Steigende Pflegekosten zwingen zur Beantragung von "Hilfe zur Pflege" - Auswirkungen

  • Wenn man um die Zahlung herumkommen möchte, bleibt nur der Weg, die Arbeitszeit und so das Einkommen zu verringern.

    Das dürfte die sicherste Methode sein, allerdings dürfte es eine Rolle spielen, wie hoch man vor der Reduktion über der Gehaltsgrenze liegt. Wer 105 T€ verdient, kommt relativ arbeitsplatzverträglich auf z.B. 95 T€; wer 180 T€ verdient, müßte schon auf halbe Tage gehen.

    Bis zu einem Brutto von 96600€ hat das auch keine Auswirkung auf die gesetzliche Rente, da oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Bleiben 3500€ für weitere Einnahmen (Kapitalerträge, Vermietung…).

    Die oben genannten Quellen gehen wild durcheinander. Im Gesetz selbst steht der Begriff Summe der Einkünfte, den man im Steuerbescheid wiederfindet. Heutzutage tauchen typischerweise die pauschalversteuerten Kapitaleinkünfte nicht im Steuerbescheid auf, ich könnte mir aber sehr wohl vorstellen, daß das Sozialamt das weiß und daher gezielt danach fragt.

    Dinge wie Direktversicherung würden die Einkünfte nicht senken. Es ist aber sicher möglich, bestimmte Kosten (Steuern, Beiträge zur KV, RV, ALV, Werbungskosten, private Altersvorsorge…) zum Abzug zu bringen. Da auf die Düsseldorfer Tabelle verwiesen wird - da kann ziemlich viel vom Einkommen runtergerechnet werden.

    Die Werbungskosten sind im Steuerbescheid von der Summe der Einkünfte bereits abgezogen, die Sozialbeiträge aber nicht. Die sind steuerlich auch relevant, aber erst nach der Berechnung der Summe der Einkünfte.

    Die oben von anderen angegebenen Quellen sind derart widersprüchlich, daß ich mich darauf nicht verlassen würde - und dann heißt es ja, es komme auf den Einzelfall an.

    Interessant ist natürlich die Seite von Finanztip, die eine ganz andere Berechnung ins Spiel bringt, nämlich die, wie hoch der Elternunterhalt denn ist. Der berechnet sich dann am Nettogehalt - und ist wiederum ziemlich unsicher.

    Fachanwalt, unbedingt - und selbst bei dem dürfte das Ergebnis nicht reproduzierbar sein.

  • Hier eine sehr gute Zusammenfassung:

    https://www.anwalt.de/rechtstipps/el…ern-216341.html

    Ist diese Zusammenfassung wirklich gut?

    [Zitat von dort]

    Seit dem 01.01.2020 regelt das „Angehörigen-Entlastungsgesetz“, dass das Sozialamt Unterhaltskosten für Pflege oder Grundsicherung hilfsbedürftiger Eltern nur von Kindern mit einem Einkommen über € 100.000 zurückfordern kann. Die Ermittlung der Einkünfte basiert auf dem Steuerbescheid des Kindes.

    Das hatten wir oben schon: Summe der Einkünfte

    Der Elternunterhalt, der vom Sozialamt in den meisten Fällen beansprucht wird, bezieht nun auch das Vermögen der Kinder oberhalb dieser Grenze mit ein, wobei der Bundesgerichtshof eine Formel zur Ermittlung eines Schonvermögens bereitstellt. [...]

    Wie wird die Summe der Einkünfte ermittelt?

    Das Sozialamt muss die Summe der Einkünfte nicht ermitteln. Diese ergibt sich aus Ihrem Steuerbescheid. Zu Beginn der Seite 2 des Steuerbescheides werden zunächst die einzelnen Einkunftsarten gelistet: Arbeitslohn, Vermietung und Verpachtung, Kapitalerträge jeweils abzüglich Werbungskosten wie zum Beispiel die Fahrtkosten zur Arbeit, aber auch die Gewinne aus Gewerbebetrieb und freiberuflicher Tätigkeit.

    Dann werden die Beträge der einzelnen Einkunftsarten addiert. Dies ist dann die sogenannte „Summe der Einkünfte“.

    Bei mir stehen dort seit Einführung der Abgeltungsteuer keine Kapitaleinkünfte mehr. Die Krankenkassen haben früher von freiwillig versicherten Mitgliedern den Steuerbescheid zum Beleg der Einkünfte verlangt. Heute verlangen sie den Steuerbescheid und zusätzlich eine Erklärung über die Kapitaleinkünfte.

    Da mag einer mit 80 T€ Einkommen glauben, er haben genug Wasser unter dem Kiel. Dann hat er aber vielleicht außer der Reihe einen ETF von 30.000 € umgesetzt und - schwupps! - ist er über der Grenze.

    Sollte Ihr Steuerbescheid diese Summe von €100.000 nicht ausweisen, kann das Sozialamt von Ihnen keine Unterhaltskosten für Ihre Eltern verlangen. Hören Sie also bitte jetzt auf zu lesen!

    Wenn das so wäre, wäre es erfreulich. Für unsere TE ist das nicht relevant - aber was passiert eigentlich bei gemeinsam veranlagten Verheirateten?

    Welchen Teil meines Vermögens darf ich behalten?

    Falls Sie die Grenze von € 100.000 überschreiten, so ist auch ihr Vermögen zur Berechnung des Elternunterhalts heranzuziehen.

    Hier hat der Bundesgerichtshof jedoch eine Formel geschaffen, welche selbst bei durchschnittlichen Einkommen zu einem Schonvermögen von mehreren € 100.000 führt. Die Formel lautet:

    5% vom aktuellen Bruttoeinkommen x Anzahl der Berufsjahre x 4% Durchschnittszins für jedes Berufsjahr

    Wer auch nur mittelprächtig gespart hat, stößt ziemlich schnell an diese Grenze.

    5 % von 100 T€ = 5 T€, vielleicht 30 Berufsjahre, also 30 * 4 % = 120 %

    Das wären dann durchaus überschaubare 180 T€ Schonvermögen.

    Wird eigentlich eine eigene Immobilie dabei mitgerechnet? Der Wert eines Depots läßt sich leicht ermitteln, es läßt sich auch leicht etwas davon wegnehmen. Bei einem Haus ist das schon schwieriger! Dessen Wert läßt sich nicht so leicht ermitteln, und davon runterbeißen kann man auch nicht.

    ... und dann kommt noch die Berechnung für mehrere Kinder, teils unterhalb, teils oberhalb von 100 T€ Jahreseinkommen ...

    Ich fürchte, das ist letztlich ein Wespennest, in das ich nicht unbedingt hineinstechen möchte.

  • ...

    Zahl es einfach, mir einem Gehalt über 100 000€ sollte das für gewöhnlich kein Problem darstellen.

    Ja, ich staune auch, dass der Hinweis auf Teilzeit gleich mit dem Verweis auf die Rentenversicherung abgetan wurde. Dabei geht es um etwas Reduzierung der 2,2 Rentenpunkte. Die Beitragsbemessungsgrenze wurde auch schon lange überschritten. Da wird maximale Hilfsbereitschaft der Solidargemeinschaft erwartet.

  • Die oben von anderen angegebenen Quellen sind derart widersprüchlich, daß ich mich darauf nicht verlassen würde - und dann heißt es ja, es komme auf den Einzelfall an.

    Im Steuerbescheid erscheinen z.B. Bruttoentgeltumwandlungen nicht. Man könnte so auf die Idee kommen, Bruttogehalt z.B. in eine Altersvorsorge zu wandeln.

    Bzgl. Angabe in der Steuererklärung - meine Kapitalerträge stehen da nicht bzw. nur die noch nicht direkt von der Bank versteuerten.

    Allerdings wird bei der Berechnung des Kindsunterhalts das Gesamteinkommen ermittelt (also alles, was der Arbeitgeber zahlt, inkl Entgeltwandlungen) und anschließend ggfs. als abziehbar angerechnet. Wenn das im Jugendamt über die Beistandschaft läuft, machen die es genauso. Das „Amt“ weiß also, wie es geht, fragt sich nur, wer mit wem dort spricht ;)

    Ähnlich berechnet das „Amt“ das, wenn es um Jugendhilfemassnahmen geht (SGB VIII, wenn ich mich nicht irre).

    Und dann stellt sich die Frage, wie rechtssicher es ist, dass jemand mit 100.001 € einen erheblichen Betrag zahlen muss, jemand mit 99.999 € jedoch keinen Cent und so nach allen Abzügen erheblich besser da steht, als jemand mit 2 € mehr brutto. Ich könnte mir vorstellen, dass dazu Klagen anhängig sind, außer natürlich es gibt irgendwelche Abstufungen bei den zu zahlenden Beträgen.

    Also - ab zum Fachanwalt.

  • ...

    Zahl es einfach, mir einem Gehalt über 100 000€ sollte das für gewöhnlich kein Problem darstellen.

    Diese und ähnliche Antworten finde ich sehr seltsam und wenig nachvollziehbar - vermutlich steckt da auch etwas Neid seit der Antworten dahinter.

    Erstmal kommt nach nach dem Bruttolohn ja erst noch der Steuerabzug und der kann sehr ordentlich sein und Komponenten beinhalten, die das zu versteuernde Einkommen erhöhen, aber gar nicht bar ausgezahlt werden.

    Zudem berücksichtigt die Grenze auch nicht, welche weiteren finanziellen Verpflichtungen bestehen, z.B. eine Immobilienfinanzierung oder ein Ehepartner, der deutlich weniger verdient.

    Und in einigen Gegenden Deutschlands ist man mit diesem Gehalt nicht gerade der Obermacker, der sich alles leisten kann.

    Ganz ehrlich: Wenn ich Gefahr laufe, in diese Situation zu kommen, dann würde ich wohl auch eher mein Arbeitspensum reduzieren.

  • Wäre jemand dazu bereit aus der Praxis zu berichten?

    Also in wievielen Fällen das Kind tatsächlich herangezogen wird und wenn ja, mit wieviel?

    Es müssen ja keine Detailinformationen erfolgen, aber für mich als ggf. später betroffener wäre das schon interessant... Insbesondere wieviel einem noch belassen wird für Familie und Verbindlichkeiten. (Das Gehalt wird ja nur von einem Ehepartner betrachtet)

    Die 100.000 € sind ja schon 5 Jahre unverändert. Bleibt die Frage, ob sich dies wie die Beitragsbemessungsgrenze o.ä. verschiebt oder eher konstant bleibt wegen dem fehlenden Geld der Pflegekassen.

    100.000 € ist in wenigen Jahren kein unübliches Gehalt mehr bei anzunehmender Steigerung. (Ja, gutes Gehalt, aber kein Spitzenverdiener)

  • Kommt der Fall so selten vor oder wird darüber nicht gesprochen?

    Ich denke nicht, dass darüber nicht gesprochen wird. Aber die Fälle sind wirklich sehr selten.

    Um validiertbare Zahlen zu bekommen, müsste man erst mal die Datenbasis herausfinden.

    Das wäre sicherlich über eine Fraktion im Bundestag oder den Landtag möglich, die das zuständige Ministerium dann anfragen können.

    Oder auf kommunaler Ebene eben die Träger, der SGB XIi- Leistungen.


    Warum sind das sehr wenig Fälle ?

    Nur etwa 5 % der Beschäftigten fallen in diese Kategorie.

    Von diesen wiederum dürfte eine erhebliche Anzahl aus Haushaltungen stammen, die eher zu den sehr gut verdienenden gehören.

    Zudem sind diese Menschen fast immer durch ihre enge Vernetzung sehr gut beraten und haben rechtzeitig rechtssichere Umgehungsstrategien entwickelt.

    Somit dürfte es in der Realität eigentlich fast gar niemanden geben, der hier etwas zahlt.

  • Zudem sind diese Menschen fast immer durch ihre enge Vernetzung sehr gut beraten und haben rechtzeitig rechtssichere Umgehungsstrategien entwickelt.

    Die Existenz von Kindern in Ausbildung, einem Partner mit geringerem Einkommen und einem noch nicht abbezahlten Hauskredit dürften die geschätzten 5% nochmal erheblich reduzieren. Ganz ohne ausgefeilte Vermeidungsstrategien.

  • Oder den es nicht stört zu zahlen.

    Denn Pflege war noch nie gesetzlich Vollkasko- versichert.

    Die Pflege war in der Vergangenheit IMMER ein Thema in der Familie, das auch in der Familie geregelt wurde (mit persönlichem Aufwand une teils erheblichen Finanzaufwendungen).

    Erst seit wenigen Jahren gibt es die PV zur Unterstützung und dann noch kürzer diese 100.000€ Grenze. Das sind gesetzliche Erleichterungen, aber kein Freifahrtschein sich vor Verantwortung zu drücken.

  • Weil es hier vielleicht für den ein oder anderen thematisch ganz gut passt:

    Wohnt der Pflegebedürftige in einem Pflegeheim und hat ein Vermögen unter 60.000 Euro kommt eventuell das Wohngeld für Pflegeheimbewohner in Betracht.

    Wohngeld für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen
    Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen können einen Anspruch auf Wohngeld haben.
    www.bundesgesundheitsministerium.de