Einzelaktien vs. Aktienfonds

  • In meiner Studienzeit der Wirtschaftswisenschaften in den 90ern, habe ich gelernt, daß Aktien von großen AGs, natürlich börsennotierten AGs, nichts anderes sind als Fonds. Sie halten Beteiligungen an zig Unternehmen, rund um den Globus. Und heute trifft dies wahrscheinlich noch mehr zu, als damals, denn diese AGs sind zu reinen Beteiligungs-Holdings mutiert. Ein Prof sagte damals immer, VW sei eine Beteiligungsgesellschaft mit angeschlossener Automobilproduktion. Gerade VW hält Beteiligungen an Start-Ups bis hin zu Kooperationen mit chinesischen Herstellern. Somit ist diese Aktie bereits eine Art Aktienfonds. Natürlich ist mir bewußt, daß dies nicht auf jede AG zutrifft (Alter Grundsatz: Ausnahmen bestätigen die Regel). Ohne genau die Beteiligungen im Einzelnen zu studieren, glaube ich, daß der Fall bei Vonovia anders liegt.

    So gesehen, argumentierte der Prof weiter, wenn ihr einen Fonds kauft, zahlt ihr auf jeden Fall ein weiteres Management, obwohl ihr schon für die Finanz-Holding eines bezahlt habt, und für die einzelne Tochtergesellschaft schon ein weiteres. Also schaut euch einfach die größten Aktienpositionen, der in Frage kommenden Fonds, weltweit, europäisch etc., an - diese sind fast immer die gleichen AGs, und kauft euch diese ca. 10 Aktien selbst.

    Ich verfahre immer noch nach diesem Grundsatz - klingt für mich auch sehr einleuchtend. Ich stelle diese These mal zur Diskussion. Was sagt ihr dazu?

    Ich freue mich auf Eure Anregungen.

  • Gerade VW hält Beteiligungen an Start-Ups bis hin zu Kooperationen mit chinesischen Herstellern. Somit ist diese Aktie bereits eine Art Aktienfonds.

    Das Problem ist die Breite. Die Konzentration auf eine oder wenige Branchen macht aus diesen AGs ein konzentriertes und riskantes Investment. Du kannst ja mal VW mit dem MSCI World vergleichen und erkennst sofort was ich meine.

    Und selbst wenn die AGs sehr breit und global aufgestellt sind, wie zum Beispiel japanische Handelshäuser (Mitsui, Marubeni, usw.) können sie sich dem Einfluss ihres Rechtsraums nicht entziehen. Trotz breiter Aufstellung haben japanische Handelshäuser ab 1989 sehr schlecht performed.

    Einzelaktien, auch Holdings und auch mehrere, sind eine schlechte Alternative zu Welt-ETFs. Die kosten nämlich fast nichts und bilden wirklich die Weltwirtschaft ab.

    Unterschätze niemals die Heftigkeit der Verwerfungen auf den globalen Aktienmärkten. Unternehmen, ganze Branchen, sogar Länder und Regionen können völlig zusammenbrechen und über Jahrzehnte am Boden liegen bleiben. Nur wer alles kauft kann diesem Risiko entgegenwirken.

    Mich wundert, dass dein Prof sowas gesagt hat.:/ Das hat auch in den 90ern nicht gestimmt. Hatte er keine Daten zu japanischen Aktien?

  • Das könnte für dich ganz interessant sein.

    Nur 4% der Aktien sind langfristig echte Überflieger. Sie zu erwischen, ist unwahrscheinlich - Tim Schäfer Media
    Ein Index macht dich mit der Zeit reich. Sehr reich sogar, wenn du eifrig sparst. Wer sein Depot…
    timschaefermedia.com
    Zitat
    • Von 1926 bis 2016 haben nur 42,6% der Aktien mit einer Buy-and-Hold-Strategie (einschließlich reinvestierter Dividenden) einmonatiger Schatzanweisungen übertroffen.
    • Mehr als die Hälfte der Aktien lieferte negative Lifetime-Renditen.
    • Das am häufigsten beobachtete Ergebnis einzelner Aktien während ihrer gesamten Laufzeit ist ein Verlust von 100 Prozent.
    • Auf die 1.092 leistungsstärksten Unternehmen, etwas mehr als 4 Prozent der Gesamtzahl, entfällt die gesamte Nettovermögensbildung (Rendite über 1-Monats-Schatzanweisungen).
  • Das Problem ist die Breite. Die Konzentration auf eine oder wenige Branchen macht aus diesen AGs ein konzentriertes und riskantes Investment. Du kannst ja mal VW mit dem MSCI World vergleichen und erkennst sofort was ich meine.

    so seh ich das auch...selbst eine Berkshire, die nun wahrlich "breit" bzgl. Branchen ist ist halt immer noch auf die USA konzentriert, auch wenn Buffet von diesem Grundsatz inzwischen abgewichen ist...und dann hängt (hing) der Kurs auch noch an einem fast 100 jährigen...selbst dieses superbreite Firmenkonglomerat wäre mir aus den Gründen zu wenig diversifiziert...

    Wenn schon Einzeltitel, dann weil man bewusst eine Wette eingehen will, aber nicht für den rationalen Vermögensaufbau oder Erhalt...so sehe ich das.

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    So gesehen, argumentierte der Prof weiter, wenn ihr einen Fonds kauft, zahlt ihr auf jeden Fall ein weiteres Management, obwohl ihr schon für die Finanz-Holding eines bezahlt habt, und für die einzelne Tochtergesellschaft schon ein weiteres. Also schaut euch einfach die größten Aktienpositionen, der in Frage kommenden Fonds, weltweit, europäisch etc., an - diese sind fast immer die gleichen AGs, und kauft euch diese ca. 10 Aktien selbst.

    Ich verfahre immer noch nach diesem Grundsatz - klingt für mich auch sehr einleuchtend. Ich stelle diese These mal zur Diskussion. Was sagt ihr dazu?

    Ich freue mich auf Eure Anregungen.

    Tja, Thesen aufstellen kann man viele. Ich wüsste nicht, warum ein vernunftbegabter Anleger eine Wette auf 10 ausgewählte Aktien eingehen sollte, wenn er problemlos am gesamten Aktienmarkt teilhaben kann? Das ergibt eigentlich nur dann einen Sinn, wenn dieser Anleger mehr oder bessere Informationen hat als der Rest der Welt.

    Dass man für das Fondsmanagment zahlt, war vielleicht in den 90er Jahren so. Der Witz bei ETF ist aber gerade, dass es kein Fondsmanagment gibt. Kosten entstehen natürlich trotzdem auf Ebene des ETF-Anbieters. Allerdings stehenden dem auch Einnahmen gegenüber (z.B. Wertpapierverleih), so dass ein gängiger World-ETF unter dem Strich oft tatsächlich nichts kostet. Daher kann heute jedermann ganz einfach an der durchschnittlichen Entwicklung der weltweiten Aktienmärkte partizipieren. Und das hat in den letzten 100 Jahren eine reale Rendite von ca. 5,5% p.a. gebracht. Mit der Auswahl von Einzelaktien kann dies nur mit glücklichen Fügungen erreicht und übertroffen werden, weil die große Mehrzahl der Aktien eine geringere Rendite erwirtschaftet, während der weltweite Aktienmarkt von einigen, relativ wenigen Überfliegern getragen wird. Diese zu erwischen ist nur durch echtes Mehrwissen oder durch Glück möglich.

    Im übrigen verstehe ich nicht, was der Umstand, dass ein börsennotiertes Unternehmen ähnlich wie ein Fonds aufgebaut ist, mit der zukünftig zu erwartenden Rendite zu tun hat? Die kann trotzdem grottenschlecht sein. Umgekehrt kann ein kleines Startup sich zum nächsten Apple entwickeln. Man weiß es einfach nicht vorher.

  • Umgekehrt kann ein kleines Startup sich zum nächsten Apple entwickeln.

    So was lese ich oft, die Hoffnung auf ein neues Apple oder NVIDIA… warum nicht direkt da weiter investieren?

    Das sind die reichsten, größten Firmen der Welt. Da sind unglaublich kluge Köpfe die hochbezahlt sind und bisher super Gewinne erwirtschaften konnten. So schnell und hart werden die den Laden nicht gegen die Wand fahren. Klar da werden nicht mehr exorbitante Kurssprünge statt finden wie bei kleinen Startuos aber den Markt schlagen werden sie wohl mit recht hoher Wahrscheinlichkeit.

    Aber klar ist es ein Risiko, ich nutze es jetzt noch zum Vermögensaufbau aber werde nachher in Welt-ETF und Information Technology ETF umschichten, da profitiere ich dann etwas weniger stark bin aber sicherer und der ETF passt den Inhalt (investierte Firmen) im Laufe der Zeit an.

    Mit dem ETF laufe ich dann langfristig sicherer wie mit Einzelaktien und steuerlich auch besser da nur 18,5% statt 26,5% Steuer. Dafür leider halt mit Vorabsteuerpauschale.

  • So was lese ich oft, die Hoffnung auf ein neues Apple oder NVIDIA… warum nicht direkt da weiter investieren?...

    Tja... "Warum nicht?..." ist immer eine schwierige Frage. Die Frage müsste lauten: "Warum ausgerechnet dort?"

    Das sind die reichsten, größten Firmen der Welt. Da sind unglaublich kluge Köpfe die hochbezahlt sind und bisher super Gewinne erwirtschaften konnten.

    Unglaublich kluge Köpfe sind dort, ja? Hast Du mit denen einen Intelligenztest gemacht und die Ergebnisse mit den Mitarbeitern von Siemens verglichen? Sind die dümmer? Oder wie kommst Du darauf?

    Und was soll der Hinweis darauf, dass die hochbezahlt sind? Ist das gut für Aktionäre?

    Was sagen die Super Gewinne in einem bestimmten Zeitraum der Vergangenheit über die Zukunft aus? Nichts! Diese Gewinne werden erst seit relativ kurzer Zeit erzielt. Das war nicht immer so. Apple stand kurz vor der Pleite. Zu dem Zeitpunkt hätte man halt investieren müssen und nicht jetzt. Aber damals war von klugen Köpfen nicht die Rede.

    ... So schnell und hart werden die den Laden nicht gegen die Wand fahren.

    Das ist in der Vergangenheit aber immer wieder passiert und wird irgendwann auch hier passieren. Siehe Nokia, siehe Kodak usw. Eine neue Entwicklung wird verpasst. Und das war es dann.

    ...Klar da werden nicht mehr exorbitante Kurssprünge statt finden wie bei kleinen Startuos aber den Markt schlagen werden sie wohl mit recht hoher Wahrscheinlichkeit.

    Wie kommst Du zu solch einer Behauptung? Die tatsächlichen Gewinne, die man in der Bilanz sehen und nachlesen kann, sind für die Aktienrendite ohne Bedeutung. Für das, was in der Vergangenheit war, gibt es keine Aktienrendite. Die gibt es für die Erwartungen in der Zukunft. Und Du weißt nicht, wie diese sich entwickelt.

    Aber klar ist es ein Risiko...

    Herzlichen Glückwunsch für diese Erkenntnis. Jetzt muss noch die Erkenntnis hinzukommen, dass es ein absolut überflüssiges Risiko ist.

    Mit dem ETF laufe ich dann langfristig sicherer wie mit Einzelaktien und steuerlich auch besser da nur 18,5% statt 26,5% Steuer. Dafür leider halt mit Vorabsteuerpauschale.

    Nein! Die Teilfreistellung gibt es nicht, weil das nette Finanzamt den ETF-Anlegern etwas Gutes tun will, sondern das soll die Besteuerung, die bereits auf Fondsebene stattfindet, ausgleichen.

    Inhaber von Fondsanteilen werden unter dem Strich nicht anders behandelt als Einzelaktionäre.

  • In meiner Studienzeit der Wirtschaftswisenschaften in den 90ern, habe ich gelernt, daß Aktien von großen AGs, natürlich börsennotierten AGs, nichts anderes sind als Fonds. Sie halten Beteiligungen an zig Unternehmen, rund um den Globus.

    Dennoch hast du, wenn du einen ETF kaufst, mehr Diversifizierung, weil du eben nicht nur einen solchen Konzern hast, sondern hunderte oder tausende.

  • Das sind die reichsten, größten Firmen der Welt. Da sind unglaublich kluge Köpfe die hochbezahlt sind und bisher super Gewinne erwirtschaften konnten. So schnell und hart werden die den Laden nicht gegen die Wand fahren.

    Ja, das haben sich Vorstände, Mitarbeiter und Aktionäre von Nokia und Kodak auch gedacht. Was machen diese Unternehmen heute nochmal?

    Und wenn ein paar Autohersteller sich nicht sehr schnell Gedanken machen, kommen sie hinter Kodak auf die Liste.

    Ich halte es für sehr viel wahrscheinlicher, dass ein neues Nvidia ein Startup ist, was schnell wächst, als dass das ein Großkonzern ist, der aus seiner über Jahrzehnte gepflegten Lethargie und internen überbordenden Selbstverwaltung sprunghaft nach oben schießt.

  • So gesehen, argumentierte der Prof weiter, wenn ihr einen Fonds kauft, zahlt ihr auf jeden Fall ein weiteres Management, obwohl ihr schon für die Finanz-Holding eines bezahlt habt, und für die einzelne Tochtergesellschaft schon ein weiteres.

    Das mag für teure aktive Fonds gelten, die dann selbst nur in eine handvoll Werte investieren. Aber bei der Anlage nach MCAP kostet dich der Fonds fast nichts, bringt dir aber sehr viel mehr Diversifizierung als die Tochtergesellschaften, die sich das VW-Management zusammengekauft hat

  • ..., die sich das VW-Management zusammengekauft hat

    Mir fällt da doch sofort Cariad ein. Das ist doch auch eine dieser höchst erfolgreichen Töchter im 'VW-Fonds'. :evil:
    Cariad – Wikipedia

    Vermutlich sind 50% der Bevölkerung klüger als ich. Für mich kein Grund, denen meinen Geld zu geben. Wenn sie tatsächlich klüger sind, werden sie es ohnehin erhalten.

    Ist das nicht wie bei den Autofahrern? Dort sehen sich in Umfragen auch die Mehrzahl der Befragten als 'überdurchschnittlich' gute Autofahrer. ;)