Monte Carlo Simulation für Entnahmerechner sinnvoll?

  • Ich bin gerade dabei eine für mich passende Entnahmestrategie zu entwickeln und habe parallel dazu einen Entnahmerechner im Excel erstellt.

    Für die Entnahmestrategie kombiniere ich die beiden Sicherheitsmechanismen GuardRails mit den Grenzen +-20% und einen Cash Puffer, der zu Beginn der Entnahme ungefähr das 2,5fache der jährlichen Entnahme enthalten soll.

    Das Startportfolio soll dabei aus 85% Aktien ETF (weltweit gestreut), 7% Gold und 8% Cash Puffer bestehen.

    Den Entnahmezeitraum habe ich auf 50 Jahre festgelegt und es soll jährlich im Dezember für das Folgejahr entnommen werden. Dabei soll jeden Dezember vor Entnahme geprüft werden, in welchem "Regime" man sich auf Basis der Guadrails befindet:

    • Regime "Normal" = Portfoliowert befindet sich innerhalb der Grenzen von +-20% zum inflationsbereinigten Startportfolio
    • Regime "Best" = Portfoliowert >= 20% des inflationsbereinigten Startportfolio
    • Regime "Worse" = Portfoliowert <= -20% des inflationsbereinigten Startportfolio

    Im Regime Normal wird die Entnahme zu Beginn nur um die Inflation erhöht. Bei den anderen beiden Regimes erfolgt jeweils eine Anpassung der inflationsbereinigten Entnahme um +-20%.

    Im Regime Normal und Best erfolgt die Entnahme nur aus den Aktien ETF. Bei Regime Worse wird zunächst nur aus dem Cash Puffer entnommen. Ist dieser aufgebraucht erfolgt die Entnahme aus Gold. Ist auch dieses nicht mehr vorhanden wird mangels Alternative auf Aktien ETF zurückgegriffen.

    Sollte sich das Portfolio nach einem Einbruch wieder erholen, wird der Cash Puffer wieder aufgefüllt. Allerdings nur, wenn der Portfoliowert >110% des inflationsbereinigten Startportfolio beträgt und maximal um 10% des jährlichen Entnahme. Die Auffüllung erfolgt bis der Cash Puffer die zweifache jährliche Entnahme (inflationsbereinigt) wieder erreicht hat.

    Für den Backtest der Strategie habe ich im Rahmen einer historischen Simulation die Jahresrenditen des S&P500 und von Gold herangezogen und für verschiedene Zeiträume durchgerechnet. Ziel war dabei, die minimale Entnahmerate zu Beginn für eine 100% Überlebenswahrscheinlichkeit über die 50 Jahre Entnahmezeitraum zu ermitteln. Dabei ergaben sich folgende Ergebnisse:

    Um noch einen besonders schlechten Zeitraum zu kreieren habe ich im zweiten Versuch die Zeiträume 1929 bis 1953 und 1999 bis 2023 zusammengefügt.

    Danach habe ich noch Monte Carlo Simulationen mit jeweils 10.000 Durchläufen und verschiedenen Kombinationen von Mittelwert (Rendite) und Standardabweichung (Volatilität) für das Asset Aktien ETF durchgeführt. Für Gold habe ich hier eine um 0,5% über Inflation liegende Wertentwicklung unterstellt:

    Es fällt auf, dass die Entnahmeraten auf Basis der Monte Carlo Simulation signifikant unter denen der historischen Simulation liegen. Meine Vermutung ist, dass zwar die einzelnen Jahresrenditen für sich genommen durchaus realistisch sind, jedoch nicht deren zeitliche Reihenfolge. In der Realität ist es ja häufig so, dass sich aus Zeiträumen mit unterdurchschnittlichem Wachstum auch ein Potential für darauf folgendes überproportionales Wachstum ergibt. Dies findet in einer Monte Carlo Simulationen jedoch keine Berücksichtigung, die Renditen werden rein zufällig aneinandergereiht...

    Vor diesem Hintergrund stellt sich mir grundsätzlich die Frage, wie sinnvoll der Einsatz der Monte Carlo Simulation zur Beantwortung solcher Fragestellungen ist. Wie seht Ihr das?

  • Also ich bin kein Experte in Bezug auf Monte-Carlo-Simulationen und könnte das auch nicht selbst programmieren. Aber ich vermute der Fehler liegt in der verwendeten Methode. Für dieses Einsatzgebiet wird meines Wissens üblicherweise eine "Bootstrapping-Monte-Carlo-Simulation" auf Basis tatsächlicher historischer Jahresrenditen angewendet. Du hingegen hast eine "Parametrische Monte-Carlo-Simulation" auf Basis von Zufallsrenditen angewendet.

  • Meine Vermutung ist, dass zwar die einzelnen Jahresrenditen für sich genommen durchaus realistisch sind, jedoch nicht deren zeitliche Reihenfolge

    Das ist sicherlich richtig und bei 100% ein Problem. Aber du hast 99% und da sollten die richtig schlechten Fälle eigentlich rausfliegen, da entsprechend selten. Intuitiv würde ich sagen, dass in deiner Simulation irgendwas kaputt ist.

  • Also ich bin kein Experte in Bezug auf Monte-Carlo-Simulationen und könnte das auch nicht selbst programmieren. Aber ich vermute der Fehler liegt in der verwendeten Methode. Für dieses Einsatzgebiet wird meines Wissens üblicherweise eine "Bootstrapping-Monte-Carlo-Simulation" auf Basis tatsächlicher historischer Jahresrenditen angewendet. Du hingegen hast eine "Parametrische Monte-Carlo-Simulation" auf Basis von Zufallsrenditen angewendet.

    Guter Hinweis! Ich werde versuchen noch eine Bootstrapping-Monte-Carlo-Simulation durchzuführen und das Ergebnis mit der Parametrische Monte-Carlo-Simulation vergleichen.

    Das Problem mit der Reihenfolge der Renditen wird dadurch natürlich nicht gelöst...

  • Guter Hinweis! Ich werde versuchen noch eine Bootstrapping-Monte-Carlo-Simulation durchzuführen und das Ergebnis mit der Parametrische Monte-Carlo-Simulation vergleichen.

    Das Problem mit der Reihenfolge der Renditen wird dadurch natürlich nicht gelöst...

    Ich bin gespannt. Teile deine Erkenntnisse gerne weiter hier. Der 50-jährige Entnahmezeitraum ist natürlich extrem lang...

  • Ich habe jetzt Bootstrapping-Monte-Carlo-Simulationen auf die Entnahmestrategie durchgeführt mit folgenden Ergebnissen:

    Mein Fazit:

    Für die Monte Carlo Simulation sind die beiden Parameter Mittelwert und Standardabweichung von entscheidender Bedeutung. Ob man diese bei der parametrischen Monte-Carlo-Simulation direkt festlegt oder sie sich bei der Bootstrapping-Monte-Carlo-Simulationen indirekt über die historischen Daten ergeben spielt keine übergeordnete Rolle.

    Es kann zwar sein, dass bei der parametrischen Monte-Carlo-Simulation unrealistisch starke Abweichungen vom Mittelwert auftreten, dies wirkt aber in beide Richtungen und dürfte sich daher bei einer ausreichend hohen Anzahl von Simulationen aufheben.

    Das Problem der Monte Carlo Simulation bleibt daher m.E. weiterhin die unrealistische Reihenfolge der Renditen...

  • Ja, ich finde seine Beiträge sehr hilfreich!

    In diesem äußert er sich übrigens auch zur Monte Carlo Simulation:

    Entnahmestrategien optimieren: Wieviel Rendite darf eine Reduktion der Volatilität maximal kosten? – Finanzen? Erklärt!

    "Normalerweise bevorzuge ich eine historische Simulation, denn die Aktienmärkte lassen sich meiner Meinung nach nicht ausreichend gut durch einen mathematischen Zufallsprozess mit begrenzten Parametern beschreiben. Im Rahmen einer Monte-Carlo Simulation wird die Anzahl der Variablen willkürlich begrenzt. Die historischen Daten funktionieren dagegen wie eine Black-Box. Die darin enthaltenen Werten beinhalten eine unüberschaubare Menge an Variablen, bis hin zum Einfluss von Fake-News, Gier und Angst auf das menschliche Verhalten."

    Seine Kalkulation beziehen sich meist nur auf ein 100% Aktien Portfolio oder Aktien und eine zusätzliche Komponente. Für das volle Programm muss man bei ihm wohl eine kostenpflichtige Beratung kaufen...

    Da versuche ich es lieber selbst zu kalkulieren und habe dann auch ein kurzen Dienstweg für Beschwerden wenn es nicht funktioniert hat und ich vorzeitig pleite bin...;)

  • Vor diesem Hintergrund stellt sich mir grundsätzlich die Frage, wie sinnvoll der Einsatz der Monte Carlo Simulation zur Beantwortung solcher Fragestellungen ist. Wie seht Ihr das?

    Für mich ist das genauso sinnvoll oder sinnlos wie mit historischen Daten (erst recht noch von mehreren Asset-Klassen) fest zu rechnen. Oder so sinnvoll wie auf mich die offizielle Inflation anzuwenden (ich liege nahezu immer darunter, ich leben halt nicht nach dem erlogenen Durchschnitt).

    Für mich und meine Planung hört die Sinnhaftigkeit der Vorhersage bereits an dem Punkt auf, an dem man seinen Cash-Puffer nur einmal im Jahr auffüllen soll/darf/kann.

    Wenn dieser (bei mit) drei Jahre reichen soll und ich nach dem 1. Jahr entscheide, dass ich ihn nicht auffülle, dann werde ich garantiert (klarer Kopf und keine 6 Monate Weltreise ohne Internet/Krankenhausaufenthalt voraus gesetzt) nicht erst im Dezember des Folgejahres prüfen, ob ich Geld umschichten möchte.

    Wie fließen bei sowas die Ausschüttungen meiner ETFs mit ein? Lege ich die wieder an (da ich den Puffer ja nur einmal im Jahr auffüllen darf) oder fülle ich damit den Puffer in Teilen auf (die Höhe der Ausschüttungen ist unplanbar). Und das Thema Steuern in Deutschland ist vermutlich auch nicht betrachtet.

    Mir reichen daher als Sicherheit ein paar historische Betrachtungen und die Annahme, dass es niemals genau so wieder kommen wird.

    Aber gut, ich war auch nie darauf aus, meinen Lebensunterhalt zu 100% aus dem Portfolio zu finanzieren und dieses dann sehr genau darauf ausrichten zu wollen.

    die Kombination von mehreren Dingen gleichzeitig eben auch nicht.

    Man kann es auch unnötig komplex machen und anstatt nur 1-2 Assetklassen gleich auf die Entwicklung von 10 Assetklassen spekulieren.

    Sollte sich das Portfolio nach einem Einbruch wieder erholen, wird der Cash Puffer wieder aufgefüllt. Allerdings nur, wenn der Portfoliowert >110% des inflationsbereinigten Startportfolio beträgt

    Ziel ist also der Erhalt des Portfoliowertes und nicht der Verbrauch in 50 Jahren? Genauso wie bei der Definition der Regime (Startportfoliowert + Inflation)?

  • Ziel ist also der Erhalt des Portfoliowertes und nicht der Verbrauch in 50 Jahren? Genauso wie bei der Definition der Regime (Startportfoliowert + Inflation)?

    Ziel ist der vollständige Verbrauch des Vermögens zum Ende des Entnahmezeitraums, aber nicht vorher.

    Von daher ist es sicher sinnvoll, in regelmäßigen Abständen (z.B. alle 5 Jahre) die Entnahme auf Basis der bisherigen Entwicklung des Portfolios sowie der vermutlichen Restlaufzeit zu justieren.

    Und das Thema Steuern in Deutschland ist vermutlich auch nicht betrachtet.

    Doch, ist es. U.a. durch die Wahl des Dezember als Monat für die Entnahme für das Folgejahr. Dann vergeht nicht so viel Zeit bis zur Steuerrückzahlung aufgrund der Günstigerprüfung bei Kapitalerträgen.

  • Doch, ist es. U.a. durch die Wahl des Dezember als Monat für die Entnahme für das Folgejahr. Dann vergeht nicht so viel Zeit bis zur Steuerrückzahlung aufgrund der Günstigerprüfung bei Kapitalerträgen

    Und zudem reduziert man geschickt die zum 1.Bankarbeitstag anstehende Besteuerung der Vorabpauschale.