Verständnisfrage

  • Hallo zusammen,


    ich lese gerade von Gerd Kommer das Buch „ Souverän investieren vor und im Ruhestand“. Dort wird das Renditereihenfolgerisiko erläutert und der Wirkmechanismus an einem Beispiel verdeutlicht, wie sich eine negative Rendite direkt am Anfang des Investments auswirkt und auch wie eine hohe Rendite am Anfang wirkt. Die Unterschiede sind schon gewaltig.


    Andererseits lese ich auch immer wieder, daß Market Timing nicht funktioniert.


    Diese beiden Dinge bringe ich nicht zusammen. In dem Beispiel von Kommer wird eine neue Anlage, die direkt am Anfang um 30% einbricht betrachtet. Dieselbe Entwicklung würde doch auch passieren, wenn die Börse direkt nach dem ich gekauft habe, um 30% wegsackt. Ich sehe da gar keinen Unterschied. Wenn das aber so wäre, dann würde es doch bedeuten, daß es Sinn macht nicht gerade zu kaufen, wenn die Börsen Höchststand haben. Warten bis sie vielleicht um 10 bis 15 % absacken, was vermutlich öfter vorkommt als gravierendere Einbußen würde vor dem Renditereihenfolgerisiko doch Sinn machen?


    Wo hab ich da einen Denkfehler? Der Wirkmechanismus scheint mir doch derselbe.

  • Hallo.


    "Höchststand" und "Einbruch um 30%" sind doch Beschreibungen, die man erst im Nachhinein sicher feststellen kann.


    Es ist doch der Punkt, dass Markettiming nur in der Rückschau funktioniert.

  • So lange Du kein Geld aus dem Depot entnimmst, kann es Dir im Prinzip egal sein, ob Dein Depotwert einbricht. So lange Du das Depot noch weiter besparst, ist so ein Einbruch sogar positiv, weil Du ja für jede Sparrate mehr Anteile bekommst.

    Das Problem ist aber halt, dass viele Menschen irgendwann Geld aus Ihrem Depot entnehmen müssen. Insbesondere wenn das Depot in der Rente zur Aufbesserung der Rente dienen soll, wird irgendwann eine Entnahme erforderlich.

    Und wer dann zu früh, zu viel Geld entnimmt läuft dann in das Risiko, dass einem das Geld im Alter ausgeht.


    PS: Ich finde die Erklärung des SORR hat Oliver auf seinem Blog sehr anschaulich erklärt:

    Von den Zinsen leben – Entnahmestrategien unter der Lupe (Teil 1) – Frugalisten
    Dies ist der erste Teil meiner Artikelserie Entnahmestrategien unter der Lupe. Hier findest du alle weiteren Teile: Teil 2: Das Sequence-of-Returns-Risiko.…
    frugalisten.de

  • Markettiming funktioniert nicht, weil du eben nicht weißt was wann passiert.

    Kommt der Crash morgen oder erst in 5 oder 10 Jahren?


    Wenn man es vorher wüsste, würde sich Markettiming natürlich maximal lohnen.

    Vor dem Crash raus.

    Am tiefsten Punkt wieder rein.

    Und wenn man es schon weiß, dann kann man auch gleich noch auf fallende Kurse setzen, während es bergab geht.

  • Vorweg: Du hast Dir einen ausgesprochen nichtssagenden Titel für Deinen Thread ausgedacht. Wenn ich es zu sagen hätte, würde ich diesen besch****ten Begriff aus dem Vokabular des Deutschen streichen.

    ich lese gerade von Gerd Kommer das Buch „Souverän investieren vor und im Ruhestand“. Dort wird das Renditereihenfolgerisiko erläutert und der Wirkmechanismus an einem Beispiel verdeutlicht, wie sich eine negative Rendite direkt am Anfang des Investments auswirkt und auch wie eine hohe Rendite am Anfang wirkt. Die Unterschiede sind schon gewaltig.

    Andererseits lese ich auch immer wieder, daß Market Timing nicht funktioniert.


    Diese beiden Dinge bringe ich nicht zusammen. In dem Beispiel von Kommer wird eine neue Anlage, die direkt am Anfang um 30% einbricht, betrachtet. ... Wenn das aber so wäre, dann würde es doch bedeuten, daß es Sinn macht, nicht gerade zu kaufen, wenn die Börsen Höchststand haben.

    Nehmen wir mal vereinfacht einen linear steigenden Kurs an, der seit 10 Jahren jedes Jahr um 10% steigt. Aktuell sind wir am rechten Endes der Kurve. Höchstkurs, klar. Da kann man sinnvollerweise nicht kaufen. Nächstes Jahr um die gleiche Zeit steht der Kurs 10% höher (lineare Steigerung). Höchstkurs! Da kann man natürlich auch nicht kaufen. Ein weiteres Jahr später ...

    Warten, bis sie vielleicht um 10 bis 15 % absacken, was vermutlich öfter vorkommt als gravierendere Einbußen würde vor dem Renditereihenfolgerisiko doch Sinn machen?

    ... und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten sie noch heute.


    Wärest Du denn mutig genug einzusteigen, wenn die Kurse um sagen wir mal 30% zurückgekommen wären?

  • Ich kenne jetzt dieses Buch vom Kommer nicht, aber das Renditereihenfolgerisiko . Das besagt, dass am Anfang der Entnahme aus einem Depot eine negative Rendite eine größere Auswirkung auf das Depot hat, sprich es hält weniger lange durch.


    Das Renditereihenfolgerisiko spielt wiederum beim Aufbau eines Depots eine deutlich kleinere Rolle, da bei regelmäßiger Einzahlung (Sparplan) automatisch ein Durchschnittskosteneffekt erzielt wird.


    Generell ist es natürlich sinnvoller beim Tiefstand (=Crash) zu kaufen als zum Höchstkurs. Die Frage ist, ob dann die Nerven mitmachen und wann der nächste Crash überhaupt kommt.

  • Das Renditereihenfolgerisiko kann in der Ansparphase vernachlässigt werden. Klar wäre es sinnvoller zu kaufen wenn der Markt unten ist. Aber wie schon gesagt lässt sich das erst im Nachhinein wirklich sagen. Wenn du Markttimeing betreibst ist die Gefahr hoch, dass du gar nicht oder zu spät investiert bist. Hier gibt es auch eine gute Podcastfolge von Saidi in der gezeigt wird wie wichtig es ist investiert zu sein. Folge 76 ist das…


    Da im Allgemein angenommen wird, dass der Markt langfristig steigt, ist der Beste Moment zum investieren immer jetzt.


    Das Renditereihenfolgerisiko ist dann in der Entnahmephase ein Thema. Hier wird angenommen, dass du verkaufen MUSST, weil du dein Lebensunterhalt im Alter bewältigen willst. Dabei entscheidet die Reihenfolge der Rendite darüber ob dein Depot noch 30 Jahre hält oder z.B. du nach bereits 5 Jahren Pleite bist….

  • Diese beiden Dinge bringe ich nicht zusammen. In dem Beispiel von Kommer wird eine neue Anlage, die direkt am Anfang um 30% einbricht betrachtet. Dieselbe Entwicklung würde doch auch passieren, wenn die Börse direkt nach dem ich gekauft habe, um 30% wegsackt. Ich sehe da gar keinen Unterschied.

    Der Unterschied besteht in der Art, wie sich das auswirkt.


    In der Entnahmephase:

    du entnimmst jeden Monat 1000€. Jetzt bricht die Börse um 50% ein. Deine Entnahme von 1000€ entspricht jetzt so vielen Anteilen wie der Entnahme von 2000€ vor einem Monat. Passiert dir das ganz am Anfang, verbrauchst du dein Depot deutlich schneller als gedacht. Wenn es dann wieder gut geht, ist nicht mehr so viel übrig, was Rendite erwirtschaften kann.


    In der Ansparphase:

    Du sparst jeden Monat 500€. Jetzt bricht die Börse um 50% ein. Dein Sparplan kauft jetzt doppelt so viele Anteile wie im Monat zuvor. Also eher ein Vorteil für dich. Und umgekehrt, wenn der Kurs steigt, bekommst du immer weniger Anteile. In der Theorie wäre es natürlich dann am besten, ganz früh und nicht zu Höchstpreisen zu kaufen. Das Problem ist aber, du hast mit 20 nicht das Geld, um deine komplette Altersvorsorge zu regeln, das muss man erst über die Jahre verdienen. Und du weißt vorher nie, ob ein bestimmter Kurs gut oder schlecht war. Das weiß man erst Jahre später.

  • Wenn man das Beispiel von 10% Zuwachs pro Jahr nimmt, hat man bei einem Crash von 50% nach 5 Jahren immer noch ein gehöriges Plus durch den Zinseszins. Wenn man wartet bis es einem genehm ist fehlen halt diese Gewinne. Bisher folgte auf jedes Allzeithoch ein Neues, allerdings waren die Zwischenräume höchst unterschiedlich. Übrigens gab es im vergangenen Jahr auch Anfragen im Forum ob man bei den hohen Stand denn all in gehen sollte, die Meinungen waren geteilt, aber mittlerweile hätte man ein Gewinn von rund 25% gemacht. Hätte hätte Fahrradkette, auch 25% minus wären möglich gewesen. Mehr kann man zu deiner Frage nicht sagen, ein wenig Glück gehört halt auch dazu.

  • Das Wort „Renditereihenfolgerisiko“ wurde erfunden, weil es schön schlau klingt. Letztlich bedeutet es aber auch nur: “Wieviel Dein Depot in 20 Jahren wert ist kann Dir kein Mensch vorhersagen“. Die Börse verspricht dir keine durchschnittliche Rendite und auch sonst nichts. Dass ein Crash direkt am Anfang der Entnahmephase eher ungünstig ist, kann man sich auch intuitiv denken.

  • Das Wort „Renditereihenfolgerisiko“ wurde erfunden, weil es schön schlau klingt. Letztlich bedeutet es aber auch nur: “Wieviel Dein Depot in 20 Jahren wert ist kann Dir kein Mensch vorhersagen“.

    Nein, das bedeutet es eben nicht. Sondern es bedeutet, dass 10 Jahre jeweils 5% plus und dann 50% Minus nicht das Gleiche sind, wie im ersten Jahr 50% Minus und dann 10 Jahre 5% plus. Gleiche Renditen, aber im zweiten Fall kannst du deutlich weniger entnehmen.

    Dass ein Crash direkt am Anfang der Entnahmephase eher ungünstig ist, kann man sich auch intuitiv denken.

    Aber kannst du es auch intuitiv quantifizieren? Wir reden immerhin von einer der wichtigsten finanziellen Entscheidungen im Leben. Entnimmst du zu viel aus dem Depot, bist du vorzeitig pleite. Entnimmst du viel zu wenig, fehlt dir das Geld zum Leben

  • Nein, das bedeutet es eben nicht. Sondern es bedeutet, dass 10 Jahre jeweils 5% plus und dann 50% Minus nicht das Gleiche sind, wie im ersten Jahr 50% Minus und dann 10 Jahre 5% plus. Gleiche Renditen, aber im zweiten Fall kannst du deutlich weniger entnehmen.

    Klar, aber welche Schlüsse ziehst Du heute daraus für Deine Investitionsentscheidungen? Wenn es gut läuft, dann läuft es gut. Wenn es schlecht läuft und Du am Ende wenig hast, dann ist es auch Wurscht, ob es jetzt daran lag, dass die Börse die ganze Zeit konstant schlecht gelaufen ist, oder dass sie erst noch gut, aber dann am Ende ganz schlecht, oder gleich am Anfang ganz schlecht und dann zwar besser aber leider nicht besser genug…


    Sämtliche quantifizierte Renditeerwartungen eines Aktieninvest sind sowieso rein geraten. Man investiert und hofft auf das Beste. Bei der Entnahme bei Zeiten mit Bedacht in stabile Anlagen umschichten, vorsichtig planen.

  • Welche Schlüsse ziehst Du heute daraus für Deine Investitionsentscheidungen?

    Der Threadstarter fragt: "Soll ich investieren, wenn die Börse auf Höchststand ist, oder soll ich warten, bis die Kurse zurückgekommen sind?"


    Wenn der Kurs ständig steigt, wartet der Threadstarter bis zum Nimmerleinstag.


    Mit dem Renditereihenfolgenrisiko hat das eigentlich nichts zu tun.

  • Hallo zusammen,

    das dürfte nur ein Beispiel sein für die Rückschau.

    Der Richtige Zeitpunkt ist „jetzt“.

    Das könnte auch interessant sein.

    Finanztip hat einiges dazu gemacht.

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  • Klar, aber welche Schlüsse ziehst Du heute daraus für Deine Investitionsentscheidungen?

    ....


    Sämtliche quantifizierte Renditeerwartungen eines Aktieninvest sind sowieso rein geraten.

    Historische Daten haben durchaus ihre Berechtigung, um die Erwartungen zu kalibrieren. Man sollte nur nicht versuchen, die Grenzen der historischen Daten auszureizen. Nach historischen Daten kann ich davon ausgehen, dass eine sichere Entnahmerate irgendwo im Bereich von 3,5-4% liegen dürfte. Vielleicht wird es zu meiner Rente dann bei 3,2% liegen oder es läuft gut und man könnte mehr entnehmen. Klar ist aber, dass ich für eine Entnahme von 1000€ monatlich heutigem Wert und vor Steuern ein Kapital von 300-350k plus Inflation anstreben sollte. Nehmen wir an, ich habe 30 Jahre und starte bei Null, dann brauche ich bei ca 4,5% realer Rendite (relativ typisch für ein diversifiziertes Depot, vgl. Global Asset Allocation von Meb Faber) 450-500€ Sparrate. Mehr ist sicherer und gibt auch mehr Freiheit und außerdem fallen noch Steuern an, also wären eher so 600€ angesagt. Gibt dir Intuition diese Zahl auch? Eher nicht, denn die hohe Nominalrendite von Aktien würde ein deutlich kleineres Depot = höhere Entnahmerate zum Start nahelegen. Und es ist einfach bei Intuition das Thema Inflation zu vergessen.


    Man kann jetzt ein bisschen mit den Zahlen spielen und sich eher optimistisch oder pessimistisch geben. Und dann hat man einen Plan. Planen kann man aber nur, wenn man weiß, dass die Annahmen in der richtigen Größenordnung sein sollten. Aus historischen Daten können wir auch lernen, wann die Pleitegefahr droht. Wer in der Entnahmephase pleite geht, rutscht schon extrem früh ab. Hier könnte man z.B. mit einer dynamischen Entnahme gegensteuern. Anfangs nur mit 3% entnehmen und wenn sich der Crash nach 5 Jahren nicht eingestellt hat, die Entnahme steigern

  • Der Threadstarter fragt: "Soll ich investieren, wenn die Börse auf Höchststand ist, oder soll ich warten, bis die Kurse zurückgekommen sind?"


    Wenn der Kurs ständig steigt, wartet der Threadstarter bis zum Nimmerleinstag.


    Mit dem Renditereihenfolgenrisiko hat das eigentlich nichts zu tun.

    Das meine ich ja, nicht von solchen wissenschaftlich und wichtig klingenden Begriffen nervös machen lassen, sondern einfach investieren und das beste hoffen.