Verständnisfrage - ETF und Demografie

  • Hallo Zusammen,

    Ich glaub ich habe nen Knoten im Kopf und hoffe, dass das Forum mir hilft.

    Gedanken:

    Es legen immer mehr Leute zwecks Altersvorsorge in ETFs an. Dieser wachsense Personenkreis hat eine sehr ähnlichr Altersstruktur. Sprich es werden alle "zeitgleich" alt/in Rente gehen. Also wollen alle nicht mehr sparen sondern entsparen um die Versorgungslücke zu schließen.

    Wenn nun aber alle gleichzeitig entsparen wollen, werden dann nicht automatisch die ETFs ins rutschen kommen? Der Index mag ja steigen, aber die Fondanteile will keiner mehr.

    Wäre es, wenn diese Überlegung stimmt, dann aus egoistischen Gründen nicht besser, wenn andere nicht so sehr auf ETFs gebracht werden?

    Oder ist meine Überlegung irgendwo falsch abgebogen, dann erhellt mich bitte.

    Schönen Sommer allen.

  • Du überschätzt die Anzahl derer, die an der Börse anlegen, maßlos ;) Wir einfachen Privatanleger sind immer noch in der Minderheit.

    Naja, wer steht denn hinter allen großen Anlegern (Versicherungen, Fonds, etc.)? Letztlich doch wieder natürliche Personen. Es gibt schon Studien, die von Asset-Preis Einbrüchen durch die (westliche) Demographie ausgehen. Das betrifft dann aber alle Anlagegüter, also auch Immobilien etc. und fraglich wäre, inwieweit die „jüngeren“ Länder das dann kompensieren und welche Auswirkungen solche temporären Einbrüche hätten…

  • Die Demografie könnte natürlich schon langfristig einen Einfluss haben auf die zugrundeliegenden Aktienkurse. Dabei würde ich vor allem die USA im Blick behalten, da dort viele Menschen mit vergleichsweise hohen Einkommen ihre Altersvorsorge über die Börsen abdecken, und dazu noch größtenteils in einheimische Unternehmen investieren.

    Am Ende des Tages ist es jedoch wahrscheinlich so, dass diejenigen, die besonders viel investiert hatten, das allermeiste davon vererben und nicht verkaufen. Das senkt vermutlich die Auswirkungen wieder.

    Größere Gedanken würde ich derzeit daran nicht verschwenden, zumal die US-Demografie vergleichsweise gut dasteht.

  • Es legen immer mehr Leute zwecks Altersvorsorge in ETFs an. Dieser wachsende Personenkreis hat eine sehr ähnliche Altersstruktur.

    Gibt es einen Beleg für diese Deine Behauptung?

    Sprich: Es werden alle [zeitgleich in die] Rente gehen.

    ... wenn a) Deine Behauptung stimmt und b) der Prozentsatz der Leute, die ETFs kaufen, hoch ist.

    Beides ist meiner Kenntnis nach nicht der Fall.

    Wenn nun aber alle gleichzeitig entsparen wollen, werden dann nicht automatisch die ETFs ins Rutschen kommen?

    Nein.

    Seit vielen Jahren wird vom "Asset Meltdown" schwadroniert, allerdings nicht bezüglich ETFs, sondern bezüglich Aktien allgemein. Es wird behauptet, die amerikanischen Babyboomer (die früher dran sind als die deutschen), würden schlagartig ihre (amerikanischen) Aktien verkaufen, um den Komfort ihres Ruhestands zu finanzieren. Bisher ist davon eigentlich noch nichts zu erkennen.

  • Damit das so eintritt, müssten sich aber seeehr viele Leute absprechen.

    In Deutschland ist der Jahrgang 1964 der zahlenmäßig größte Jahrgang. Die gehen aber nicht alle zusammen (z. B. im Juli 2031) in Rente und verkaufen auf einen Schlag sämtliche ETF-Anteile. Das wird sich alles verteilen.

  • Dass die Demographie nur die gesetzliche Rente betrifft und Aktiensparer fein raus sind, ist ein Trugschluss.

    Als Aktionär wird man auch nur an der Wertschöpfung der Unternehmen beteiligt. Und diese wird durch den arbeitenden Teil der Bevölkerung entscheidend geprägt.

    Ein Teil der Wertschöpfung der jüngeren Generation geht also über die Gewinne der Unternehmen an die Aktionäre im Ruhestand.

    Gibt es aber immer weniger arbeitende Menschen, gibt es auch weniger Wertschöpfung, die man verteilen kann.

    Das Ergebnis dürften fallende Kurse bei gleichzeitig hoher Inflation sein (da zu wenig Wertschöpfung für zu viele untätige Menschen).

    Mit Sicherheit besser als die reine Umlagefinanzierung der gesetzlichen Rente, da durch die Investitionen hoffentlich Produktivitätsgewinne entstehen.

    Aber letztlich haben die gesetzliche Umlagenrente und Aktienrentner mehr gemeinsam als man denkt. In beiden Fällen muss der jüngeren/arbeitende Teil der Bevölkerung die Menschen im Ruhestand versorgen.

  • Vielen Dank für die Antworten.

    Achim Weiss

    Unter anderem habe ich folgende Aussage/Statistiken zu meiner Überlegung angeregt:

    ETFs - Statistiken, Zahlen und Fakten
    ETFs erfreuen sich unter Privatanlegern steigender Beliebtheit. Unser Blick auf aktuelle Statistiken und Zahlen zeigt, wie beliebt ETFs sind.
    www.brokervergleich.de
    Generationenstudie der Consorsbank: Wie Alter und Anlageverhalten zusammenhängen - BNP Paribas Germany
    Die Gesamtheit der Wertpapieranleger hat sich zuletzt verjüngt. Die höchste Rendite fuhren ältere Anleger ein.
    www.bnpparibas.de

    12345 Vielen Dank für den Link, ich glaube ich habe es jetzr besser verstanden.

    Danke auch für den Hinweis auf die Boomer-Generation der US-Amerikaner. Man vergisst manchmal doch, dass nicht alle so ein deutsches Rentensystem haben. Wenn ETFs diese Menge an Leuten verkraftet, was Zugriffe/Verkäufe von Anteilen betrifft, waren meine Gedanken wirklich unberechtigt/übertrieben.

    Das Thema kann dann gerne als Beendet markiert werden

  • Gibt es aber immer weniger arbeitende Menschen, gibt es auch weniger Wertschöpfung, die man verteilen kann.

    Du übersiehst einen entscheidenden (Produktions-)Faktor. Wertschöpfung muss nicht durch Arbeit erfolgen, sie kann auch durch Kapital, also Maschinen oder Software erfolgen. Eine ungünstige Demographie bevorteilt die Automatisierung und Technisierung, da die gleiche Arbeit dann von weniger Leuten erledigt werden kann. Im Gegensatz zur GRV, die auf Arbeit basiert und bei weniger Arbeitern ein Einnahmenproblem bekommt, hat der Kapitalmarkt (wie das Wort schon sagt) den Fokus auf Kapital und ist deutlich robuster gegenüber der Demographie. Dazu hat man den Vorteil, dass das Kapital nicht unbedingt im Inland erwirtschaftet werden muss

  • Als Aktionär wird man auch nur an der Wertschöpfung der Unternehmen beteiligt. Und diese wird durch den arbeitenden Teil der Bevölkerung entscheidend geprägt.

    [...]

    Gibt es aber immer weniger arbeitende Menschen, gibt es auch weniger Wertschöpfung, die man verteilen kann.

    Das Ergebnis dürften fallende Kurse bei gleichzeitig hoher Inflation sein (da zu wenig Wertschöpfung für zu viele untätige Menschen).

    Du vergisst hier zwei entscheidende Punkte.

    Zum einen wird, wie schon von LebenimSueden geschrieben, der Faktor "Mensch" in vielen Westeuropäischen Unternehmen durch den Faktor "Maschine" ersetzt. Diese Automatisierung erfolgt automatisch (haha, was ein Wortspiel) auf Grund des Fachkräftemangels und den immer weiter steigenden Personalkosten. Die Unternehmen sind also gezwungen, sich anderen Produktionsmöglichkeiten zu öffnen, wenn diese weiter in Europa produzieren wollen. Und selbst im Dienstleistungsbereich gibt es immer mehr Möglichkeiten, auf den Faktor "Mensch" zu verzichten (z.B. Chatbots für den Kundenservice).

    Der andere Punkt ist, dass die Weltbevölkerung eben nicht geringer, sondern größer wird. Sprich das Potential an Mitarbeitern steigt weltweit sogar. Dies führt dann zu entsprechenden Verlagerungen von Produktionen in Länder mit besserem Angebot an "Humankapital". Die Wertschöpfung wird also in Zukunft eher eher in Ländern wie China und Indien erfolgen, auch der afrikanische Kontinent wird meiner Meinung nach mit der Zeit immer interessanter.

    Zumal wo machen die großen Unternehmen der Welt denn aktuell die größten Gewinne (über die komplette Wertschöpfungskette gesehen)? Der Verkauf erfolgt weltweit, die Produktion erfolgt oftmals in Asien.

  • Du übersiehst einen entscheidenden (Produktions-)Faktor. Wertschöpfung muss nicht durch Arbeit erfolgen, sie kann auch durch Kapital, also Maschinen oder Software erfolgen. Eine ungünstige Demographie bevorteilt die Automatisierung und Technisierung, da die gleiche Arbeit dann von weniger Leuten erledigt werden kann. Im Gegensatz zur GRV, die auf Arbeit basiert und bei weniger Arbeitern ein Einnahmenproblem bekommt, hat der Kapitalmarkt (wie das Wort schon sagt) den Fokus auf Kapital und ist deutlich robuster gegenüber der Demographie. Dazu hat man den Vorteil, dass das Kapital nicht unbedingt im Inland erwirtschaftet werden muss.

    Umlagefinanzierte Systeme profitieren ebenso von Automatisierung. Denn die bedeutet ja letztlich nur, dass ein Arbeiter mehr Wert schöpfen kann. Dieser Mehrwert kann nun entweder durch Unternehmensgewinne oder aber durch höhere Löhne ausgeschüttet werden. Höhere Löhne würden das Umlagesystem stützen.

    Die Aktionäre im Ruhestand haben im Grunde 2 Quellen, um von ihren Aktien die Waren und Dienstleistungen zu kaufen:

    Die arbeitende Bevölkerung gibt ihnen einen Teil der Wertschöpfung ab, indem sie weniger Lohn erhalten, als sie durch ihre Arbeit erwirtschaften (= Unternehmen macht Gewinn) oder sie kaufen Aktien von ihrem Lohn von den Ruheständlern ab.

    Beides hängt aber massiv davon ab, wie viele Leute noch arbeiten und Gewinne erwirtschaften oder Aktien kaufen können.

    Dies ist 1zu1 das Abbild der geringeren Wertschöpfung die auch auf die Aktionäre durchschlägt.

    Und rate mal, wer am längeren Hebel sitzt, wenn Arbeitskräfte knapp werden?

    Die knappen Arbeitskräfte, die möglichst hohen Lohn bekommen wollen, oder die Aktionäre, die Gewinn wollen?

    Die wenigen Leute, die noch Werte erschaffen oder die vielen Leute, die diese Werte von ihren Aktien kaufen wollen?

    Ich bin kein Fan von Umlagesystemen, da Aktieninvestitionen im Gegensatz dazu Werte erschaffen, die die Produktivität steigern können und das Umlagesystem von der Politik für Wahlgeschenke genutzt wird.

    Trotzdem vertrauen beide Systeme darauf, dass die arbeitende Bevölkerung der ruhenden Bevölkerung einen Teil der Wertschöpfung abgibt.

    Auch der Verzicht auf die Vorteile von Produktivitätsgewinnen zählt dazu - Produktivitätsgewinne sind Haupttreiber des Wohlstands, der Verzicht darauf, da man ja nun eine große Anzahl an Ruheständlern versorgen muss, ist ein absoluter Verlust.

    Mit dem letzten Punkt hast du vollkommen Recht und das ist ein großer Vorteil für ein Land mit schlechter Demographie.

  • Du übersiehst einen entscheidenden (Produktions-)Faktor. Wertschöpfung muss nicht durch Arbeit erfolgen, sie kann auch durch Kapital, also Maschinen oder Software erfolgen. Eine ungünstige Demographie bevorteilt die Automatisierung und Technisierung, da die gleiche Arbeit dann von weniger Leuten erledigt werden kann. Im Gegensatz zur GRV, die auf Arbeit basiert und bei weniger Arbeitern ein Einnahmenproblem bekommt, hat der Kapitalmarkt (wie das Wort schon sagt) den Fokus auf Kapital und ist deutlich robuster gegenüber der Demographie. Dazu hat man den Vorteil, dass das Kapital nicht unbedingt im Inland erwirtschaftet werden muss

    Hm, sind steigende Zuschüsse aus Steuermitteln also ein Instrument zur Entkopplung der Rentenversicherung vom Arbeitsmarkt? Quasi ein Nachhaltigkeitsbooster?

    So habe ich das bisher nicht bewusst wahrgenommen.

  • Dass die Demographie nur die gesetzliche Rente betrifft und Aktiensparer fein raus sind, ist ein Trugschluss.

    Kein Trugschluß allerdings ist, daß die gesetzliche Rente nur von den Beiträgen und Steuern der Deutschen gespeist wird, selbst die deutschen Unternehmen aber ihre Erträge zum guten Teil weltweit erwirtschaften, ganz zu schweigen von ausländischen Unternehmen, die etwa in gängigen ETFs die überwiegende Mehrheit stellen.

    Als Aktionär wird man auch nur an der Wertschöpfung der Unternehmen beteiligt. Und diese wird durch den arbeitenden Teil der Bevölkerung entscheidend geprägt.

    Stimmt, und zwar der weltweiten arbeitenden Bevölkerung.

    Gibt es aber immer weniger arbeitende Menschen, gibt es auch weniger Wertschöpfung, die man verteilen kann.

    Sinkt denn die Zahl der werktätigen Menschen weltweit? Wenn sie nicht sinkt, wenn im Gegenteil sogar deren Produktivität steigt, geht Dein Argument ins Leere.

    Aber letztlich haben die gesetzliche Umlagenrente und Aktienrentner mehr gemeinsam als man denkt. In beiden Fällen muss der jüngeren/arbeitende Teil der Bevölkerung die Menschen im Ruhestand versorgen.

    Als Aktionär kann ich der deutschen Lethargie und Schwarzseherei relativ einfach entkommen, als Umlagenrentner geht das (finanziell gesehen) deutlich schlechter. Das ist schon ein nennenswerter Unterschied.

  • Achim Weiss

    Unter anderem habe ich folgende Aussage/Statistiken zu meiner Überlegung angeregt:

    Die Besitzer von Aktien, ETFs und Fonds sind in Deutschland immer noch klar in der Minderheit. Das Gros der erwachsenen Bevölkerung macht um Wertpapiere einen Bogen ...

    Ich dachte mir schon, daß Du keine vernünftige Quelle für Deine "Überlegungen" hast.

  • Japp, die gesetzliche Rente ist ein gigantisches Klumpenrisiko und zudem politischen Wahltaktiken ausgeliefert.

    Ich sage ja nichts gegen Altersvorsorge mit Aktien. An dem Punkt des Threaderstellers ist trotzdem was dran.

    Wenn das Verhältnis zwischen aktiv Erwerbstätigkeiten und entsparenden Ruheständlern kippt, dann kippt auch die Altersvorsorge mit Aktien.

    Aber ja, man ist hierbei nicht nur auf das eigene Land angewiesen - das ist ein großer Vorteil.

    Das ändert sich vielleicht in einer schon ewig vorhergesagten aber nie eingetretenen Zukunft, in der Arbeit nicht mehr benötigt wird.

  • Warum geht man davon aus, dass irgendwann alle Ihre Aktien (ETF) verkaufen? :/

    Es gibt nicht wenige Aktionäre, die rein von den Dividenden leben. Die haben schon mal gar nicht vor Ihre Aktien zu verkaufen.

    Und wenn in den nächsten 50 Jahren Alles halbwegs so wie in der Vergangenheit läuft gehe ich in einigen Jahren mit ca. 400K€ Depotwert in Rente und trete dann hoffentlich irgendwann mit etwa dem gleichen Depotwert von der Erde ab.

    Ich habe nicht vor am Tag meines Rentenbeginns alle meine ETF auf schlag zu verkaufen und mein Geld unter die Matratze zu legen. Wenn mein Geld in den ETF zuvor 15-20 Jahre lang für mich 'gearbeitet' hat, darf es dass auch gerne bis zu meinem Tod weiter tun. ;)

    Japp, die gesetzliche Rente ist ein gigantisches Klumpenrisiko und zudem politischen Wahltaktiken ausgeliefert.

    Ich finde, dass die eigene Vergänglichkeit ein noch viel größeres 'Klumpenrisiko' ist. Immerhin befreit der eigene Tod einen von alle finanziellen Sorgen. ;)

  • da Aktieninvestitionen im Gegensatz dazu Werte erschaffen, die die Produktivität steigern können

    Diese Aussage von dir macht mal absolut keinen Sinn. Das Unternehmen xyz hat nämlich rein gar nichts davon, dass Herr Müller 5 Aktien dieses Unternehmens kauft, die Frau Meier gerade verkaufen will. Sprich es kann dem Unternehmen erstmal herzlich egal sein, ob die Aktien an der Börse gehandelt werden oder nicht. Am Ende ist es lediglich eine kleine Veränderung in der Eigentümerstruktur des Unternehmens. Davon hat das Unternehmen nicht einen Cent mehr in der Kasse und kann folglich auch nichts in Produktivitätssteigerungen investieren.

    Welche Werte werden deiner Meinung nach denn mit einer Aktieninvestitionen geschaffen?

    Schließlich ist selbst ein Börsengang nichts anderes als eine Möglichkeit, sich zusätzliches Geld zu beschaffen. Der eine nimmt dafür einen neuen Eigentümer in die GmbH auf, der andere schmeißt einen Teil seiner Anteile auf den Markt, der sich Börse nennt. Klar, durch das frische Geld kann jetzt investiert werden, aber der Effekt ist halt einmalig (bis man den nächsten neuen Eigentümer dazu holt).

  • Seit wann sind ETFs denn tatsächlich ein Thema? Können wir überhaupt unterstellen, dass es die geburtenstarke Jahrgänge sind, die einen Haufen ETF-Anteile halten?

    Ich würde ja eher vermuten, dass der durchschnittliche ETF-Anteilseigner eher so in Saidis Alter ist. (Reine Vermutung an der Stelle.)