Kurz vor der Rente Arbeitslos

  • Achim Weiss

    Ich habe nur geschildert, wie sich die Situation für meine Eltern dargestellt hat.

    Mein Vater bekam 1990 das offizielle Angebot mit 58 aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu können (2 Jahre Bezug ALG, dann ab 60 abschlagsfreier Bezug der regulären Altersrente).

    Meine Mutter 'durfte' dann bis zu Ihrer regulären Altersgrenze arbeiten um Ihre abschlagsfreie Rente zu beziehen.

    Wenige Jahre später wurde dann die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte eingeführt, von der meine Mutter aber eben nicht mehr profitiert hat.

    Dumm gelaufen halt (für meine Mutter), da Sie weder von der Frühverrentungsphase noch von der Rente für besonders langjährig Versicherte profitieren konnte.

  • Der Durchschnittsrentenanwärter kann nicht großräumig rechnen. Er ist fixiert auf die eventuellen Abschläge und täte alles dafür, diese Abschläge zu vermeiden. Er barmt und argumentiert, daß gerade er soooo schwer und lange gearbeitet habe, daß der Staat ihm nun seine wohlverdiente Rente doch gönnen möge. Natürlich abschlagfrei. Daß es bei der Rente schnell mal um fünfstellige Beträge geht, die andere Leute für einen zahlen sollen, deren Rente irgendwann einmal auch wohlverdient sein mag, gerät nicht nur aus dem Blick, sondern im Gegenteil schon von Anfang an nicht in den Blick.


    Dieser Thread beispielsweise zeigt das mal wieder.

    Nö, das Beispiel meiner Eltern zeigt nur, dass wenige Jahre eine ganze Menge ausmachen können, weil längst nicht jede Änderung am Rentensystem langfristig geplant oder gar kommuniziert ist.

    Die Rente ist in weiten Teilen ein politisches Instrument.

    Das sollte jedem klar sein.


    Ich für meinen Teil werde mich daher auch ASAP in die wohlverdiente Rente zurückziehen (mit Abschlägen!). Ich habe dann auch lange genug gearbeitet (finde ich ;)).

  • Ich habe nur geschildert, wie sich die Situation für meine Eltern dargestellt hat. Mein Vater bekam 1990 das offizielle Angebot, mit 58 aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu können (2 Jahre Bezug ALG, dann ab 60 abschlagsfreier Bezug der regulären Altersrente).

    Solche Angebote gab es, auch mit Billigung der jeweils zuständigen Politik. 1990 war umittelbare Wendezeit. Das war dann halt ein Lottogewinn für die Betreffenden, mit denen man diese Leute bestochen hat. Man wollte sie allein ihres Alters wegen loswerden (um ihre Arbeitsplätze Jüngeren zu geben) . Entlassen hätte man sie nicht können, das hätte das Arbeitsrecht nicht hergegeben, also hat man sie aus ihren Arbeitsplätzen herausgekauft.


    Generell ist das Thema dieses Threads eine Verbiegung des Sinns der Arbeitslosenversicherung. Sie sollte eigentlich gegen den Verlust des Arbeitsplatzes schützen, nicht dazu dienen, den Renteneintritt auf Beitragszahlerkosten zwei Jahre vorzuziehen.

    Meine Mutter 'durfte' dann bis zu Ihrer regulären Altersgrenze arbeiten um Ihre abschlagsfreie Rente zu beziehen.

    Den Arbeitsplatz Deiner Mutter hat man nicht für Jüngere gebraucht, also brauchte man sie auch nicht zu bestechen.


    Schon klar, daß die Leute eine solch ungerechte Behandlung nicht mögen. Wohlgemerkt: Die Berufsbiographie Deiner Mutter war normal, deswegen ist Dein süffisantes "dürfen" unangemessen. Kritikwürdig war die Frühverrentung Deines Vaters unter Dehnung aller beteiligten Systeme. Er hat dadurch mehr als den gerechten Anteil aus dem Topf bekommen. Deine Mutter hat wohl ihren gerechten Anteil bekommen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Deinen Vater hat man ungerecht behandelt (nämlich bevorzugt), Deine Mutter nicht.

    Wenige Jahre später wurde dann die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte eingeführt, von der meine Mutter aber eben nicht mehr profitiert hat.

    Ob die "Rente für besonders langjährig Versicherte" gerecht ist, darüber läßt sich auch kontrovers diskutieren.


    Man kann durchaus den Standpunkt vertreten, sie sei gerecht. Die 45 Jahre bekommen nur Leute zusammen, die sehr früh ins Berufsleben einsteigen. Mit einem Studium verträgt sich das im Durchschnitt nicht. Es ist bekannt, daß die Lebenserwartung (damit auch die Rentenzeit) mit der Bildung ansteigt. Ein Akademiker bekommt nicht nur wegen des höheren Gesamtgehalts seiner Berufsbiographie, sondern auch seiner höheren Lebenserwartung wegen mehr aus der Rentenkasse als der Mensch, der "nur" eine Ausbildung gemacht hat. Aus dieser Überlegung läßt sich ableiten, daß der Rentenbonus für besonders langjährige Versicherte durchaus gerechtfertigt sein mag.


    Unter diesem Aspekt ist Deine Mutter also in eine Gerechtigkeitskluft gefallen. :(

    Dumm gelaufen halt (für meine Mutter), da Sie weder von der Frühverrentungsphase noch von der Rente für besonders langjährig Versicherte profitieren konnte.

    Shit happens. Sinngemäße Klüfte haben sich in meinem bisherigen Berufsleben auch immer mal wieder aufgetan.

  • Meine Mutter: *11.39 - angefangen zu arbeiten mit 14, in Rente gegangen mit 60. Sie hat das dann 21 Jahre genießen dürfen. Auch sie war - wie ich - alleinerziehend (außergewöhnlich für die damalige Zeit). Für die Statistik :)

  • Hier mein persönlicher Werdegang zur Rente als Jahrgang 1955:

    02/2014: in langzeit Krankheit (Krankengeld)

    08/2015: zurück in Firma (Urlaube und Überstunden abgebummelt, kein Tag gearbeitet)

    10/2015: Kündigung zum 31.06.2016 (Freistellung, Klage gegen Kündigung, Einigung vor Gericht, kein Tag gearbeitet)

    05/2016: Antrag auf Teilerwerbsminderungsrente, anerkannt rückwirkend ab 03/2014

    07/2016 bis 06/2018: arbeitssuchend mit Arbeitslosengeld

    12/2018: vorgezogene Altersrente (35 Jahre) mit 1,2% Abzügen bei 60% GdB

    04/2021: Altersrente

    Wichtig dabei: bei Krankheit und Artbeitslosigkeit wird weiter in die Rentenkasse eingezahlt (80% des letzten Lohnbeitrags)

    Mein Ausscheiden mit 59 aus dem Arbeitsleben hat zwar etwas Rente gekostet, dafür aber mehr arbeitsfreie Jahre und Lebensqualität gebracht.

    Der Ausstieg aus dem Arbeitsleben will geplant sein.

  • An Forumsfreund Uwe Vinke

    Hier kommt ein Kommentar von McProfit (Ü75) immer noch aus dem Urlaub

    Lieber Forums Freund Uwe,

    ich habe gerade mit Erstaunen deinen Lebenslauf gelesen.

    Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hast du es geschafft, alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die es vermutlich nur so in Deutschland gibt, um viele Jahre mit einem Einkommen ohne Arbeit zu überbrücken.

    Ich bin gespannt, wie lange sich Deutschland noch diesen hohen Sozialstandards leisten kann.

    Vor allem in Anbetracht der steigenden Einwohnerzahl und des steigenden Lebensalters und somit auch der steigenden Zuzahlung aus dem Bundeshaushalt an die Rentenversicherung.

    Es gibt viele Beispiele dazu.

    Ich sehe es zum Beispiel daran, wenn ich bei der Vermietung meiner Wohnungen, die Zuschriften der Bewerber ansehe.

    80 % der Bewerber legen mir gleich eine Bescheinigung der Arbeitsagentur bei, nachdem diese die Miete inklusive Nebenkosten komplett übernimmt.

    Wer mich kennt, weiß dass ich diese Art der Bewerbung gleich beiseite lege. Die Anzahl ist jedoch erschreckend.

    Das ist mir nur gerade so beim Lesen deines Berichtes eingefallen.

    Viele Grüße und Glückwunsch von McProfit aus Stuttgart (seit 20 Jahren Privatier)..

  • Renten sind so oder so Transferleistungen von der arbeitenden Bevölkerung an einen Teil der nicht arbeitenden Bevölkerung, losgelöst ob aus Beiträgen oder Steuern.

  • Ich habe die Möglichkeiten des Sozialsystems genutzt, in das ich über Jahrzehnte mit einem hohen Einkommen viel eingezahlt habe. So bekam ich einen kleinen Teil davon zurück. Genau dafür ist das Sozialsystem auch gedacht, um etwa bei gesundheitlichen Problemen finanzielle Überbrückung zu bieten.

    Bei mir kamen eben verschiedene Faktoren zusammen, die den Weg bis in die Rente ebneten. Diesen Weg konnte ich aber nur gehen, weil ich die einzelnen Bausteine kannte und deren Abfolge geordnet habe. Viele in gleicher Situation kennen die Bausteine nicht und erleben oft ihre Rente dann nicht mehr.


    Mein Weg ist nicht vergleichbar mit den Empfängern von Bürgergeld. Hier sind zwar oft auch gesundheitliche Probleme die Ursache, jedoch haben sich inzwischen viele auf Kosten des Sozialsystems gut eingerichtet.

  • Ich habe die Möglichkeiten des Sozialsystems genutzt, in das ich über Jahrzehnte mit einem hohen Einkommen viel eingezahlt habe. So bekam ich einen kleinen Teil davon zurück. Genau dafür ist das Sozialsystem auch gedacht, um etwa bei gesundheitlichen Problemen finanzielle Überbrückung zu bieten.

    Die Arbeitslosenversicherung hat im Zeitverlauf vielleicht 3% des Bruttoeinkommens gekostet, das heißt: Etwa 30 Jahre Berufstätigkeit zahlen 1 Jahr Arbeitslosigkeit. Du hast 2 Jahre Leistungen bezogen. Ein "kleiner Teil" Deiner Einzahlungen ist das sicherlich nicht.


    Du hast hier sicher mehr herausbekommen als eingezahlt.


    Ich stimme Dir aber zu: Dafür ist ein Sozialsystem gedacht. Es gibt dabei schon aus mathematischen Gründen immer Leute, die weniger herausbekommen, als sie eingezahlt haben, und andere, die mehr bekommen, als sie eingezahlt haben. Das liegt in der Natur der Sache.


    Ob einer, der die Möglichkeiten des Sozialsystems kunstvoll aneinanderreiht, ein Kranker oder ein Pfiffikus ist, läßt sich online nicht beurteilen.


    Wer schreibt:

    Mein Ausscheiden mit 59 aus dem Arbeitsleben hat zwar etwas Rente gekostet, dafür aber mehr arbeitsfreie Jahre und Lebensqualität gebracht.

    Der Ausstieg aus dem Arbeitsleben will geplant sein.

    der nährt allerdings die Vermutung, daß letzteres gegeben sein mag.

  • Lieber McProfit,

    jeder Angestellte ist auch Unternehmer, verauft er doch seine Arbeitskraft. Diese basiert auf einer guten Gesundheit. Ist diese verloren, muss er sie wieder herstellen. Ist dies nicht mehr möglich, kann er sich für einen Ausstieg mit Kürzungen entscheiden. Das habe ich getan und meine sozialen Rechte genutzt.

    Du bist ja auch vorher ausgestiegen, wie Du geschrieben hast,. Nur hatte ich nicht solch ein gutes Finanzpolster, wie Du als ehemaliger Unternehmer und heutiger Privatier.

  • Lieber Uwe Vinke

    Es ist mir völlig klar, dass Du nur das in Anspruch genommen hast, was im deutschen Sozialsystem rechtlich zulässig ist.

    Ich habe beim Lesen deines Berichts mir lediglich Gedanken gemacht, dass wegen des vorbildlichen Sozialstandards in Deutschland, die Kosten im Laufe der Jahre und Jahrzehnte in unermessliche Höhen klettern.

    Kein Politiker traut sich an dieses Thema, weil es nicht populär ist und keiner seine Wiederwahl gefährden will.

    Daher bin ich gespannt, wie diese Entwicklung einmal gelöst werden soll.

    Das betrifft vermutlich uns beide nicht mehr. Viele Grüße aus Stuttgart McProfit - zur Zeit im Urlaub außer Landes

  • Es ist doch gut zu wissen, dass (zumindest viele von uns) in ein System einzahlen (müssen), das nicht nur "Zwangsbeiträge" verlangt, sondern im Fall des Falles auch leistungswillig und leistungsfähig ist.


    Ich vermute, dass der eine oder andere Forumsfreund über den Satz "Der Ausstieg aus dem Arbeitsleben will geplant sein." gestolpert ist. Dass Dir die Sachen insgesamt unplanmäßig und ungewollt passiert sind, wurde von Dir nur angedeutet.