Verluste von Anleihen-ETF realisieren oder aussitzen?

  • Liebes Forum,

    von ein paar Jahren, in der Phase von niedrigen Zinsen, hatte ich die geniale Eingebung, etwa 30K als „Sicherheitsbaustein“ in den folgenden ETF zu investieren: SPDR Bloomberg Euro Aggregate Bond UCITS ETF (A1JJTM). Der ETF bildet einen Index nach, der festverzinsliche (auf Euro lautende) Anleihen mit Investment Grade abbildet, die von Staaten und Unternehmen ausgegeben werden.

    Auf Grund der Zinsentwicklung ist der ETF nun 12% im Minus und ich frage mich (und nun euch), ob es sinnvoll ist, die Verluste zu realisieren und z.B. in einen Geldmarkt-ETF zu investieren oder es eine realistische Chance gibt, dass der ETF irgendwann wieder „auf Null“ kommen könnte, z.B. wenn alte Anleihen durch neuere ersetzt werden oder die Zinsen wieder fallen.

    Wie man an der Frage wohl erkennen kann, bin ich kein Experte in Sachen Anleihen und würde mich über fachkundige Einschätzungen freuen.

  • Ich fürchte das war kein Sicherheitsbaustein. Wenn Du Dir die Wertentwicklung anschaust, war er zeitweise noch deutlich stärker im Minus und erholt sich allmählich. Der Einbruch wurde vom Ende der Nullzinsphase verursacht. Aber kein Mensch kann Dir sagen wann ja noch nicht mal ob er sich wieder erholt. Das ist auch am Ende nicht die wichtige Frage. Denn die ist, was Deine Absicht mit dem Geld ist. Soll es einen risikoarmen Anker abgeben? Dann wäre eine Umschichtung sinnvoll.

  • Ja, sollte im Sinne des Pantoffel-Portfolios der Sicherheitsbaustein sein.
    Wurde damals auch noch als Option dafür von der Stiftung Warentest empfohlen X/

    Hatte Finanztest nicht auch mal den neuen Markt empfohlen?

    Meine Empfehlung: Verkaufen und bessere Anlagemöglichkeiten suchen.

    Bitte keine Politikwissenschaftler und kein Marcel Fratzscher mehr im TV.

  • Auch wenn ich selbst nicht denke, dass Aggregate Bonds sich als Sicherheitsbaustein eignen, möchte ich mal die Stiftung Warentest verteidigen. Seit Emission im Mai 2011 hat der ETF fast 2,3% p.a. gemacht. Ist das nicht wie so oft eine Frage des Anlagehorizonts?

  • (...) möchte ich mal die Stiftung Warentest verteidigen. Seit Emission im Mai 2011 hat der ETF fast 2,3% p.a. gemacht.

    Ist nicht meine Absicht, die S.W. generell zu kritisieren. Zu der Zeit, als ich diesen ETF gekauft habe, hatten sie auch auf ein mögliches Zinsänderungsrisiko hingewiesen, allerdings habe ich das Risiko halt nicht wirklich einordnen können.

  • Wenn der Kurseinbruch (wie in Deinem Fall) nicht dadurch entstanden ist, dass Anleihen ausgefallen sind, sondern durch Zinsänderungen, kann man grob gesagt die Duration abwarten (in dem Fall ca 5-6 Jahre), bis man wieder beim Ausgangspunkt angekommen ist – vorausgesetzt der Markt erwartet in dieser Zeit keine weiteren Zinsänderungen oder es kommt zu Defaults.

    Das kann man abwarten, wenn man generell in dem ETF investiert bleiben möchte.
    Sollte man feststellen, dass man sich den falschen ETF ausgesucht hat, würde ich verkaufen und entsprechend der Bedürfnisse in einen risikoarmen ETF und/oder den risikoreichen Baustein investieren. (Vgl. sunk cost bias).

    Der Verlust wandert ja in den Verlustverrechnungstopf.

  • Wenn der Kurseinbruch (wie in Deinem Fall) nicht dadurch entstanden ist, dass Anleihen ausgefallen sind, sondern durch Zinsänderungen, kann man grob gesagt die Duration abwarten (in dem Fall ca 5-6 Jahre), bis man wieder beim Ausgangspunkt angekommen ist –

    Bin nicht sicher, ob die Duration 5-6 Jahre ist, ich glaube da sind auch länger laufende Anleihen dabei gewesen.

    Der Verlust wandert ja in den Verlustverrechnungstopf.

    Guter Punkt.

  • Ich bin vor einigen Jahren auch auf den Rat angeblicher Experten (aus den üblich verdächtigen youtube-Kanälen) hereingefallen, dass Anleihen das Portfolio stabilisieren. Leider hatten diese Experten wohl vergessen, das Zinsänderungsrisiko zu erwähnen. Während man das bei direkten Anleihen aussitzen kann, ist man bei Anleihe-ETF gekniffen.

    Dein Anleihe-ETF hat leider nur eine geringe Ausschüttung von 2,x%. Da dürfte es ziemlich lange dauern, bis du durch die Ausschüttungen den Kursverlust ausgeglichen hast. Mein Anleihe-ETF schüttet knapp 6% aus, daher ist er inzwischen insgesamt im Plus, der Kurs ist allerdings immer noch ca. 10% unter Einstand. Daher habe ich ihn behalten, um mal zu beobachten, was langfristig damit passiert. Es ist nur ein relativ kleiner Anlagebetrag.

    Wäre ich an deiner Stelle, würde ich den Verlust realisieren. Wenn du ihn weiter behältst, steigen auch die Opportunitätskosten. Für mich sind Anleihen oder gar Anleihe-ETF keine Anlagen mit geringem Risiko, auch wenn das immer so dargestellt wird.

  • Vor ein paar Jahren, in der Phase von niedrigen Zinsen, hatte ich die geniale Eingebung, etwa 30K als „Sicherheitsbaustein“ in den folgenden ETF zu investieren: SPDR Bloomberg Euro Aggregate Bond UCITS ETF (A1JJTM). Der ETF bildet einen Index nach, der festverzinsliche (auf Euro lautende) Anleihen mit Investment Grade abbildet, die von Staaten und Unternehmen ausgegeben werden.

    Auf Grund der Zinsentwicklung ist der ETF nun 12% im Minus und ich frage mich (und nun euch), ob es sinnvoll ist, die Verluste zu realisieren und z.B. in einen Geldmarkt-ETF zu investieren oder es eine realistische Chance gibt, dass der ETF irgendwann wieder „auf Null“ kommen könnte, z.B. wenn alte Anleihen durch neuere ersetzt werden oder die Zinsen wieder fallen.

    Es macht keinen Unterschied, ob Du den Verlust realisierst oder nicht. Dein Einstiegskurs hat keine spezielle Bedeutung in dem Sinne, daß er eine besondere Marke wäre. Er vernebelt Dir nur das Hirn. :)

    Eine längere Rente zu kaufen ist immer eine Zinsspekulation. Du kaufst die lange Rente, weil Du hoffst, daß der Zins sinkt, Du Dir dann aber ein höheres Zinsniveau gesichert hast. Du kaufst eine 10jährige Rente zu 3% Zins, weil Du hoffst, daß der Zins auf 2% geht und Du für Deine Anlage 3% bekommst, wenn alle anderen Leute nur 2% bekommen.

    Läuft diese Spekulation aber gegen Dich, fällt der Zins nicht, sondern steigt er auf z.B. 4%, hast Du den Salat in Form des verhältnismäßig geringen Zinses. Du bekommst nur 3%, wohingegen alle anderen 4% bekommen. Der Kurs Deines Papiers ist entsprechend. Du beschwindelst Dich selbst, wenn Du Dir sagst: Das halte ich durch! Ob Du für die Restlaufzeit des Papiers von z.B. 5 Jahren 1 Prozentpunkt Zins weniger akzeptierst oder das Papier zu 95% verkaufst und dafür ein Papier mit marktüblichem Zins erwirbst, ist Jacke wie Hose.

    Der Mechanismus ist relativ leicht verständlich für ein Einzelpapier. Er steckt aber auch in einem Renten-ETF drin, er gilt für jede Komponente des ETFs. Ein aktiver Fondsmanager versucht, den Mechanismus auszuhebeln, bzw. ihn zu seinen Gunsten zu nutzen. Hierzu variiert er im Rahmen seiner Vorgaben beispielsweise die Laufzeit seiner Papiere. Das kürzere Papier ist gegen Kursänderungen weniger anfällig, das länger mehr. Oft haben längere Papiere einen höheren Coupon als kürzere (normale Zinsstrukturkurve). Auch das ist für den Fondsmanager eine Stellschraube.

    Wenn Du Dich mit den Stellschrauben nicht auskennst, laß den ETF einfach laufen. Es ist unter diesem Aspekt egal, ob Du ihn hältst oder verkaufst, denn Du müßtest für den Verkaufserlös ja etwas anderes kaufen (Unterstellt, daß Du den Verkaufserlös nicht verbrauchen wolltest).

    Wenn Du es so willst, ist es auch eine Spekulation, Geld herauszuziehen und es auf dem Girokonto liegenzulassen. Du würdest das machen, weil Du eine weitere Zinssteigerung erwartest, die den Kurs dieses Papiers sinken lassen würde. Du wolltest warten, bis der Zins am Maximum ist und dort dann einsteigen.

    Das Problem dabei ist: Keiner weiß vorher, wann der Kurs beim Maximum oder beim Minimum ist. :(

    Wie gesagt: Sachlich gibt es keinen Grund dafür, das Papier zu verkaufen oder das nicht zu tun. Wenn Dir die roten Zahlen Magendrücken machen, könnte das ein Grund sein, das Papier abzustoßen. Aber das wäre keine sachliche Begründung, sondern eine psychologische.

    :)

  • Bei der Frage, ob man etwas (wegen eines Kursverlustes o. Ä.) verkaufen sollte, geht es im Kern immer auch um die Frage: Würde ich es zum aktuellen Kurs kaufen?


    Denn was in der Vergangenheit war, lässt sich sowieso nicht mehr ändern. Es geht alleine um die Frage nach der zukünftigen Aufstellung und Entwicklung.


    Ich sehe für mich für einen ETF mit etwas längeren Anleihen immer noch sehr gute Argumente und deshalb keine Notwendigkeit für einen Verkauf. Im Gegenteil, wieso sollte man nicht über Rebalancing nachdenken?

  • Wie gesagt: Sachlich gibt es keinen Grund dafür, das Papier zu verkaufen oder das nicht zu tun. Wenn Dir die roten Zahlen Magendrücken machen, könnte das ein Grund sein, das Papier abzustoßen. Aber das wäre keine sachliche Begründung, sondern eine psychologische.

    :)

    Würde aus deiner Sicht evt die Gegenrechnung des Verlustes beim Verkauf mit einem in diesem Jahr realisierten Gewinn Sinn machen?

  • Würde aus deiner Sicht evt die Gegenrechnung des Verlustes beim Verkauf mit einem in diesem Jahr realisierten Gewinn Sinn machen?

    Das ist der Punkt. Natürlich kann man sich auch die inhaltliche Frage stellen, ob man weiterhin in aggregate Bonds investieren mag. Aber die Frage kann man sich jeden Tag stellen, das ist die inhaltliche Frage der Anlageentscheidung.

    Wenn James McIntosh allerdings - wie hier im Thema - fragt, ob man nun Verluste realisieren sollte, dann ist das auch eine technische Frage: grundsätzlich verpuffen Verluste nicht einfach. Realisierst du einen Negativertrag, dann wird der in deinem Verlustverrechnungstopf „sonstige Erträge“ eingestellt und steht dir fortan zeitlich unbefristet zur Verrechnung mit zukünftigen Erträgen zur Verfügung. Beispielsweise in den Folgejahren.

    Auch unterjährig, also noch jetzt in 2025, kann es von Interesse sein Verluste zu realisieren: Wir haben nun Dezember, möglicherweise hast du bereits früher im Jahr Erträge realisiert? Oder Dividenden und Ausschüttungen erhalten? Vielleicht hast du auf deinen ETF Bestand auch bereits zu Jahresanfang die Vorabpauschale geleistet. All das sind Kapitalerträge die du noch in diesem Jahr mit deinen Veräußerungsverlusten verrechnen könntest. Beachte: anders als das zeitlich unbefristete fortschrieben des Verlusttopfes lassen sich positive Erträge nur im laufenden Jahr verrechnen.

    Es ist also vorstellbar, dass du dir direkt jetzt in diesem Jahr bereits gezahlte Steuern zurück holen könntest. Trifft das zu? Was sagt dein Steuersaldo?

    Einmal editiert, zuletzt von Alex777 (15. Dezember 2025 um 10:16)

  • Danke Alex777 , in der Tat ist es erfreulicherweise so, dass meine Kapitalerträge aus Aktien-ETF, Dividenden, Zinsen (sowie die Steuern auf die Vorabpauschale) im laufenden Jahr über meinem Freibetrag liegen und ich Kapitalertragssteuern zahlen "darf".
    Steuerlich gesehen wäre es dann wohl nicht dumm, noch im laufenden Jahr ein paar Anteile des o.g. Anleihen-ETF zu verkaufen und mit dem Verlust dann den Gewinn auszugleichen.

  • Ja, dass kann man sich durchaus überlegen und ein paar Euro Steuern zurückholen. Ein paar Sachen gibt’s aber zu beachten: bei der Verlustverrechnung geht der unterjährige Ausgleich vor einer eventuellen Freistellung. Falls du also auch einen Freistellungsauftrag in deinem Depot eingerichtet hast, solltest du vielleicht nur so viel realisieren, dass in Summe immernoch 1.000€ an Erträgen übrig bleiben. Sonst würdest du die Freistellung verschenken.

    Und natürlich kriegst du kein Geld geschenkt: du „bezahlst“ mit einem niedrigeren Anschaffungswert, also einer höheren latenten Steuerlast. Die fällt aber eben erst in der Zukunft an und wird durch die Inflation entwertet. Im hier und jetzt hast du aber handfeste Euros in der Bilanz die du gewinnbringend investieren kannst. Der Aufwand kann sich also lohnen.

  • In der Tat ist es erfreulicherweise so, dass ... ich Kapitalertragssteuern zahlen "darf".

    Ja, das ist erfreulich. Lieber hohe Steuern auf hohe Kapitalerträge zahlen als keine Steuern zahlen zu "dürfen", weil man Verluste eingefahren hat.

    (Übrigens hat die Bundesregierung ein Spendenkonto, auf das Du auch dann einzahlen "darfst", wenn Du keine Steuern zahlen mußt. Es kommt dort tatsächlich Geld an, aber nur sehr überschaubare Beträge.)

  • Hm. Der ETF ist doch ein Ausschütter? Stimmen denn dann -12% für die gesamte Performance?

    Prinzipiell ist der Kurs doch wumpe: je niedriger die Umlaufrendite, umso höher der Kurs und umgekehrt. Ebenso errechnet sich die Ausschüttungsrendite bei niedrigerem Kurs entsprechend höher und umgekehrt.

    Der Kurs atmet halt umgekehrt zum Zinsniveau, aber solange der ETF ausschüttet ist meiner Meinung nach alles im grünen Bereich.