Die Krise nutzen, um Kapitalertragsteuer zu sparen.

  • Ich sehe da keinen Denkfehler. Bei der Umsetzung im Einzelfall muss man genau hinschauen, aber grundsätzlich kann das schon funktionieren, wenn die Beträge groß genug sind und man auf die Reihenfolge achtet.


    Fiktives Beispiel:

    Kein Freistellungsauftrag erteilt, 100.000 EUR im Depot in einem einzigen ETF (Annahme Einmalkauf), die wurden gekauft mit einem Kurs von 100 EUR je Stück, insgesamt also 1.000 Anteile im Depot. Jetzt fällt der Kurs am Tag nach dem Kauf auf 90 EUR je Stück, die 1.000 Anteile sind also nur noch 90.000 EUR wert.


    Der Depotinhaber hat bei einer anderen Bank Kapitalerträge (z.B. Festgeld-Zinsen) von 11.000 EUR (von denen er dank Freistellungsauftrag 10.000 EUR versteuern muss).


    Variante A:

    Der Depotinhaber macht gar nichts.

    Er hat ETF-Anteile im Wert von 90.000 EUR im Depot und zahlt auf die 10.000 EUR ca. 2.500 EUR Zinsen (+ Soli).


    Variante B:

    Der Depotinhaber verkauft die 1.000 ETF-Anteile jetzt für 90.000 EUR. Damit füllt sich der Verlusttopf "Allgemein" mit 10.000 EUR Verlust. Direkt danach kauft der Depotinhaber neue 1.000 ETF-Anteile wiederum für 90.000 EUR.

    Er hat ETF-Anteile von 90.000 EUR im Depot, muss aber die 10.000 EUR Kapitalerträge dank Verlusttopf nicht versteuern (bzw. bekommt die gezahlte Steuer mit der Steuererklärung zurück).


    Der Depotinhaber stellt sich in Variante B also besser als in Variante A.


    Im echten Leben dürfte das um einiges komplexer sein (schwieriger zu berechnen dank Sparplänen, Teilfreistellung, ggf. keine passenden anderen Kapitalerträge, Kauf- und Verkaufsgebühren, schwankende Kurse bei Kauf/Verkauf), aber grundsätzlich funktioniert das Prinzip "verkaufen um den Verlusttopf zu füllen und direkt wieder kaufen" meiner Meinung nach schon.


    Ergänzung: Wenn im fiktiven Beispiel in fünf Jahren der ETF bei 120 EUR liegt, dann muss der Depotinhaber in Variante A 20.000 EUR versteuern, der in Variante B 30.000 EUR. Am Ende reden wir insofern natürlich nur über eine Steuerstundung. Ob das im Einzelfall sinnvoll ist, muss man durchrechnen (und hängt ggf. auch davon ab, ob / wann man aus dem ETF Geld entnehmen und damit ohnehin versteuern muss).

  • Hallo Saidi,

    Iin meinem Depot liegt ein ETF von iShares auf den MSCI World mit 200.000 EUR Wert. In der Krise verliert der ETF jetzt 50% an Wert und ist nur noch 100.000 EUR Wert. Wenn ich den iShares ETF jetzt verkaufe und mir dafür einen identischen ETF vom Amundi oder Vanguard kaufe, dann ändert das nichts am Wert meines Depots. Da ich jetzt aber Verluste von 100.000 EUR realisiert habe, stehen in meinem Verlustverrechnungstopf jetzt 100.000 EUR. Wenn der ETF in 5 Jahren wieder bei 200.000 EUR steht, dann habe ich einen Verlust von 0 EUR gemacht. Zusätzlich kann ich jetzt aber noch 100.000 EUR Gewinn machen, ohne darauf Kapitalertragsteuer zahlen zu müssen. Ist das so richtig oder mache ich einen Denkfehler ?

    liebe Grüße und Danke für die Antwort, Klaus

    Ja, es ist ein Denkfehler. Wenn der ursprüngliche Anteil 50% verliert und man dann einen neuen ETF kauft, der dann sich verdoppelt, müsste man diese Verdoppelung bei Verkauf versteuern. Es bleiben keine 50% Verlust.

  • Ich glaube irgend etwas wird hier übersehen, es muss ja erst einmal ein tatsächlicher Verlust eintreten. Wenn man seit einigen Jahren dabei ist, wird da momentan nur wenig oder gar nichts an Verlusten vorhanden sein. Wenn ich mein Depot anschaue leuchtet alles noch grün, also wäre ein Verkauf für den Verlusttopf sinnlos. Diejenigen die gerade zum Höchststand oder in dessen Nähe gekauft haben, dürften nicht allzu viele sein und ob es sich für Anleger in einen Sparplan rechnet, glaube ich eher nicht. Dann müsste man erst einmal FIFO umgehen und Aufwand mit Nutzen vergleichen.

  • Ich glaube irgend etwas wird hier übersehen, es muss ja erst einmal ein tatsächlicher Verlust eintreten. Wenn man seit einigen Jahren dabei ist, wird da momentan nur wenig oder gar nichts an Verlusten vorhanden sein. Wenn ich mein Depot anschaue leuchtet alles noch grün, also wäre ein Verkauf für den Verlusttopf sinnlos. Diejenigen die gerade zum Höchststand oder in dessen Nähe gekauft haben, dürften nicht allzu viele sein und ob es sich für Anleger in einen Sparplan rechnet, glaube ich eher nicht. Dann müsste man erst einmal FIFO umgehen und Aufwand mit Nutzen vergleichen.

    Der Teufel steckt im Detail... ;)


    FIFO umgehen dürfte bei Banken wie der ING recht einfach gehen, ein Übertrag eines Teils des Bestands in ein Unterdepot kostet nur wenige Klicks (und wenn ich mich recht entsinne geht das quasi in Echtzeit, aber ist schon einige Zeit her, dass ich das gemacht habe - nicht zu dem hier genannten Zweck).


    Aber ja, man benötigt natürlich Verluste. Wer per Sparplan seit fünf Jahren in einen marktbreiten Welt-ETF investiert, bei dem sind gerade mal die Raten des letzten Jahres im Minus (und wirklich deutlich im Minus nur die der letzten paar Monate). Ob sich das am Ende wirklich lohnt - auch vor dem Hintergrund von Kauf- und Verkaufsgebühren sowie sonstigen Kapitalerträgen und dem Freibetrag - muss man sich ansehen und ausrechnen.


    Dazu hat man natürlich das Risiko von Kursschwankungen zwischen Verkauf und Kauf. Wenn es plötzlich ausgerechnet in dem Moment 2-3% nach oben geht, hat man diesen "Spread" quasi zusätzlich gezahlt.

  • Besser kann man es nicht beschreiben.

  • Besser kann man es nicht beschreiben.

    Danke!


    In meinem fiktiven Beispiel gab es am Ende in Variante B 2.500 EUR weniger Steuer zu zahlen. Genaugenommen ist es aber nur eine Steuerstundung, irgendwann bei Verkauf muss man sie dann eben doch zahlen. Wir reden also über die Rendite (!) für 2.500 EUR bis zum Verkauf des ETFs. Bei 20 Jahren kommen es, wenn es gut läuft, um die 2.000 EUR zustande: https://www.zinsen-berechnen.d…er.php?paramid=bngzcbm2ow


    Wenn man im fiktiven Beispiel aber noch einige Faktoren aus dem echten Leben ergänzt, sieht das schon anders aus.


    Kauf-/Verkaufsgebühren: 2x 69,90 EUR (ING-Preise, anderswo geht es günstiger, aber da geht die FIFO-Aufteilung ggf. nicht in Echtzeit, und man will ja nicht erst in 4 Wochen nach abgeschlossenem Depotübertrag die Aktion starten, und im echten Leben hat man eher Sparpläne als Einmalinvests)

    3% „Spread“ zwischen Verkauf und Kauf (kann natürlich auch in die andere Richtung gehen, aber das weiß man hierher nicht): 3% von 90.000 EUR = 2.700 EUR


    Ups… da hat die Kursveränderung leider den ganzen „Gewinn“ aufgefressen!


    Es ist ein Teufelskreis - einerseits lohnt es sich nur bei großen Beträgen, andererseits wirkt sich da dann auch die Kursveränderung zwischen Verkauf und Kauf in absolutem Geld stärker aus.


    Mein persönliches Fazit: Das kann man machen, wenn man ohnehin umschichten wollte, die Gelegenheit nutzen möchte das ohne direkt anfallende Steuer zu tun und einem klar ist, dass man ggf. draufzahlt. Ein Mechanismus um sicher mit einem Plus rauszugehen ist es nicht.

  • Ich bin gerade auf das Thema aufmerksam geworden und finde es sehr spannend. Da ich erst vor kurzem in ETFs eingestiegen bin und entsprechend Verluste habe, finde ich das Thema interessant.


    Also ganz spezifisch: Ich habe im Januar 2025 einen Aktien-Welt-ETF gekauft, der Stand heute 19300 Euro im Minus liegt. Sonst führe ich ein reines Einzelaktiendepot, das regelmäßig Dividenden abwirft.


    Wenn ich nun die 19300 Euro Verlust realisiere, füllt sich der Verlusttopf Sonstiges. Wenn ich nun im Laufe des Jahres Dividenden erhalte, zahle ich solange keine Steuern bis der Verlusttopf Sonstiges leer ist? Oder wird das vielleicht sogar rückwirkend verrechnet?


    Hätte einen gewissen Charme, wenn das so wäre. :)

  • Also ganz spezifisch: Ich habe im Januar 2025 einen Aktien-Welt-ETF gekauft, der Stand heute 19300 Euro im Minus liegt. Sonst führe ich ein reines Einzelaktiendepot, das regelmäßig Dividenden abwirft.


    Wenn ich nun die 19300 Euro Verlust realisiere, füllt sich der Verlusttopf Sonstiges. Wenn ich nun im Laufe des Jahres Dividenden erhalte, zahle ich so lange keine Steuern, bis der Verlusttopf Sonstiges leer ist? Oder wird das vielleicht sogar rückwirkend verrechnet?

    Das ist so, wie Du schreibst: Wenn Du den ETF umsetzt (also verkaufst und gleich wieder zurückkaufst), geht der Verlust in den Verlusttopf Sonstiges, den Du auch mit Dividendenzahlungen ausgleichen kannst. Rückwirkung allerdings nur bis zum Jahresanfang.

    Wenn der ETF sich fängt, zahlst Du in der Zukunft natürlich Steuern auf den Gewinn auf der nun niedrigeren Basis, sprich: Letztlich Steuerstundung.

  • Weiterhin gibt's zu bedenken: wenn man (so wie ich) für den Zeitraum in dem man die Gewinne dann realisiert mit erheblich niedrigen Steuersätzen rechnet macht es doppelt Sinn ...

    Geh davon aus, daß Du im Ruhestand 10 bis maximal 15 Prozentpunkte weniger Steuer zahlen wirst. Von heutigen Verhältnissen ausgehend: Wenn Du jetzt für zusätzliche Einkünfte die ominösen 42% Spitzensteuer zahlen müßtest, magst Du auf Deine Alterseinkünfte einen Grenzsteuersatz von 30% zahlen. Du bist dann allerdings wieder in der Progression, das heißt: Wenn zu den regelmäßigen Alterseinkünften z.B. 20.000 € Kapitaleinkünfte durch die Realisation eines ETF-Gewinns hinzukommen, rutscht der Steuersatz nach oben.


    Sofern die Abgeltungsteuer bis dahin in der bisherigen Höhe überlebt, macht es keinen Unterschied: Dann würdest Du heute 26,375% auf den Gewinn zahlen und dann auch. Wenn wir bis dann allerdings eine SPD-Regierung haben, würdest Du heute 26,375% auf den Gewinn zahlen und später dann mehr (oder gleich den üblichen progressiven Steuersatz).


    Man braucht sicher einen gedanklichen Anhalt für Prognosen, sollte eine Prognose aber als das sehen, was sie ist, nämlich eine Prognose, und sie nicht fälschlich für eine Kalkulation halten.



  • Hat Rudi Ratlos, Dieter Dödel und Axel Zuck vor oder nach der Yoga Stunde getroffen 🤪

  • Konkretes Beispiel mit folgenden Parametern:

    • Man lebt als Privatier nur von Kapitalerträgen
    • Es werden pro Jahr Aktien ETF Anteile im Wert von 30.000€ verkauft um davon zu leben
    • Der Gewinnanteil liegt bei 70%
    • Von den 30.000€ ist der Gewinn dementsprechend 21.000€
    • Nach Teilfreistellung ergibt sich 14.700€
    • Hinzu kommen rund 5.000€ Vorabpauschale
    • Auf die 19.700€ werden rund 22% GKV & PV Beiträge fällig, ergibt 4.330€
    • Zu versteuern sind dann 15.370€
    • Aktuell wären das 558€ Steuer, Durchschnittssteuersatz = 3,63%
    • Zum Leben bleiben 30.000€ - 4.330€ -558€ = 25.112€ = 2.092€ pro Monat.
  • Achim Weiss und Planschkuh vielen Dank für eure Ausführungen. :thumbup:

    Ich denke, ich werde das in Angriff nehmen.

    Du hast meines Wissens (von diesem ETF abgesehen) ein Dividenden-Aktien-Depot. Wieviel Dividenden Du im Verlauf des Jahres erwartest, kannst Du peilen. Bitte beachte: Du bekommst vom deutschen Fiskus nur die deutsche Steuer zurück, die US-Steuer beispielsweise bekommst Du nur angerechnet, aber nicht erstattet.


    Dein ETF steht um die 19 T€ unter dem Kaufpreis. Wenn Du den jetzt verkaufst und zurückkaufst, steht er mit einem Kaufpreis 19 T€ unter dem Kaufpreis vom Januar in den Büchern und Du hast 19 T€ im Verlusttopf Sonstige stehen. Eventuelle deutsche Steuer, die Du bereits im 1. Quartal bezahlt hast, bekommst Du gleich zurück.


    Ich empfehle Dir, zur genauen Berechnung Excel anzuwerfen. Von US-Dividenden berücksichtige jeweils 40% des Betrages, weil nämlich 10% deutsche Reststeuer 40% von 25% Abgeltungsteuer sind. Deutsche Dividenden berücksichtigst Du mit dem vollen Betrag. Wenn Du durch die Umsetzaktion mehr Verlust generierst, als Du unter den möglicherweise speziellen Bedingungen in diesem Jahr ausgleichen kannst, verlierst Du den Sparerfreibetrag. Ok; ist "nur" 1000 € Gewinn/Dividende oder 263,75 € Steuererstattung, aber Kleinvieh macht ja auch Mist. Wenn Du mit anderen Kapitalerträgen den Verlust nicht ausgeglichen bekommst, könnte es sinnvoll sein, nur einen Teil des ETFs umzusetzen. Den Rest kannst Du im nächsten Jahr machen. Vielleicht ist der ETF bis dann aber auch schon wieder so gestiegen, daß Du es nicht mehr brauchst.

  • Wenn Du durch die Umsetzaktion mehr Verlust generierst, als Du unter den möglicherweise speziellen Bedingungen in diesem Jahr ausgleichen kannst, verlierst Du den Sparerfreibetrag. Ok; ist "nur" 1000 € Gewinn/Dividende oder 263,75 € Steuererstattung, aber Kleinvieh macht ja auch Mist. Wenn Du mit anderen Kapitalerträgen den Verlust nicht ausgeglichen bekommst, könnte es sinnvoll sein, nur einen Teil des ETFs umzusetzen.

    Ha, die Tücke lauert im Detail! Ich mache einen Teilverkauf und sehe mir die Verrechnung erstmal im Depot an.

    Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. :thumbup: