auch nur um einen Monat führt zur garantierten Pleite. Das ist bei anderen Entnahmestrategien nicht so. Wer es über den Entnahmezeitraum schafft, hat fast immer mehr als genug Geld übrig, um Langlebigkeit abzufedern.


    Bezüglich der Entnahmeraten...doch, hier ist von steigenden Raten auszugehen, wenn die gerechnete Rendite die tatsächliche Rendite unterschreitet. Die zu geringe Entnahme im Jahr x wird auf die Folgejahre aufgeschlagen, da am Ende der geplanten Entnahme immer die 0 steht.

  • Bezüglich der Entnahmeraten...doch, hier ist von steigenden Raten auszugehen, wenn die gerechnete Rendite die tatsächliche Rendite unterschreitet. Die zu geringe Entnahme im Jahr x wird auf die Folgejahre aufgeschlagen, da am Ende der geplanten Entnahme immer die 0 steht.

    Das ist korrekt. Wählt man die Konsumobergrenze, oder den Erwartungswert deutlich zu niedrig, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit tendenziell höherer Entnahmen im späteren Verlauf der Entnahmephase und auch das durchschnittliche Endvermögen. Wählt man sie zu hoch, steigt die Wahrscheinlichkeit für sinkenden Entnahmen über die Zeit.


    Es ist im Übrigen jedoch nicht ausdrücklich verboten, den Depotverlauf, die Börsenentwicklung und seine Lebensumstände in gewissen Abständen abzugleichen und Herr Weber bekommt es auch nicht heraus, wenn man dann ggfls. etwas nachjustiert oder mal von seiner Strategie abweicht.

  • Wenn ich das hier so überfliege, finde ich Ausschüttungen doch viel einfacher. Da lass ich lieber die Finanzvorstände entscheiden, wieviel Ausschüttungen gesund sind, bevor ich als Laie Angst haben muss, zu viel entnommen zu haben.

  • Wenn ich das hier so überfliege, finde ich Ausschüttungen doch viel einfacher. Da lass ich lieber die Finanzvorstände entscheiden, wieviel Ausschüttungen gesund sind, bevor ich als Laie Angst haben muss, zu viel entnommen zu haben.

    Dann orientiere dich doch mit dem thesaurierer anhand der Ausschüttung ?


    Wenn beispielsweise der ftse all world dis 2,37 % ausschüttet dann verkaufst du vom ftse all world thesaurierer 2,37 %.


    Nur mit dem Unterschied dass ich eben genau bestimmen kann wann ich das Geld benötige und ich nur den Kursgewinn versteuern.

  • Vielen Dank für die Antworten. Insbesondere die Beiträge von John Bogle und Factfulness sind (wie immer) sehr lesenswert.


    Ich denke das Thema ,,Entnahme" findet noch zu wenig Beachtung und ist deutlich komplizierter als viele annehmen. Ein fixer Betrag mit sehr geringem Pleiterisiko (Ben Felix: 2,7% p.a.) hat zwangsläufig einen sehr geringen Entnahmebetrag zur Folge und die Wahrscheinlichkeit mit mehr Vermögen zu versterben ist relativ hoch. Man kann das natürlich akzeptieren, muss sich aber im Klaren sein, dass jeder nicht ausgegebene Euro ein Stück geringere Lebensqualität bedeuten kann.


    Eine variable Strategie erscheint mir vernünftiger.

    Zitat von John Bogle

    Die von dir genannten Entnahmestrategie sind interessant. Und Herr Prof. Weber schätze ich auch sehr, nur ist mir der Ansatz ein wenig zu dogmatisch bzw. zu theoretisch.

    Ich verstehe deinen Punkt. Ich denke aber, dass Weber's Ansatz einen Vorteil hat: Er ist klar und regelbasiert. Viele andere variable Entnahmestrategien haben für meinen Geschmack zu viele aktive Komponenten (bis hin zu market timing). Während der Ansparphase versucht jeder rationale Anleger dies zu vermeiden und die Kapitalmarktforschung ist bei dem Thema auch ziemlich klar. Das fehlt mir für die Entnahmephase. Die Kombination aus relativ viel Vermögen, einer älter werdenden Person mit viel Zeit und notwendige aktive Entscheidungen nach Marktlage hört sich für mich nach einem Drehbuch für eine sich anbahnende Katastrophe an.

    Zitat von Factfulness

    Besonders kritisch sind halt die Extremfälle und diese speziell zu Beginn der Entnahmephase. Es gibt auch die Möglichkeit eine definierte Menge an Jahresbedarfen "sicher" vorzuhalten und in sehr schlechten Börsenjahren davon zu leben. Prof. Weber geht von einer konstanten Assetallokation entsprecheden anteiligen Entnahmen aus. Im Sinne der Antizyklik könnte man da auch andere Ansätze in Erwägung ziehen.

    Das habe ich auch schon mehrfach gelesen. Es gibt die simple Strategie z.B. 5 Jahre an Entnahmebeträgen bzw. Lebenshaltungskosten im risikoarmen Teil zu halten, jährlich daraus zu entnehmen und nach jedem positiven Börsenjahr den Topf aus dem risikobehafteten Teil zu befüllen.

  • Wenn zu Beginn der Entnahmephase eine Serie von schlechten Jahren kommt, zählst Du mit dieser Vorgehensweise zu den wenigen Prozenten Pleitiers.

    Das ja gerade nicht. Das Pleiterisiko ist 0.

    Erkauft wird das mit sehr volatiler Entnahme...

    :)


    Große Theorie. Wenn man mit der Entnahme im Extrem auf 0 heruntergeht, geht das Portfolio freilich nicht pleite. Nur: Wovon lebt man dann?

  • Die 4% Regel gilt m.E. mittlerweile als überholt. Ben Felix von Rational Reminder hat auf seinem Kanal ein Video gemacht. M.E. wird dort 2,7 Prozent genannt.

    Man hat mit der 4%-Regel ein Pleiterisiko von um die 3%. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, daß dieses Risiko gering ist, aber es ist halt vorhanden. Wenn Du es verringern willst, mußt Du bei einem streng mechanischen Entnahmeplan die Entnahme verringern, meinetwegen auf 2,7% (was mir schon recht kraß vorkommt). Auf 0 bringst Du das Pleiterisiko aber nie. Du weißt ja: Was ein rechter Deutscher ist, will Risiko 0, selbst 1 ppm Risiko ist ihm zuviel.

    Die von dir genannten Entnahmestrategie sind interessant.

    Ich finde das nicht. Ich finde schon den Ansatz unrealistisch.

    Bei momentan 1,2 Millionen Vermögen bist du auch schon weit über dem Durchschnitt. Manche würden sagen, du hast das Spiel womöglich schon gewonnen.

    Das letztere würde ich so bestätigen, wenngleich die 100-m-Yacht mit einer schlichten "Einheit" noch nicht mit drin ist.

    Ich weiß nicht, ob man die Entnahmephase so genau planen kann.

    Man kann es nicht. Das ist sicher.

    Deswegen würde ich schon mit einer Entnahmeregel arbeiten aber diese nicht so dogmatisch wählen wie von Herrn Prof. Weber.

    Ich würde ein paar Jahre zuvor meinem Sicherheitsbaustein erhöhen. Aus dem einfachen Grund falls ein Crash am Aktienmarkt kommt ich nicht meinen Lebensstandard senken muss und/oder Aktien im Minus verkaufen muss.

    Hach jottchen, die Sicherheitsbausteine!


    Finanzplanung muß - wie schon oft gesagt - ganzheitlich sein. Wie alt der TE ist, verrät er nicht, vermutlich ist er nah dran am Ruhestand, denn er bezeichnet das genannte Vermögen als den aktuellen Stand. Er rechnet mit 30 Jahren, in denn er das Geld verzehren möchte, das halte ich für einen realistischen Ansatz.


    Er hat jetzt ein gewisses Einkommen (das er uns nicht verrät), verbunden mit einem gewissen Lebensstandard. Es wäre ungewöhnlich, wenn er keinerlei Alterseinkommen hätte (aber auch das verrät er uns nicht). Ohne all diese eigentlich nötige Kenntnis hielte ich es für keine schlechte Idee, daß er mal mit 4% Entnahme anfängt. Das wären 1,2 M€ * 4% = 48 T€ brutto, vielleicht 36 T€ netto/a oder 3.000 € jeden Monat zusätzlich auf sein übliches Einkommen obendrauf. Das ist für viele Menschen schon eine Menge Holz, dafür kann man sich recht viel Lebenslust kaufen. Nicht jeder möchte viermal im Jahr auf Kreuzfahrt, nicht jeder möchte jeden zweiten Abend ausgehen.


    Nach einem Jahr oder so zieht man Bilanz, und demgemäß macht man dann weiter. Selbst wenn in diesem Jahr ein Aktiencrash kommen sollte, sollten die genannten etwa 50 Mille so oder so drin sein; wenn die Börse crasht, dann sind die 50 Mille eben etwas teurer, als wenn sie haussiert.