MSCI World, Finanztip vs. sonstige Meinungen/Empfehlungen

  • Hallo, ich habe mal eine Verständnisfrage.

    Finanztip scheint die einzige Organisation zu sein, die klar empfiehlt alleinig in den Industrieländer-ETF MSCI World zu investieren. Begründung: Die Big Player seien eh weltweit investiert. Also: Coca Cola z.B. verkauft und produziert nicht nur in der USA.

    Alle anderen, die ich so verfolge: Gerd Komma, Andreas Beck, Hartmut Walz, Finanzfluss etc. sagen: So breit wie möglich streuen: Schwellenländer, am besten noch Smallcabs mitnehmen. Der MSCI World allein bilde halt nicht die ganze Welt ab.

    Nun leuchtet mir irgendwie beide Argumente ein. Der erste Ansatz ist vielleicht etwas einfach und pragmatisch, der zweite möglichst breit zu streuen auch, ist vielleicht etwas wissenschaftlicher.

    Finanztip sagt letztlich in ihrer ETF-Suche, es sei Geschmackssache, ob klassischer Welt-ETF oder möglichst breit gestreut.

    Wie kann es sein, dass Finanztip da so sehr von ihrem Umfeld abweicht, mir kommt Finanztip sonst eher konservativ bis vorsichtig vor?

    Ich weiß, das Thema ist schon oft diskutiert und auch irgendwie eine Glaubensfrage.

    Ich frage mich nur, warum Finanztip ausgerechnet hier doch abweicht.

    Gruß

    Fuchs

  • Meine Theorie dazu (ggf. als hot-take aufgefasst):

    Finanztip hat vor dem Stiftungshintergrund die Freiheit, einen sehr einfachen Ansatz verfolgen und beibehalten zu können.

    Im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie ist der durchschnittliche Anbieter von Finanzcontent vielleicht eher dazu veranlasst, hier und da noch einen Schnörkel und ein Schleifchen unterzubringen, allein um einen Mehrwert zu suggerieren.

    Was jetzt wissenschaftlicher ist, darüber lässt sich streiten. Die Theorie ist ja, dass es den allerwenigsten gelingt, den Markt langfristig zu schlagen, und dass es vielversprechender ist, den Markt in Depot abzubilden. Welche Abbildung besser ist und 1% mehr Genauigkeit zusätzlichen Aufwand rechtfertigt, darüber könnte man ganze Podcasts mit Inhalt füllen.

  • Finanztip hat vor dem Stiftungshintergrund die Freiheit, einen sehr einfachen Ansatz verfolgen und beibehalten zu können.

    Genau.

    Finanztip behandelt sehr viele Themen des täglichen Lebens.

    Und statt sein momentan nicht benötigtes Geld auf Sparbuch, Girokonto, etc. verstauben zu lassen wird die Einfachheit des Investierens in einen Industrieländer-ETF MSCI World gelehrt.

    Wenn man dann mal angefangen ist und einen 5-6stelligen Betrag in seinem Depot hat, dann ist man ´ne Zeitlang dabei und will dann evtl. optimieren. Dann lohnt sich auch das Optimieren.

    Es geht hier bei Finanztip um das Anfangen.
    Wenn es zu kompliziert wird steigen viele aus und trauen sich nicht mehr.
    Darum einfach und endlich starten, damit man auch mal Rendite sieht.8)

    Ob nun MSCI FTSE ACWI IMI EM SC Momentum oder sonstiges ist zu Anfang einfach egal.

  • Finanztip hat vor dem Stiftungshintergrund die Freiheit, einen sehr einfachen Ansatz verfolgen und beibehalten zu können.

    Gut, die Unabhängigkeit ist ein Punkt. Wenn ich mir Komma und Beck ansehe, spricht der eine gern über Faktorinvesting, der andere über Anleichen. Komischerweise haben beider ETFs in die Richtung aufgelegt. Walz sollte allerdings auch unabhängig sein du "würzt" sein Depot nach, macht also ein paar Schleifchen ran.

    Es geht hier bei Finanztip um das Anfangen.
    Wenn es zu kompliziert wird steigen viele aus und trauen sich nicht mehr.
    Darum einfach und endlich starten, damit man auch mal Rendite sieht. 8)

    Zwei Stufen einzuführen, z.B. ab 100k bitte breiter diversifizieren, wäre vielleicht auch schon zu kompliziert und würde abschrecken? Meine nämlich, sie meinten auch mal: Auch mit höheren Beträgen reiche der klassische MSCI World. Das Klumpenrisiko ist bei Finanztip auch kein Thema.

  • Warum FT am MSCI World als Standardempfehlung festhält, keine Ahnung. Vielleicht aus der Vergangenheit, wo es eben noch keine bzw. keine hohe Auswahl an All-World Produkten gab. MSCI World ETFs gab es schon vor 10 Jahren zu Hauf. Und überall sonst wird der MSCI World Index ja wie die Sau durchs Dorf getrieben und jeder spricht davon.

    Diversification is the only free lunch. Als Investor möchte ich eine möglichst breite Streuung und das gibt es kostengünstig mit einem All-World Produkt. Sei es via MSCI ACWI (IMI) oder FTSE All World. Am Papier müsste ein MSCI ACWI IMI (Industrie+Schwellenländer, Large+Mid+Smallcaps) die Standardempfehlung sein.

    Nur MSCI World? Ich verzichte bewusst auf Schwellenländer. Ist mMn eine aktive Entscheidung aber hat sich in den letzten Jahren auch ausgezahlt. Mit einem MSCI World macht definitiv, nix falsch, man ist aber nicht größtmöglich diversifiziert.

    Genausowenig macht man mit einem ETF auf S&P 500 Index etwas falsch. Dürfte wohl auch ausreichen.

    Jeder wie er mag. Aber ja, FT könnte die Standardempfehlungen vlt. mal überarbeiten.

  • Wenn ich mir Komma und Beck ansehe, spricht der eine gern über Faktorinvesting, der andere über Anleichen.

    Der gute Mann heißt Gerd Kommer und kommt aus Balingen.

    Die Aussprache ist ˈkɔmɐ. Also ein „reduziertes“ e-r.

    Anleihen stehen eigentlich nicht im Mittelpunkt des Spektrums von Beck.

  • Genausowenig macht man mit einem ETF auf S&P 500 Index etwas falsch. Dürfte wohl auch ausreichen.

    Man konzentriert damit aber Risiken. Nur US Top 500 heißt, kein direktes Risiko in: Europa, Asien, Schwellenländer, SC etc, dafür alles Risiko in US Large Caps. Morgen ein schweres Erdbeben in Kalifornien und die Auswirkungen auf das Depot werden deutlich größer sein als in einem ACWI IMI oder gar Kommer, Weber ETF.
    Rational ist breiter diversifiziert immer besser, bei Gewichtung rein nach Marktkapitalisierung ist bei einem ETF aber der Mehrwert bzgl Risikoverteilung eines All World oderACWI IMI aktuell aber überschaubar. Ich pers sehe aber auch einen MSCI World als das Minimum bzgl Diversifikation. Alle entwickelten Industrieländer haben langfristig historisch die gleiche Renditeerwartung, also warum nur auf eins setzen, auch wenn es das (aktuell) stärkste ist.

  • Was ist da jetzt das Problem? Der Unterschied zwischen den einzelnen ETFs ist gering, FT versucht Geldverbrenner in vernünftige Anlagen zu lenken, auch hat Saidi über die verschiedenen ETF Varianten mehrfach berichtet, ob Kommer und Beck immer vollkommen richtig liegen, sei auch dahingestellt. Seit der Auflage eines eigenen ETFs sehe ich keine Neutralität mehr.

  • Hallo zusammen,

    die Frage ist absolut berechtigt, und du hast die wichtigsten Argumente ja schon selbst sehr differenziert zusammengetragen. Vielleicht kann ich versuchen, das Ganze etwas einzuordnen – nicht als „richtig oder falsch“, sondern aus einer eher pragmatischen Sichtweise heraus.

    Die Empfehlung, „einfach nur den MSCI World“ zu nehmen, basiert bei Finanztip auf einem sehr konkreten Ziel: Menschen zum Investieren zu bringen, die es bisher noch nicht getan haben – und zwar möglichst unkompliziert, risikoarm und ohne Überforderung. Denn in der Praxis ist es häufig nicht die Theorie, die darüber entscheidet, ob jemand Vermögen aufbaut – sondern der Mut, überhaupt loszulegen.

    Ja, der MSCI World ist nicht die gesamte Welt – das ist klar. Er bildet nur ca. 1.500 Unternehmen aus den Industrieländern ab. Aber:

    • Er enthält die global agierenden Großkonzerne, die einen erheblichen Teil ihres Umsatzes in Schwellenländern und global machen.
    • Er ist extrem liquide, günstig, breit zugänglich und bewährt.
    • Und er ist einfach zu verstehen: Ein ETF, fertig.

    Ein „nur“ MSCI World ist kein Fehler und meint tatsächlich alles zwischen MSCI und IMI. Es ist kein Hochrisiko-Produkt, sondern ein robuste Entscheidung, die für sehr sehr viele Anlegende über Jahrzehnte funktioniert hat – und wahrscheinlich auch weiterhin funktionieren wird.

    Die anderen Empfehlungen – also z.B. EM und Small Caps als Beimischung (kann man muss man aber nicht) Diese Varianten bieten eine breitere Risikostreuung, wenn auch oft nur mit geringer zusätzlicher Rendite (bei etwas höherer Komplexität).

    Finanztip sagt ja selbst: Wer will, kann breiter streuen – aber muss es nicht, um solide zu investieren. Die Aussage, dass das „Geschmackssache“ sei, ist also kein Widerspruch, sondern eher ein Zugehen auf unterschiedliche Erfahrungsstände.

    Man könnte also sagen:
    Finanztip setzt auf ein solides Fundament – wer drauf aufbauen will, kann das tun - aber reicht auch für ein ganzes Leben.

    Die Empfehlungen von Kommer, Beck, Walz und Co. sind eher nicht falsch – aber sie richten sich meist an ein Publikum, das entweder schon drin ist im Thema oder sehr rational-strategisch unterwegs ist und gerne aktiv eingreifen möchte bzw. „nicht anders können als einzugreifen“. Finanztip dagegen adressiert eher den Durchschnitt der Bevölkerung – und dort geht es zuallererst darum, überhaupt zu investieren - nicht um zusätzlich „Schleifchen“.

    Dein Gedanke mit der „Zweistufigkeit“ (ab 100.000 bitte optimieren) ist übrigens spannend – wurde in der Vergangenheit auch immer mal wieder diskutiert. Aber auch hier: Die Einfachheit ist ein zentrales Motiv. Die durchschnittliche Verdoppelung der Investitionen alle 10 - 15 Jahre reicht einfach. Bezogen auf die Risikoausrichtung wird extrem selten mehr geschafft.

    Passiv - Einfach - Verdopplung alle 10 bis 15 Jahre.

    Je mehr Kapital da ist je mehr kann überlegt werden etwas „zu schrauben“. (Kann man muss man aber nicht). Da ist schnell der Rubikon zu Spekulation überschritten. Die Schwelle selbst sollte eher nicht bei 100.000, sondern bei 1.000.000. zu finden sein.

    In dem Sinne:
    Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Es gibt robuste, pragmatische Empfehlungen – und es gibt akademisch optimierte Strategien. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was zu den eigenen Zielen, Kenntnissen und zum Bauchgefühl passt.

    LG

  • Vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Es macht ja auch Sinn, das Prinzip eines ETFs für sich zu nutzen, das Ganze so einfach wie möglich zu halten.

    Offenbar ist die Sorge vor der nicht kompletten Marktabdeckung und des Klumpens USA zwar in der Theorie vorhanden, wirkt sich praktisch aber nicht aus.

  • Finanztip ist an der Stelle nicht widersprüchlich, sondern konsequent in seiner Logik: Sie wollen ein möglichst simples, robustes Basisprodukt empfehlen, mit dem auch absolute Anfänger nichts falsch machen. Ein MSCI World erfüllt genau das – breit genug, einfach verständlich, überall verfügbar.

    Kommer, Beck, Walz etc. argumentieren auf einer anderen Ebene: möglichst vollständige Abbildung der Weltmärkte inkl. EM und Small Caps, was in der Theorie zu höherer Diversifikation und vielleicht langfristig auch Rendite führt. Dafür ist es komplexer und setzt mehr Auseinandersetzung voraus.

    Am Ende ist das also eher eine Frage von Zielgruppe und Anspruch: Finanztip = pragmatisch und konservativ für die Masse, andere = wissenschaftlicher, differenzierter, aber eben auch komplexer.

  • Gut, die teils deutlichen Warnungen vor dem klassischen MSCI World scheine ja nicht zu stimmen.

    Und die etwas komplexere, wissenschaftliche Herangehensweise von Beck und Kommer schrinen keine Mehrrendite zu generieren. Deren Produkte laufen so weit ich weiß schlechter.

    Da kann man natürlich immer sagen: noch.

  • Finanztip ist an der Stelle nicht widersprüchlich, sondern konsequent in seiner Logik: Sie wollen ein möglichst simples, robustes Basisprodukt empfehlen, mit dem auch absolute Anfänger nichts falsch machen. Ein MSCI World erfüllt genau das – breit genug, einfach verständlich, überall verfügbar.

    ... und überall bekannt!

    Die allermeisten Leute dürften heutzutage schonmal irgendwann irgendwo vom "MSCI World" gehört haben. Wer dann bei Finanztip landet und wissen will, wie fange ich das mit den ETFs am besten an, für den ist "MSCI World" zumindest schonmal ein irgendwie vertrauter Begriff und macht die Hürde, einen ETF-Sparplan zu starten, vielleicht niedriger.

    Gut, die teils deutlichen Warnungen vor dem klassischen MSCI World scheine ja nicht zu stimmen.

    "Deutliche Warnungen"? Wo gibt es die denn?

    Ja, ein FTSE All World oder ein MSCI ACWI haben auch noch die Schwellenländer mit drin, der MSCI World hat die nicht, aber so wirklich viel nehmen die sich doch alle nicht. Der MSCI World hat 100% Industrieländer, der FTSE All World oder der MSCI ACWI haben ca. 90%.

    Mit keinem davon macht man was falsch.

  • Finanztip ist an der Stelle nicht widersprüchlich, sondern konsequent in seiner Logik: Sie wollen ein möglichst simples, robustes Basisprodukt empfehlen, mit dem auch absolute Anfänger nichts falsch machen. Ein MSCI World erfüllt genau das – breit genug, einfach verständlich, überall verfügbar.

    Kommer, Beck, Walz etc. argumentieren auf einer anderen Ebene: möglichst vollständige Abbildung der Weltmärkte inkl. EM und Small Caps, was in der Theorie zu höherer Diversifikation und vielleicht langfristig auch Rendite führt. Dafür ist es komplexer und setzt mehr Auseinandersetzung voraus.

    Am Ende ist das also eher eine Frage von Zielgruppe und Anspruch: Finanztip = pragmatisch und konservativ für die Masse, andere = wissenschaftlicher, differenzierter, aber eben auch komplexer.

    Hä? Ein ETF auf den MSCI ACWI ist auch kein komplizierteres Produkt und auch nicht schwieriger zu verstehen als ein ETF auf den MSCI World.