100% Aktien für jedes Alter?

  • Und wie schnell haben sich in der Vergangenheit die Aktienmärkte inflationsbereinigt erholt und wie schnell haben sich zum Vergleich Anleihen inflationsbereinigt erholt?

    Hier betreibst du eine falsche Gleichsetzung. Anleihen mit kurzer und mittlerer Laufzeit brechen keine 50% ein, wie das bei Aktien üblich ist. Der Global Aggregate Bonds ETF hatte zur Zinswende ca. 12% Verlust, obwohl er auch langfristige Anleihen enthält. Dazu gilt eine tendenzielle Gegenläufigkeit von Anleihen und Aktien.

  • Das ist der Zeitraum, der die gesamte Assetklasse in der Rückschau nach oben gezogen hat! Die inflationsbereinigten Renditen der Assets kannst du überall, z.B. seit über 10 Jahren im Klassiker von Kommer dazu nachlesen und die sind kein Geheimnis nur für "insider"... ;)

    Was ist denn dein Argument? Dass du realisiert hast, dass Inflation deine Rendite auffrisst? Natürlich sollte man auf reale und nicht nominale Renditen schauen! Aber siehst du nicht, dass gerade in den letzten 10-15 Jahren sich diese Relationen der Asset-Klassen gerade in Hinblick auf die realen (!) Renditen so massiv verschoben hat? Wenn man mit sicheren Anleihen nominal wie real Verluste macht, scheint erstmal jede andere Anlage (Aktien!) besser, insb. wenn man diese in einer Boom-Periode betrachtet und damit vergleicht...

    Was ist nur daran neu, aussergewöhnlich oder überraschend? Wie gesagt: Die Zeit der Nullzinsen (nominal wie real) ist vorbei, wie du vielleicht gemerkt hast...

    Die Aktienrenditen der letzten 10-15 Jahren waren im Schnitt minimal über den langfristigen Renditen. Aber auch nur wenn man cherry picking betreibt und seine Daten nach einer großen Krise ansetzt. Die Studie geht jedoch nicht nur von einem Renteneintritt in den letzten Jahren aus, sondern hat Hunderte Zeiträume der Vergangenheit hochgerechnet. Die letzten 10-15 Jahren haben somit nichts damit zu tun. Selbst wenn man diesen Zeitraum ausblendet, hat eine Asset-Allokation, die sich nur auf Eigenkapital konzentriert, alle anderen Allokationen geschlagen. Und zwar nicht nur bei der Rendite nach Inflation, sondern bei allen relevanten Risiken.

  • Hier betreibst du eine falsche Gleichsetzung. Anleihen mit kurzer und mittlerer Laufzeit brechen keine 50% ein, wie das bei Aktien üblich ist. Der Global Aggregate Bonds ETF hatte zur Zinswende ca. 12% Verlust, obwohl er auch langfristige Anleihen enthält. Dazu gilt eine tendenzielle Gegenläufigkeit von Anleihen und Aktien.

    Ja. 12 Prozent Verlust bei 7-8% Inflation. Du kannst dir ja man hochrechnen, wie lange der ETF mit 3-4% nominaler Rendite (0-1% realer Rendite) ab heute benötigt, um diesen drawdown auszugleichen. Je nach Entwicklung bist du mit dem 20 Jahre im Minus.

    Ich glaube das ist der Punkt, den viele nicht verstehen: Nominale Renditen sind völlig irrelevant.

  • Bei Einzelaktien habe ich aber nicht die Teilfreistellung von 30 Prozent wie bei einem ETF.

    Wie monstermania bereits erwähnt hat kommt noch die Arbeit und das notwendige Wissen dazu Unternehmen "auszutauschen" Neben den Gebühren und Steuern aufgrund den Transaktionen. Dazu kommt natürlich auch die Möglichkeit, dass ich es schlechter mache als der Markt. Oder es besser machen. Ich bin jedoch schlau genug zu wissen dass ich nichts weiß und ich kein zweiter warren buffett bin.

    Bin zwar ein Befürworter von einem thesauriereden Welt ETF aber WENN ich für Dividenden wäre dann wäre meine Wahl ein Welt ETF in Form eines Ausschütterers.

    30 Prozent Teilfreistellung, steuerneutrales automatisches Rebalancing, kostengünstig, zeitsparend und die Gewissheit es nie schlechter zu machen als der Markt wären für mich die Argumente. Ebenso eine bessere risikoadjustierte Rendite.

    Ich bin auch eher im ETF Lager aber das ist so nicht ganz richtig.

    Bei Aktien findet die Versteuerung der Ausschüttungen/Dividenden im Unternehmen statt. Anschließend bei Auszahlung durch die Depotbank wird auf Anlegerebene nochmal besteuert.

    Bei den ETFs mit Teilfreistellung wird ebenfalls auf Unternehmensebene versteuert. Zusätzlich wird seit 2018! auch noch beim ETF-Anbieter 15% Körperschaftssteuer abgezogen. Danach wie gehabt die KeSt. beim Anleger mit der Teilfreistellung.

    Du bekommst also schon weniger ausgezahlt als es das Unternehmen direkt an dich ausschütten würde.

    Die Teilfreistellung ist kein Geschenk oder Belohnung für die Nutzung von ETFs sondern lediglich ein Ausgleich des Steuerabzugs beim ETF Anbieter.

    Aus den anderen genannten Gründen würde ich aber auch kein Portfolio aus "nur" 12 Aktien aufbauen wollen.

    Wenn ein Unternehmen daraus pleite geht sind 8,3% futsch. Das wird zwangsläufig früher oder später passieren.

    Jetzt sagt man ja dann tauscht man es aus aber das kann man in der Realität eben erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

    Ein ETF tauscht ja Unternehmen sofort emotionslos aus sobald gewisse Kriterien nicht mehr erfüllt sind.

    Von daher McProfit großen Respekt für deine Leistung. Bei dem Vermögen tun 8% Verlust vermutlich nicht weh.

    Aber mich würde jeden Tag die Frage beschäftigen ob ich die richtige Wahl getroffen hätte 😀 vielleicht fehlt mir da aber auch einfach die Gelassenheit eines Ü75 😁

  • Du tappst in die übliche Falle der Dividenenanhänger. Du rechnest hier mit 2-3% pro Jahr, also 4-6k. Macht 333-500€ pro Monat. Bei einer Entnahme durch Verkäufe rechnet man mit 3,5-4% Entnahmerate, also 7-8k pro Jahr oder 583-666€ pro Monat. Wir reden also über einen Unterschied von 150-250€ pro Monat bei einem relativ kleinen Altersvorsorgedepot.

    Und damit sind wir dann bei der Frage nach der richtigen Entnahmerate und wie man sie maximiert.

    Was ist das für eine "Falle"? In einem Dividendendendepot wähle ich die Konstellation an Aktien so, wie es für mich passt. Die 2-3% waren für mich ein Beispiel ich es als eine gute Kombination aus Ertrag und Wachstum sehe. Natürlich kann auch auch noch ein zusätzliches Prozent aus der Kursentwicklung nehmen wenn ich denn unbedingt möchte. Oder die Dividenden durch bspw. REITs nach oben ziehen, wenn es denn sein muss. Das ist dann aber nicht unbedingt mehr 100% Aktien.

  • Was ist das für eine "Falle"? In einem Dividendendendepot wähle ich die Konstellation an Aktien so, wie es für mich passt. Die 2-3% waren für mich ein Beispiel ich es als eine gute Kombination aus Ertrag und Wachstum sehe. Natürlich kann auch auch noch ein zusätzliches Prozent aus der Kursentwicklung nehmen wenn ich denn unbedingt möchte. Oder die Dividenden durch bspw. REITs nach oben ziehen, wenn es denn sein muss. Das ist dann aber nicht unbedingt mehr 100% Aktien.

    Es wäre nett, wenn ihr die Dividenden-Diskussion woanders führt. Das hat nichts mit dem Thema zu tun. Ich rate euch die Diskussion auch zu lassen. Das Thema wurde schon so oft diskutiert und ist so klar wissenschaftlich nachgewiesen, dass es langsam Zeit wird sich davon zu verabschieden. Wer bei der Faktenlage noch einen Dividendenfokus fährt, soll es einfach machen. Genau wie Raucher weiter rauchen sollen und Christen weiter in die Kirche gehen sollen. Wer Fakten nicht glaubt, soll es nicht. Punkt.

  • Diese Aspekte sind seit geraumer Zeit auch Themen bei unserem Börsen-Stammtisch

    da wir a) in einem völlig anderen Zinsumfeld leben und b) die Sichtweise durch die Aktienmarktentwicklungen der letzten 10-15 Jahre massiv verzerrt wird ...

    Man ignoriert c) den Diversifikationseffekt der Anleihen über die Zeit, wenn man (Anmerkung von mir: Sehr bis extrem lange) Nullzinsperioden betrachtet ...

    Man ist vom Aktien-Fatalismus und ewigen existieren der Aktienmarkt-Renditen auf dem Niveau der letzten 10-15 Jahre so überzeugt, dass man jeden anderen durch "education" zu einer 100% Aktienquote (Anmerkung von mir: Zumindest sehr hohen Aktienquote) bekehren möchte?

    Das sehe ich übrigens (im Rahmen geopolitischer Verschiebungen inkl. erheblicher "Reibungen" (zunehmende konfrontative Blockbildung) ähnlich:

    Die letzten 10-15 Jahre waren in Punkto Globalisierung (d.h. ökonomisch: Kostensenkung) relativ einmalig, die Kombination aus Aktien, die aus der Krise 2007/2008 kamen; Zentralbanken, die bei drohender Deflation auf ein Nullzinsregime setzen konnten; etc. Alles das wird in den nächsten Jahren aus unterschiedlichen Gründen (Klimawandel, Krieg in Europa, Demographie mit steigenen Lohnkosten, Rückabwicklung der Globalisierung, Staatsverschuldung, etc.) so nicht mehr möglich sein. Die Aussagekraft der Zeitreihen bis 2022 für die kommende Dekade ist in meinen Augen gleich null!

    Um einen der genannten Aspekt zusätzlich zu betonen: Die Verschuldung (über alle drei Sektoren also Private, Unternehmen und insbesondere Staaten) ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch angestiegen mit zunehmender Dynamik - auch in Relation zum BIP (globale Schulden zum BIP; 1970: 110%, 2000: 155%, 2020: 256%, 2022: 360%; Quelle: Peter E. Huber, Hubers Portfolio, früher Starcapital). Selbst den USA (Dollar ist (noch) die Weltwährung, stärkste Volkswirtschaft, wertvollste Unternehmen, militärische Power usw.) könnte absehbar ein Szenario blühen, in dem die Gläubiger nicht mehr bereit sind zu den bisher üblichen Zinssätzen die in Richtung exponentielles Wachstum gehende US-Staatsverschuldung zu finanzieren. Sollten die USA da einen (längeren) "Schnupfen" bekommen - könnte beispielsweise die fragile Eurozone samt ihrem eher anämischen Wachstum eine ernsthafte (noch längere) "Grippe" blühen ...

    Von daher fühle ich mich (ganz persönlich) einer solchen Sichtweise (im Gegensatz zu einer 100% Aktienquote) deutlich näher

    ... und seine Anlagen wirklich breit auf Aktien, Immobilien, Gold, Anleihen, Rentenansprüche, etc. zu streuen, zumindest wenn man im Alter tatsächlich auf gewisse Mittel aus dem Portfolio angewiesen ist und das ganze nicht nur macht, weil man nicht weiß wohin mit seinem überschüssigen Vermögen... ;)

    Zum einen, weil ich nicht nochmal "arm" sein möchte (das habe ich als Kind und Jugendlicher erlebt; in jungen Jahren war das für mich überhaupt kein Problem - im Alter stelle ich mir das aber deutlich unangenehmer vor ...) und zum anderen will ich die für meine Stiftung auf den Todesfall eingeplanten und reservierten Mittel nicht unnötig oder leichtfertig aufs Spiel setzen.

  • Die Aktienrenditen der letzten 10-15 Jahren waren im Schnitt minimal über den langfristigen Renditen. Aber auch nur wenn man cherry picking betreibt und seine Daten nach einer großen Krise ansetzt. Die Studie geht jedoch nicht nur von einem Renteneintritt in den letzten Jahren aus, sondern hat Hunderte Zeiträume der Vergangenheit hochgerechnet. Die letzten 10-15 Jahren haben somit nichts damit zu tun. Selbst wenn man diesen Zeitraum ausblendet, hat eine Asset-Allokation, die sich nur auf Eigenkapital konzentriert, alle anderen Allokationen geschlagen.

    Betreibt man deiner Meinung nach kein Cherry-Picking oder keinen Vergleich zwischen Äpfeln und Melonen, wenn man Aktien in einer gut gelaufenen Phase vergleich mit Anleihen, die in einer historisch nie dagewesenenen Dekade sowohl nominal (extrem selten!) als auch real (schon weniger selten!) negative Renditen beisteuern?

    Wie gesagt: Es ist doch unstrittig, dass die "alten" 60/40 Portfolios bei einem Nullzinsniveau mit sicheren Verlusten im Anleiheteil nicht mehr funktionieren, was grob gesagt in der Dekade zwischen 2020 und 2020 der Fall war. Nur sind die Zeiten jetzt eben wieder andere und wenn relativ sichere Anleihen nominal 3,5 % bringen, ist das relativ zur langfristigen historischen Aktienmarktrendite (nominal ca. 7-8%) eben durchaus ein Brett. Sprich ein Potenzial, dass man wieder nutzen kann, um den Aktienmarktschwankungen zu begegnen. Und das war vor zwei Jahren und im Zeitraum der Daten des Papers eben noch nicht der Fall. Ist jetzt aber wieder und man wäre in meinen Augen ziemlich blöd, dieses Potenzial zu ignorieren.

    Selbst wenn man diesen Zeitraum ausblendet, hat eine Asset-Allokation, die sich nur auf Eigenkapital konzentriert, alle anderen Allokationen geschlagen. Und zwar nicht nur bei der Rendite nach Inflation, sondern bei allen relevanten Risiken.

    Dein letzter Satz hängt völlig von der Definition der Relevanz von Risiken ab. Und wie viele andere hier schon geschrieben haben, dürften die meisten das in Bezug auf die für sie relevanten Risiken (z.B. Pleiterisiko im Alter) ganz sicher nicht unterschreiben! Das Paper liefert wie gesagt keine Antwort auf die Frage, wie man höhere Entnahmequoten (3, 4, 5 %) im Alter sicher (!) realisieren kann. Nur die Dividenden zu entnehmen (ca 1,5 %) und ansonsten das 100%-Aktiendepot liegen zu lassen schafft auch der durchschnittliche Feldhamster, sofern das Deport vorher aufgesetzt wurde. Sich ein Portfolio im Alter (Stichtwort: Entnahmestrategien) zielführender und mit höherer Entnahme einzuteilen ist schwieriger. Und da ist der Ansatz 100 % Aktien einfach nicht möglich und nicht praktikabel, sofern eben mehr entnommen werden soll/muss.

  • Betreibt man deiner Meinung nach kein Cherry-Picking oder keinen Vergleich zwischen Äpfeln und Melonen, wenn man Aktien in einer gut gelaufenen Phase vergleich mit Anleihen, die in einer historisch nie dagewesenenen Dekade sowohl nominal (extrem selten!) als auch real (schon weniger selten) negative Renditen beisteuern?

    Wer tut das denn? Es werden doch hunderte von Zeiträumen aus der Vergangenheit verglichen.

    Wie gesagt: Es ist doch unstrittig, dass die "alten" 60/40 Portfolios bei einem Nullzinsniveau mit sicheren Verlusten im Anleiheteil nicht mehr funktionieren, was grob gesagt in der Dekade zwischen 2020 und 2020 der Fall war. Nur sind die Zeiten jetzt eben wieder andere und wenn relativ sichere Anleihen 3,5 % bringen, ist das relativ zur langfristigen historischen Aktienmarktrendite (real ca. 7-8%) eben durchaus ein Brett. Sprich ein Potenzial, dass man wieder nutzen kann, um den Aktienmarktschwankungen zu begegnen. Und das war vor zwei Jahren und im Zeitraum der Daten des Papers eben noch nicht der Fall. Ist jetzt aber wieder und man wäre in meinen Augen ziemlich blöd, dieses Potenzial zu ignorieren.

    Wie kommst du denn immer darauf, dass nur die letzten 10-15 Jahre betrachtet wurden?

    Und: Wieviel mehr reale Rendite bringen denn Anleihen heute?

  • Ich glaube das ist der Punkt, den viele nicht verstehen: Nominale Renditen sind völlig irrelevant.

    Es ist egal, ob man mit nominalen Renditen und Inflationsausgleich rechnet oder gleich mit realen Renditen. In beiden Fällen muss das gleiche Endergebnis rauskommen.

    Ja. 12 Prozent Verlust bei 7-8% Inflation. Du kannst dir ja man hochrechnen, wie lange der ETF mit 3-4% nominaler Rendite (0-1% realer Rendite) ab heute benötigt, um diesen drawdown auszugleichen. Je nach Entwicklung bist du mit dem 20 Jahre im Minus.

    Du übersiehst hier, dass sinkende Zinsen mit Kursgewinnen bei Anleihen einhergehen. Insofern gleicht sich das wieder ein Stück weit aus. Es wird höchstwahrscheinlich keine 20 Jahre dauern, diese Verluste real auszugleichen.

  • Wie kommst du denn immer darauf, dass nur die letzten 10-15 Jahre betrachtet wurden?

    Sie verwenden nach eigener Angabe ("4 Methods" S.10 unten) den Datensatz aus dieser Studie:

    https://repository.arizona.edu/bitstream/handle/10150/661101/SSRN-id3594660.pdf?sequence=1

    Dieser umfasst historische Daten von der Mitte des 19 Jahrhunderts (Datenqualität?) bis zum Jahr 2019 und hat einen sehr starken US-Fokus. Und wie das so ist mit Datenreihen zu Aktienkursverläufen: Gerade die letzten 1, 2 Dekaden wirken sich überproportional aus auf die Ratschläge, die man basierend auf dieser Datenreihe geben kann und wird. Zumindest wenn man nicht anfängt, historisch zu denken und zu argumentieren.

    Und: Wieviel mehr reale Rendite bringen denn Anleihen heute?

    1-2%. :) Ist aber auch völlig wurscht, Inflation betrifft doch zu einem gegebenen Zeitpunkt Aktien- wie Anleiherenditen gleichermaßen, wie LebenimSueden ja schon schreibt.

    Ich glaube du hältst es für revolutionär, dass sie in dieser Studie auf reale Zahlen statt auf nominale verweisen und betont wird, dass Anleihen zuletzt keine sonderlich tollen realen Renditen hatten. So what? Wie hoch ist die Aussagekraft so einer Einschätzung für die Zukunft und wie werden die o.g. Risiken (z.B. Pleiterisiko im Alter) dadurch adressiert?

  • Das sehe ich übrigens (im Rahmen geopolitischer Verschiebungen inkl. erheblicher "Reibungen" (zunehmende konfrontative Blockbildung) ähnlich.

    Ich würde das unter recency bias einordnen. Wann in den letzten 500 Jahren gab es denn keine geopolitischen Verschiebungen? Allein in den letzten 120 Jahren (in denen sich die Aktienmärkte prächtig entwickelt haben) lag ein Großteil dieses Kontinents mehrfach in Schutt und Asche und die Welt kurz vor ihrer völligen Annihilation. Bitte die aktuellen Entwicklungen nicht wichtiger nehmen als sie sind oder andere waren.

    Es ist egal, ob man mit nominalen Renditen und Inflationsausgleich rechnet oder gleich mit realen Renditen. In beiden Fällen muss das gleiche Endergebnis rauskommen.

    Du übersiehst hier, dass sinkende Zinsen mit Kursgewinnen bei Anleihen einhergehen. Insofern gleicht sich das wieder ein Stück weit aus. Es wird höchstwahrscheinlich keine 20 Jahre dauern, diese Verluste real auszugleichen.

    Das ist richtig. Das hängt allerdings davon ab, wie hoch die Zinssenkungen ausfallen werden. Ein erneutes Null-Zins-Szenario ist vermutlich eher unwahrscheinlich. Somit bleiben bei vielen reale Kursverluste und ein Zinskupon um die Inflationsrate.

  • Ich glaube du hältst es für revolutionär, dass sie in dieser Studie auf reale Zahlen statt auf nominale verweisen und betont wird, dass Anleihen zuletzt keine sonderlich tollen realen Renditen hatten. So what? Wie hoch ist die Aussagekraft so einer Einschätzung für die Zukunft und wie werden die o.g. Risiken (z.B. Pleiterisiko im Alter) dadurch adressiert?

    Da habe ich eine Gegenfrage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in Zukunft anders sein wird? Das impliziert ja, dass sich über lange Zeiträume Eigenkapital weniger rentieren muss als Fremdkapital. In welcher wirtschaftlichen Konstellation ist sowas möglich?

    Und...wenn es nicht revolutionär ist und die Ergebnisse der Studie allen klar ist, warum wird sie dann in keinem Modell und von keinem Privatanleger verwendet?

  • Sie verwenden nach eigener Angabe ("4 Methods" S.10 unten) den Datensatz aus dieser Studie:

    https://repository.arizona.edu/bitstream/hand….pdf?sequence=1

    Dieser umfasst historische Daten von der Mitte des 19 Jahrhunderts (Datenqualität?) bis zum Jahr 2019 und hat einen sehr starken US-Fokus. Und wie das so ist mit Datenreihen zu Aktienkursverläufen: Gerade die letzten 1, 2 Dekaden wirken sich überproportional aus auf die Ratschläge, die man basierend auf dieser Datenreihe geben kann und wird.

    Du hast einen Denkfehler:

    We use an expansive sample of 39 developed countries over long historical periods that
    collectively cover nearly 32,000 months (i.e., nearly 2,700 years) of information about stock returns beginning in 1841 and extending to 2019....


    ...We produce bootstrap distributions of cumulative returns and wealth at horizons ranging from one month to 30 years...

    ...

    Our sample formation process mitigates two potential biases that affect inferences about expected performance and risk. First, Dimson et al. (2002) describe an easy data bias, wherein continuous stock return
    data from successful markets are more readily available. Our sample achieves substantially greater coverage of developed country periods compared with previous studies to minimize this bias....

  • Da habe ich eine Gegenfrage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in Zukunft anders sein wird? Das impliziert ja, dass sich über lange Zeiträume Eigenkapital weniger rentieren muss als Fremdkapital. In welcher wirtschaftlichen Konstellation ist sowas möglich?

    Diese Gegenfrage beantwortet keinen der beiden Punkte, aber es ist unstrittig, dass EK höher rentiert (bzw. aus theoretischen Erwägungen heraus höher rentieren sollte) als FK. Zeitweise (Aktienmarktcrash) wird das ganze umgekehrt aber auf lange Sicht nicht unbedingt. Und nein: Das impliziert nicht, "dass sich über lange Zeiträume Eigenkapital weniger rentieren muss als Fremdkapital." Deine Gegenfrage adressiert auch nicht: 1. Die systematischem Risiken des Aktienmarktes oder 2. Das Argument von mir oben. Sobald nämlich die Anleihen wieder eine nennenswerte positive reale Rendite bringen, funktioniert der "Kompensationseffekt" zwischen Anleihen und Aktien bzw. den Aktienmarktschwankungen wieder. Und das scheint hier doch der Dreh- und Angelpunkt der Diskussion zu sein: Nämlich ob eine Anleihequote (z.B. von 40% in einem 60/40-Portfolio) wieder Sinn macht oder ob man weiterhin auch aus purer Verzweiflung, Alternativlosigkeit oder einem bedingungslosen Glauben an den Aktienmarkt auf 100% Aktienquote setzen sollte.

    Und...wenn es nicht revolutionär ist und die Ergebnisse der Studie allen klar ist, warum wird sie dann in keinem Modell und von keinem Privatanleger verwendet?

    Weil für tatsächliche Anleger gerade zur Altersvorsorge so ein Aktienmarktfundamentalismus absolut nicht zielführend wäre und die ganz rational bestehenden Risiken durch so ein Vorgehen nicht mitigiert werden!

  • Ok, wo ist da der Denkfehler? :/

  • Sobald nämlich die Anleihen wieder eine nennenswerte positive reale Rendite bringen, funktioniert der "Kompensationseffekt" zwischen Anleihen und Aktien bzw. den Aktienmarktschwankungen wieder

    Wann war das der Fall?

  • Allein in den letzten 120 Jahren (in denen sich die Aktienmärkte prächtig entwickelt haben) lag ein Großteil dieses Kontinents mehrfach in Schutt und Asche und die Welt kurz vor ihrer völligen Annihilation. Bitte die aktuellen Entwicklungen nicht wichtiger nehmen als sie sind oder andere waren.

    Genau darüber denke ich auch nach. :/

    Was nutz es mir, wenn der globale Aktienmarkt steigt, mir mein Land zerbombt wird, oder die zukünftige Koalitionsregierung aus AfD/BSW mein Depot enteignet/verstaatlicht?

    Da reichen dann schon wenige 'wirre' Jahre in denen es eher blöd läuft und schon löst sich die beste Planung in Luft auf.

    Ich sehe dann immer wieder ein älteres Ehepaar aus dem Ahrtal vor mir, die in der Flutkatastrophe Ihre Mietwohnungen und damit quasi Ihre gesamtes Alterseinkommen verloren haben. Und selbst wenn Du jetzt Versicherungen gehabt hättest um die Häuser wieder aufzubauen. Wer macht das dann mit 70+ noch? :/

    Eigentlich will ich dann meinen Ruhestand genießen so lange ich noch kann.

  • Das Portfolio von meiner Frau und mir besteht zu 100% aus Aktien-ETF.

    Vielen Dank für die offene und klare Beantwortung meiner Frage.

    Immerhin folgst Du mit Deinen eigenen Mitteln offensichtlich auch Deiner eigenen Überzeugung ("Überzeugungstäter" finde ich meistens lobenswert und sympathisch - Attentäter aus Überzeugung ausgenommen).

    Nur am Rande: Es ist aber das eine seiner Überzeugung zu folgen - noch dazu mit seinen eigenen Mitteln. Und etwas anderes, "fremde Dritte" davon "überzeugen" zu wollen, dies mit "ihren Mitteln" ebenso zu tun ...

    Wir haben ca. 940 Tausend Euro im Portfolio und sind Normalverdiener.

    Kompliment und mein aufrichtiger Respekt. Dies ist nicht wenig bis beachtlich (abhängig natürlich von eurem Alter bzw. der Dauer der Erwerbstätigkeit), jedenfalls wenn das mit "Normalverdiener" zutrifft.

    Vermutlich werdet ihr aber euren (baldigen oder späteren) Ruhestand nicht allein aus dem Depot (in Deiner Terminologie "dem Portfolio") bestreiten müssen (wegen Rente(n), Pension(en), Wohneigentum etc.) ?

    Dann könnte dieses Portfolio nämlich nur einen "Tropfen auf den heißen Stein" darstellen ...

    Für meinen Teil sehe ich das mit einer 100% Aktienquote (siehe meine Beiträge) eher kritisch bzw. mich überzeugt der Ansatz eher nicht (für mich wäre es schon ein Problem eine auf US-Daten beruhende Studie und/oder einen nur auf den USA beruhenden Vorschlag der Umsetzung wie "50% domestic stocks" (s. Nr. 138) auf meine Situation "Eins zu Eins" zu übertragen). Selbst wenn eventuell auch andere Länder (Industrienationen) bei den Berechnungen einbezogen wurden - schon allein, weil für mich die Eurozone mit der Einheitswährung ein ziemlich gewagtes Währungs-Experiment darstellt. Selbst dessen "Dauerrettung" hat zudem erhebliche Nebenwirkungen sprich Kollateralschäden (von den Deutschland betreffenden diesbezüglichen Haftungen, Bürgschaften für Krediten via Rettungsschirmen, ungedeckte Target2-Forderungen in Billionenhöhe usw. ganz abgesehen).

    Da mir Realitätsbezug besonders wichtig ist: In der Realität kenne ich so gut wie niemand (zwei Leute mit zumindest sehr hoher Aktienquote ausgenommen), die so ein Modell (100% Aktienquote) überhaupt fahren.

    Mein Gefühl (zugegebenermaßen stark eingedampft, platt und überspitzt) - und ganz unabhängig von der noch dazu kommenden subjektiven Risikotragfähigkeit (!):

    Viele Menschen (mit eher knappem, normalem aber auch überdurchschnittlichem Vermögen) werden den Ansatz (100% Aktienquote) "objektiv" nicht umsetzen "können" - und viele Menschen (aus der viel kleineren Gruppe derer mit weit überdurchschnittlichem, hohem aber auch sehr hohem Vermögen) werden den Vorschlag wohl "subjektiv" nicht umsetzen "wollen".

    Es mag dennoch eine (sehr kleine) Gruppe geben, für die der Ansatz (aufgrund des Vermögensstatus) eine Relevanz haben könnte. Wenn er denn so stimmt und auf das nächste halbe Jahrhundert übertragbar ist ...

    Generell und grundsätzlich etwas anders sieht es wohl nochmals aus, wenn das "Portfolio" (samt Entnahmen) - finanziell gesehen - nur eine Art "Kirsche auf der ohnehin vorhandenen Sahnetorte" darstellt; sprich nur einen gewissen Luxus finanzieren soll, die nötige Grundversorgung aber unabhängig davon also ohnehin sichergestellt ist (durch ein anderweitiges regelmäßiges Basis- bzw. Sockeleinkommen).