Lohnt sich die Sondertilgung noch?

  • Hallo,

    die Entwicklung des Zinsniveaus in den letzten Monaten und vor allem jetzt die neue TradeRepublic-Aktion mit 4% aufs Tagesgeld haben mich ins Grübeln gebracht. Ich bin schon ein paar Tage am hin und her rechnen und vergleichen, aber es verwirrt mich nur noch mehr. Ich habe mich schon in den vielen anderen ähnlichen Threads eingelesen, möchte hier aber trotzdem gerne nochmal individuellen Input bekommen.


    Aktuelle Situation, so kurz wie möglich:

    • 29 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder (2 und 0 J.)
    • verbeamtet auf Lebenszeit, Nettoeinkommen (Stkl. 3): 3.800,- EUR
    • Hausbau in 2019, Aufnahme Immobilienkredit i.H.v. 350.000 EUR
    • 1,8% Zins, Zinsbindung 15 Jahre (jetzt also noch 11 Jahre) mtl. Rate 1.100,- EUR
    • Sondertilgung i.H.v. 17.000€ pro Jahr möglich
    • Notgroschen von 10.000 EUR liegt bei TradeRepublic
    • Sparrate jeden Monat ca. 500 EUR. Da sind 150 EUR, die ich jeden Monat in einen MSCI World stecke, bereits abgezogen
    • Die ~500 EUR kommen momentan jeden Monat auf unser "TG-Konto" bei der ING. Am Ende der letzten Jahre haben wir diese dann in einer Einmalzahlung als Sondertilgung an die Bank geleistet
    • Restschuld bei Anschlussfinanzierung, wenn ich die Sondertilgung von 6.000 EUR im Jahr durchziehe: ~120.000 EUR
    • Restschuld bei Anschlussfinanzierung, wenn ich die Sondertilgung jetzt stoppe: ~ 200.000 EUR

    Meine Überlegung ist mittlerweile, nicht mehr für die Sondertilgung am Ende des Jahres zu sammeln und diese zu leisten, sondern die Sparrate einfach zB auf das TradeRepublic-Konto zu überweisen und so die 4% (vor Steuern) mitzunehmen.

    Mir fällt jetzt die Vergleichsberechnung schwer, inwieweit das wirklich Sinn macht.

    Folgende zwei Varianten habe ich bei einem Sparrechner durchgespielt:

    1. Variante Tagesgeld:
    Sparplan mit 500,- EUR mtl., 11 Jahre lang, Zins 4%, Steuern berücksichtigen -> Ergebnis Endkapital: 80.780 EUR

    2. Weiterhin sondertilgen:
    Sparplan mit 6.000,- EUR jährlich, 11 Jahre lang, Zins 1,8%, Steuern nicht berücksichtigen -> Ergebnis Endkapital 73.913 EUR


    Mit Variante 1 hätte ich also knapp 7.000 EUR mehr im Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung. Natürlich nur unter der unmöglichen Annahme, dass der Zins 11 Jahre lang bei 4% liegen würde.

    In absoluten Zahlen also in 11 Jahren 7.000 EUR mehr verdient. Das sind 636 EUR im Jahr, 53 EUR im Monat.


    Wie würdet ihr an die Sache herangehen? Macht meine Vergleichsberechnung überhaupt Sinn? Wären euch die absoluten Zahlen hoch genug, um sich die Gedanken überhaupt zu machen oder sagt ihr: So ein kleiner Mehrwert, einfach weiter tilgen.

  • Das, was Du suchst, nennt sich Zinsdifferenzgeschäft. Wenn und solange Du nach Steuern irgendwo mehr Zins bekommst als Du für den Kredit zahlen musst, lohnt es sich, nicht mehr zu tilgen, sondern anderswo anzusparen. Wenn es wieder kippt, kannst Du wieder tilgen. Würde nicht unbedingt zu Trade Republic für den Zweck … lieber irgendwo auf einem richtigen Tagesgeldkonto sammeln und dann zeitlich passende Festgelder abschließen oder zeitlich passende Anleihen höchster Bonität kaufen.

  • Wie würdet ihr an die Sache herangehen? Macht meine Vergleichsberechnung überhaupt Sinn? Wären euch die absoluten Zahlen hoch genug, um sich die Gedanken überhaupt zu machen oder sagt ihr: So ein kleiner Mehrwert, einfach weiter tilgen.

    Mehrere tausend EUR (wenn auch vor Steuern) wären für mich kein vernachlässigbarer Mehrwert.


    Wir machen das ähnlich, bzw. noch die gesteigerte Variante davon, weil wir noch einen deutlich niedrigeren Zinssatz haben als ihr und einen Kredit, bei dem man die Rate reduzieren kann. Wir haben also schon vor gut einem Jahr die Rate soweit wie möglich reduziert und legen die Differenz in Festgeld an.


    Tagesgeld ginge zwar auch, aber als wir damit angefangen haben, gab es aufs Tagesgeld noch keine Zinsen, deshalb lohnte sich nur ein- bis zweijähriges Festgeld.


    Zuletzt haben wir sogar Festgeld auf 10 Jahre angelegt. Klar, das ist maximal unflexibel, man kommt vor Ablauf nicht dran. Andererseits haben wir Notreserve etc. ohnehin anderweitig abgedeckt, wir müssen also auch nicht drin. Bei der PBB Direkt gab (gibt immer noch) es 10-jähriges Festgeld zu 4,25%, man kann jährliche Auszahlung oder Zinseszins mit Versteuerung erst am Ende wählen. Wir haben letzteres gewählt, weil unser Freibetrag schon anderweitig ausgeschöpft ist, damit landet man dank Zinseszins effektiv bei 5,16% vor Steuern, und zwar für die nächsten 10 Jahre, also auch dann, wenn die Zinsen in den nächsten Jahren nochmal runtergehen sollten.


    Wie genau das für euch am sinnvollsten ist, müsst ihr selbst schauen und durchrechnen, aber grundsätzlich ist Dein Denkansatz völlig richtig. Wenn Du risikofrei bzw. mit sehr beschränktem Risiko durch Geldanlage nach Steuern eine höhere Rendite erzielst, als Dich der laufende Kredit kostet, ist sondertilgen nicht sinnvoll.


    PS: Hier gab es dazu auch schonmal einen Thread: Sondertilgung oder Anlegen - Konto & Anlegen - Finanztip Forum

  • Hallo.


    Auch mit "frischem" Haus würde ich mich mit mehr verfügbaren Geld in der Hinterhand wohler fühlen.


    Nach 10 (+ 1/2) Jahren könnt Ihr ja unbegrenzt sondertilgen. Wahrscheinlich würde ich bis dahin das Tagesgeld ansparen und dann in Abhängigkeit des Zinsniveaus sondertilgen oder bis zur Anschlussfinanzierung auf dem Tagesgeld weitersparen.

  • Moin, Moin!


    Ich möchte nur zu bedenken geben, dass der reale Zinssatz geringer ausfällt oder ausfallen könnte, wenn man als Beamter, Unternehmer etc. freiwillig gesetzlich versichert ist - sofern nicht schon der Höchstsatz gezahlt wird. Die KV-Beiträge werden m. E. in Zukunft nicht niedriger ausfallen. Auch ist die Höhe des Sparerfreibetrags nicht in Stein gemeißelt - wenn dieser nicht schon aufgebraucht ist.


    Die Kapitalertragsteuer beträgt pauschal 25,00 %. Hinzu kommen 5,50 % Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer von 8,00 – 9,00 % (je nach Bundesland). Der Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer werden dabei nicht auf die Kapitalerträge erhoben, sondern auf die 25,00 % Kapitalertragsteuer. Insgesamt ergibt sich demnach ein pauschaler Steuersatz von 26,38 % ohne Kirchensteuer und 27,82 bis maximal 27,99 % mit Kirchensteuer.


    Ein Beispiel:


    Kapitalerträge (vor Steuern): 10.000,00 € * 4 % = 400,00 €


    Steuern (inkl. Kirchensteuer): 400,00 € * 27,995 % = 111,98 €


    KV-Beitrag (abhängig von der KV): 400,00 € * 17,90 % = 71,60 €


    Fazit: Der reale Zinssatz liegt ungefähr bei 2,16% (statt der 4,00 %).


    Die ersparten Darlehenszinsen sind im Vergleich zum o. a. Sachverhalt eine sichere Geldanlage (Zinserträge).


    Die 2,16 % sind besser als die o. g. 1,80 %. Natürlich bei gleichbleibenden Zinssatz und KV-Beitrag.


    Das Thema beschäftigt mich zzt. auch und ich habe noch keinen konkreten Fahrplan.

  • KV-Beitrag (abhängig von der KV): 400,00 € * 17,90 % = 71,60 €

    Ich wusste nicht, dass man auf Kapitalerträge Krankenversicherungsbeiträge zahlen müsste. Ist das so? Vielleicht ist es mir noch nicht aufgefallen, weil ich in der Tat über der Beitragsbemessungsgrenze liege.

  • Bist du dir sicher, dass es die nächsten 11 Jahre bei TR 4% Zinsen gibt?


    Vermutlich ist Festgeld besser geeignet.

    Nein, natürlich nicht. Aber das kann ich doch jährlich neu entscheiden, oder? Wenn sich das Zinsdifferenzgeschäft noch lohnt, lasse ich das Geld auf dem TG-Konto. Wenn das Zinsniveau wieder sinkt, mache ich halt wieder möglichst viele Sondertilgungen. So bin ich komplett flexibel im Vergleich zum Festgeld. Einziger Vorteil beim Festgeld ist natürlich das Sichern des guten Zinses.

    Nach 10 (+ 1/2) Jahren könnt Ihr ja unbegrenzt sondertilgen.

    Damit meinst du das Sonderkündigungsrecht, oder? Wäre bei uns ja schon in 6 Jahren so weit... noch so eine Variable in der ganzen Vergleichsberechnung...

  • Damit meinst du das Sonderkündigungsrecht, oder? Wäre bei uns ja schon in 6 Jahren so weit... noch so eine Variable in der ganzen Vergleichsberechnung...

    Genau jenes. Heißt ja, dass man nicht auf die jährlichen Sondertilgungen angewiesen ist bzw. die nachholen kann, wenn man in einem Jahr einen besseren Plan für das Geld hatte.

  • Hallo,


    jetzt muss ich einmal etwas Wasser in den Wein gießen. Derzeit die Zinsdifferenzgeschäfte mitnehmen ist ja in Ordnung. Aber darauf vertrauen zu wollen, dass das noch 10 oder mehr Jahre so läuft, ist für mich spekulativ. Zum einen gibt es zu viele Möglichkeiten politischer Eingriffe; bitte einmal unter dem Stichwort Hauszinssteuer nachlesen. Die nächste Frage wäre die nach der Stabilität des Euro. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass Guthaben z.B. 1:10 umgewertet werden, Schulden aber 1:2 o.ä. Und bitte mögliche persönliche Veränderungen, wo ein Verkauf der Immobilie angezeigt wäre, nicht ganz vergessen.


    M.E. ist die Flexibilität, auf veränderte Randbedingungen reagieren zu können, bei einer Immobilienfinanzierung ein Wert an sich.


    Gruß Pumphut

  • M.E. ist die Flexibilität, auf veränderte Randbedingungen reagieren zu können, bei einer Immobilienfinanzierung ein Wert an sich.

    Wir zumindest können das. Die Rate lässt sich jederzeit von derzeit reduzierten 1% Tilgung auf bis zu 10% hochsetzen, dazu kommen mögliche Sondertilgungen. Und wir haben im Fall der Fälle auch genug anderweitiges Vermögen, um flexibel (re-)agieren zu können.


    Klar, es kann alles mögliche passieren, aber das kann es doch auch mit Aktien oder ETFs. Man hat nie 100% Sicherheit, dass alle rechtlichen/steuerlichen/geopolitischen/wirtschaftlichen Rahmenbedingungen langfristig auch nur ansatzweise so bleiben wie sie sind.


    Also plant man nach bestem Wissen nach heutigem Stand. Was soll man anderes machen?

  • Ich wusste nicht, dass man auf Kapitalerträge Krankenversicherungsbeiträge zahlen müsste.

    Ist das so? Vielleicht ist es mir noch nicht aufgefallen, weil ich in der Tat über der Beitragsbemessungsgrenze liege.

    Ein freiwillig gesetzlich Krankenversicherter muß auf alle Einkünfte Krankenkassenbeiträge zahlen (mit bekannten Kappungsgrenze).


    Ein Angestellter, der freiwillig versichert ist, verdient regelmäßig über der Kappungsgrenze, somit kommt die obige Bestimmung nicht zum Tragen.


    Ist aber beispielsweise ein Selbständiger in der GKV, ist der üblicherweise freiwillig versichert. Den fragt die Kasse aber sehr wohl nach all seinen Einkünften, und er zahlt auch bis zur Kappungsgrenze davon Beitrag.

  • .

    ...

    Ist aber beispielsweise ein Selbständiger in der GKV, ist der üblicherweise freiwillig versichert. Den fragt die Kasse aber sehr wohl nach all seinen Einkünften, und er zahlt auch bis zur Kappungsgrenze davon Beitrag.


    ...

    Den Ausführungen von Achim kann ich bestätigen.


    Es ist jedoch zu beachten, dass die Bemessungsgrundlage nicht die Einkünfte (Einnahmen ./. Werbungskosten) sondern der Bruttoarbeitslohn.

    Dies verhält sich bei allen Einkunftsarten gleich; irgendwelche Werbungskosten werden in der Regel nicht berücksichtigt.


    Dieses Thema betrifft zwar nicht die breite Masse, aber Saidi könnte es mal am Rande Thematisieren bzw. beim vorletzten Video.

  • Es ist jedoch zu beachten, dass die Bemessungsgrundlage nicht die Einkünfte (Einnahmen ./. Werbungskosten) sondern der Bruttoarbeitslohn.

    Dies verhält sich bei allen Einkunftsarten gleich; irgendwelche Werbungskosten werden in der Regel nicht berücksichtigt.


    Dieses Thema betrifft zwar nicht die breite Masse, aber Saidi könnte es mal am Rande Thematisieren bzw. beim vorletzten Video.

    "Bruttolohn" und "Werbungskosten" gibts nur beim Angestellten. Und wenn der freiwillig versichert ist, verdient er üblicherweise über der Beitragsbemessungsgrenzt. Aber ja: Wenn er die Beitragsbemessungsgrenze nur knapp überschreitet, mit Werbungskosten aber unterschreitet, bemißt sich sein Krankenkassenbeitrag am Bruttolohn, für die Werbungskosten (die ja seine finanzielle Leistungsfähigkeit mindern) bekommt er nur die Steuer zurück, nicht die eventuell darauf entfallenden Krankenkassenbeiträge.


    Beim Selbständigen bemessen sich die Krankenkassenbeiträge normalerweise nach dem Gewinn im Steuerbescheid plus ggf. den Kapitaleinkünften, die oft nicht im Steuerbescheid erscheinen. Wir sind hier aber in Deutschland, wo im Detail noch alles komplizierter ist (und für diesen Thread zu kleinteilig).

  • Hallo 12345,


    Sie waren gar nicht gemeint und erst recht wollte ich Sie nicht kritisieren. So wie Sie es schildern, sind Sie ja sehr breit aufgestellt. Mehr kann man wirklich nicht machen. Ich wollte nur andere warnen, alles auf eine Karte zusetzen.


    Übrigens kommen mir Ihre Kreditrandbedingungen sehr bekannt vor. Ich habe mich aber aus nichtfinanziellen Gründen trotzdem für die maximale Tilgung entschieden.


    Gruß Pumphut

  • M.E. ist die Flexibilität, auf veränderte Randbedingungen reagieren zu können, bei einer Immobilienfinanzierung ein Wert an sich.

    Wobei das eher dafür spricht, nicht die Sondertilgung zu nehmen. Dann ist man nämlich nicht mehr flexibel. In der Hinsicht wäre eine Festgeldtreppe wohl der beste Kompromiss zwischen Zinssicherung und Flexibilität.

  • Wenn man die Sondertilgung wählt, verschenkt man eigentlich Geld, denn dann hätte man dieses Geld am Anfang der Finanzierung lieber direkt für die EK-Aufstockung genutzt und somit einen günstigeren Zins erzielt.


    Wenn man diszipliniert ist, sollte man m.E. daher später überschüssiges Geld lieber in eine möglichst sicherere Anlage mit Verzinsung (z.B. Tagesgeld) investieren und bei Bedarf darauf zurückgreifen.

  • Wenn man die Sondertilgung wählt, verschenkt man eigentlich Geld, denn dann hätte man dieses Geld am Anfang der Finanzierung lieber direkt für die EK-Aufstockung genutzt und somit einen günstigeren Zins erzielt.

    Am Anfang der Finanzierung hatte man das aber vielleicht noch nicht zur Verfügung, weil es sich erst im Lauf der Finanzierungsjahre (wieder) angesammelt hat. Oder man war am Anfang der Finanzierung mit <60% Beleihungsauslauf schon im bestmöglichen Zinssatz - soll es ja auch geben. ;)