Krankengeld, Progression, höhere Steuern bezahlen???

  • ...

    Ich hätte es so ausdrückt:

    Das Krankengeld selbst wird nicht besteuert, sorgt aber dafür, dass der Steuersatz auf den Rest höher wird.

    ...

    Dazu lässt sich noch ergänzen, dass die Steuerlast auf den Rest dadurch nicht höher wird, als sie wäre, wenn ohne Krankheit ganz normal Arbeitslohn bezogen worden wäre.

  • Von der ESt-Pflicht habe ich nichts gewusst. In keinem der damaligen vielen Schreiben von KK und AG (ÖD) stand etwas dazu drin, eine Aufforderung vom FA habe ich ebenfalls nicht erhalten (meine Bescheide lasse ich mir zur Sicherheit über ELSTER und per Papierpost übermitteln).

    Generell erwartet das Finanzamt, dass du selbst weißt, wann du was zu tun hast.

    In der Praxis kann das mehr oder weniger schwierig sein, v.a. wenn es um Dinge geht, die ein normaler Arbeitnehmer selten oder nur einmalig macht. Da bin ich schon der Ansicht, dass die Finanzämter oder das Finanzministerium einen Entscheidungsbaum auf der Homepage haben sollten, durch den man sich mit einfachen Fragen/Antworten klicken kann und dann zu dem kommt, was man zu tun hat. Vermutlich gibt es das nicht, weil das deutsche Steuerrecht so kompliziert ist, dass sie es selbst nicht mit einfachen Fragen/Antworten abdecken können und am Ende noch ein Problem haben, wenn sie falsche Infos veröffentlichen.

    Ich vermute, dass der Arbeitgeber sich rausreden wird, dass er nicht wissen kann, ob du Krankengeld beziehst. Aber du könntest du Krankenkasse darauf hinweisen, dass es nett wäre, in den Papierbergen rund um das Krankengeld darauf hinzuweisen, dass die Frage nach einer Steuererklärung geprüft werden sollte.

  • Hallo MissGeek,


    dumm gelaufen. Da dieses Forum auch für die
    passiven Mitleser einen Mehrwert bieten soll, noch einmal auf Ihre Frage:

    Aber hätte ich das allen Ernstes selber wissen müssen,

    detailliert eingegangen werden. Grundsatzantwort: Ja.


    Da aber nicht jeder Bürger Steuerberater ist, muss man die Detailregelungen (hier Progressionsvorbehalt für Krankengeld) nicht unbedingt kennen. Man sollte aber als Bürger den Grundsatz kennen, von allen meinen Einnahmen will (und soll) der Staat grundsätzlich etwas abhaben. Wenn dann für mich eine neue Einnahmeart erstmals dazukommt (hier Krankengeld) sollte ich mir schon die Frage stellen, wie läuft es hier mit der Besteuerung? Gibt es vielleicht eine Ausnahme vom Grundsatz, wie hoch ist die Steuer und wo und wie muss ich Angaben machen? Wenn man sich diese Frage stellt, findet man sehr viele Informationskanäle.

    Im Umkehrschluss, den Staat, der alles über mich weiß und mich führt und leitet, den möchte ich nicht.


    Gruß Pumphut

  • In der Regel weisen die Krankenkassen schon auf den Progressionsvorbehalt hin. Hier mal Beispielhaft für hkk (im Link ) und AOK (als Screenshot)


    Steuerbescheinigung beim Krankengeld
    Krankengeld ist im Prinzip steuerfrei, muss aber in der Steuererklärung in Höhe der Bruttoleistung angegeben werden.
    www.hkk.de


    Allerdings hat man krank halt auch unter Umständen wichtigeres zu tun als über die Steuer nachzudenken.

  • Dazu lässt sich noch ergänzen, dass die Steuerlast auf den Rest dadurch nicht höher wird, als sie wäre, wenn ohne Krankheit ganz normal Arbeitslohn bezogen worden wäre.

    Das ist eben genau das, was die meisten Leute eben nicht verstehen (wollen). Der Progressionsvorbehalt durch Krankengeld, Elterngeld und Co. sorgt nicht für eine absolut höhere Steuerlast, sondern für eine gerechte Steuerlast. Ja, das zu versteuern Einkommen wird höher besteuert als es nach der Tabelle vorgesehen ist. Aber wenn ich 6 Monate normales Einkommen habe und 6 Monate Lohnersatzleistung, dann ist die Steuerlast am Ende ziemlich genau die Hälfte von dem, wie wenn ich das ganze Jahr gearbeitet hätte.

  • Aber wenn ich 6 Monate normales Einkommen habe und 6 Monate Lohnersatzleistung, dann ist die Steuerlast am Ende ziemlich genau die Hälfte von dem, wie wenn ich das ganze Jahr gearbeitet hätte.

    Aber es kommt nunmal netto deutlich weniger raus. Psychologisch wäre es wahrscheinlich günstiger, wenn die Lohnersatzleistung erstmal voll versteuert werden müsste und es dann mit der Steuererklärung Geld zurück gäbe. Dann würden die Leute sich auf die deutlich niedrigere Zahlung einrichten und hinterher über die Erstattung freuen.


    Das ist wie mit Abschlägen für Nebenkosten. Rechnerisch ist es günstiger, den (erstmal) angenehmen Weg eines niedrigen Abschlgs zu nehmen und hinterher nachzuzahlen - da geht der Versorger in Vorleistung und man kann das Geld solange für sich arbeiten lassen. Psychologisch ärgern sich die meisten Leute über eine Nachzahlung und freuen sich über eine Erstattung, obwohl ja in beiden Fällen der letztendlich gezahlte Betrag der gleiche ist.

  • Danke für die Erklärungen. Ja, ich hatte halt sonst nie mit Lohnersatzleistungen zu tun. Da diese auch noch niedriger ausfallen als das normale Gehalt, bin ich von dieser Seite der Logik her gar nicht auf die Idee gekommen, dass dafür (dadurch veranlasst) nachträglich Steuern anfallen könnten.


    Bitter ist, dass ich für 50€ Nachzahlung (ich hatte noch absetzbare Ausgaben) 425€ Verspätungszuschlag zahlen soll.


    Nanny-Staat versus Eigenverantwortung hin oder her - in einer Zeit, in der Daten längst elektronisch gemeldet werden, ist es meinem Empfinden nach nicht mehr nachvollziehbar, dass in solchen Fällen keine automatisierte Aufforderung ausgelöst wird. Vielleicht kommt ja mal jemand auf die Idee, ein Grundsatzurteil auf Grundlage der Fürsorgepflicht des FA auf den Weg zu bringen. Nützt mir jetzt halt nichts ;)


    (Falls jemand gerne noch ein Gen-Z-Bashing hinterhergehauen hätte - ich bin 50 und in der digitalen Steinzeit aufgewachsen.)

  • Der Progressionsvorbehalt durch Krankengeld, Elterngeld und Co. sorgt nicht für eine absolut höhere Steuerlast, sondern für eine gerechte Steuerlast.

    Was auch immer eine "gerechte Steuerlast" sein soll. Darüber kann man stundenlang diskutieren.

    Aber wenn ich 6 Monate normales Einkommen habe und 6 Monate Lohnersatzleistung, dann ist die Steuerlast am Ende ziemlich genau die Hälfte von dem, wie wenn ich das ganze Jahr gearbeitet hätte.

    Das ist nicht der Fall.


    Lohnersatzleistungen (etwa Krankengeld, Arbeitslosengeld) sind deutlich niedriger als der entsprechende Lohn, nämlich etwa 60% des Nettolohns, entsprechend weniger bezogen auf den Bruttolohn. Ich schätze mal, daß das Arbeitslosengeld 40% des Bruttolohns beträgt, hängt von der Höhe ab.


    Hat jemand ein halbes Jahr Lohn, sind das aufs Jahr gerechnet 50% des üblichen Jahreslohns, dazu kommt die Hälfte des Arbeitslosengeldes, macht 20%.

    Basis der Berechnung des Steuersatzes sind somit 70% des üblichen Lohns. Dabei kommt in einem progressiven Steuersystem ein niedrigerer Steuersatz heraus als in einem Jahr, in dem der Lohn das ganze Jahr fließt. Dieser niedrige Steuersatz wird dann nicht auf alle Einkünfte angewendet, sondern nur auf den Lohn. Die Lohnersatzleistungen sind steuerfrei.


    In Deinem Rechenbeispiel kommt somit deutlich weniger als die Hälfte an Steuer heraus als in einem Jahr, in dem der Lohn das ganze Jahr fließt.

  • Was auch immer eine "gerechte Steuerlast" sein soll. Darüber kann man stundenlang diskutieren.

    "Gerecht" ist in diesem Fall, dass ein Arbeitnehmer nicht noch steuerlich "bevorteilt" wird, nur weil er Lohnersatzleistungen bezogen hat. Klar, bei Arbeitslosen- und Krankengeld ist dies meist nicht freiwillig, bei Mutterschafts- und Elterngeld aber meistens schon.

    Sprich der Hintergrund für den Progressionsvorbehalt führt in meinen Augen eben schon zu einer "gerechteren Steuerlast" auf das Einkommen, was tatsächlich erarbeitet wurde.



    In Deinem Rechenbeispiel kommt somit deutlich weniger als die Hälfte an Steuer heraus als in einem Jahr, in dem der Lohn das ganze Jahr fließt.

    Du hast schon Recht, die Steuerlast sinkt stärker als 1/12 pro Monat mit Lohnersatzleistung. Es ist aber eben nicht so, dass man durch den Progressionsvorbehalt steuerlich schlechter gestellt wird, als wenn man regulär arbeiten würde. Ich habe es mir gerade am Krankengeld in Verbindung mit dem Beispiel von Finanztipn zum Krankengeld angeguckt. Das ganze sieht dann so aus:

    KrankengeldGehalt anteilig
    Gehalt durchgehend
    Betrag pro Monat (brutto)
    1.8513.0003.000
    Anzahl Monate
    6612
    Gesamt
    11.10618.00036.000
    zu versteuern *
    13.16028.114
    Steuerlast (inkl. Progressionsvorbehalt)
    1.6694.153

    Die Steuerlast mit Progressionsvorbehalt macht also 40% von dem aus, was man sonst bei durchgehender Erwerbstätigkeit hätte zahlen müssen.

    Übrigens sind bei den 6 Monaten mit regulärem Gehaltsbezug bereits 2.022 Euro an Steuern abgeführt worden (337 pro Monat), wodurch sich tatsächlich eine Erstattung ergeben würde!


    PS: Ohne Progressionsvorbehalt wären übrigens nur 364 Euro Steuern fällig, der Empfänger des Krankengeldes würde also eine Steuererstattung von 1.658 bekommen, während der brave, gesunde Kollege 4.153 Euro an den Staat abdrücken darf. Das empfinde ich persönlich als durchaus ungerecht, da ist der Progressionsvorbehalt auf jeden Fall die gerechtere Lösung.



    * Berechnung des zu versteuernden Einkommens mittels Rechner des BmF

    Steuerklasse I ohne Kinder

    KV gesetzlich ohne Zusatzbeitrag

    RV gesetzlich West

    PV mit Zuschlag

    Werbungskostenpauschale ohne weitere Abzüge

  • "Gerecht" ist in diesem Fall, dass ein Arbeitnehmer nicht noch steuerlich "bevorteilt" wird, nur weil er Lohnersatzleistungen bezogen hat. Klar, bei Arbeitslosen- und Krankengeld ist dies meist nicht freiwillig, bei Mutterschafts- und Elterngeld aber meistens schon.

    Sprich der Hintergrund für den Progressionsvorbehalt führt in meinen Augen eben schon zu einer "gerechteren Steuerlast" auf das Einkommen, was tatsächlich erarbeitet wurde.

    Das ist Deine Ansicht. Man könnte genauso gut sagen: Nicht genug, dass man krank ist, ggf. zusätzliche Kosten hat und (in absoluten Zahlen) weniger verdient und schauen muss, wie man mit dem reduzierten Einkommen über die Runden kommt - am Ende kommt auch noch eine Nachzahlung obendrauf. Am Ende ist es eine politische Frage, wie man das regeln möchte.

  • Du hast schon recht, die Steuerlast sinkt stärker als 1/12 pro Monat mit Lohnersatzleistung. Es ist aber eben nicht so, dass man durch den Progressionsvorbehalt steuerlich schlechter gestellt wird, als wenn man regulär arbeiten würde.

    Oben hat einer behauptet:


    wenn ich 6 Monate normales Einkommen habe und 6 Monate Lohnersatzleistung, dann ist die Steuerlast am Ende ziemlich genau die Hälfte von dem, wie wenn ich das ganze Jahr gearbeitet hätte.

    Und das ist eben nicht so.


    Krankengeld beträgt 90% des Nettolohns. Das ist nahe am "normalen Einkommen". Arbeitslosengeld beträgt für einen Kinderlosen 60% des Nettolohns. Das ist schon signifikant weniger. Entsprechend zahlt der Arbeitslose dann letztlich weniger Steuer als der Kranke. Darin sehe ich keine Ungerechtigkeit.

  • Oben hat einer behauptet:


    wenn ich 6 Monate normales Einkommen habe und 6 Monate Lohnersatzleistung, dann ist die Steuerlast am Ende ziemlich genau die Hälfte von dem, wie wenn ich das ganze Jahr gearbeitet hätte.

    Und das ist eben nicht so.

    Ja, da war meine Aussage vor einer genauen Berechnung falsch. Das habe ich auch zugegeben und mich nach deinem Hinweis mit der genauen Rechnung auch korrigiert.


    Und klar, der genaue Steuereffekt ist bei den verschiedenen Lohnersatzleistungen unterschiedlich. Und ich habe auch nie gesagt, dass diese Unterschiede ungerecht wären. Meine persönliche Meinung ist, dass der Progressionsvorbehalt grundsätzlich gerechter ist als wenn er nicht zum Tragen kommt.


    Ich habe aber auch jetzt keine Lust mehr, eine grundsätzliche Diskussion über den Progressionsvorbehalt zu führen. Dazu dürfte mittlerweile alles gesagt sein und meine Sichtweise weicht hier scheinbar massiv von der einiger Mitforisten ab. Ich respektiere auch andere Sichtweisen und verstehe auch, wenn jemand plötzlich mangels Informationen plötzlich eine dicke Nachzahlung inkl. Verspätungszuschlag zahlen muss. Leider suchen viele dann den Schuldigen woanders und sind der Meinung, dass sie nichts falsch gemacht haben. Allerdings habe ich in der Vergangenheit bei Lohnersatzleistungen immer ein Schreiben bekommen, was dem Finanzamt gemeldet wurde. Spätestens da sollte man sich doch Gedanken machen, warum da etwas ans Finanzamt gemeldet wurde und was das für mich bedeutet. Aber auch das ist wieder meine persönliche Meinung und vermutlich stehe ich auch damit alleine da.