Eure Meinung – verkaufen oder halten?

  • Gert Kommer diskutiert den Punkt (sinnvolle Laufzeiten/Durations von Anleihe-ETF als Sicherheitsbaustein neben Aktien-ETF) in vielen Beiträgen ziemlich detailliert. Er plädiert für die kurzen Laufzeiten. Das aber explizit nicht aus ökonomischen Gründen, sondern aus psychologischen Gründen! Also ja: Die Anleihe-ETF mit längerer Duration haben bei höheren Kursschwankungen eine höhere Rendite und sind daher ökonomisch auf lange Sicht attraktiver. Aber: Für den Seelenfrieden und guten Schlaf im Fall von Aktienmarkteinbrüchen ist die Mehrrendite seiner Meinung nach nicht hoch genug, um die höheren Schwankungen des gesamtportfolios (psychologisch gesehen) zu kompensieren. Das ist aber ein in meinen Augen hochgradig subjektiver und individueller Punkt und den dürfte so ziemlich jeder hier für sich anders bewerten.

    Ergo mein Fazit: Je länger der Anlagehorizont und die Möglichkeit, temporäre Kurseinbrüche (im blödesten Fall des Aktien- und Anleihemarktes gleichzeit) auszusitzen, desto eher würde ich in Richtung der etwas länger laufenden Anleihe-ETF tendieren. Zumal man die alte Erkenntnis der Portfoliotheorie, nämlich dass Aktien- und Anleihen oft (aber eben nicht immer!) in der Tendenz eher gegenläufig schwanken auch nicht ganz vergessen sollte. Mit etwas Glück und in der überwiegenden Anzahl der Fälle kompensieren dann nämlich die steigenden Anleihekurse die fallenden Aktienkurse bis zu einem gewissen grad. Daher ja die ganzen klassischen 60/40 Portfolios, die aber eben nur dann funktionieren, wenn es einen halbwegs positiven Zins am langen Laufzeitende der Zinsstrukturkurve gibt...

  • Ist das so? Wenn ja, woher kommt das bei einer inversen Zinsstrukturkurve?

    Ja, ist unstrittig in der Literatur und leitet sich aus dem höheren Risiko der längeren Laufzeiten ab. Je länger die Laufzeit, desto höher in der Tendenz das Risiko, in dieser Laufzeit sein investiertes Kapital zu verlieren. Genau deshalb gelten ja die ganz besonders kurz laufenden Anleihen ("Geldmarkt") als besonders sicher sowohl was Kursschwankungen als auch was Ausfallrisiken angeht. Überlagert wird das Ganze natürlich zeiweise durch die Eingriffe der Zentralbank in die Märkte durch Veränderung der Leitzinsen. Gerade erwarten die Märkte weitere Zinssenkungen, weswegen die Zinsstrukturkurve invertiert. Das ist aber im Zeitverlauf die Ausnahme und in 90% der Zeit eben nicht der Fall. Schau dir doch mal beliebige Reditekennzahlen von Anleihen an (kurzlaufend vs. langlaufend) aus den letzten 100 Jahren an und wirst für die allermeisten Zeiträume feststellen, dass die langlaufenden Anleihen die deutlich höhere Rendite abwerfen. Wie viel mehr Schwankungsrisiko das einem dann Wert ist, muss mal selber wissen...

  • PS: Das sind die Blogs von Gerd Kommer auf die ich mich oben bezogen habe. Ich finde, er bringt das mit seinen Mitarbeitern relativ gut auf den Punkt, auch wenn ich denke, dass jeder für sich auch bei den Anleihen / Anleihe-ETF individuell definieren muss, welche Volatilität bzw. Schwankungsbreite in Hinblick auf Zinsänderungen man bereit ist, in Kauf zu nehmen:

    Anlageklasse Anleihen: Von den Basics zum Spezialwissen – Gerd Kommer
    Dieser Beitrag ist eine kurze Einführung in die Anlageklasse Anleihen (Staats- und Unternehmensanleihen) aus der Sicht von Privatanlegern.
    gerd-kommer.de
    Das Zins­änderungs­risiko bei Anleihen – Gerd Kommer
    In diesem Beitrag befassen wir uns mit dem Zusammenhang von Zinsänderungen und dem Kurs von Anleihen.
    gerd-kommer.de
    Anleihen und Zinsänderungen – ein Fallbeispiel – Gerd Kommer
    Wir zeigen anhand konkreter ETFs, wie sich Zinserhöhungen auf die Asset-Klasse Anleihen auswirken.
    gerd-kommer.de
  • Ist das so [daß längere Renten höher rentieren als kürzere]? Wenn ja, woher kommt das bei einer inversen Zinsstrukturkurve?

    Ja, ist unstrittig in der Literatur und leitet sich aus dem höheren Risiko der längeren Laufzeiten ab.

    Ich kenne die Theorie, sehe aktuell allerdings, daß längere Renten trotz des höheren immanenten Risikos aktuell schwächer rentieren als kürzere.

    Hast Du nicht zufällig zwei oder mehrere Renten-ETFs bei der Hand, bei denen ich den genannten Renditeunterschied im Chartbild erkennen könnte?

    Genau deshalb gelten ja die ganz besonders kurz laufenden Anleihen ("Geldmarkt") als besonders sicher, sowohl was Kursschwankungen, als auch was Ausfallrisiken angeht.

    Das sind zwei Paar Stiefel. Daß eine kurzlaufende Anleihe geringere Kursschwankungen zeigt, folgt aus der Mathematik. Daß eine kurzlaufende Anleihe ein geringeres Ausfallrisiko hat, folgt primär aus der Anschauung. Wenn ein Schuldner aktuell stabil scheint, so wird diese Information immer unsicherer, je länger man sie in die Zukunft projizieren möchte.

    Gerade erwarten die Märkte weitere Zinssenkungen, weswegen die Zinsstrukturkurve invertiert.

    Leider invertiert sie nicht, sondern sie ist invers, was etwas anderes ist.

    [Daß die Zinsstrukturkurve invers ist,] ist aber im Zeitverlauf die Ausnahme und in 90% der Zeit eben nicht der Fall.

    Was kann ich mir in der aktuellen Situation dafür kaufen, daß es normalerweise anders ist?

    Wie gesagt: Du nennst mir zwei oder mehrere Renten-ETFs, aus deren Chartbild ich den behaupteten Zusammenhang erkennen kann - schon hast Du mich überzeugt.

  • Leider invertiert sie nicht, sondern sie ist invers, was etwas anderes ist.

    Sie ist invers, die Wirkung am kurzen und am langen Ende sind umgekehrt = invertiert. ;)

    Kommt aber begrifflich wohl eher aus der Medizin als aus der Ökonomie (https://www.duden.de/rechtschreibung/invertiert). Wie wäre denn dann das Verb zu invers? Inversieren? :/

    Was kann ich mir in der aktuellen Situation dafür kaufen, daß es normalerweise anders ist?


    Wie gesagt: Du nennst mir zwei oder mehrere Renten-ETFs, aus deren Chartbild ich den behaupteten Zusammenhang erkennen kann - schon hast Du mich überzeugt.

    Da du ja langfristig investieren willst, sollst und willst du dir doch gerade in der aktuellen Situation nicht viel dafür oder vielmehr davon kaufen! :P Auf längere Sicht wird doch bei einer normal verlaufenden Zinsstrukturkurve klar, dass es eben auf lange Investitionszeiträume die höheren Zinsen gibt. Um zur Verdeutlichung vll. nochmal das Beispiel von Kommer zu zitieren, in dem er auf die Historie der US-Staatsanleihen und den Zusammenhang von Rendite und Vola im Fall von Zinsänderungen eingeht:

    "Man kann das Zinsänderungsrisiko im eigenen Depot allerdings stark mindern und sogar vollständig eliminieren, indem man sich auf Anleihen kurzer RLZ beschränkt. Allerdings produzieren diese im Normalfall (nicht jedoch derzeit) etwas geringere Renditen als Langläufer. Beispielsweise hatten zwanzigjährige US-Staatsanleihen in den 60 Jahren bis 11/2023 eine um 1,7 Prozentpunkte p. a. höhere Durchschnittsrendite als einmonatige US-Staatsanleihen – bei einer zehnmal so hohen Volatilität." (Quelle: https://gerd-kommer.de/anleihen/)

    Und 1,7 Prozentpunkte ist ein spürbarer Unterschied. Das ist praktisch der Trade-Off um den es dabei geht: Niedrige Vola vs. höhere Rendite. Und das muss meiner Meinung nach jeder für sich entscheiden und bewerten, m.E. sinnvollerweise orientiert am eigenen Investitionszeitraum und Risikoprofil bzgl. der Depotschwankungen...

  • Sehr viele Anleger sind auf Nominalwerte eingerastet und klammern sich daran: "Ich verzichte ja auch gern auf den Zins, wenn ich nur am Ende der Laufzeit 'mein Geld' wieder zurückbekomme!"

    Aber bei einem Anleihen-ETF hat man doch, wenn ich das richtig verstehe, keine Sicherheit, dass jemals der Nominalwert zurückkommt, oder?

    Eben drum halte ich den Kauf eines Rentenfonds (ob er nun börsengehandelt ist oder nicht) für komplexer als den Kauf einer Rente.

    Bei einer einzelnen Anleihe, klar, die wird irgendwann fällig (und bis dahin hat man mit Coupon eine festgeschriebene Ausschüttung bekommen, je nach aktuellem Marktpreis mal ein besserer, mal ein schlechterer Deal).

    Aber ein Anleihen-ETF (mit Ausnahme dieser einen neuen Variante mit fester Laufzeit) tauscht doch immer wieder durch. Das heißt der Wert korreliert zwar immer mit dem jeweils aktuellen Marktzins für die Laufzeit der enthaltenen Anleihen. Es gibt aber kein „wenn ich nur bis zum Stichtag X halte, bekomme ich nominal mein Geld zurück“)“, oder?

    Genau das.

  • Wie gesagt: Du nennst mir zwei oder mehrere Renten-ETFs, aus deren Chartbild ich den behaupteten Zusammenhang erkennen kann - schon hast Du mich überzeugt.

    Nimm als Vergleich doch zum Beispiel mal diese beiden (LU1829219556 und LU1287023342), die nur aus EUR-Staatsanleihen bzw. EUR-Staaten mit hoher Bonität bestehen:

    Es ist doch mehr als offensichtlich, dass der blaue ETF mit gleichen Emittenten und deutlich längerer Duration über die letzten rund 12 Jahre deutlich mehr Rendite gebracht hat. Der mit Laufzeiten zw. 1-3 Jahren lag auch bei fallenden Zinsen zwischen 2012 und 2021 deutlich darunter. Erwartbar hat der ETF mit der längeren Duration in der Zinswende ab 2021 eben prozentual auch deutlich mehr verloren. Über die gesamte Laufzeit (ca. 12 Jahre) betrachtet hat die höhere Rendite durch die höheren Kupons der länger laufenden Anleihen das aber sogar überkompensiert, sodass man mit 9,81% im Plus läge statt mit -3,28% in den Miesen! Ähnlich schlecht wären die hier so beliebten Geldmarkt-ETF in diesem Zeitraum gelaufen (-2,42%)! Das kann man so genauso mit US-Staatsanleihen, Unternehmensanleihen etc. zeigen und es ergibt sich doch einfach auch aus der in 90% der Zeit geltenden Zinsstruktur...

  • Sie ist invers, die Wirkung am kurzen und am langen Ende sind umgekehrt = invertiert.

    Ja, aber sie invertiert eben nicht. Ich hatte es bereits geschrieben.

    Wie wäre denn dann das Verb zu invers? Inversieren? :/

    Invertieren = wörtlich: umdrehen, ins Gegenteil verkehren.

    Man vermeidet sinnvollerweise Wörter, deren Bedeutung man nicht beherrscht. So mancher möchte als Koryphäe imponieren, erweist sich am Ende aber halt als Konifere.

    Wie gesagt: Du nennst mir zwei oder mehrere Renten-ETFs, aus deren Chartbild ich den behaupteten Zusammenhang erkennen kann - schon hast Du mich überzeugt.

    Nimm als Vergleich doch zum Beispiel mal diese beiden (LU1829219556 und LU1287023342), die nur aus EUR-Staaten bzw. Staatsanleihen mit hoher Bonität bestehen:

    Es ist doch mehr als offensichtlich, dass der blaue ETF mit gleichen Emittenten und deutlich längerer Duration über die letzten rund 12 Jahre deutlich mehr Rendite gebracht hat.

    Wow! 9,81% Rendite über 12 Jahre (thesaurierendes Papier). Das hat mein Depot in dieser Zeit auch gebracht, allerdings pro Jahr.

    Glaub keiner Statistik, die Du nicht selbst gestaltet hast. Betrachte mal die letzten 3 Jahre! :)

  • Was einem beim Betrachten dieser beiden Charts doch auch mehr als deutlich wird: Der Einbruch ab 2022 ist eine Anomalie und einem so in der Euro-Zone noch nie dagewesenen Zins-Niveau und Anstieg geschuldet, mit dem die Zentralbanken der kurzzeitig zweistelligen Inflation begegnet sind. Historisch gesehen machen das Zentralbanken immer punktuell, zeitweise und fahren das Zinsniveau wieder zurück, sobald die Inflation sich (so wie aktuell) wieder bei 2% einpendelt bzw. eingependelt hat. Stefan Sell hat das hier folgendermaßen beschrieben: http://vwl-sell.de/2024/06/08/leitzinssenkung-der-ezb/ bzw. als Graphik seit dem Jahr 2000 dargestellt:


    Kein Mensch kennt die Zukunft, aber ich würde wie schon in der Vergangenheit davon ausgehen, dass die EZB demnach die Zinsen bald wieder senkt (wie schnell und wie weit ist offen). Aber klar ist doch, dass die Leitzinsen letztlich in einem bestimmen Korridor über Zeiträume von 30+ Jahren gelegentlich steigen und fallen und sich das gewissermaßen rauskürzt aus den Kursen der Anleihe-ETF. Wir hatten jetzt einen sehr ungünstigen Zinsanstieg ab 2021. Es wird auch wieder eine sehr günstige Absenkung der Leitzinsen geben! Auf lange Sicht gleicht sich das also zunehmend aus und was bleibt ist der Kupon bzw. die Rendite der Anleihen als Rendite des Anleihe-ETF. Und die ist eben umso höher, je länger die Laufzeiten sind (s.o.).

    Ich verstehe diesen Fatalismus bei Anleihen und Anleihe-ETF nicht. Viele scheinen hier ja zu glauben, die Anleihe-ETF-Kurse würden jetzt im Keller bleiben oder könnten beliebig oder auch zukünftig nur fallen. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man von hohen Zinsen kommt und der Leitzins dann wieder gesenkt wird...

  • Wow! 9,81% Rendite über 12 Jahre (thesaurierendes Papier). Das hat mein Depot in dieser Zeit auch gebracht, allerdings pro Jahr.


    Glaub keiner Statistik, die Du nicht selbst gestaltet hast. Betrachte mal die letzten 3 Jahre! :)

    Schau dir meine Argumente und die Zusammenhänge zw. Anleihen / Anleihe-ETF, dem Zinsniveau und der Rolle von Anleihen in Portfolios vielleicht nochmal in Ruhe an. Vielleicht wird dir dann klar, was für ein Erholungspotenzial im oben blau dargestellten ETF liegt. Wenn du wirklich nur auf die Rendite (9,81%) schaust, hast du den Sinn von Anleihen / Anleihe-ETF in einem Portfolio nicht verstanden. Kommer hat das in seinem Buch mal mit demjenigen verglichen, der aus Kostengründen die Gebäudeversicherung gegen Feuer nicht abschließt, mit der Begründung, sie würde etwas kosten...

  • Schau dir meine Argumente und die Zusammenhänge zw. Anleihen / Anleihe-ETF, dem Zinsniveau und der Rolle von Anleihen in Portfolios vielleicht nochmal in Ruhe an.

    Vielen Dank. Du darfst davon ausgehen, daß ich mich mit Renten hinreichend auskenne und auch die Zinsentwicklung der letzten Jahre aufmerksam verfolgt habe.

    Es ist aktuell nicht so, wie Du schreibst. Eine inverse Zinsstrukturkurve mag selten auftreten, aber sie ist im Moment nun einmal die Realität. Irgendwann wird sich das normalisieren, aber niemand kann jetzt sagen, wann das der Fall sein wird. Man könnte eine Menge Geld damit verdienen, wenn man es denn wüßte.

    Hartmut Walz rät übrigens sehr von langen Euro-Renten ab - er wird seine Gründe dafür haben.

  • Du darfst davon ausgehen, daß ich mich mit Renten hinreichend auskenne und auch die Zinsentwicklung der letzten Jahre aufmerksam verfolgt habe.

    Dann sei die Frage erlaubt: Warum dann so viele Fehleinschätzungen?

    Welche Punkte siehst du denn im Kern anders als ich? Nimmst du im Gegensatz zu allen historischen Leitzinsentwicklungen an, dass der Leitzins jetzt ab sofort konstant bei 4% bleibt? Weil nur dann hätte man mit den länger laufenden Anleihen wirklich längerfristig einen herben Verlust, bei denen die Kupons der Anleihen wirklich lange bräuchten, um die Kursverluste wieder auszugleichen. Sobald die Zinsen weiter fallen, werden die Anleihe ETF-Kurse absehbar wieder steigen. Wie gesagt: Aus meiner Sicht kürzt sich das raus aus der Kursentwicklung, gerade bei einem Anlagehorizont von 30 Jahren und mehr.

    Oder glaubst du den oben dargestellten Zusammenhang zwischen Laufzeit und Rendite grundsätzlich nicht? Ich habe die ETF ausgewählt, weil ich sie beide für Portfolios für sehr geeignet halte, sie die gleichen Emittenten beinhalten und mit 12 Jahren relativ lange existieren. Es macht natürlich keinen Sinn, nur die letzten 3 Jahre zu betrachten, weil gerade in dieser Zeit der massive Zinsanstieg lag. Um den angesprochenen Zusammenhang zu verdeutlichen braucht man längere Zeiträume wie in meinem Beispiel über mehr als 10 Jahre. Hast du bessere Vorschläge oder ein Gegenbeispiel?

    Du scheinst grundsätzlich ein Investment in Einzelanleihen als "besser" oder "sicherer" zu betrachten als das in Anleihe-ETF. Den Punkt verstehe ich nicht, außer mehr Arbeit bringt dir das doch über einen Zeitraum von 30 Jahren und mehr nichts. Kommer schreibt dazu folgendes:

    "Kann man mit Investments in einzelne Anleihen statt Anleihenfonds Risiko senken?

    Ein törichter Mythos, der sich seit der Verbreitung von Anleihen-ETFs hartnäckig hält und von „Experten“ immer wieder neu aufgewärmt wird, besteht darin, dass man mit dem Investieren in einzelne Anleihen, sofern man sie bis zur Fälligkeit halte, Renditerisiko „stark senken“ oder sogar „ganz vermeiden“ könne. Begründung: Da man beim Kauf einer Anleihe ihre Umlaufrendite bis zur Fälligkeit kennt, habe man so alles Risiko beseitigt. [...]"

    Quelle: https://gerd-kommer.de/anleihen/

    Hast du den Abschnitt gelesen? Ich verstehe deine Argumentation für Einzelanleihen und gegen Anleihe-ETF in der Sache nicht, sofern man nicht einen Großteil der Mittel an einem bestimmten Stichtag liquide braucht. Vielleicht können wir das - Intresse vorausgesetzt - hier nochmal diskutieren. Wenn man über lange Zeiträume nachdenkt und die Asset-Klasse "Anleihen/Bonds" (von "Renten" hat man doch selbst früher nicht gesprochen, zumal das hier im Forum alle mit Interesse an der Altersvorsorge mehr als verwirren dürfte...) in ein Portfolio integrieren möchte, dann sind Anleihe-ETF mit Laufzeitbändern doch eine super Sache! Und ich würde dann abweichend von den Ratschlägen von Kommer aus den o.g. Gründen schon über etwas längere Laufzeiten (z.B. 3-5 oder 5-7 Jahre) nachdenken. Aber das muss wie gesagt ins eigene Konzept passen...

  • @FinanztipUser:

    Spar Dir Deine Mühe! Ich weiß, wie Renten funktionieren, ich weiß, wie Renten-ETFs funktionieren, ich habe keine Angst vor Kursveränderungen, aber ich habe keine einzige Rente im Portfolio. Und ich lasse mich von Dir nicht herausfordern, egal, wie leidenschaftlich Du Dich für Dein Lieblingsinvestment verkämpfst.

  • Meine Anleihequote beträgt 15%, das würde ich jetzt nicht als mein Lieblingsinvestment bezeichnen, selbst mein Anteil an Gold ist mit 10% fast so groß ;) Grundsätzlich bin ich aber aus den dargestellten Gründen der Meinung, dass Anleihen und Anleihe-ETF heute wieder nennenswertes Potenzial haben und es echt ein Fehler wäre, jetzt nach dem starken Zinsanstieg überstürzt zu verkaufen und damit die Verluste zu realisieren ohne die absehbaren Erholungschancen mitzunehmen...


    Ich finde einfach, ein "Sicherheitsbaustein" im Portfolio macht Sinn, wenn man eben die Volatilität und die zeitweiligen maximalen Verluste (MDD) reduzieren möchte. Und das Argument der geringeren Rendite trägt dann einfach nicht. Und wenn man dann Anleihen ins Portfolio aufnehmen möchte, stellen sich eben viele interessante Detailfragen, die es m.E. echt wert wären, dass wir sie hier diskutieren. Ich persönlich hab die 15% aufgeteilt in 10% 1-3 jährige "highest-rated" EUR-Staatsanleihen und 5% inflationsindexiert mit längerer Laufzeit (ca. 8 Jahre) und auch Ländern wie Italien. Zu zwei Dritteln also ziemlich sicher und renditearm, zu einem drittel etwas riskanter und etwas renditestärker. Beide ETFs dürften auch bei einem weiteren Anstieg der Zinsen nur moderat fallen und waren zumindest für mich ein guter Kompromiss im Gesamtkonzept.

    Was ich mich daraus abgeleitet für die Eingangsfrage von Blaubaer fragen würde: Wie viel Zeit bleibt denn, um die Kursverluste auszusitzen? Und wie hält er es mit dem Emittentenrisiko? Weil green klingt auch bei italienischen Staatsanleihen gut, aber war da 2015 rum nicht mal was von Gesprächen über eine mögliche Staatspleite? Will sagen: Wie gut schläft man dann auf ganz lange Sicht mit so einem Sicherheitsbaustein im Depot? :/

  • Was ich mich daraus abgeleitet für die Eingangsfrage von Blaubaer fragen würde: Wie viel Zeit bleibt denn, um die Kursverluste auszusitzen? Und wie hält er es mit dem Emittentenrisiko?

    Ich denke, dass ich das Geld in den nächsten 10 Jahren nicht brauche. Wenn ich eure Fachdiskussion hier richtig verstanden habe, könnte bis dahin der nach dem Kauf eingetretene Kursverlust wieder ausgeglichen sein. Das Emittentenrisiko würde ich (laienhaft) als eher gering einschätzen. - Also halten?!

  • Ich denke, dass ich das Geld in den nächsten 10 Jahren nicht brauche. Wenn ich eure Fachdiskussion hier richtig verstanden habe, könnte bis dahin der nach dem Kauf eingetretene Kursverlust wieder ausgeglichen sein. Das Emittentenrisiko würde ich (laienhaft) als eher gering einschätzen. - Also halten?!

    Hallo,

    da Du sie bisher als Sicherheitsbaustein gesehen hast, sollte durch die Erkenntnis, dass es sich hier um eine Anlage des risikoreicheren Teils handelt, Deine Risikoallokation zwischen sicherem und risikoreicherem Anteil verschoben worden sein.

    Du solltest Dir also m.E. zuerst darüber klar werden, ob das überhaupt in Ordnung ist.

    Im zweiten Schritt stellt sich dann die Frage ob Du Anleihen als diversifizierende und stabilisierende Komponente mit aufnehmen möchtest.

    Nach den Erkenntnissen aus diesen beiden Schritten kannst Du dann entsprechend handeln.

  • Ich denke, dass ich das Geld in den nächsten 10 Jahren nicht brauche. Wenn ich eure Fachdiskussion hier richtig verstanden habe, könnte bis dahin der nach dem Kauf eingetretene Kursverlust wieder ausgeglichen sein. Das Emittentenrisiko würde ich (laienhaft) als eher gering einschätzen. - Also halten?!

    Genau, wie RNowotny schreibt, ist grundsätzlich die Frage, welchen Anleiheanteil du möchtest. Sofern z.B. Italien in den nächsten 10 Jahren nicht ausfällt (Anteil im ETF mal geprüft?), ist das Emittentenrisiko überschaubar. Ich würde nicht nur sagen, dass der Kursverlust binnen 10 Jahren ausgeglichen sein „könnte“. Da in dieser Zeit der Großteil der Anleihen in deinem ETF durch Anleihen mit höheren Zinsen ausgetauscht sein dürfte und ich aus den o.G. Gründen fallende Zinsen für wahrscheinlicher halte als steigende: Beides kommt dir früher oder später mehr oder weniger stark zu Gute! Und auf 10 Jahre gesehen, wäre ich aus den beiden Gründen ziemlich sicher, dass sich der ETF erholt haben dürfte! Die von der Finanztest aufgemachten Szenarien und Modellrechnungen kommen je nach weiterem Leitzinsverlauf zum Ergebnis, dass sich die meisten Anleihe-ETF in den nächsten 2-4 Jahren wieder erholt haben sollten, selbst die mit längeren durchschnittlichen gewichteten Laufzeiten (Durations)…

  • Die von der Finanztest aufgemachten Szenarien und Modellrechnungen kommen je nach weiterem Leitzinsverlauf zum Ergebnis, dass sich die meisten Anleihe-ETF in den nächsten 2-4 Jahren wieder erholt haben sollten, selbst die mit längeren durchschnittlichen gewichteten Laufzeiten (Durations)…

    Machst Du ein Eintrag in den Kalender, damit wir mal prüfen können, ob die Szenarien und Modellrechnungen hinkommen? ;)

    Erinnert mich so an die Experten die noch 2021 schrieben, dass Zinserhöhungen in der Eurozone auf Jahre unmöglich seien.

    Sagen wir es doch einfach wie es ist: Du empfiehlst Blaubaer auf langfristig wieder fallende Zinsen zu wetten. :/

    Ich kenne die Duration des ETF nicht, da der ETF scheinbar nicht in Anleihen bestimmter Laufzeit investiert, sondern einen Index abbildet. Ich kenne den Index nicht. Muss ich auch nicht, da ich nicht vorhabe Geld darin zu investieren.

    PS: Geld dass ich langfristig nicht brauche (>15 Jahre) investiere ich lieber in meine Aktien-ETF.

    Und ja ich habe ich 'sichere' Anlagen. Allerdings in Form einer alten Kapitallebensversicherung (bis 2031) und einer bAV (bis 2037). Und dann noch etwas Cash auf dem TG.

  • Machst Du ein Eintrag in den Kalender, damit wir mal prüfen können, ob die Szenarien und Modellrechnungen hinkommen? ;) Erinnert mich so an die Experten die noch 2021 schrieben, dass Zinserhöhungen in der Eurozone auf Jahre unmöglich seien.

    Lass das gerne wirklich mal in 2-3 Jahren bewerten! Ich kann bei Bedarf/Interesse die Modellrechnungen der Finanztest auch nochmal raussuchen. Deine Aussage zu den Einschätzung der Experten bezieht sich auf das Zinsniveau (kurzfristig), was natürlich sehr schwer abzuschätzen ist. Das Erholungspotenzial von Anleihe-ETF lässt sich aber im Gegensatz dazu und auch im Gegensatz zum Aktienmarkt bzw. den Aktienmarktschwankungen relativ gut berechnen! Eben weil man die Funktionsweise von Anleihen, deren Laufzeiten, Kupons, etc. sehr viel besser kennt, als die zukünftige Ertragslage von Unternehmen und die zukünftigen Marktbewertungen im Fall von Aktien. Am Aktienmarkt ist wirklich sehr viel "Glaskugel", am Anleihemarkt aber deutlich weniger, eben weil dieser berechnenbarer und daher in den Entwicklungen wirklich absehbarer ist.

    Sagen wir es doch einfach wie es ist: Du empfiehlst Blaubaer auf langfristig wieder fallende Zinsen zu wetten. :/

    Das ist nur die Hälfte von dem "wie es ist". Er würde auch auf fallende Zinsen wetten bzw. hoffen, aber eben nicht nur! Seht ihr den zweiten und absehbaren Erholungseffekt von Anleihe-ETF nicht? Auch im unwahrscheinlichen Fall, dass die Leitzinsen im Korridor 3-4% bleiben für die nächsten 10 Jahre? Da die Anleihen je nach Laufzeitband dann sukzessive ausgetauscht werden, würde er selbst im unwahrscheinlichen Fall von dauerhaft konstanten Zinsen von 4% mittelfristig mehr und mehr von den höheren Kupons der neuen Anleihen profitieren. Je höher der Zins ist/bleibt, desto stärker! Beides kommt ihm also perspektivisch zugute: 1.) Sicher steigende Kupons, sofern das Zinsniveau nicht wieder auf das sehr niedrige Level der Anleihen in seinem ETF fällt und/oder 2.) ein fallendes Zinsniveau. Beide Effekte werden sich überlagern und früher oder später kommen und die entscheidende Frage ist eigentlich nicht ob, sondern wann sich der ETF erholt haben wird. Dabei würde es ja schon reichen, wenn die EZB die Leitzinsen z.B. in drei Jahren auf 2% statt auf 4% setzen würde. Beide Effekte kommen Blaubaer dann absehbar entgegen und würden die Gesamtrendite seines Anleihe-ETF mittelfristig wieder deutlich steigern...

    PS: Geld dass ich langfristig nicht brauche (>15 Jahre) investiere ich lieber in meine Aktien-ETF. Und ja ich habe ich 'sichere' Anlagen. Allerdings in Form einer alten Kapitallebensversicherung (bis 2031) und einer bAV (bis 2037). Und dann noch etwas Cash auf dem TG.

    Das ist dann eben die nächste Überlegung, also ggf. den Aktienanteil zu erhöhen um die potenziell höhere Rendite des Aktienmarktes (ca. 7-8%) zu Lasten des Anleiheanteils (zur Zeit ca. 3%) auf lange Sicht mitzunehmen. Wenn es aber gute Gründe für einen Sicherheitsbaustein in Form von Anleihen gibt (z.B. niedrigere Vola gewünscht; maximalen Draw-Down reduzieren, um ein Vermögen oberhalb einer gewissen Schwelle zu erhalten (nennen manche neuerdings "Safe-Asset-Floor-Rebalancing"); Streuungsambitionen über mehrere Asset-Klassen; u.s.w.), dann spricht das in meinen Augen ziemlich für Anleihe-ETFs, bei denen man dann halt definieren muss, welche Schwankungen dieses Portfolioteils man bereit ist, für eine zusätzliche Rendite in Kauf zu nehmen...