Verluste beim ETF vs. Verluste bei Immobilien

  • Ich habe mehrfach gelesen, dass die Immobilienpreise (auch) in Ballungsgebieten in den letzten 2-3 Jahren real um 20% und mehr gefallen sind. Nach den Boomjahren und durch die Zinserhöhungen ist das wenig verwunderlich.


    Was mich erstaunt ist, dass viele Immo-Investoren, die ich kenne, das Thema gar nicht auf dem Schirm haben bzw. verdrängen. Bei einer Fremdfinanzierung von ,,nur" 50%, reden wir hier immerhin von einem Preisrückgang von 40% auf das Eigenkapital.


    Bei ETFs bekommen viele bereits nach Minus 10% Schnappatmung. Minus 40% würde medial praktisch als Weltuntergang beschrieben und bedeutet für viele Privatanleger, dass das Anlageobjekt ,,Aktie" nichts tauge und nur für Zocker wäre.

    Kursrückgänge in der Größenordnung gelten am Aktienmarkt als heftiger Crash (Dot.com, Finanzkrise,...).


    Bei Immobilien sieht das ganz anders aus. Sowohl die relativ schlechte langfristige Rendite, als auch die heftigen Preisrücksetzer scheinen keine Rolle zu spielen. Viele interessiert das überhaupt nicht.


    Mir ist klar, dass die Tatsache, dass im Gegensatz zu Immobilien die aktuellen Preise von Aktien und Fonds ständig ..verfügbar" sind, eine große Rolle spielt und es einfacher ist sich eine Immobilie schön zu rechnen oder eine Preisentwicklung zu verdrängen. Trotzdem interessiert mich das Thema sehr, weil man sich auch fragen könnte:


    Wie schafft man es als ETF-Investor die gleiche Gelassenheit wie Immo-Investoren zu bekommen?


    Habt ihr diesbezüglich ähnliche oder andere Erfahrungen gemacht oder eine Meinung?

  • Elena H.

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Der Immobilien-Selbstnutzer will ja im Moment gar nicht verkaufen. Vielleicht will er sogar mit seinen Füßen zuerst aus seinem Heim getragen werden. Das führt zu Gelassenheit bei Preisschwankungen.

    Diese Gelassenheit sollte ein Langfristinvestor in Aktien auch haben. Einige, nicht wenige hier im Forum, haben dies wohl auch oder behaupten dies zumindest.


    Der Immobilien-Investor (Vermietung) sieht monatlich seine Mieteingänge. Diese werden in den meisten Gegenden in den letzten Jahren nicht gesunken sein. Das führt wohl auch zu Gelassenheit.

    Vergleichbar mit den Forennutzern, die seit zig Jahren immer höhere Dividenden generiert haben.


    Den wesentlichen Punkt hast Du, glaube ich, schon oben genannt: die nicht tägliche Verfügbarkeit des Preises der individuellen eigenen Immobilie.

  • Wie schafft man es als ETF-Investor die gleiche Gelassenheit wie Immo-Investoren zu bekommen?

    Nicht ständig draufschauen. Ganz einfach. Würde der Immobilieninvestor jede Sekunde einen neuen Preis bekommen, würde den meisten der Arsch auf Grundeis gehen. Aber da Preise nur selten gemacht werden und die Endpreise nicht öffentlich sind, lässt sich sehr leicht alles ignorieren

  • Gerade bei geringer Eigenkapitalquote sieht die Rechnung nicht so schlecht aus, wie von dir beschrieben.


    Der Wertverlust besteht aus 2 Komponenten:

    Inflationsverlust und Bewertungsverlust durch höhere Abzinsung.

    Beides trifft aber genau so auch auf das Fremdkapital zu. Auch die Schulden sind durch Inflation weniger Wert geworden und der Kredit hat durch den höheren Zinssatz zusätzlich an Wert verloren. Wie eine Anleihe, die bei steigenden Zinsen im Wert fällt.


    Aber es stimmt auch, dass die meisten Leute eher auf den Cashflow von Immobilien schauen. Eher vergleichbar mit Dividendeninvestoren.

  • Auch die Schulden sind durch Inflation weniger Wert geworden und der Kredit hat durch den höheren Zinssatz zusätzlich an Wert verloren. Wie eine Anleihe, die bei steigenden Zinsen im Wert fällt.

    Stimmt das?


    "Die Inflation hilft mir als Kreditnehmer" – Träum weiter!
    In diesem Beitrag zeigen wird, dass die bekannte These "Inflation ist gut für Kreditschuldner" nicht stimmt.
    gerd-kommer.de

  • Habe den Artikel nicht komplett gelesen, aber das Argument wird ja schnell klar: Die erwartete Inflation sei in den Zinsen eingepreist.


    Doch genau das ist ja der Punkt. Da diese Erwartungen massiv verfehlt wurden, kam es ja zu dem Zinsanstieg für *neue* Kredite.

    Für bestehende Kredite hingegen ergab sich für die Kreditnehmer ein beachtlicher Gewinn durch die Inflation und die gestiegenen Zinsen.


    Dieser Schock war es, der die Immobilien hat abwehren lassen, aber eben auch die Schulden.


    Und ob die erwartete Inflation wirklich in den Zinsen eingepreist war, würde ich auch hinterfragen.

    Durch den massiven Aufkauf von Anleihen durch die Zentralbank wurden die Zinsen künstlich gedrückt und Kreditnehmer in diesem Jahren auf Kosten der Allgemeinheit subventioniert.

  • Durch den massiven Aufkauf von Anleihen durch die Zentralbank wurden die Zinsen künstlich gedrückt und Kreditnehmer in diesem Jahren auf Kosten der Allgemeinheit subventioniert.

    Also genaugenommen wurde die Immobilienwirtschaft subventioniert, denn je niedriger sie Zinsen wurden, desto höher wurden die Immobilienpreise. 😁

  • Für bestehende Kredite hingegen ergab sich für die Kreditnehmer ein beachtlicher Gewinn durch die Inflation und die gestiegenen Zinsen.

    Der gestiegene Wert des Kredits nützt einem erstmal nichts. Immobilienkredite kann man nicht so einfach weiterverkaufen wie Anleihen. Und die Inflation...in der Theorie hat das alles entwertet. In der Praxis ist alles abartig teuer geworden, während von dem bisschen Gehaltserhöhung hauptsächlich das Finanzamt profitiert. Als Inflationsgewinner fühle ich mich jedenfalls absolut nicht.

    Zu beachten ist auch, dass bestehende Kredite nicht ewig laufen. Wer in den nächsten Jahren die Anschlussfinanzierung hat, wird seinen vermeintlichen Gewinn durch den Zinsanstieg wieder großteils bis vollständig durch die höheren Zinsen bei der Anschlussfinanzierung verloren geht.


    Und nach vorne gerichtet, ist das ohnehin weniger relevant. Die Chance bei 3,5-4% nochmal einen Inflationsgewinn einzufahren, ist eher gering.


    An der Stelle muss ich auch 12345 zustimmen, denn die Preise waren vorher nur so abartig hoch, weil Geld fast umsonst zu haben war und fast jeder auf dem Immobilienmarkt mitmischen konnte.

  • Für bestehende Kredite hingegen ergab sich für die Kreditnehmer ein beachtlicher Gewinn durch die Inflation und die gestiegenen Zinsen.

    Ist das so? Hat die Inflation nicht auch das investierte Eigenkapital entwertet?


    Wie im OP erwähnt, ist ein Preisrückgang am Immobilienmarkt von 20% und mehr ein Verlust von 20% auf das Objekt. Finanziert man nur mit 50% FK, bedeutet das einen ,,Crash" um 40% und mehr auf das Eigenkapital. Das sind alles nominale Zahlen. Real ist der Verlust deutlich höher. Wie meine Vorredner bereits erwähnt haben: Die real niedrigeren Schulden muss man mit real höherem Einkommen zurückzahlen. Hat es das in der Höhe gegeben? Wir reden hier von fast 20% mehr Netto-Einkommen. So hoch war die kumulierte Inflation in den letzten 3-4 Jahren.

    Abzüglich der höheren Anschlussfinanzierung....


    Ich denke wenn man ehrlich und genau rechnet dürfte es kaum einen Immobilieninvestor oder Eigenheimbesitzer geben, der in den letzten 3-4 Jahren nicht erheblich Vermögen verloren hat. Und mit ,,erheblich" meine ich real fast eine Werthalbierung seines Assets.

    Das mag für viele nicht schlimm sein, weil sie in dem Jahrzehnt davon gut verdient haben oder die Zahlen einfach nicht kennen.


    Genau um den Punkt geht es mir. Eine Halbierung bei einem breiten Aktien-ETF bedeutet für fast alle eine ,,Jahrhundertkrise" der den ,,nahenden Weltuntergang". Bei Immobilien? Nichts.

  • Ist das so? Hat die Inflation nicht auch das investierte Eigenkapital entwertet?

    Das steckt dann ja in der Immobilie.


    Wie im OP erwähnt, ist ein Preisrückgang am Immobilienmarkt von 20% und mehr ein Verlust von 20% auf das Objekt. Finanziert man nur mit 50% FK, bedeutet das einen ,,Crash" um 40% und mehr auf das Eigenkapital

    Vielleicht 20% Preisrückgang zum Höchstpreis, aber es hat ja nicht jeder zum Höchstpreis gekauft. Wir haben Anfang 2020 gekauft, also mitten in der Niedrigzinsphase, dafür nach einer krassen Rally auf dem Immobilienmarkt und zu einem Preis, der 30-40% höher lag als wenige Jahre zuvor. Aber: Die Preise sind danach nochmal krass weitergestiegen. Eine baugleiche Wohnung im selben Haus wurde 2021 oder 2022 für nochmal gut 25% mehr verkauft als wir gezahlt hatten. Selbst wenn die Preise jetzt wieder 20% gefallen sind, ist das immer noch mehr, als wir gezahlt haben.


    Und wir können dank wirklich günstiger Kreditbedingungen und anpassbaren Rate auch noch ein Zinsdifferenzgeschäft mitnehmen. Inzwischen haben wir da schon die gesamten Kreditkosten wieder raus (fünfstellig).


    Also, für uns ist die Immobilie ohnehin eher Konsum als maximal renditeträchtige Geldanlage, aber selbst wenn ein täglicher Preis dranstünde wäre das kein Minus von 40% oder 50%.


    Genau um den Punkt geht es mir. Eine Halbierung bei einem breiten Aktien-ETF bedeutet für fast alle eine ,,Jahrhundertkrise" der den ,,nahenden Weltuntergang". Bei Immobilien? Nichts.

    Ja, man sieht es der Immobilie eben nicht an. Die Zahl im Depot ist dagegen 24/7 abrufbar.

  • Penter : Den Selbstnutzer interessiert das nicht / kaum. Der hat eine (hoffentlich langfrisitige) Finanzierung und kann die bedienen.


    Der Kapitalanleger hat zB bei einem Zinssatz von 1 oder 2% zu 100 % finanziert und anfänglich Mieteinnahmen von 3 oder 4 oder vielleicht sogar 5%. Der Zinssatz ist fest, die Vermietung fast überall auch kein Problem.


    Da kommt der große Knall bei einigen erst bei Ablauf der Zinsfestschreibung.

  • Penter : Den Selbstnutzer interessiert [ein Rückgang der Marktpreise für Immobilien] nicht / kaum. Der hat eine (hoffentlich langfrisitige) Finanzierung und kann die bedienen.


    Der Kapitalanleger hat zB bei einem Zinssatz von 1 oder 2% zu 100 % finanziert und anfänglich Mieteinnahmen von 3 oder 4 oder vielleicht sogar 5%. Der Zinssatz ist fest, die Vermietung fast überall auch kein Problem.


    Da kommt der große Knall bei einigen erst bei Ablauf der Zinsfestschreibung.

    In Deutschland werden Privatimmobilien typischerweise konservativ finanziert. Regelmäßig wollen die Banken Eigenkapital sehen, je mehr desto besser. Damit bekäme die Bank auch im Fall einer Immobilienpreiskrise im Fall einer Zwangsversteigerung ihr Geld.


    Die Prolongation eines Darlehens ist in der Tat oftmals eine kritische Phase, wenn die Zinsen dann gestiegen sein sollten. Andererseits heißen hohe Zinsen oft auch hohe Inflation und auch hohe Lohnsteigerungen. Der Häuslebauer hat seit seinem Kauf oder Bau halt auch vermutlich zehn Lohnsteigerungen mitgemacht. Dazu kommt meistens die Tilgung von zehn Jahren. Katastrophen sind vorstellbar, aber hierzulande selten.


    Das ist in den USA anders, wo sich die Leute über Preissteigerung bei Immobilien freuen. Gern sprechen sie dann bei der Bank nochmal vor und lassen sich auf den gesteigerten Immobilienwert einen Nachschlag geben. Diese Leute bekommen dann schneller Probleme, wenn die Zinsen steigen und die Immobilienwerte fallen.

  • Vielleicht 20% Preisrückgang zum Höchstpreis, aber es hat ja nicht jeder zum Höchstpreis gekauft. Wir haben Anfang 2020 gekauft, also mitten in der Niedrigzinsphase, dafür nach einer krassen Rally auf dem Immobilienmarkt und zu einem Preis, der 30-40% höher lag als wenige Jahre zuvor.

    Das ist schon klar. Aber das gilt ja auch bei Aktien-ETFs. Vor den großen drawdowns in der Vergangenheit hatten sich breite Aktien-Indizes vervielfacht (deutlich mehr als Immobilien). Trotzdem wird dann bei Minus 40-50% der Weltuntergang verkündet. Bei Immobilien ist das alles egal. Bei einem Aufschwung wie in den 10-12 Jahren vor 2022 wird die Immobilie als Kapitalanlage des Jahrtausends gefeiert. Obwohl der Aufschwung verglichen mit Aktien eher mittelmäßig war. Die 30-40 Jahre Negativrendite bei Immobilien davor tauchen nirgends auf. Und der reale drawdown von 40% aufs Eigenkapital seit 2022 ist auch jedem egal.


    Ich finde das unglaublich faszinierend. Wenn der Privatanleger diese Ignoranz (nicht negativ gemeint) auch bei seinen Aktien-ETFs an den Tag legen würde . . . alle wären steinreich.

  • Das ist schon klar. Aber das gilt ja auch bei Aktien-ETFs. Vor den großen drawdowns in der Vergangenheit hatten sich breite Aktien-Indizes vervielfacht (deutlich mehr als Immobilien). Trotzdem wird dann bei Minus 40-50% der Weltuntergang verkündet. Bei Immobilien ist das alles egal.

    Ganz so ist es auch nicht. Wir haben gekauft und wenige Wochen danach kam Corona mit Lockdown etc., und ich weiß noch, dass damals erstmal richtige Weltuntergangsstimmung auch auf dem Immobilienmarkt war. Ich erinnere mich daran, weil ich noch weiß, wie ich dachte „oh Mist, wenn jetzt die Preise einbrechen, haben wir gerade ein richtig mieses Geschäft gemacht!“


    Aber ja, die Leute, die schon länger Immobilien hatten, haben da vermutlich keine groß drüber nachgedacht. Anders als die mit den Depots, wo es richtig runter ging.


    Zitat

    Ich finde das unglaublich faszinierend. Wenn der Privatanleger diese Ignoranz (nicht negativ gemeint) auch bei seinen Aktien-ETFs an den Tag legen würde . . . alle wären steinreich.

    Das stimmt allerdings! Nicht umsonst gibt es die Empfehlung, den Sparplan einzurichten und dann die Zugangsdaten zum Depot wegzuwerfen und erst in 30 Jahren wieder reinzuschauen. 😁

  • Wer hat denn das empfohlen, die Zugangsdaten wegzuwerfen?

    Sind das nicht die Schlaftabletten von Kostolany? Hätte es damals Zugangsdaten gegeben, könnte man das so übersetzen. Bei Einzelaktien ist das Wahnsinn. Bei ETFs nicht. Auf jeden Fall hat ein Privatanleger, der 30-40 Jahre seinen Sparplan durchzieht und nie ins Depot schaut, den gleichen Betrag im Depot stehen als jeder Einzelne hier im Forum, der jeden Tag die dritte Stelle nach dem Komma ausdiskutiert. Vermutlich sogar mehr. ;)