Wie schädlich ist die vorzeitige Entnahme aus dem ETF

  • Ein Verlust schmerzt viel mehr als ein entgangener Gewinn in der gleichen Höhe. Das ist eigentlich unlogisch und bescheuert, aber menschlich.

    mich ärgert es mehr, zu früh raus gegangen zu sein, als ne depotleiche zu verarbeiten, wo der haken schon dran ist.


    ändert sich aber evtl. noch

  • Hallo,


    ich habe vor 2-3 Jahren mit dem ETF-Sparen begonnen und wollte das als Altersvorsorge nutzen. Ich spare monatlich. Aktuell habe ich ein deutliches Plus seit der Einzahlung und es ist verlockend, dort etwas rauszuholen. Das fühlt sich ja an wie geschenktes Geld. Ich frage mich nur, wie sehr das auf lange Sicht schadet?

    Den einen Schaden kann man mathematisch ermitteln, zumindest in der Rückschau.


    Einen Sparplan durchzuhalten, in guten wie in schweren Zeiten, ist gut für den Aufbau von guten Verhaltensmustern, quasi "Muskelgedächtnis".

  • hi, ich muss das Thema nochmal aufgreifen. Es haben sich weitere Fragen aufgetan.


    Also, mein ACWI steht derzeit mit einem großen Plus seit Kauf da. +17 %, was knapp 4000 Euro entspricht. Ich bin so euphorisch, weil ich von durchschnittlichen Jahresrenditen um die 7 % gelesen habe.


    Wenn ich jetzt z. B. die 4000 Euro rausnehme, habe ich folgende Rechnung im Kopf: 4000 Euro bei durchschnittlich 7 % ergeben laut Zinseszins-Rechner in 20 Jahren um die 15.000 Euro. Das ist natürlich ein großer Unterschied. Aus den gleichen 4000 Euro heute, würden in 20 Jahren 15.000 Euro werden.


    Aber da ich ja derzeit 17 % und nicht 7 % im Plus bin, frage ich mich was ist mit den überdurchschnittlichen 10 %? Wenn der Kurs jetzt einen Monat bei 17 % steht und den Rest des Jahres die durchschnittlichen 7 % fährt, bringt mir dieser eine überdurchschnittliche 17 %-Monat etwas auf lange Sicht? Fließt das in die Zinseszins-Rechnung mit ein, oder wird für diese Rechnung nur der Kurs zu bestimmten Stichtagen rangezogen?


    Oder wäre das rückblickend der Zeitraum, wo ich hätte Gewinn realisieren müssen?

  • bringt mir dieser eine überdurchschnittliche 17 %-Monat etwas auf lange Sicht?

    Ja, er gleicht einen schlechtlaufenden Monat in der Zukunft aus. Er steckt in den Durchschnittlichen 7% drin. Wenn du ihn jetzt rausnimmst, hast du später keine 7% durchschnittlich, sondern weniger. Etwas überspitzt formuliert.


    Du solltest lockerer werden und deine Euphorie anders los werden. Verbring vlt mal etwas Zeit mit deinem Partner....

  • Du schaust einfach viel zu sehr auf die kurzfristige Rendite. Die Frage ist doch: Brauchst Du das Geld jetzt überhaupt!?

    Mich interessiert es überhaupt nicht dass ich letztes Jahr ein tolles Jahr hatte und das es auch diesen Monat wieder sehr gut läuft.

    Ich möchte in 20 Jahren, wenn ich ein tolles Jahr hatte, 20-30K€ aus meinem Depot entnehmen. Bis dahin darf jeder Euro, den ich langfristig nicht benötige in meinem Depot für mich 'arbeiten'.

    Diese 7% sind einfach die langfristige Rendite. Da gibt es mal gute Jahre und auch mal schlechte Jahre. Hier mal ein MSCI ACWI in den letzten 10 Jahren.

  • Ok ok. Also kann man festhalten, dass gute Monate "heute" das Ergebnis in "20 Jahren" positiv beeinflussen...?

    Nö,

    festhalten kann man das nicht, da keiner von uns die Zukunft kennt!

    Wenn wir uns aber an Daten der Vergangenheit orientieren sieht es zumindest so aus, dass jeder Euro der für mindestens 15 Jahre in einem MSCI World angelegt gewesen ist, eine positive Rendite erzielt hat.

    Mal war es nur ein kleines prozentuales Plus, mal waren es weit mehr wie 200%.

    Wir werden sehen.

  • Du hast jetzt erstmal ein bisschen plus gemacht und das schützt dich vor roten Zahlen im Depot wenn es wieder runter geht. Ruhe bewahren und gönne dir mal was schönes, aber Finger vom Depot lassen.


    Lies dir mal in Ruhe die beiden Blogartikel von Hartmut Walz durch:


    An der Börse wird nicht geklingelt: Der unerfüllte Traum vom Market Timing – Teil 1 - Prof. Dr. Hartmut Walz
    Ein Plädoyer gegen Market Timing, Aktivitätsdruck, aktives Handeln und überhöhte Erwartungen an Fondsmanager.
    hartmutwalz.de

    An der Börse wird nicht geklingelt: Unsere besten und unsere schlechtesten Tage, Market Timing – Teil 2 - Prof. Dr. Hartmut Walz
    Market Timing - nein danke! Denn: Es ist langfristig risikoreicher, NICHT an den Aktienmärkten investiert zu sein, als an den Aktienmärkten investiert zu sein.
    hartmutwalz.de


    Viel Erfolg beim Füße stillhalten!

  • Ich singe aus Angst vor dem Dunkel mein Lied
    Und hoffe, dass nichts geschieht:


    "To everything turn, turn, turn

    There is a season turn, turn, turn
    And a time to every purpose
    Under heaven

    A time to hodl, a time to time the market..."

  • Ok ok. Also kann man festhalten, dass gute Monate "heute" das Ergebnis in "20 Jahren" positiv beeinflussen...?


    Nö,

    festhalten kann man das nicht, da keiner von uns die Zukunft kennt!


    … um das, was monstermania geschrieben hat, vielleicht etwas einfühlsamer zu akzentuieren:


    Was am Ende des Investmentlebens herauskommt, kann man nicht vorhersagen. Aber die heute positiven Monate machen das künftige Ergebnis besser als es ohne die positiven Monate wäre … so wie es die negativen Monate schlechter machen als es ohne die schlechten Monate wäre: Das lässt sich jedenfalls festhalten. Und es gilt der alte Satz: Wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, hat sie auch nicht, wenn sie steigen. :)

  • … um das, was monstermania geschrieben hat, vielleicht etwas einfühlsamer zu akzentuieren:


    Was am Ende des Investmentlebens herauskommt, kann man nicht vorhersagen. Aber die heute positiven Monate machen das künftige Ergebnis besser als es ohne die positiven Monate wäre … so wie es die negativen Monate schlechter machen als es ohne die schlechten Monate wäre: Das lässt sich jedenfalls festhalten. Und es gilt der alte Satz: Wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, hat sie auch nicht, wenn sie steigen. :)

    Danke für die ausführliche Erläuterung. Ich glaube eine letzte Frage habe ich noch :D


    Ich verstehe, dass "gute Monate" auf lange Sicht positiv für die Durchschnittsrendite sind, genau wie umgekehrt die schlechten Monate.


    Wirken sich denn diese guten Monate auch auf die (Zinses-)Zinsen aus? Wie und wann werden die denn berechnet? Ich habe einen thesaurierenden ACWI von iShares. Ich konnte in den Datenblättern nichts zu den Zinsen finden.


    Wenn beispielsweise am Monatsende die Zinsen berechnet werden, und der Kurs am 30. des Monats gut steht, gibt das gute Zinsen. Und wenn am 30. der Kurs weniger gut steht, gibts weniger Zinsen? Oder wird jeder Tag in die Zinsrechnung eingeschlossen?

  • Ein Aktien-ETF hat mit Zinsen nichts zutun. Eventuell meinst du Dividenden/Ausschüttungen? Umgangssprachlich kann man vielleicht von Verzinsung reden bzw. mit einer solchen grob kalkulieren. Und vom "Zinseszinseffekt" kann man auch bei Aktienrendite sprechen. Aber Zins ist eigentlich ein Thema von Anleihen und dem Geldmarkt. Aktien geben keinen Zins, sondern Kursrendite und Dividenden.


    Gute Tage/Monate/Jahre und schlechte Tage/Monate/Jahre gehören an der Börse bei Aktien dazu. Du bekommst die langfristige Rendite von eben durchschnittlich um die 7% p.a. nur, wenn du sowohl gute als auch schlechte Tage/Monate/Jahre mitnimmst. Belegt ist, dass es eben mehr gute als schlechte Phasen gibt.


    Was deine Frage bzw. meine Interpretation deiner Frage angeht: Du hast bei thesaurierenden Aktien-ETFs einen ständigen "Zinseszinseffekt". Wenn eine Dividende ausgeschüttet wird, bleibt sie im ETF und sorgt dann anschließend für diesen Effekt, da von den Dividenden mehr Anteile gekauft werden. Wenn die Anteile weniger wert werden (in schlechteren Börsenphasen), dann gilt das natürlich auch für die neuen Anteile, nur dass du dann eben insgesamt mehr Anteile hast. Und in guten Börsenphasen gibt es eben dann auch mehr Anteile, die im Wert steigen können. Und auch der Kurs an sich hat einen "Zinseszinseffekt". Je mehr wert der Anteil wird, desto schneller wird er in guten Phasen dann auch wachsen. In schlechten aber eben auch entsprechend sinken.


    Es kommt bei Aktien-ETFs immer nur auf die Gesamtrendite an. Also Kurs plus Dividenden. Dividenden sind ein eher psychologisches Thema, mit dem du dich nicht unbedingt auseinandersetzen musst - dafür gibts ja Thesaurierer.


    Du solltest dich wirklich nochmal etwas einlesen oder in Videos einschauen, zum Beispiel bei Finanztip! Man sollte schon verstehen was man macht bei dem Thema. Nicht böse gemeint, nur ein Rat ;) Fragen kannst du natürlich weiterhin gezielt.

  • Bei einem Aktien-ETF gibt es keine Zinsen. Der Kurs der im ETF enthaltenen Aktien steigt oder sinkt, evtl. schütten die Aktien Dividenden aus (die ein thesaurierender ETF dann gleich wieder in Aktien anlegt) - und so entwickelt sich der Kurs des ETFs.


    Wenn man von Zins oder gar Zinseszins im Zshg. mit Aktien-ETFs spricht, ist das nur eine gedankliche Brücke, welchen Zins eine festverzinsliche Anlage hätte haben müssen, um die Wertentwicklung des ETFs zu haben.


    Das ist aber lediglich ein Konstrukt, um die Wirklichkwit zu beschreiben - eine Wirklichkeit, in der es keine Zinsen gibt, nicht einmal eine Garantie, dass man mit einem Plus aus der Sache rauskommt. (Aber keine Sorge, wir alle hier sind von dem Plus überzeugt.)

  • Hallo gelbewand,

    Vielleicht hilft dir das.

    Es gibt eine Faustformel dass sich der breitgestreute Aktienmärkte (z.B. msci world) alle 10 Jahre verdoppelt. ( Beruht auf historischen werten) Das würde bedeuten, das was du jetzt entnimmst wäre in 20 Jahren vervierfacht. (Schau dir mal die 72 Regel dazu an)

    Bei einer angenommenen jährlichen Wertentwicklung von 7,2% verdoppelt sich dein eingesetztes kapital alle 10 Jahre. (Und auch Gewinne sind natürlich eingesetztes Kapital)


    Beispiel: Deine 15% Entnahmen jetzt, wären angenommen in deinem Fall z.B. 2500€, das mal 4 ist 10.000€ in 20 Jahren.

    (alles vor steuern)

    Dies wäre der Betrag der dir in 20 Jahren weniger zu Verfügung steht wenn du jetzt rausnimmst und das entnommene Geld nicht mehr investierst. Noch gravierender wird dieser Effekt nach 30 oder 40 Jahren.


    7,2%p.a.

    jetzt wert 100% 2500€

    in 10 Jahren 200%. 5000€

    in 20 Jahren 400% 10.000€

    in 30 Jahren 800% 20.000€

    in 40 Jahren 1600% 40.000€

    und so weiter


    Damit weist du also was du ungefähr weniger erwarten kannst. Garantien gibt es an der Börse aber nie.😄


    Vergiss auch nicht das du die Entnahme versteuern musst! Das geht nach FIFO Prinzip. Bedeutet, die Anteile die du vor drei Jahren als erstes gekauft hast, werden als erstes verkauft. Dein realisierter Gewinn steigt somit und damit auch die Steuerlast auf die Entnahmesumme.


    Willst du das Geld aber unbedingt jetzt haben

    glaube ich wäre es sinnvoller das Besparen deines etf auszusetzen, bis du den Betrag zusammen hast, den du entnehmen wolltest. Den Betrag X kannst du dann verkonsumieren und du schadest dem Zinseszins deines Depot nicht.

    Das geht natürlich nur wenn du das Geld nicht sofort auf einen Schlag brauchst


    Ich hoffe das war verständlich erklärt und hilft dir ein wenig bei deiner Entscheidungsfindung.

    Viele Grüße!

  • sieh das ganze mal so


    Zinsen gibt es bei Aktien/etfs nicht nur Rendite und Dividenden. Wenn du die divis meinst die wieder thesauriert werden. Dazu gibt es keine wirklichen Angaben. Du kannst mal als vergleich nach einem acwi schauen der ausschüttet. Dann weist du was die thesaurierte divi ungefähr ist.


    Man sagt nur Zinseszins, weil das ein Model ist das exponentielles Wachstum beschreibt.

    Zinseszins Effekt merkt man ungefähr ab 50% / 60% Gewinn schon leicht. Richtig interessant wir es aber bei 100% und mehr. Das dauert. Davor wirken die Kursgewinne subjektiv eher linear (sind sie aber natürlich nicht)


    Die kurse werden natürlich tagesaktuell oder eigentlich sogar sekündlich ermittelt und richten sich nach Angebot und Nachfrage. Wird ein etf viel gehandelt ändert sich der Kurs öfter (und der ACW wird viel gehandelt)


    Beispiel Zinseszins


    Einstiegskurs 100€ / je Aktie - du kaufst dafür


    Irgendwann wert 200€ / je Aktie -> du hast 100% Gewinn

    Jetzt macht eine Tagesänderung von +1%

    (2€ Kursanstieg) bei dir aber schon 2% Kurszuwachs aus.

    Bei 150% schon 2,5% (2,5€) je 1% tagesanstieg. Usw.


    Folglich brauchst du bei einem Kurs von 250€ (+150%) ab diesem Zeitpunkt für 10% mehr Gewinn nur noch c.a. 4% Kursanstieg.


    Das ist der Zinseszins Effekt. Je mehr Gewinn je mehr Schwankungen.


    Nach unten wirk das ganze natürlich auch.

    Auch dass ist interessant.

    Bei Verlusten von


    -20% braucht Wertpapier 25% Kursgewinn um wieder bei 0% anzugelangen


    -50% benötigt es schon 100% Steigerung um wider auf 0% zu kommen


    -60% um 150% Kursanstieg nötigen um Verluste auszugleichen.


    -66% sind +200% Prozent nötig


    Einbrüche von der Größenordnung -30 bis -50 sind bei etfs selten. ich denke so ein Einbruch werde ich vielleicht noch zwei dreimal erleben. Schau dann am besten nicht ins Depot. ;)