Hebel sind kein Adrenalin, sie sind heroin

  • Aus aktuellem Anlass und weil auch hier immer wieder über Hebel-ETF geredet wird:

    Man hört es oft: „Ich hebel nur ein bisschen. Drei- oder fünffach. Alles unter Kontrolle.“ Aber Hebel ist kein Adrenalinkick – er ist wie Heroin. Er wirkt sofort, macht euphorisch, und wenn du Pech hast, bringt er dich um. Erst läuft es gut. Du setzt mit 3x Long auf Bitcoin, er steigt zwei Prozent, du machst sechs. Du fühlst dich schlau, überlegen, schnell. Also warum nicht fünfmal hebeln? Oder zehnmal? Was man dabei vergisst: Du bist längst abhängig. Hebelhandel suggeriert Kontrolle, aber er ist gnadenlos. Wenn der Markt plötzlich crasht, wenn deine Börse gerade nicht erreichbar ist oder wenn der Preis nur kurz aus dem Spread springt, ist alles weg. Nicht nur der Trade – dein ganzes Kapital. Und vielleicht auch dein Selbstwertgefühl.

    Was viele nicht sehen wollen: Hebel schadet nicht nur den Zockern selbst. Er macht die Märkte insgesamt kaputt. Denn Hebel ist ein Brandbeschleuniger für jeden Crash. Bei jedem kleinen Rückgang lösen sich automatisch tausende Positionen in Luft auf, zwangsweise liquidiert. Diese Liquidationen drücken den Kurs noch weiter nach unten, lösen die nächsten aus, und es entsteht eine Kettenreaktion. Ein normaler Dip wird so zu einem Blutbad. Und das trifft am Ende alle. Auch die, die ohne Hebel in ETFs, Aktien oder Krypto investieren. Plötzlich hat der Preis nichts mehr mit Fundamentaldaten zu tun. Plötzlich hängt alles davon ab, ob irgendwo ein Haufen 50x-Longs überlebt oder nicht.

    Hebel ist keine clevere Strategie. Er ist Casinokapitalismus. Er belohnt Gier, bestraft Geduld und macht aus langfristigem Investieren einen Witz. Du kannst die solideste Aktie oder den vielversprechendsten Coin halten, wenn daneben ein Schwarm überhebelter Trader implodiert, reißt es dich mit runter. Und dann liest man von Selbstmorden. Von Tradern, die alles verloren haben. Und alle sagen: „Hätten sie halt nicht gezockt.“ Stimmt. Aber vielleicht hätten wir vorher sagen müssen: Du brauchst keinen Hebel, um gut zu sein. Du musst nicht alles maximieren. Und du bist mehr als dein Profit-and-Loss-Screenshot.

    Hebel ist kein Werkzeug, er ist eine Falle. Wer ihn benutzt, ohne ihn zu verstehen, spielt mit dem Feuer. Wer ihn anbietet, ohne aufzuklären, verdient an zerstörten Existenzen. Und wer glaubt, er könne damit verlorene Zeit oder Geld wieder gutmachen, ist auf dem besten Weg, alles zu verlieren. Hebel ist kein Shortcut. Er ist die Autobahn in den Abgrund. Und je mehr Leute sich draufsetzen, desto mehr Unschuldige reißt es mit.

  • Obwohl ich deine Beiträge immer sehr schätze und auch bei diesem hier zu 98% mitgehe, sollte man das Thema etwas differenzieren und nicht jeden Hebel verteufeln.

    Vorne weg:

    • Von Hebel-Produkten halte ich gar nichts
    • Von Hebeln oberhalb von 130%, also 1,3, halte ich gar nichts
    • Von Hebeln in ,,normalen Zeiten" halte ich nichts

    Wer allerdings im liquiden Vermögen bereits 100% in Aktien investiert ist, über eine hohe emotionale Stabilität verfügt und in der Krise günstig und langfristig an Geld kommt, kann nach einem Einbruch das Portfolio auf 120% oder 130% hebeln. Ich sehe da kein Problem.

  • Hebel ist kein Adrenalinkick – er ist wie Heroin.

    ???

    Vermietete Immobilien beispielsweise entfalten hierzulande in der Gesamtschau - angefangen vom Thema "Steuern" über die "Rendite auf das eigesetzte Eigenkapital" bis zum Thema "deutsches Mietrecht" - inzwischen doch in praxi meist nur noch in der kreditgehebelten Variante (Leverage-Effekte) einen Sinn ... ?


    Was viele nicht sehen wollen: Hebel schadet nicht nur den Zockern selbst. Er macht die Märkte insgesamt kaputt.

    ???

    Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die meisten Wohnungen (um die 60%) hierzulande von privaten (Klein)Vermietern zur Verfügung gestellt werden - möchte ich mir nicht vorstellen, wie der Wohnungsmarkt (soweit da noch von einem "Markt" gesprochen werden kann) ohne private Vermieter aussehen würde ...