Machen Immobilien noch Sinn?

  • Ich frage mich aber, ob die Idee von flächendeckendem selbstgenutzen Wohneigentum tatsächlich längerfristig realistisch sein kann.

    Wieso? Erst mal sind wir von flächendeckendem selbstgenutztem Wohneigentum in Deutschland aktuell meilenweit entfernt (https://de.statista.com/statis…igentumsquoten-in-europa/). Und gewohnt werden muss immer. Wieso sollte es praktikabler sein, dass der Wohnraum im Besitz von Vermietern ist, als im Besitz der Bewohner?

  • Flächendeckend sehe ich weiter nicht. Deutschland hat ja im Vergleich zu anderen Ländern in der EU eine relativ niedrige Wohneigentumsquote. Liegt zudem auch noch im mieterfreundlichen Mietrecht begründet.


    Ich denke die Mobillität wird sich verändern bzw. hat sich schon kürzlich verändert, alleine in der Arbeitswelt durch z.B. die Nutzung von Kommunikationstechnologien für Meetings und die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten. Alleine für ein 30minütiges Meeting wird eben nicht mehr von München nach Hamburg geflogen.

  • Es gibt ja auch Leute, die sagen "ist mir egal, ich will in einem Haus wohnen, bis die Kinder groß sind, wenn ich es danach wieder verkaufe und zumindest 0 auf 0 rausgehe, hat es sich doch gelohnt und war besser als 20 Jahre in einer Mietwohnung."

    Das Konzept ist mir bekannt, persönlich kenne ich aber keinen, der das ernsthaft umsetzen würde. Und dann nimmt man natürlich die lange Zinsbindung, statt der kurzen. Man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass wir bei Immobilien in der Regel von Hebeln mit Faktor 5 oder mehr reden. Da ist so ein Ansatz hochgefährlich.

    Ich glaube auch nicht, dass das besonders häufig vorkommt, denn letztendlich muss auch die Bank noch mitspielen. Und die Kombination aus geringer Tilgung und hoher Restschuld bei eventuell niedrigem Eigenkapitaleinsatz ist eben auch ein hohes Risiko für die Bank. Einzelfälle mag es geben, aber auf flächendeckende Schnäppchen durch gescheiterte Anschlussfinanzierungen von ca. 2020 würde ich nicht setzen.

  • Anbei die Eigentumsquoten und der Anteil der finanzierten und und schuldenfreien Eigentümer gemäß Eurostat 2023 (Ausschnitt aus einem Vortrag Institut der Wirtschaft von Pekka Sagner).


    Wesentliche Bausteine in Deutschland sind unter anderem das Haushaltseinkommen (Quelle Sozioökonomisches Panel, IM und Allensbachumfrage 1232,12067):

    Und auch der Standort, ob jeweils in der Großstadt oder weiter draussen:

  • Wieso? Erst mal sind wir von flächendeckendem selbstgenutztem Wohneigentum in Deutschland aktuell meilenweit entfernt (https://de.statista.com/statis…igentumsquoten-in-europa/). Und gewohnt werden muss immer. Wieso sollte es praktikabler sein, dass der Wohnraum im Besitz von Vermietern ist, als im Besitz der Bewohner?

    "Praktikabel" ist so weniges, was dennoch existent ist. Den praktischen Nutzen von Hyperakkumulation zu beweisen gelingt Elon Musk nicht wirklich.

  • Einzelfälle mag es geben, aber auf flächendeckende Schnäppchen durch gescheiterte Anschlussfinanzierungen von ca. 2020 würde ich nicht setzen.

    Das glaube ich auch, und selbst wenn, dann

    - nicht jetzt, sondern erst ab 2029/2030,

    - nur bis dahin überhaupt die Zinsen noch ähnlich hoch sein sollten wie jetzt und

    - nur für diejenigen, die die nächsten 6-7 Jahre nicht nutzen, um sich entsprechend vorzubereiten (Geld beiseite legen um die Anschlussfinanzierung zu verringern etc.).

  • Hallo gfra,


    ich lese die Grafik so, wie Deine Grundvermutung, d.h. die Eigentumsquote ist mit mehr Haushaltseinkommen höher. Jemand mit 2000 Euro Haushaltseinkommen hat ohne andere Quelle wie Vermögen oder Erbe wenig Möglichkeiten Eigentum zu bilden. Jemand mit 6000 Euro Haushaltseinkommen hat eine höhere Chance.

  • Wobei die Statistiken jetzt auf Deutschland bezogen nichts ergeben, was man vorher nicht vermuten würde. Wer wenig verdient, bekommt meist keinen Kredit => kein Eigentum und auf dem Land ist Eigentum bezahlbarer als in der Großstadt

  • Ich frage mich aber, ob die Idee von flächendeckendem selbstgenutzen Wohneigentum tatsächlich längerfristig realistisch sein kann.

    Scheint mir - gerade in Deutschland - allein schon aufgrund der Faktenlage jenseits eines Realitätsbezuges.


    Viele Länder - auch innerhalb der Eurozone und der EU - halten die "Idee von flächendeckendem selbstgenutzten Wohneigentum" dagegen und ganz offensichtlich sehr wohl für "längerfristig realistisch" (wie auch da der Blick in die Fakten und Zahlen zeigt).


    In allen mir bekannten diesbezüglichen Statistiken und Studien landet Deutschland bei dem Thema ("Wohneigentum") nämlich immer auf dem letzten Platz (mit Zahlen, je nach Studie bzw. Statistik, zwischen 43% bis 49%; bei einem EU-Durchschnittswert von ca. 70% ...); und zwar sowohl in der Eurozone als auch innerhalb der gesamten EU. Wie meilenweit Deutschland bei dem Thema abgeschlagen ist (abgesehen von speziellen Ländern mit Wohneigentumsquoten mit > 90%), zeigt übrigens das Verhältnis mit halbwegs vergleichbaren Industrienationen wie etwa Niederlande, Schweden, Frankreich, Dänemark usw. Darauf hier näher einzugehen scheint mir aber entbehrlich, weil dies in Beitrag Nr. 64 (von latinohh) schon mit Zahlen, Grafiken usw. angedeutet bzw. dargestellt wird.


    Ein Beispiel aus eigener Anschauung und Erfahrung zu bringen erlaube ich mir, da ich nicht nur urlaubs- sondern auch arbeitsbedingt oft und lange in Italien war; von Mailand bis Palermo). In manchen Ländern beispielsweise ist das Angebot am Mietwohnungsmarkt so schlecht bzw. dünn gesät, daß man zwangsläufig (wenn man halbwegs solide wohnen will) auf selbstgenutztes Wohneigentum angewiesen ist (Rumänien wäre hier ein Beispiel von mehreren). Italien (mit Wohneigentums-Quoten bei 74-75% und damit über dem EU-Durchschnitt von 70% - während Deutschland mit Quoten von 43-49% meilenweit unter dem EU-Durchschnitt liegt) ist dagegen ein gutes Beispiel für den gelernten und routinierten Umgang einer Bevölkerung mit einer klassischen Weichwährung wie der Lira (um Formulierungen wie "Schwund"- oder "Schrottgeld" zu vermeiden). Trotz damals fast immer zweistelligen Zinsen in Lira war zu beobachten: Angefangen vom Taxifahrer, Handwerker und kleinen Angestellten über kleine Selbständige und Kleinunternehmer bis hin zu den Beamten oder höheren Angestellten - fast jeder, der irgendwie konnte, schob seine Ersparnisse in eine Immobilie. Tenor: "Grundbuch statt Sparbuch. Lohnt sich langfristig mehr als Zinsen, die die Inflation ohnehin nicht ausgleichen, zu erhalten, noch dazu in unserem Schwundgeld Lira". Und zum damaligen Verhältnis der Italiener zu den damit wegen dem (oft bis meist unvermeidlichen) Darlehen einhergehenden Schulden. Tenor: "Das Schwundgeld Lira entwertet meinen Kredit automatisch über die Jahre" (übrigens: Die italienische Lira hat allein in der kurzen Zeit vom Ende des Bretton-Woods-Systems bis zur Einführung des Euro um über 80% (nach meinen Berechnungen 82%) gegenüber der DM abgewertet ...). Das ist jedenfalls auch ein wichtiger Grund (aus meiner Sicht vermutlich sogar der Hauptgrund) für die iVz Deutschland ganz deutlich höhere Wohneigentumsquote in Italien.


    Beim Blick hierzulande auf die riesigen Bestande an lediglich "Nominalwerten" sprich reinen Geldforderungen (wie Girokonten, Sparbüchern, Tages- und Festgeldern, Gelder bei bzw. in Lebensversicherungen usw.) sowie auf die gleichzeitig sehr niedrige Wohneigentumsquote aber insbesondere auch auf die extrem niedrige Aktienquote (nämlich ebenfalls erschreckend niedrig bzw. noch viel niedriger) scheint - mir jedenfalls - noch erheblicher Lernbedarf der Deutschen bezüglich "Substanzwerten" zu bestehen ...

  • Den praktischen Nutzen von Hyperakkumulation zu beweisen gelingt Elon Musk nicht wirklich.

    Darüber kann man sicherlich streiten. Und das kann man mit durchaus guten Gründen tatsächlich so sehen. Allerdings ist das (Elon Musk) ein sehr spezieller Einzelfall und damit rein anekdotisch.


    Den praktische Nutzen des Gegenteils von "Hyperakkumulation" (sog. Hyperakkumulatoren sind mir bislang nur aus der Pflanzenwelt bekannt ... ?) zu beweisen - völlige Gleichverteilung (die jeweilige Nomenklatura natürlich immer ausgenommen ... :D ) via Kollektivismus und Planwirtschaft - sind dem Kommunismus und Sozialismus auch nicht wirklich gelungen. Und das ist leider - wie der Blick in die Geschichte zeigt - nicht rein anekdotisch.

  • Viele Länder - auch innerhalb der Eurozone und der EU - halten die "Idee von flächendeckendem selbstgenutzten Wohneigentum" dagegen und ganz offensichtlich sehr wohl für "längerfristig realistisch" (wie auch da der Blick in die Fakten und Zahlen zeigt).

    Eine entsprechende Mentalität bildet sich über Jahrzehnte. Die Köpfe der Leute bekommt man nicht so eben mal umprogrammiert.

    In allen mir bekannten diesbezüglichen Statistiken und Studien landet Deutschland bei dem Thema ("Wohneigentum") nämlich immer auf dem letzten Platz.

    Das ist kein Wunder, so schnell würde sich die Wohneigentumsquote ja nicht ändern können. Wenn Deutschland in einer Studie auf dem letzten Platz landet, dürfte es auch in anderen Studien nicht besser plaziert sein.

    Wie meilenweit Deutschland bei dem Thema abgeschlagen ist, zeigt übrigens das Verhältnis mit halbwegs vergleichbaren Industrienationen wie etwa Niederlande, Schweden, Frankreich, Dänemark.

    Sind diese Länder denn wirklich vergleichbar?

    Vergleichbar ist beispielsweise Österreich. Der soziale Wohnungsbau in Wien gilt allgemein als musterhaft, und in Wien konzentriert sich ja ein erheblicher Teil der österreichischen Bevölkerung. In Deutschland sind trotz aller Jammerei Mieten verhältnismäßig preisgünstig, also ist Deutschland Mieterland.


    Wollte man wirklich vergleichen, müßte man wissen, wieviel (einkommensadjustiert) in den Vergleichsländern eine Miete kostet sowie Wohneigentum (etwa als Multiplikator des Jahreseinkommens).

    Es könnte sein, daß diese Mentalität den Italienern noch heute in den Köpfen steckt.

    Beim Blick hierzulande auf die riesigen Bestande an lediglich "Nominalwerten" sprich reinen Geldforderungen (wie Girokonten, Sparbüchern, Tages- und Festgeldern, Gelder bei bzw. in Lebensversicherungen usw.) sowie auf die gleichzeitig sehr niedrige Wohneigentumsquote [etwa 50%] aber insbesondere auch auf die extrem niedrige Aktienquote (nämlich ebenfalls erschreckend niedrig bzw. noch viel niedriger) [etwa 20%] scheint - mir jedenfalls - noch erheblicher Lernbedarf der Deutschen bezüglich "Substanzwerten" zu bestehen.

    Der Deutsche (vom Sozialhilfeempfänger bis zum Bundeskanzler) ist sehr auf Nominalwerte fixiert und ordnet dem absoluten Betrag (irrig) ein übermäßig hohes Maß an "Sicherheit" zu. "Sein Geld" zurückzubekommen, etwa aus einer Lebensversicherung, generell aus einer Anlage, ist einigermaßen das Zentrum seiner Weltanschauung. Also mag die Mehrheit der Deutschen keine Aktien. Gern läßt man die Chance sausen, wenn man nur kein Risiko eingehen muß.


    Übrigens: Der Immobilienerwerb ist in aller Regel ein gehebeltes Investment mit teilweise ganz erheblichem Hebel. Das macht aber in diesem Falle nichts. Betongold gilt allgemein als Inbegriff der Sicherheit. Nur wenige Leute machen sich bewußt, daß sie mit einem normalen Börseninvestment nicht mehr als 100% verlieren können (also ihr gesamtes Geld), mit einem Immobilieninvestment aber auch deutlich mehr (sie können nämlich ihr ganzes Geld verlieren und darüberhinaus noch Schulden zurückbehalten). Nach einem Zinsanstieg wie jetzt oder einer Arbeitslosigkeit oder einer Ehescheidung kann es allerdings durchaus sein, daß der Hebel schmerzlich zurückschlägt.

  • Denn klar, auch bei 20 oder gar 30 Jahren Zinsbindung holt einen das Thema bei Ablauf der Zinsleistung wieder ein, wenn man nicht ordentlich tilgt

    Das gilt aber besonders bzw. nur in extremen und langen Niedrig- bzw. fast Nullzinsphasen. Bei einem auch nur etwas höheren Zins (Zinsniveau) ist nämlich ein Darlehen "nach 25 oder gar 30 Jahren" schon getilgt (siehe folgend Abs. 3).


    Was nicht allen (vielleicht sogar eher wenigen) Darlehensnehmern bekannt bzw. bewuß sein dürfte - und an der Konstruktion "Annuitäten-Darlehen" liegt (mit konstanter Kreditrate bestehend aus Zins und Tilgung) - ist die Tatsache, daß sich bei niedrigen Zinsen (sprich einem niedrigen Zinsniveau) der Zinsanteil langsamer reduziert - und dadurch auch der Tilgungsanteil langsamer ansteigt, als bei höheren Zinsen. Logische Konsequenz: Es braucht (bei gleicher anfänglicher Tilgung) längere Zeit, um das Darlehen zu tilgen.


    Daher gilt in praxi: Je niedriger der Zins (das Zinsniveau), desto länger benötigt der Darlehensnehmer um das Darlehen zurückzuzahlen (bei identischer Anfangstilgung). Erinnere mich (eher nur grob) an eine damalige diesbezügliche Berechnung einer großen Bank: Bei einem Zins (Zinsniveau) von 5% plus 2% anfänglicher Tilgung dauert es ca. 25 Jahre das Darlehen zurückzuzahlen. Bei einem Zins von 3% (und identischer anfänglicher Tilgung von 2%) dauert es dann schon ca. 30 Jahre. Bei einem Zins von nur 1,3% (wieder identische Anfangstilgung von 2%) dann schon ca. 40 Jahre. Bei einem Zins mit einer deutlichen Null vor dem Komma wie noch in 2020 durchaus üblich (und wieder identischer Anfangstilgung von 2%) ist man dann schnell bei über einem halben Jahrhundert Darlehenslaufzeit.


    Gerade aufgrund dieses inneren Zusammenhangs (Zinssatz und Gesamt-Laufzeit des Darlehens iZm Annuitäten-Darlehen) sind solch lange Niedrig- oder fast Nullzinsphasen (selbst bei Immobiliendarlehen: Im Jahr 2020 hatte ich bei Prolongationen Konditionen von ca. 0,3 bis 0,5%) verführerisch und gefährlich (jedenfalls für Otto Normalverbraucher). Neben der Tatsache, daß ein solches Zinsniveau natürlich die Vermögenspreise treibt (wozu auch Immobilien gehören) und damit (in aller Regel jedenfalls) auch die Darlehenssummen nach oben gehen. Eben einfach aufgrund der Tatsache, daß es bei immer niedrigeren Zinsen immer länger dauert ein Annuitäts-Darlehen zu tilgen (bei identischer Anfangstilgung).


    Bei dann nur relativ kurz gewählten Zinsfestschreibungen (wie fünf oder 10 Jahre) besteht die Gefahr, daß aufgrund der geringen Tilgung (geschuldet dem niedrigen Zinsniveau; s. o.) eine noch relativ große Restschuld (bei Ablauf der eher kurzen Zinsfestschreibung) dem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt ist. Wer das emotional und/oder finanziell nicht "verträgt", sollte (präziser muß) in solch ausgeprägten und langen Niedrigzinsphasen entweder sehr lange Zinsfestschreibungen wählen oder zumindest eine deutlich höhere Anfangstilgung als die heute üblichen 2%.


    Bei den damaligen Zinsniveaus (1975 - 2005 beispielsweise) war 1% Anfangstilgung durchaus noch eine gebräuchliche Anfangstilgung - womit man wieder bei dem in Abs. 2 dargestellten Zusammenhang angekommen wäre.

  • Das ist kein Wunder, so schnell würde sich die Wohneigentumsquote ja nicht ändern können. Wenn Deutschland in einer Studie auf dem letzten Platz landet, dürfte es auch in anderen Studien nicht besser plaziert sein.

    Die Ergebnisse solche Studien verfolge ich seit Jahrzehnten ...?


    Geändert hat sich übrigens nicht viel. Im Gegenteil: In manchen Altersgruppen kam es im Laufe der letzten Jahre sogar zu Verschlechterungen die Wohneigentumsquote betreffend ...

    Sind diese Länder denn wirklich vergleichbar?

    Daher schrieb ich ja explizit "halbwegs" vergleichbar. Und halbwegs vergleichbar ist Deutschland auf jeden Fall mit den von mir genannten Industrienationen (s. Nr. 70, Abs. 3).

    Vergleichbar ist beispielsweise Österreich. Der soziale Wohnungsbau in Wien gilt allgemein als musterhaft,

    Ja, bei denen die (dauerhaft) in einer solchen Wohnung sitzen (diese Berechtigung wird wie ein Vermögenswert behandelt ...). Bei denen, die in Wien eine Wohnung suchen oder neu nach Wien kommen (müssen), sieht es dagegen anders aus. Das aber hier nur am Rande.

    Der Deutsche (vom Sozialhilfeempfänger bis zum Bundeskanzler) ist sehr auf Nominalwerte fixiert und ordnet dem absoluten Betrag (irrig) ein übermäßig hohes Maß an "Sicherheit" zu.

    Die deutsche Fixierung auf "Sicherheit" steht - nach meinem Dafürhalten - in direktem Zusammenhang mit der sich hierzulande auf traurigem Niveau befindenden Finanzbildung bzw. dem (in weiten Teilen fehlenden) Finanz-Wissen.

    Übrigens: Der Immobilienerwerb ist in aller Regel ein gehebeltes Investment mit teilweise ganz erheblichem Hebel.

    Da muß man wohl deutlich zwischen "Immobilien als Anlage" und "Immobilien zwecks Eigennutzung" unterscheiden. Viele Eigentümer selbstgenutzter Immobilien sehen ihre Immobilie (viel) weniger als "Investment" denn (viel mehr) als "Lebensstil"-Entscheidung.

    Betongold gilt allgemein als Inbegriff der Sicherheit.

    Das dürfte in der breiten Bevölkerung vermutlich so sein.

    Banken scheinen das auf jeden Fall so zu sehen. Wenn ich etwa die (Zins)Konditionen für Immobiliendarlehen mit denen für den Kauf von Wertpapieren vergleiche bzw. vergleiche, wie weit man Immobilien beleihen kann iVz beispielsweise einem Wertpapierdepot ...

    Nur wenige Leute machen sich bewußt, daß sie mit einem normalen Börseninvestment nicht mehr als 100% verlieren können (also ihr gesamtes Geld), mit einem Immobilieninvestment aber auch deutlich mehr (sie können nämlich ihr ganzes Geld verlieren und darüberhinaus noch Schulden zurückbehalten)

    Hierzulande ist das so. Es gibt aber (Beispiel USA, zumindest einige Bundesstaaten dort) wohl auch andere Varianten. Da haftet für das Immobilien-Darlehen auch nur die Immobilie - und nicht der DN mit seinem gesamtem Privatvermögen. In der Finanzkrise (2008) gaben damals einige (eher wohl nicht ganz wenige) US-Bürger deshalb bei der finanzierenden Bank den Hausschlüssel ab und wünschten der Bank noch "viel Glück" ...


    Die Diskussion, ob das eine oder andere Modell das bessere ist, würde hier aber den Rahmen sprengen.

    Nach einem Zinsanstieg wie jetzt oder einer Arbeitslosigkeit oder einer Ehescheidung kann es allerdings durchaus sein, daß der Hebel schmerzlich zurückschlägt.

    Daß der Leverage-Effekt natürlich und denknotwendig in beide Richtungen - also sowohl nach oben als auch nach unten - wirkt, ist eine Binse deren weitere Erörterung sich hier wohl erübrigt.

  • Ich empfehle, die Schweiz in den Vergleich mit aufzunehmen. Denn das sonst so gelobte Land rangiert in der Hinsicht noch hinter Deutschland

    Aus meiner Sicht: Unbedingt.


    Fraglich könnte allerdings sein, ob das noch zum Titel "Machen Immobilien noch Sinn" paßt ? Denn damit wurden ja vermutlich von dem damals Fragenden "Immobilien in Deutschland" gemeint ?


    Nur am Rande: Müßte es in deutscher Sprache nicht eher lauten: "Ergeben Immobilien noch einen Sinn" ?


    Vorab: Das Beispiel Schweiz zeigt - jedenfalls in dem speziellen Fall - ganz gut, wohin steuerliche Regelungen führen können. War früher oft erstaunt, daß (nicht ganz mittellose) Schweizer Bürger hohe bis sehr hohe Darlehen auf ihrer Immobilie "vor sich herschoben" (noch dazu möglichst lange). Bis man mir erklärte, dies sei wegen der (zwar sehr bis äußerst) moderaten (und je nach Gemeinde sehr unterschiedlichen) Vermögenssteuer so - aber auch, weil man die Schuldzinsen für das Eigenheim (iGz Deutschland) auch steuerlich in Ansatz bringen kann. Ob das (Darlehen aufnehmen, Tilgung verzögern bzw. ganz aussetzen, hoch verschuldete Immobilien halten usw.) der Finanzstabilität insgesamt in der Schweiz dienlich ist, wäre ein eigenes Thema ...


    Nur aus der Hüfte geschossen und nur nach meiner Beobachtung mal fünf Punkte:


    1. Ein ganz wesentlicher Grund für die geringe Wohneigentumsquote der Schweiz (m. W. das einzige Land in Europa, welches (jedenfalls damit ...) noch hinter Deutschland rangiert) dürfte der späten Einführung des Teileigentums (in der Schweiz sog. "Stockwerkeigentum") geschuldet sein. Bis 1965 (m. W.) war es in der Schweiz nur möglich ganze EFH oder gleich ganze MFH zu erwerben. Aber eben nicht eine ETW. So mußten gezwungenermaßen viele Schweizer Mieter bleiben.


    2. Ein weitere wesentlicher Grund ist sicherlich die hohe Mobilität in der Schweiz. Generell ist es ja oft so, daß eine hohe Mobilität in einem Land mit einer eher geringen Eigentumsquote einhergeht. Und natürlich umgekehrt. Der liberale (und damit sehr erfolgreiche) Schweizer Arbeits- und Wohnungsmarkt macht es dort relativ einfach eine Stelle zu wechseln und umzuziehen. Was die Mobilität (weiter) befördert. Aber nicht die Eigentumsquote.


    3. Auch in der (in weiten Teilen ländlich geprägten) Schweiz gibt es zunehmend den "Trend in die Stadt". Auf dem Land ist das Kaufen oft günstiger als das Mieten (so weit auf dem Land überhaupt Mietobjekte angeboten werden). In den Städten ist es nicht selten genau umgekehrt. Daher wirkt sich der "Trend in die Städte" dämpfend auf die Eigentumsquote aus. Städte haben (auch international gesehen) deutlich geringere Eigentumsquoten als ländliche Regionen.


    4. Dazu kommen - gerade in der Schweiz - (sehr) viele (nicht nicht ganz mittellose bzw. unvermögende) Ausländer (Nicht-Schweizer), die eine Immobilienerwerb in der Schweiz anstreben (so er ihnen denn seitens der Behörden erlaubt wird). Fraglos treibt dies auch die Immobilien-Preise in der Schweiz - so daß mancher Einheimischer notgedrungen Mieter bleibt. Das gilt natürlich insbesondere für landschaftlich sehr schöne und touristische geprägte Gegenden (von den Bergen bis zu den Seen) und davon hat es in der Schweiz recht viele, um nicht zu sagen reichlich - wo sich nicht nur wohlhabende Schweizer eine Immobilie (z. B. als Feriensitz) leisten sondern auch Ausländer gerne eine Immobilie erwerben (was ebenfalls preistreibend wirken dürfte). Und vermutlich auf die Eigentumsquote drückt.


    5. Schließlich ist das Verhältnis "Einkommen/Immobilienpreise" in der Schweiz ein "herausforderndes" (um es möglichst positiv zu formulieren) - trotz der (iVz Deutschland beispielsweise) sehr hohen Einkommen der Schweizer. Die Immobilienpreise sind eben auch sehr hoch in Relation zu den Einkommen. Wobei auch der vorgenannte Punkt 4. hier eine Rolle spielen dürfte.


    Eigentumsquote hin oder her: In der Schweiz kann man auch als Mieter ganz gut und nett leben - und um die Finanzen des durchschnittlichen Schweizers bis hin zu seiner Altersvorsorge inkl. seiner Lebensqualität samt innerer Sicherheit scheint es mir auch nicht so schlecht bestellt zu sein (in Relation zu Deutschland beispielsweise). Die Wohneigentumsquote ist fraglos ein wichtiger Aspekt - aber eben nur einer von diversen.


    Sollte in dem "sonst so gelobten Land" ein ironischer Unterton inkludiert gewesen sein: Jedenfalls meine Wenigkeit kann (ganz unabhängig von den im vorherigen Absatz genannten Vorteilen) die Schweizer Freisinnigkeit immer wieder begeistern. Ebenso wie die Tatsache, daß sich viele Schweizer als Bürger verstehen und nicht als Untertanen. Und so von ihrem Staat auch - ganz überwiegend jedenfalls - behandelt werden.


    Lieber/liebe LebenimSueden , es würde mich freuen nicht nur Deine Frage (wenigstens ansatzweise oder teilweise) beantwortet zu haben - sondern Dir vielleicht auch einen kleinen Einblick in die Schweizer Verhältnisse eröffnet zu haben. Soweit das einem Nicht-Schweizer wie mir überhaupt möglich sein kann.


    PS: Erinnere mich an einige Deiner Beiträge. Die habe ich überwiegend sehr geschätzt. Deshalb habe ich mich (im Rahmen meiner Möglichkeiten) um eine wenigstens halbwegs adäquate Antwort auf Deinen guten und berechtigten Hinweis in Nr. 74 bemüht.

  • Einmal repräsentative Daten:

    100% meiner Ehegattinnen haben 2018 finanziert und zwar auf 20 Jahre.

    Jetzt müsste man noch wissen, wie groß die Stichprobe ist. Es soll ja soziale Systeme geben, bei denen Ehegattinnen > 1 möglich / üblich sind. :)

    Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
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  • Lieber/liebe LebenimSueden , es würde mich freuen nicht nur Deine Frage (wenigstens ansatzweise oder teilweise) beantwortet zu haben - sondern Dir vielleicht auch einen kleinen Einblick in die Schweizer Verhältnisse eröffnet zu haben. Soweit das einem Nicht-Schweizer wie mir überhaupt möglich sein kann.

    Keine Angst, ich habe lange genug an der Grenze gewohnt und verbringe auch regelmäßig Zeit in der Schweiz. Die meisten relevanten Punkte sind mir bekannt. Mir geht es vor allem um die Feststellung, dass eine niedrige Wohneigentumsquote nicht zwingend dem Wohlstand im Weg steht, sondern es sehr gute Gründe geben kann, dass in reichen Ländern die Eigentumsquote niedrig ist. Neben historischen (Stockwerkseigentum, 2. Weltkrieg, Sozialismus) oder steuerlichen Gründen sind das auch vor allem der Mieterschutz. Mobilität spielt meiner Meinung nach eine eher geringe Rolle, in den USA ist die Mobilität hoch, aber auch die Eigentumsquote. Wichtig bei der Betrachtung ist auch der Standard der Immobilien. Eigentum ist schön und gut, aber Eigentum an einem Haus mit dem Standard einer Gartenhütte ist halt nicht gerade toll. Gerade im Vergleich mit Rumänien und co sollte man das bedenken.


    Der ironische Unterton war durchaus beabsichtigt, in vielen Diskussionen steht die Schweiz ja als Musterland da. Praktisch hat sie die gleichen Probleme wie alle anderen und noch ein paar spezifische. Es ist meiner Meinung nach kein gutes Zeichen, wenn ein großer Teil der Bevölkerung zum Einkaufen, den Zahnarzt oder die Autowerkstatt das Land verlässt. Wir reden hier auch nicht von ein paar Grenzbewohnern, sondern gerne auch von Zentralschweizern, die nach Konstanz fahren

  • Mobilität spielt meiner Meinung nach eine eher geringe Rolle, in den USA ist die Mobilität hoch, aber auch die Eigentumsquote.

    Ja. Da sind, glaube ich, die Kaufnebenkosten geringer, und es ist die (auch gesellschaftliche) Erwartung, dass man erstmal mit einem billigen "Starter Home" anfängt - ich glaube, dafür gibt es keine passende Übersetzung auf Deutsch, weil wir das Konzept nicht kennen - und sich dann nach und nach zu einem schöneren / größeren Haus hocharbeitet, ggf. auch passend zur Familiensituation (ein junges Paar braucht weniger Platz als eine Familie mit drei Kindern). Die Vorstellung, nur einmal im Leben ein Haus "für die Ewigkeit" zu kaufen, das dann auch gleich perfekt sein muss, ist für US-Amerikaner geradezu absurd.