versteckte ETF-Kosten?

  • Im DZB Portfolio steht ein interessanter Bericht unter dem Titel "ETFs: Das versteckte Timing-Problem (Kapitalmarktstudie)", dessen Thema ich gerne mal zur Diskussion stellen möchte.

    Leider ist der Artikel nicht frei zugänglich.


    Berichtet wird über eine Research Affiliates verfasste Studie „The Avoidable Costs of Index Rebalancing“ die behauptet, dass die wahren Kosten von ETFs deutlich höher sein könnten, als offiziell ausgewiesen.


    Zitat:

    "Gegenstand der Studie sind also nicht die üblichen Verwaltungs- und Transaktionskosten, die bei ETFs meist recht gering ausfallen. Stattdessen untersuchen die Forscher einen Effekt, der in der bisherigen Forschung weitestgehend ignoriert wurde: Die Tatsache, dass neu in die zugrundeliegenden Indizes aufgenommene Aktien weitaus höher bewertet sind als diejenigen Aktien, die aus dem Index ausscheiden. Es wird also systematisch teuer gekauft und billig verkauft. Und das nicht zu knapp. Die Forscher zeigen anhand des US-Leitindex S&P 500 eindrucksvoll, wie stark dieser Effekt ausfällt. Legt man einen Mix aus fünf klassischen Bewertungsmultiplikatoren zugrunde, sind die Neuzugänge im Mittel mit mehr als dem Vierfachen der Abgänge bewertet. Das bleibt nicht ohne Folgen: Nach der Indexanpassung weisen die Neuzugänge regelmäßig erheblich schlechtere Renditen auf als die Aktien, die aus dem Index entfernt wurden und von deren Performance Indexanleger folglich nicht mehr profitieren können. Beim S&P 500 betrug die Differenz in den zwölf Monaten nach einer Indexanpassung im Analysezeitraum von Oktober 1989 bis Juni 2021 im Durchschnitt rund 22 Prozent. Damit ist dieser Effekt erheblich größer als die bekannten und vielfach diskutierten Liquiditätskosten beziehungsweise der negative Preiseinfluss, der durch Aufnahme und Entfernen von Aktien aus den Indizes regelmäßig hervorgerufen wird."


    Macht das jemanden nachdenklich?

  • Macht das jemanden nachdenklich?

    Das liegt doch schlicht in der Natur der Sache, wenn man den Index kauft.


    Dass am Ende des Index zuletzt nicht performende Aktien rausfliegen und dafür Aktien reinkommen, die zuletzt sehr gut performed haben, ist ja nunmal einfach so. Irgendwo muss man den "Cut" machen.


    Nach der Indexanpassung weisen die Neuzugänge regelmäßig erheblich schlechtere Renditen auf als die Aktien, die aus dem Index entfernt wurden und von deren Performance Indexanleger folglich nicht mehr profitieren können. Beim S&P 500 betrug die Differenz in den zwölf Monaten nach einer Indexanpassung im Analysezeitraum von Oktober 1989 bis Juni 2021 im Durchschnitt rund 22 Prozent.

    Selbst wenn das stimmen würde - die interessante Frage ist doch, 22 Prozent wovon?


    Wie viele Aktien sind das wirklich, die rausfliegen oder neu reinkommen, wie oft passiert das, und in welcher Gewichtung in Relation zum gesamten Index? Wenn ein MSCI World 1.600 Aktien enthält (bzw. abbildet), wieviel Gewicht haben dann die unteren paar, die durch Rebalancing reinkommen oder rausfliegen? Wenn die einen Anteil von 0,00003% (fiktiver Wert) am Index haben, dann sind 22 Prozent davon mehr oder weniger eben auch nur eine Nachkommastelle.

  • Ist das beschriebene nicht zwangsläufig und selbstverständlich?

    Jeder Index, sei es DAX oder MSCI World enthält Aktien von X Unternehmen. Daneben gibt es noch Y im entsprechenden geographischen Raum, die nicht im Index vertreten sind. Unter den Y gibt es geradezu zwangsläufig welche, deren Wertsteigerung sehr viel höher ist als die der X, die vertreten sind.


    Was wäre die Alternative? Den Index einmal definieren und nie wieder umgestalten? Bis im schlimmsten Fall alle vertretenen Firmen pleite sind und der Index bei null ist?

  • Verstehe ich das richtig: Man sollte jede Aktie die aus einem Index fliegt kaufen und 1 Jahr halten bis sie sich davon wieder erholt hat? Ist das das 'free lunch' für aktive Fondsmanager? Dann müssten ja alle Fonds die das mac hen systematisch besser performen ... :/

  • So sehe ich das auch.

    Die Aktien die rausfliegen und neu reinkommen werden nur einen niedrigen Prozentsatz ausmachen.

    Vielleicht nicht mal 1%.

    Und wenn deren Rendite dann 22% schlechter ist als wenn sie nicht getauscht worden wären...who cares?!

  • Ein breitstreuender Welt- Aktien ETF ist in der Schulnote für die Anlageklasse bei ungefähr 1- anzusiedeln.

    Das Minus bezieht sich unter anderem auf die o.g. Angeblichen Schwächen.

    Wenn jetzt jemand der ein Produkt verkaufen will das in Schulnoten eher bei 4-5 steht darauf hinweist das ein ETF ja „nur“ eine 1- hat, frage ich mich ob der Produktverkäufer nicht besser erstmal seine Hausaufgaben machen sollte um dann vielleicht mal ein 2er Produkt zu verkaufen.


    Mal abwarten was der Markt noch bringt. Solange nehme ich erstmal die Marktrendite mit einem 1- Produkt mit.

  • Und weiterhin ist ja die Frage, was ist die Alternative.


    Nehmen wir das Sparbuch, P2P Kredite, Anleihen? Naja die sind jetzt auch nicht aus Altruismusgründen so verzinst, wie sie eben verzinst sind.


    Bleiben noch die Aktien in Reinform. Hier behaupte ich, dass mind. 50% der Depots die seit 2019 eröffnet worden sind, unter dem Strich rot dastehen.


    Also ich bin bereit den höheren "Preis" zu bezahlen, den die Alternativen sind nicht attraktiver für mich.


    Dennoch danke für den Post

  • Was wäre die Alternative?

    Eben.


    Niemand kann antizipieren, welche der "rausfliegenden" Aktien danach tatsächlich einen Höhenflug hinlegen, und welche weiter abstürzen (bzw. umgekehrt, welche der neu "aufgestiegenen" Aktien ihren Höhenflug fortsetzen oder eben nicht). Könnte man das, bräuchte es kein passives Investieren.


    Wenn eine "rausfliegende" Aktie danach doch wieder einen Höhenflug hinlegt, ist sie im nächsten Quartal wieder drin (und ja, ggf. hat man nicht den optimalen tiefsten Punkt zum Wiedereinstieg erwischt). Wenn eine "aufgestiegene" Aktie nach dem Aufstieg doch nicht performt, ist sie beim nächsten Quartal eben wieder raus (und ja, es kann ggf. passieren, dass sie zu einem geringeren Kurs rausfliegt als sie ursprünglich reingekommen ist).


    Im Ergebnis bekommt man damit schlicht die Rendite des Index (abzüglich ausgewiesener Verwaltungskosten). Wer meint, mit Stockpicking und Market TIming eine bessere Rendite erzielen zu können, kann das ja machen, ist dann aber eben in einem aktiven Invest und nicht mehr passiv unterwegs.

  • Was wäre die Alternative? Den Index einmal definieren und nie wieder umgestalten? Bis im schlimmsten Fall alle vertretenen Firmen pleite sind und der Index bei null ist

    Soweit ich das beim Überfliegen des Papiers richtig verstanden habe, ist der Alternativvorschlag die Änderung der Indexzusammensetzung weniger abrupt zu gestalten...?

  • Soweit ich das beim Überfliegen des Papiers richtig verstanden habe, ist der Alternativvorschlag die Änderung der Indexzusammensetzung weniger abrupt zu gestalten...?

    Das wäre dann wohl ein anderer Index, "MSCI World low sort out" oder so. Und in 10 Jahren schreibt dann einer einen Artikel, dass es für die Rendite besser gewesen wäre, die Underperformer direkt rauszuschmeißen.


    Ich glaube, ein Teil des Artikels ist durch "hinterher ist man immer schlauer" getrieben...

  • Das wäre dann wohl ein anderer Index, "MSCI World low sort out" oder so. Und in 10 Jahren schreibt dann einer einen Artikel, dass es für die Rendite besser gewesen wäre, die Underperformer direkt rauszuschmeißen.


    Ich glaube, ein Teil des Artikels ist durch "hinterher ist man immer schlauer" getrieben...

    Habe es mir nochmal genauer, wenn auch nicht ganz, durchgelesen.


    Die Underperformance in der "Übergangszeit" von Titeln die rausfliegen und Overperformance von Neueinsteigern scheint, gerade wenn man die sehr lange Datenreihe vom S&P berücksichtigt, schon signifikant zu sein. Aber es geht ja auch 'nur' um eine Reduktion der Gesamtperformance im Bereich von Zehntelprozent.


    Es kann gut sein, dass die langfristige Intention der Autoren ist neue Indizes aufzulegen. Explizit schreiben sie aber, dass sie der Meinung sind dass die gängigen Indexanbieter ihre Indizes dahingehend noch optimieren könnten.


    Finde die Argumente im Großen und Ganzen recht solide. Wüsste aber nicht wie man als Kleinanleger dieses 'free lunch' (laut Autoren) jetzt einfach marktbreit abgreifen könnte.

  • Das mit der Schulnote ist sicherlich richtig, als Kleinanleger hat man eben kein besseres Produkt.

    Richtig ist auch, dass man die Auswirkung nicht überbewerten darf, da i.d.R. nur kleine Indexbestandteile ausgetauscht werden.


    Interessant wäre es ja trotzdem, wenn ein ETF-Anbieter dieses Problemchen systematisch reduzieren könnte.

    Ein Vorschlag dazu wird bereits in der Studie gemacht. Der Austausch eines Wertes wird vom Indexanbieter mit Vorlauf angekündigt. Ein verbesserter ETF könnte diesen Austausch direkt nach der Ankündigung umsetzen, nicht erst am eigentlichen Umstellungstermin.

    Wieviel das schon bringen würde, wird nicht quantifiziert. Ich glaube nicht, dass es nennenswert ist.


    Vermutlich bleibt hier eine Lücke für Hedgefonds ...

  • Was wäre die Alternative? Den Index einmal definieren und nie wieder umgestalten? Bis im schlimmsten Fall alle vertretenen Firmen pleite sind und der Index bei null ist?

    Es gibt auch Total Stock Market Indizes bzw. Funds (z.B. VTI für US-Aktien). Sprich, alle Unternehmen sind enthalten, unabhängig von Kriterien wie Marktkapitalisierung, Free-Float oder ob operative Gewinne gemacht werden. Das ist natürlich vor allem eine theoretische Frage, da in der Praxis bei einem derart umfangreichen Index physische Replikation nur über optimiertes Sampling möglich ist, ergo gerade die kleinen Aktien hinten runterfallen. Und der Index Inclusion Effect nur einen geringfügigen Anteil großer Indizes überhaupt betrifft.


    Es gibt natürlich Spezialfälle, allen voran Tesla, die mit hohem Gewicht in einen wichtigen Index aufgenommen werden und dann durch den Index Inclusion Effekt bzw. Arbitrage-Versuche auf diesen Effekt noch weiter steigen. Diese sind aber praktisch sehr selten