Arte-Doku "Ist die Rente noch sicher?"

  • Hier soll es um die Dokumentation "Ist die Rente noch sicher?" gehen, die am 29.08.2023 auf Arte lief und mittlerweile auf Youtube verfügbar ist.


    Ich versuche hier Punkte aufzuführen, die mir aufgefallen sind, insbesondere wenn ich den Eindruck gewinne, dass Sachverhalte sinnverzerrend dargestellt wurden.

    Falls ich weiterführende Links finde, kommen die auch dazu.


    Bevor es auf die inhaltliche Reise geht, folgende (rhetorische) Frage:


    Wenn allen klar ist, dass sich zwei Personen nicht zum ersten Mal treffen, warum tut man dann so?


    Beispiel:

    Szene 1:

    Kamera filmt Person auf dem Weg zum Büro über den Flur hinterher


    Schnitt


    Szene 2:

    Person betrifft ein Büro, Kamerateam ist bereits im Büro und filmt die Begrüßung


    :/


    In den folgenden Beiträgen wird es aber inhaltlich. :saint:

  • Das gehört zu einem Trend bei Dokumentarfilmen. Die Themen werden an Personen gebunden und der Zuschauer dann mit auf die Reise genommen. Das findest Du aber auch in Print. In der Zeit ist mir das neulich stark aufgefallen, in der taz schon lange. Das ist nervig, wenn man eigentlich nur die Fakten wissen wollte. Aber die Leute wollen es wohl so. Oder die Redakteure denken, dass die Leute es so wollen.

  • Bevor es auf die inhaltliche Reise geht, folgende (rhetorische) Frage:


    Wenn allen klar ist, dass sich zwei Personen nicht zum ersten Mal treffen, warum tut man dann so?

    Warum schreibt man die wesentlichen Inhalte nicht als eine Seite Text runter, was man in 10 Sekunden überfliegen kann und sofern es einem wichtig genug erscheint, nochmal mit voller Aufmerksamkeit liest.
    Stattdessen stundenlange Filme/Videos, wo viel Zeit mit Nebensächlichkeiten vergeht und man sich oft nach 30 Minuten über die vergeudete Zeit ohne Infos ärgert (gilt auch für vieles auf YouTube)...

  • Nachdem ich mir die Doku angesehen habe, folgende Einschätzung.

    Sicherlich ist es sehr umfangreich und ich kann mir nicht vorstellen dass die Mehrheit die 92. Minute noch dabei ist. Sicherlich ist es hart an der Grenze ganze Familiengeschichten so auszuweiten, vielleicht sollte es die ganze Sache auflockern. Nun sei es drum, Inhaltlich schon interessant, für mich vieles bekannt aber für die Mehrheit in unserem Land augenscheinlich nicht. Gerade das gelobte Rentenland Schweden hat auch viele Probleme, die mir so nicht bekannt waren. Wenn dort das Eintrittsalter ständig verändert werden kann, ist das für mich auch bedenklich.

  • Ich habe mir die Sendung am Sonntag angesehen.

    Natürlich muss man die Leute bei der Stange halten um 90 Minuten voll zu kriegen. Ich fand aber insbesondere den Überblick über das franz. Rentensystem sehr interessant. Hier in D bekommt man ja häufig 'nur' mit, dass die Franzosen gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters Sturm laufen ohne die genaueren Hintergründe zu kennen.

    Rente mit 62 hört sich ja auch erstmal toll an, aber dafür muss man dann auch erstmal die entsprechenden Bezugsjahre voll haben (41,5 Jahre). Und das schaffen eben auch die Wenigsten. Faktisch liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich höher als 62.

    Die Diskussion in Deutschland beginnt ja gerade, dass bei der Rentenhöhe auch eine Rolle spielen sollte, wie lange später die voraussichtliche Rentenbezugszeit überhaupt ist. Es ist nun mal eine Tatsache, dass Menschen die ein höhere Rente beziehen im Schnitt länger leben als Menschen, die eher eine geringe Rente beziehen. Das rein auf den persönlichen Lebenswandel zu reduzieren der Menschen zu reduzieren dürfte


    Auch der Beitrag aus Polen sollte einem zu denken geben. Dort wurde die 2. Säule des Rentensystems (verpflichtende kapitalgedeckte Rente) durch den Staat wieder rückgängig gemacht. Ein ähnliche Diskussion gab es ja in Schweden mit der Aktienrente auch schon mal im Rahmen der Finanzkrise.

    Das sollte einem vor Augen führen, dass die staatliche Rente auch immer ein 'politisches' Produkt war und ist.

  • Die Diskussion in Deutschland beginnt ja gerade, dass bei der Rentenhöhe auch eine Rolle spielen sollte, wie lange später die voraussichtliche Rentenbezugszeit überhaupt ist.

    Da bin ich ja mal gespannt, wann Frauen weniger Rente pro Rentenpunkt bekommen ;)


    Auch der Beitrag aus Polen sollte einem zu denken geben. Dort wurde die 2. Säule des Rentensystems (verpflichtende kapitalgedeckte Rente) durch den Staat wieder rückgängig gemacht. Ein ähnliche Diskussion gab es ja in Schweden mit der Aktienrente auch schon mal im Rahmen der Finanzkrise.

    Das sollte einem vor Augen führen, dass die staatliche Rente auch immer ein 'politisches' Produkt war und ist.

    Ein Grund mehr, Altersvorsorge im Wesentlichen auf eigene Faust zu machen. Wobei ich finde, dass der Film bei dem Thema Riester ein bisschen die Opferkarte spielt. Nur weil die private Altersvorsorge freiwillig ist, muss man sie nicht zwingend über Versicherungen machen. Den 401k gab es auch vor 20 Jahren schon. Und einige Grundkonstruktionsfehler im Riester (Beitragsgarantie, hohe Quote in Staatsanleihen, Eigenverantwortung ist Teufelszeug) haben damit ja auch gar nichts zu tun.

  • Nachdem ich mir die Doku jetzt in mehreren Anläufen mit Zettel und Stift angesehen habe, anbei ein paar Bemerkungen:


    Minute 5:

    Der junge FSJler mit Abitur ist mit seinen 19 Jahren im Jahr 2023 überrascht, dass die Rente zu versteuern ist.

    Wenn jemand, der wahrscheinlich politisch überdurchschnittlich interessiert und durch das FSJ und mindestens ein Ehrenamt überdurchschnittlich gut vernetzt ist, 18 Jahre nach Einstieg in die nachgelagerte Besteuerung der Rente, sagt, er sei überrascht, dann weckt das Zweifel.


    ab Minute 6:

    Die Vermutung Akademiker hätten höhere Renten zu erwarten, ist trügerisch. Ein höheres Einkommen gegebenenfalls, aber selbst das nicht zwingend. Da kommt es sicher auf die Stichprobe an, die man für diesen Vergleich nimmt.


    ab Minute 8:

    Die Gegenüberstellung von Renteneintrittsalter und Lebenserwartung ist sehr verkürzt.

    Die Frage, inwieweit die Säuglingssterblichkeit bei der Lebenserwartung berücksichtigt wurde, bleibt offen.


    ab Minute 10:

    Dass das Umlageverfahren erst 1957 (also nach den Weltkriegen) eingeführt wurde, ist ein wichtiger Punkt. Wenn behauptet wird, die Rentenversicherung hätte De- und Inflation überstanden, sowie zwei Weltkriege, dann ist das Bild nicht vollständig.


    ab Minute 16:

    Wenn die Punkte des neuen Generationenvertrages aufgeführt werden, dann erscheint die Aufzählung manipulativ: "Die Älteren sollen Kürzungen hinnehmen, die Jüngeren sollen mehr zahlen und länger arbeiten!" Der Punkt, dass die Kürzungen bei den Älteren auch für die Jüngeren gelten werden, fehlt.


    ab Minute 26:

    Das jährliche Schreiben der Rentenversicherung ist kein Bescheid, sondern eine Renteninformation und die ist letztlich auch nur eine ungefähre Wasserstandsmeldung.


    Dass ein Rentenberater (ein Rechtsdienstleister) aufgesucht wird, um dieselbe Dienstleistung kostenpflichtig zu erbringen, die die Rentenversicherung zuvor kostenfrei erbracht hat, ist ein gängiges Bild, folgt aber einem Ansatz, der sich mir nicht erschließt.

    Die Beratung ist natürlich sehr verkürzt dargestellt, was zu absurden Bildern führt.

    Der Hinweis darauf, freiwillige Beiträge bis 45 nachzuzahlen, ist für jemanden, der studieren will, insbesondere im Hinblick auf die 45 Jahre nicht passend. Da wäre eher der Hinweis auf freiwillige Beiträge während der Schulzeit bzw. des Studiums hilfreich. Mag aber alles erwähnt worden sein und nur dem Schnitt zum Opfer gefallen sein.


    ab Minute 29:

    Die Voraussetzungen für die vorgezogene Altersrente sind 35 Versicherungsjahre, nicht Beitragsjahre, wie in der Doku genannt. (Vorher wurden die 45 Jahre aber als Versicherungsjahre bezeichnet, wobei dort schon eher die Bezeichnung "Beitragsjahre" angemessen wäre.)


    ab Minute 34:

    Die Sichtweise auf Riesterverträge, fokussiert auf laufende Kosten, zeigt eindeutig, dass neben Konstruktionsfehlern auch erhebliche Fehler in der Kommunikation erfolgt sind.


    ab Minute 35:

    Eine bAV als Zufall zu bezeichnen, wird der rechtlichen Situation nicht wirklich gerecht.

    Einerseits gibt es den Anspruch auf Durchführung einer bAV und dann die Möglichkeiten der Tarifpartner, in Verhandlungen zu treten.


    ab Minute 37:

    Die Aussage von Walter Riester, die Riesterrente sei kein Ersatz, sondern zusätzlich, bildet nicht ganz ab, dass die vorherigen Reformen im Rentenrecht Leistungsverschlechterungen mit sich gebracht haben, die durch die zusätzliche Riesterrente quasi ausgeglichen werden sollten. Die Förderberechtigung von Beamten wurde ja auch damit begründet, dass Leistungskürzungen im Rentenrecht wirkungsgleich auf die Beamten übertragen werden sollten. Daher wäre es hilfreich gewesen, den Redebeitrag zeitlich einzuordnen.



    Fortsetzung folgt... (Links, wo vorhanden, gibt es auch später.)

  • 2. Teil:


    ab Minute 40:

    Die Prämienrente in Schweden ist meiner Ansicht nach weniger bedeutsam als der Umstand, dass es in Schweden eine Erwerbstätigenversicherung gibt und die Sozialpartnerschaft durchaus anders aufgestellt ist als in Deutschland. Schweden wurde auch nicht als Kriegsfolge geteilt und folglich wurden auch nicht die Sonderlasten einer Wiedervereinigung der Rentenkasse aufgebürdet. In Deutschland wurden über den Kurs der Jahre oftmals soziale Maßnahmen über die Rentenversicherung abgebildet, über deren ausreichende Finanzierungen man streiten könnte.


    ab Minute 42:

    Dass es in Schweden auch Kürzungen gab und gibt, wird auch nicht häufig erwähnt.


    ab Minute 44:

    Kapitaldeckung zu erläutern, in Abgrenzung zur Umlage, hätte einen Hinweis auf das Mackenroth-Theorem vertragen können.


    ab Minute 47:

    Ob man tatsächlich zu 3 Stellen muss, um sich umfassend beraten zu lassen, kann bezweifelt werden. Wo war eigentlich der Honorarberater?


    ab Minute 52:

    Dass Flucht aus dem System ein Problem sein kann, verdeutlicht noch einmal die Begründung für eine Pflichtversicherung.


    ab Minute 76:

    Der Vergleich Deutschland, Österreich und Frankreich ist natürlich auch sehr verkürzt. Die Doku hat wohl versucht, auf sämtlichen Hochzeiten zu tanzen.

    Ein Buch der Journalistin habe ich gelesen, dort war die Stichprobe der geschilderten Fälle etwas verzerrt, da hauptsächlich die Situation von Immigrantinnen geschildert wurde, deren Anwartschaften aus dem Ausland nur unzureichend oder gar nicht in Deutschland zahlbar gemacht werden können. Ein Personenkreis, der multiple Beschäftigungshemmnisse zu schultern hat, wird wenig überraschend niedrige Renteneinkünfte haben, wenn das Rentensystem in Deutschland so stark auf das Erwerbseinkommen abstellt.


    ab Minute 81:

    Die Grundrente ist natürlich auch nur sehr verkürzt dargestellt worden. Es wäre keine Kunst allein mit der Grundrente 90 Minuten zu füllen.


    ab Minute 83:

    Bei der Aktienrente bzw. dem Generationenkapital und damit der Kombination von Umlage und Kapitaldeckung hätte ich mir auch noch einen direkten Hinweis auf Mackenroth gewünscht. Prof. Bosbach verklausuliert es ja recht stark. Die Kreditfinanzierung ist dabei nicht der einzige kritische Punkt. Die Gegenüberstellung von 10 Mrd. Generationenkapital und 22 Mrd. Monatsausgaben der Rentenversicherung bzw. dem Bundeszuschuss hätte mir auch noch gefallen.


    ab Minute 88:

    Die Rente nicht isoliert zu betrachten ist definitiv ein sinnvoller Ansatz.

  • Toll, dass hier mal genau hingeschaut wird.
    Dies und ggf. Folgendes wären es doch wert, primär den beiden Macherinnen zukommen zu lassen.

    Ich habe eher ernüchternde Erfahrungen mit Hinweisen bzw. Programmbeschwerden (in dem Fall an das ZDF) gemacht.

    Mit den Jahren wird man ja grauer und wohl auch nörgeliger. Das sorgt nicht unbedingt dafür, dass Hinweise gerne angenommen werden.

  • ab Minute 35:

    Eine bAV als Zufall zu bezeichnen, wird der rechtlichen Situation nicht wirklich gerecht.

    Einerseits gibt es den Anspruch auf Durchführung einer bAV und dann die Möglichkeiten der Tarifpartner, in Verhandlungen zu treten.

    Wobei die Qualität der bAV ein Glücksspiel ist. Was nützt einem der Anspruch auf eine bAV, wenn der Arbeitgeber dem nächsten Versicherungsvertreter auf den Leim gegangen ist und eine teure Direktversicherung anbietet, bei Mindestzuschuss. Berücksichtigt man dann noch, dass die Gehaltsumwandlung Steuern und Sozialabgaben im Wesentlichen nur verschiebt, ist man meist mit eigener Vorsorge vermutlich besser bedient. Auf jeden Fall ist man aber flexibler.


    Das ist für mich auch ein bisschen der rote Faden, der sich durch die Probleme der Rente zieht. Man kürzt an der GRV mit dem Plan das über private oder bAV auszugleichen. Nur sind pAV und bAV in der Praxis so umgesetzt, dass sie den Ausgleich gar nicht leisten können.

  • Bei allen Altersvorsorgeverträgen sollte man immer darauf achten, in was denn genau investiert wird. Denn nur dort kann die Rendite herkommen.


    Ich hab die Doku mit 2x Wiedergabegeschwindigkeit angeschaut, anders ist das nicht erträglich.


    Die GRV ist neben einer Immobilie, der größte Vermögenswert den man als Normalperson zu managen hat. Deshalb sollte man sich auch genauer damit auseinandersetzen. Wie die Doku zeigt, hapert es an vielen Ecken. Stellt man einen Antrag nicht rechtzeitig können einem schnell 5-stellige Beträge entgehen.

  • Wobei die Qualität der bAV ein Glücksspiel ist. Was nützt einem der Anspruch auf eine bAV, wenn der Arbeitgeber dem nächsten Versicherungsvertreter auf den Leim gegangen ist und eine teure Direktversicherung anbietet, bei Mindestzuschuss. Berücksichtigt man dann noch, dass die Gehaltsumwandlung Steuern und Sozialabgaben im Wesentlichen nur verschiebt, ist man meist mit eigener Vorsorge vermutlich besser bedient. Auf jeden Fall ist man aber flexibler.


    Das ist für mich auch ein bisschen der rote Faden, der sich durch die Probleme der Rente zieht. Man kürzt an der GRV mit dem Plan das über private oder bAV auszugleichen. Nur sind pAV und bAV in der Praxis so umgesetzt, dass sie den Ausgleich gar nicht leisten können.

    Ja, das stimmt schon. Im schlimmsten Fall profitieren Vermittler und Arbeitgeber von der bAV und der Arbeitnehmer hat das Nachsehen.


    Es gibt aber auch Formen der bAV, da steckt dann tatsächlich ein Mehrwert für den Arbeitnehmer dahinter.