60/40 Portfolio mit mehreren ETFs vs. Vanguard Lifestrategy 60

  • Das stimmt natürlich. Wenn jemand mit 60 langsam anfängt den Ruhestand zu planen und seine Million im Portfolio in wenigen Wochen auf 500.000 Euro fällt, kann man vermutlich noch so oft sagen, dass er mit Alternativen jetzt noch weniger hätte und eine Erholung mit mehr Aktien besonders stark ausfallen wird. Das will dann niemand hören. Man sieht halt nur sein Depot und nur seine Verluste.

    Ja, und wir Menschen neigen dazu Geld bereits zu verplanen, welches avisiert aber noch nicht da ist, auch mehrfach ;) Wenn man sich da schon im neuen Sportcabrio gesehen hat, weil man ja für die Rente nicht alles benötigt, dann ist das übel, wenns mal eben um zweistellige Prozente runter geht und doch nur das da ist, was man benötigt. Das ist dann schlimmer, als hätte man das Geld nie gehabt/gesehen. Opportunitätskosten tun daher weniger weh, als ein Aktienmarktrückgang. Wenn eine in Aussicht gestellte Gehaltserhöhung von 200€ dann doch auf 100€ reduziert wird, sind wir erboßt, wenn statt 50€ aber 100€ gewährt werden sind wir mega happy. Verrückt, diese Menschen... :D

    Vor dem Hintergrund der Emotionalität und Verhaltensökonomie geht es halt darum die Strategie zu finden, hinter der man 100%ig steht und diese durchzuhalten, was halt leichter fällt, wenn man dahinter steht. Wenn bei der Strategie die gröbsten Fehler vermieden wurden, wird das ein Erfolg, ob mit 6, 7 oder 9% Rendite ist am Ende zweitrangig. Wenn aber eine unpassende Strategie (zu viel Risiko, falsche Vorstellungen, ...) gewählt wurde oder diese nicht durchgehalten werden kann/will (doch nicht überzeugt, negative Erfahrungen, falsche Erwartungen) dann wird es halt nix. Eines der größten Risiken sitzt nicht im Depot, sondern davor. Eine suboptimale Strategie, die aber zum Erfolg führt ist besser als das rational, wissenschaftlich optimierte Megaportfolio, dass nicht durchgehalten wird.

    Im Übrigen gibt es die LifeStrategy ja auch mit 80/20 (und auch 40/60 und 20/60).

    Ich sehe eher das Problem wann man den risikobehafteten Teil senkt.

    Das ist die eigentliche Frage, um die es immer wieder bei der Kapitalanlage geht, also um Risiko, Rendite und Wahrscheinlichkeiten. Wenn ich starte (wie wahrscheinlich muss ich da mal ran, wann, wieviel Rendite muss/will ich haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit soll diese eintreten, welche Risiken sind akzeptabel, welche nicht) im gesamten Verlauf und auch in der oder für die Entnahmephase. Wie stark bin ich bereit mein Leben bzw. meinen Konsum von den Entwicklungen der Kapitalmärkte abhängig zu machen? Wenn ich bereit bin mir nur dann ein EFH zu gönnen, wenn das entsprechende Vermögen da ist, auch weil die Börsen gut liefen, kann ich halt im Schnitt deutlich bessere Renditen einfahren, als wenn ich nominal mit Bankeinlagen über 10 oder 15 Jahre den Kampf gegen die Inflation aufnehmen muss, damit der Traum nicht gefährdet ist und für Aktien kaum Platz ist. In der Praxis ist es doch so, dass fast nie 100% Aktien gefahren wird, selbst, wenn man die GRV Ansprüche raus nimmt. Da läuft dann der Sparplan mit 150€ fürs Alter und man packt alles, was geht für das Eigenheim aufs Tagesgeld bis da 150k fürs EK liegen, dazu noch Notgroschen und eine alte LV. Die tatsächlichen Aktienallokationen sind dann schnell im geringen 2-stelligen oder sogar 1-stelligen Bereich. Wer aber so eine LifeStrategy 60 mit allem füttert, was das nach dem Auskommen noch an Einkommen verbleibt, nur einen Notgroschen vorhält und seinen Konsum bereit ist anzupassen (müssen wir das nicht ohnehin?), wird wahrscheinlich langfristig besser dastehen, das EFH ist im Durchschnitt dann größer und das Auto chicer oder aber beides auch nicht vorhanden oder erst später gekauft. Bei diesem Anleger wird sich die Frage nach Risikoreduktion nicht stellen. Er wird wahrscheinlich den Liquiditätspuffer zur Rente hin etwas erhöhen und alles weitere laufen lassen.

    Vieleicht ist das aber auch garnicht so schwierig. Wenn man in jungen Jahren startet an der Börse und seine Erfahrungen sammelt, entwickelt man automatisch ein gewisses Gespür. Wenn man darüber hinaus gewisse Grundlagen des Kapitalmarktes verstanden und verinnerlicht hat, dann schaut man mal mit 50 oder auch, wenn auf einmal größere Beträge anzulegen sind (weil Kinder aus dem Haus, Erbschaft oder schlicht, weil das Einkommen stärker stieg als Lebensstandard) oder schlicht das Vermögen eine gewisse Größe erreicht hat, wie man sich für die weitere Zukunft aufstellen will. Manchmal sind die Sachen in der Theorie deutlich schwieriger, als in der Praxis. Jemandem in der Theorie zu erklären auf was man beim Autofahren alles achten muss ist schwieriger, als nur die Grundlage zu erklären und dann zur Praxisausbildung zu schreiten. Grundsätzlich vermute ich aber, dass sich Menschen am Ende (auch mangels direkter Vergleichbarkeit) eher ärgern, wenn sie zuviel Risiko eingegangen sind, als zu wenig (in vernünftigen Grenzen). Verlustaversion.

    Ich finde es wird viel über die optimale Aktienalokation gesprochen (ACWI oder FTSE, MarketCap oder BIP, TER), das Thema passende Gesamtallokation aller Vermögenswerte jedoch vernachlässigt. Außerhalb der Bubble wird da für jedes Sparziel sogar ein eigenes Produkt abgeschlossen, statt einfach die passende Assetklassenallokation zu wählen. Daher berüße ich diese Diskussion sehr. Für mich ist die Frage nach der für den individuellen Anleger optimalen (Gesamt-)Allokation jedoch eigentlich das zentrale Thema, dass sich durch das gesamte Anlegerleben zieht und nicht erst kurz vor dem Ruhestand ein Thema wird.

    Wenn man sich jetzt aber schon 10 Jahre vor dem Ruhstand befindet, ein gewisses Vermögen da ist, denke ich, dass dies kein schlechter oder zu früher Zeitpunkt ist, zu schauen, wie man bei Ruhestandsbeginn gerne dastehen möchte. Bei großen Ergeignissen (Familie, Haus, Erbschaft, Hochzeit...) und ohnehin in gewissen Abständen (5J?) sollte man ohnehin schauen, ob die Allokation noch zu einem passt, finde ich. Aber nicht in ständigen Aktionismus verfallen...

    Eine Pauschallösung gibts nicht. Fast alles ist möglich, einiges sinnvoll.

  • Jetzt vermischst du aber den risikoarmen Teil aka Sicherheitsbaustein mit dem Notgroschen. Und dazu teilweise überlappend wären ja nochmal Rücklagen für teure Dinge, die langsam ihr Lebensende erreichen (Auto, Heizung,...). Das dient ja alles unterschiedlichen Zwecken

    Naja, ich bin auch schon soweit von meinem Ersparten Anteile zu verkaufen. Ich halte die 60/40 oder welche Prozentzahlen auch immer für nicht zielführend. Entscheidend ist wann brauche ich wieviel. Vermutlich weiß man in etwa wann das nächste Auto gebraucht wird. Kann natürlich auch mal unverhofft kommen, aber das ändert nichts an meiner Überzeugung, dass der Sicherheitsanteil nicht viel bringen muss . Dafür reicht mir ein einfacher Geldmarkt-ETF und gut. Hängt natürlich davon ab, welcher Betrag monatlich/jährlich gebraucht wird und ob man den Betrag für seinen Lebensunterhalt unbedingt braucht. Dafür reicht bei mir die Rente/Betriebsrente aus, vielleicht sehe ich es deshalb entspannter als manch anderer.

  • Hab noch nicht alles geschafft zu lesen aber ich habe gerade zwei Gedanken/Fragen in meinem Kopf:

    1. Warum macht Gerd Kommer das nicht selbst mit einem globalen aggregate bond etf im risikoreichen Anteil? Er ist Experte schlechthin. M.E investiert er nach dem risikoreichen risikoarmen Portfolioanteil von 80 zu 20.

    2. Wenn mein Portfolio aus drei einfachen Bausteinen besteht

    Tagesgeld

    Vanguard global aggregate bond

    Vanguard FTSE All-World

    Dann hätte ich einen

    Kurzfristigen Baustein mit keiner Volatilität

    Mittelfristigen Baustein mit mittlerer Volatilität

    Langfristigen Baustein mit hoher Volatilität

    Bin ich da ins der Entnahmephase nicht variabler? Vorallem zahlt der global aggregate bond etf monatlich aus. Und Kuponzahlungen sind fix im Vergleich zu Dividenden (Zahlungsausfall ausgenommen).

    Wenn der Aktienmarkt crashed dann fließen aus dem risikoreichen Anteil fixe Zahlungen (Kupon) bis der Aktienmarkt sich erholt und ggf wird noch cash vom risikoarmen Portfolioanteil entnommen?

    Gibt es hierzu Quellen?

  • Ich bin skeptisch, was den Global Aggregate für die mittlere Frist angeht. Das Risiko, dass sich das Zinsänderungsrisiko realisiert, wenn ich nach 5 Jahren an das Geld muss, wäre mir zu groß.

    Soweit ich informiert bin, ist die Funktion des Global Aggregate im Lifestrategy eine andere: Die Hoffnung ist, dass die beiden Anlageklassen schwach korrelieren und dadurch Volatilität ausgeglichen wird. D.h. wenn es der Wirtschaft schlecht geht und die Aktienkurse im Keller sind, senken die Zentralbanken ja vielleicht die Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dann würde sich die Zinsänderungschance des Global Aggregate realisieren.

    In der Praxis kann es aber natürlich auch mit beiden Assetklassen gleichzeitig bergab gehen...

  • 1. Warum macht Gerd Kommer das nicht selbst mit einem globalen aggregate bond etf im risikoreichen Anteil? Er ist Experte schlechthin. M.E investiert er nach dem risikoreichen risikoarmen Portfolioanteil von 80 zu 20.

    Weil er sagt, Risiko holt er sich über Aktien, denn da sei die Prämie höher. Er startete mit dem Büchern etc ja auch in d er Niedrigzinsphase. Meine Vermutung.

    Die Überlegung das Portfolio nach Fristigkeiten aufzusetzen ist ein anderer- durchaus legitimer - Ansatz.

    Für die mittlere Frist würde ich aber eher auf (ggfls. eine Kombi aus Geldmarkt und) € Unternehmensanleihen IG gehen

    Das ist durchaus ein einfacher und praktikabler Ansatz, der bei dem ein oder anderen gut funktionieren kann, wie ich meine.

    Geldmarkt fürs kurzfristige

    Unternehmensanleihen für die mittlere Frist

    Aktien für viel später

    Das ist eine einfache Struktur, die helfen kann den Überblick nicht zu verlieren und die Emotionen weitestgehend draußen hält.

    Dann fährt man keine feste relative Allokation, sondern hat das sicher bzw. liquide was man bald brauchen wird und der Rest arbeitet schön vor sich hin. Das Nachdenken über eine solche Lösung habe ich im Bekanntenkreis bereits einmal angeregt. Es verhindert jede Art von Verleitung zu schlechten Finanzprodukten, weil man seine konkreten Anlageklassen für alle Arten des (An-)sparens hat. Es wurde drüber nachgedacht und so umgesetzt. Mal sehen, ob derjenige in ein paar Jahren mal berichtet. Die Kunst ist dann natürlich die Größe der Töpfe möglichst sinnvoll zu dimensionieren. Und der risikobehaftete Anteil wird über die Zeit größer, also steigt das Risiko über die Zeit, das sollte einem bewusst sein. Aber für jemanden, der nicht ganz bei Null startet, noch einige Zeit bis zur Rente hat und bei dem in ungefähr absehbaren Zeiten Ausgaben anstehen ist das ein gangbarer Weg. Es soll auch helfen Depotennahmen aus dem Aktiendepot zu vermeiden und das eigene Budget im mittleren Bereich zu erkennen um nicht den Überblick zu verlieren.

    Ich denke, einige Wege führen nach Rom.

  • Die Überlegung das Portfolio nach Fristigkeiten aufzusetzen ist ein anderer- durchaus legitimer - Ansatz.

    Der Beck-Weg (natürlich mit seinen eigenen Fonds). Eine interessante Strategie.

    Ist nur so ein Gefühl, aber es würde mich nicht wundern, wenn am Ende rauskommt, dass eine plumpe Entnahme aus dem 60/40 von Vanguard das gleiche Ergebnis (oder gar bessere Ergebnisse) produziert.

    Was mich an den 3 Töpfen stört ist, dass die Absicht besteht die Wahl des Topfes bei der Entnahme von der aktuellen Marktlage abhängig zu machen. In der Krise aus dem Tagesgeld, in normalen Zeiten aus dem risikobehafteten Teil,... Dabei muss man aber erst mal definieren was ,,normal" und was ,,Krise" ist. Ziemlich schwammig das Ganze und ziemlich viele Annahmen wie lange das Geld in den einzelnen Töpfen reichen muss und die Krise dauern darf.

    Und wenn man die Töpfe nicht nach Marktlage, sondern nach ,,Fälligkeit" entleert, kommt der Crash im risikobehafteten Teil genau dann wenn alle sicheren Töpfe leer sind.

    Schwierig.

  • Naja, ich bin auch schon soweit von meinem Ersparten Anteile zu verkaufen. Ich halte die 60/40 oder welche Prozentzahlen auch immer für nicht zielführend.

    Ja, reine Prozentzahlen sind nur bedingt zielführend. Ein Altersvorsorgedepot mit 500k und 60/40 liegt bei schlappen 200k Sicherheitsbaustein. Braucht man das bei rund 1500€ Entnahme im Monat? Sicherlich nicht

    Entscheidend ist wann brauche ich wieviel. Vermutlich weiß man in etwa wann das nächste Auto gebraucht wird. Kann natürlich auch mal unverhofft kommen, aber das ändert nichts an meiner Überzeugung, dass der Sicherheitsanteil nicht viel bringen muss

    Nunja...beim Auto bin ich ja so langsam in der Situation. 11 Jahre, die 200 000km mache ich vor Weihnachten noch voll. Fährt an sich noch gut, aber bei aktuell 25 000km im Jahr ist auch klar, dass das Ende irgendwann naht. Und ich finde es gerade tatsächlich schwierig, das in meine Finanzplanung einzufriemeln, weil eben die Fälligkeit unbekannt ist. Mit Glück läuft der ohne große Reparaturen nochmal 6-8 Jahre, mit Pech laufen in 2 Jahren die Rechnungen massiv auf und ein neues Auto ist fällig.

  • Ich kann zum Thema 60/40 das aktuelle Buch von Weber und Co. (Die genial einfache Vermögensstrategie) empfehlen. Darin wird u.a diskutiert

    warum 60/40 zu Marktabbildung,

    BIP vs Marktkapitlaisierung,

    Euro Staatsanleihen vs Global Aggregate,

    hedged vs unhedged,

    Rohstoffe ja/nein.

    Im Endeffekt laufen die Empfehlungen in dem Buch auf Lifestrategy 60 hinaus. Das Produkt ist allerdings ein paar Monate nach dem Buch erschienen. Würde mich nicht wundern wenn die Autoren, die zum Großteil auch am AReRo beteiligt sind, so ein Produkt eigentlich selber auf den Markt bringen wollten,

    Nach der Lektüre von Walz, Kommer und anderen bin ich allerdings zu dem Schluss gekommen, in Euro-Anleihen (außerhalb von Geldmarkt und evtl. kurzlaufenden "sichere" Staatsanleihen) vorerst nicht zu investieren. Dafür hat die EZB in den letzten Jahren zu stark in den Markt eingegriffen (Stichwort Null- & Negativzins, flache Zinskurve). Daher sind viele alte Überlegungen und Argumente für 60/40 vermutlich gar nicht mehr zutreffend.

  • Danke für die interessante Diskussion bis hierher. Sind denn eurer Meinung nach Strategien wie bspw. Finanztip sie propagiert auch in der bzw. den nächsten Dekade(n) die richtige? Also Strategien in denen Anleihen als Renditelieferant praktisch nicht vorkommen und man das Portfolio nur mit der Höhe des Aktienanteils sowie einem reinen Sicherheitsbaustein steuert? Oder können Multiasset- bzw. 60/40-Portfolios mit einem breiter diversifizierten Anleiheportfolio und evtl. Rohstoffen in den nächsten Jahren die bessere Strategie sein? Waren die stark auf Aktien ausgerichteten Strategien möglicherweise nur eine Folge der Niedrigzinsphase und somit in den letzten Jahren quasi alternativlos? Oder ist alles andere für Privatinvestoren schlichtweg nicht beherrschbar, es sei denn sie bedienen sich entsprechender Produkte wie dem Lifestrategy oder anderer Multiasset-Fonds?

  • Oder ist alles andere für Privatinvestoren schlichtweg nicht beherrschbar, es sei denn sie bedienen sich entsprechender Produkte wie dem Lifestrategy oder anderer Multiasset-Fonds?

    Für Privatinvestoren wird es generell ganz ganz schwierig, wenn wir wieder eine Phase bekommen, in der es eben nicht so einfach ist.

    Ich meine damit einen Sägezahnmarkt mit einer sehr langen Seitwärtsphase über viele viele Jahre. Das können dann auch schon mal 10 bis 12 Jahre sein.

    Dann verlieren viele Privatanleger irgendwann das Interesse vollkommen, weil einfach nichts rüber kommt.

  • Dann verlieren viele Privatanleger irgendwann das Interesse vollkommen, weil einfach nichts rüber kommt.

    Viele Privatanleger haben erst gar kein Interesse und sparen sich mit unnötigen Finanzprodukten arm oder haben überhaupt nichts was sie an die Seite legen könnten.

    Wenn doch etwas da ist war der findige Finanzprodukteverkäufer schon erfolgreich aktiv und sorgt dafür das die letzten paar Taler auch garantiert Renditefrei in irgendeiner Kapitallebensversicherung oder einer Riesterrente versteckt werden.

    Mit dem 60/40 von Vanguard wären diese Armsparer allesamt deutlich besser investiert wie sie es mit 98% der aktuellen Finanzprodukte sind.

    Man erreicht sein Kapital nicht durch die letzten Feinheiten um die Anlageform zu optimieren sondern damit die größten Fehler nicht zu machen. Seine Lebensarbeitszeit im Niedriglohnsektor zu investieren ist da sicherlich einer der größten Fehler. Aber das ist eine ganz andere Baustelle.....

  • Danke für die interessante Diskussion bis hierher. Sind denn eurer Meinung nach Strategien wie bspw. Finanztip sie propagiert auch in der bzw. den nächsten Dekade(n) die richtige? Also Strategien in denen Anleihen als Renditelieferant praktisch nicht vorkommen und man das Portfolio nur mit der Höhe des Aktienanteils sowie einem reinen Sicherheitsbaustein steuert? Oder können Multiasset- bzw. 60/40-Portfolios mit einem breiter diversifizierten Anleiheportfolio und evtl. Rohstoffen in den nächsten Jahren die bessere Strategie sein? Waren die stark auf Aktien ausgerichteten Strategien möglicherweise nur eine Folge der Niedrigzinsphase und somit in den letzten Jahren quasi alternativlos? Oder ist alles andere für Privatinvestoren schlichtweg nicht beherrschbar, es sei denn sie bedienen sich entsprechender Produkte wie dem Lifestrategy oder anderer Multiasset-Fonds?

    Alles ist möglich. Ich denke zu versuchen die künftige Zinsentwicklung und Bedeutung von Anleihen voraus zusagen ist unmöglich und wäre auch nicht prognosefreies investieren.

    Ich bin aber überzeugt dass Anleihen Aktien immer eine Wichtigkeit haben werden unabhängig wie der Markt gerade ist. Denn hinter Unternehmen stehen reale Vermögenswerte wie Grundstücke, Gebäude und Maschinen etc und Unternehmen produzieren Güter und Waren und erbringen Dienstleistungen die wir nun mal zwingend benötigen oder zumindest gerne kaufen. Hierfür wird nun mal Kapital - Eigenkapital und Fremdkapital - benötigt. Und der Anleihenmarkt stellt sogar einen größeren Markt dar als der Aktienmarkt.

    Ich würde von daher immer mit dem Markt gehen und die Gewichtung zwischen Aktien und Anleihen nicht von etwaigen Markt- und Zinsentwicklungen abhängig machen sondern die Gewichtung abhängig meiner persönlichen Risikotragfähigkeit und Anlagehorizontes wählen.

    Es gab immer Zeiten in denen die eine Assetklasse der anderen Assetklasse überlegen war. Und was nach oben geht geht wieder nach unten. Ebenso was unten ist wieder nach oben geht. Es ist nun mal die Rückkehr zum Mittelwert. Wir wissen nicht wann und wir wissen nicht wie und in welchem Umfang. Die langjährigen Historie lehrt uns aber dass das Ereignis jedoch gewiss ist.

    Ich bin der Meinung man sollte den Markt nicht timen oder Prognosen geben, sondern die Wellen reiten wie sie kommen. Nicht die Gezeiten versuchen zu bestimmen sondern mit der Ebbe und der Flut so gut es geht mit zuschwimmen.

    Und Rohstoffe sind zwar ein Teil des Gesamtmarktes aber für mich der Inbegriff von Spekulation mangels intrinsischen Wertes. Es ist die Hoffnung dass sie dir jemand in Zukunft zu einem höheren Preis abkauft als du gezahlt hast. Jedoch können sie zur Diversifikation beitragen und in bestimmten Marktphasen die Volatilität glätten.

    Ich denke aber dass der average Joe sich auf Aktien, Anleihen, Cash, Immobilie, Humankapital, Gesundheit und Zufriedenheit beschränken sollte.

  • Es gab immer Zeiten in denen die eine Assetklasse der anderen Assetklasse überlegen war. Und was nach oben geht geht wieder nach unten. Ebenso was unten ist wieder nach oben geht. Es ist nun mal die Rückkehr zum Mittelwert. Wir wissen nicht wann und wir wissen nicht wie und in welchem Umfang.

    Ist das nun ein Argument für oder gegen eine Strategie mit Anleihen als Renditelieferant jenseits des risikofreien Zinses? :/

  • Waren die stark auf Aktien ausgerichteten Strategien möglicherweise nur eine Folge der Niedrigzinsphase und somit in den letzten Jahren quasi alternativlos?

    Es stimmt natürlich, dass mit einem klassischen 60/40-Portfolio die letzten Jahre nicht viel zu holen und eine höhere Aktienquote schon fast alternativlos war. Diese Aussage bezieht sich aber nicht nur auf die unmittelbare Niedrigzinsphase der letzten 5-10 Jahre, sondern reicht eigentlich bis in die 1990er Jahre zurück. Die eigentliche Hochzeit des 60/40-Portfolios war spätestens ab Mitte der 1990er Jahre Geschichte und begann auch erst mit dem Jahr 1972 (leider reicht das Diagramm nicht noch weiter zurück):

    [Quelle]

    An dem Diagramm wird meines Erachtens auch deutlich, dass wir noch immer sehr weit von einem Zustand entfernt sind, in dem sich ein 60/40-Portfolio wirklich lohnen würde. Zwar zeigt die Linie am rechten Ende des Diagramms steil nach oben, aber wie es mit dem expected return weitergehen wird ist nicht vorhersehbar, sondern reine Spekulation. Letztendlich könnte man sogar die Frage stellen, ob sich die hohen Renditen der 1970er und 1980er Jahre überhaupt nochmal wiederholen werden, da in dieser Zeit ganz spezifische historische Bedingungen gegeben waren.

    Ich wäre auch mit Aussagen von Goldman Sachs in dieser Hinsicht vorsichtig, auch die können nicht in die Zukunft schauen und viele professionelle Analysten haben schon vor 10 Jahren prophezeit, dass die Aktienmarktrenditen, speziell die US-amerikanischen, einbrechen werden. Denn selbst wenn wir die heutige Marktphase als "irrational" bezeichnen, können die Märkte länger irrational bleiben, als wir und das vorstellen können.

    Sollte man aber von einem Ende der derzeitigen Marktphase überzeugt sein und auf ein 60/40-Portfolio umsteigen wollen, so ist der aktuelle Zeitpunkt wohl nicht ganz verkehrt. Laut dem folgenden Chart gab es 2022 den heftigsten Renditeeinbruch des 60/40-Portfolios in den letzten 100 Jahren. Statistisch gesehen sollte so etwas wohl nicht wieder unmittelbar bevorstehen:

    [Quelle]

  • Was Anleihen generell betrifft im Sinne einer Kapitalmehrung, ist das leider über die letzten 100 Jahre eine Enttäuschung.

    Es ist mit Anleihen eigentlich nicht möglich, mehr als zumindest einen Inflationsausgleich zu erzielen.

    Somit hat ein 60 zu 40 ETF eigentlich nur einen Vorteil was den 40-Anteil betrifft:

    Das Geld, dass sonst auf dem Sparbuch oder dem Girokonto oder dem Tagesgeld herumliegen würde, steht nicht direkt für Begehrlichkeiten zur Verfügung.

  • Ist das nun ein Argument für oder gegen eine Strategie mit Anleihen als Renditelieferant jenseits des risikofreien Zinses? :/

    Für mich gehören mittelfristige Anleihen dazu zu einem Portfolio - jedoch muss dass zu jedem einzelnen Investor und seinem Anlagehorizont, Risikotragfähigkeit und Ziel passen.

    Ich bin der Meinung, dass nur kurzfristige Anleihen bis 1 Jahr zu kurz gedacht sind.

    Aber trotzdem würde ich die kurzfristigen Anleihen höher gewichtet als mittelfristige.

    Es gibt aber natürlich genügend Gegenargumente.

  • Wie war das doch gleich mit Prognosen? ;)

    Danke für die interessante Diskussion bis hierher. Sind denn eurer Meinung nach Strategien wie bspw. Finanztip sie propagiert auch in der bzw. den nächsten Dekade(n) die richtige?

    Ich würde sagen, sie sind nicht falsch. Erst recht nicht unter KISS Gesichtspunkten. Ein Pantoffelportfolio bringt einen ans Ziel, ist leicht verständlich und schützt vor Dummheiten. Selbst bei aktuellem Zinsniveau dürfte der Unterschied zu einem komplexen Portfolio gering ausfallen.

    Ich denke grundsätzlich ist es immer ratsam nicht alle Eier in einen Korb zu legen und Diversifikation über Assetklassen hinweg ist kein Unsinn. Am Ende muss auch jeder für sich entscheiden, wie er die generellen Risiken von Nominalanlagen einschätzt bzw. bewertet und in wieweit er sie tragen möchte. Ob dann wirklich 60/40 inkl. Aggregate Bonds die "richtige" Wahl sind, muss jeder selbst festlegen.

    Ich denke, jeder der so eine Life-Strategy langfristig umsetzt kommt damit ziemlich weit. Die Menschen denken leider viel zu oft in Produkten, statt in Assetklassen. Das spült Banken und Versicherungen im Land jährlich enorme Summen in die Kassen. Die Anleger sind dann die Dummen. Die LifeStrategies werden in GB zum Beispiel stark über Berater verkauft und da bekommt der Kunde auch sein "Produkt", allerdings halt ein um Welten besseres mit günstigen Kosten. In Deutschland mit Provisionsvertrieb kommen wir da nicht hin, fürchte ich. Die LifeStrategy wäre für den Beratungskunden eine tolle Sache, dort setzt man sie hierzulande verständlicher Weise nicht ein, da keine Provision. Die DIYler bauen sich Ihre Portfolios selbst (oft halt aber auch leider so, dass eine LS wohl die bessere Wahl wäre). Daher fristen Sie hier ein Schattendasein. Schade.

  • Für mich gehören mittelfristige Anleihen dazu zu einem Portfolio - jedoch muss dass zu jedem einzelnen Investor und seinem Anlagehorizont, Risikotragfähigkeit und Ziel passen.

    Ich bin der Meinung, dass nur kurzfristige Anleihen bis 1 Jahr zu kurz gedacht sind.

    Aber trotzdem würde ich die kurzfristigen Anleihen höher gewichtet als mittelfristige.

    Es gibt aber natürlich genügend Gegenargumente.

    ok, dann sind wir uns einig was die bisherige Strategie angeht. Ich denke da eher in Fristigkeiten des Kapitalbedarfes. Allerdings bewege ich mich auch bei Anleihen mittlerer Laufzeiten nur in Staats- und Unternehmensanleihen mit Investmentgrade im Euroraum. Moderates Zinsänderungsrisiko somit ja, Währungsrisiko, höheres Ausfallrisiko und Emerging Markets, etc. nein.

  • Der beste Einstieg in Anleihen wäre vor etwas über einem Jahr gewesen. Mittlerweile sind die Zinssenkungen wahrscheinlich weitgehend eingepreist.

    Das weiß man natürlich erst im Rückblick.

    Vor der letzten Zinserhöhung haben die Experten gesagt, dass wahrscheinlich noch weiter erhöht werden muss, weil die Inflation noch so hoch war.

    Und bevor die Zinsen überhaupt erhöht wurden, waren sich die Experten einig, dass Zinsen keinesfalls erhöht werden könnten, weil sonst u.a. Italien explodiert. 8o

    Kommer hatte in seinem Buch (5. Auflage) eine Gegenüberstellung der Assetklassenrenditen von 1900 bis heute dargestellt. Inflationsbereinigt lieferten Aktien 5,1%p.a. und langfristige Staatsanleihen (Welt) 1,8%p.a. Unternehmensanleihen sind leider nicht aufgeführt, bringen aber vielleicht noch einmal 1-2% mehr.

    D.h. auch wenn sich die Hoffnung erfüllt, dass Aktien und Global Aggregate wenig korrelieren und sich somit die Sharpe Ratio verbessert, kostet der Anleihenanteil langfristig Rendite.

    Das würde ich auch so erwarten, wenn Anleihen in den nächsten 10 Jahren stärker liefen.

    Finanztip geht in seinen Empfehlungen davon aus, dass man Geld für Anschaffungen auf TG/FG/GMF anspart und die Rentenlücke mit Aktien schließt. In dem Fall sind Aktien natürlich sehr stark.

    Wie Factfulness et.al. hier aber schon hingewiesen haben, mag es im echten Leben Konstellationen geben, in denen man mit einem zusätzlichen AnleihenETF im Risikobaustein besser gefahren wäre.

  • Finanztip geht in seinen Empfehlungen davon aus, dass man Geld für Anschaffungen auf TG/FG/GMF anspart und die Rentenlücke mit Aktien schließt. In dem Fall sind Aktien natürlich sehr stark.

    Ich denke, da verstehen viele FT falsch. Habe da gestern noch ein altes Video gefunden (hier: Assetallokation FT ), wo die mögliche Aktienquote besprochen wurde. Da sind die auch auf die Risikotragfähigkeit eingegangen und kamen in den Beispielen meist auf 60-70% Aktien im langfristigen und 100% Tagesgeld im mittleren und kurzen Bereich. Das ist dann eine Gesamtallokation mit vieleicht 50% Aktien. Zuletzt gab es ein Video zu gleichem Thema von FT, da war Saidi geschockt, wie hoch die Aktienquote in den Depots war. FT berichtet halt schwerpunktmäßig über AktienETF und bei den Menschen setzt sich fest: 100% Aktien.