Jährliches Ausnutzen des Freistellungsauftrages -> Steuerhinterziehung?

  • Hallo zusammen,

    in meinem YouTube-Feed wurde mir heute dieses Video von Überfluss vorgeschlagen und ich habe es mir angeschaut.

    Ab 1:38 geht es um das Ausnutzen des jährlichen Freistellungsauftrages durch Verkauf und Neukauf. Es wird angedeutet, dass je nachdem, wie man es gestaltet, es als Steuerhinterziehung ausgelegt werden könnte (Minute 2:02).

    Mir ist das ja eh viel zu aufwändig, aber dennoch hat mich die Aussage überrascht und ich kann das kaum glauben. Wie seht ihr das?

  • Ich will mir das Video nicht anschauen, aber wenn du erst verkaufst und im Anschluss wieder kaufst, sehe ich keine Probleme.

    Was nicht erlaubt wäre, sind Geschäfte mit sich selbst. Also quasi Verkaufsorder und Kauforder zeitgleich einstellen, um dann mit sich selbst zu handeln. Wobei das bei liquiden Werten vermutlich gar nicht so einfach ist, weil die eine Order schon ausgeführt wird, bevor man die zweite erstellt hat.

  • Ich sehe das unproblematisch und kann da keinen Gestaltungsmissbrauch erkennen einen Sparerpauschbetrag auszunutzen.

    Die Aussage im Video ist für mich nicht nachvollziehbar.

    Übrigens mache das mit den Kinderdepots in Verbindung mit einer NV-Bescheinigung einmal im Jahr so .... um den Kids ein möglichst steuerfreies Depot zu übergeben.

  • Ich habe jetzt keine Lust mir das Video anzuschauen, aber die Diskussion ist auch schnell erledigt: der Verkauf und die anschließende neu-Anschaffung eines ETF ist keine Steuerhinterziehung, da die Kapitalerträge bei Veräußerung des ETF abgeltend besteuert werden. So langweilig kann es sein. Sorry, kein Drama.

  • Habe mir das Video auch nicht angesehen, aber vermutlich geht es darum Wertpapiere im Minus zu verkaufen, dadurch seinen Verlustverrechnungstopf zu füllen und anschließend das gleiche oder ähnliches Wertpapier wieder zu kaufen.

    Man hat dann quasi keinen Nachteil, sondern den Vorteil dass die Verluste mit den nächsten Gewinnen verrechnet werden. Man zahlt z.B. auf die nächste Ausschüttung weniger Steuern.

    Stichworte: Wash Sale (USA), Tax Loss Harvesting, Steuergestaltung nach AO §42.

    Soweit ich weiß ist es nur ein Steuermissbrauch wenn du die Wertpapiere an dich selbst verkaufst, aber da wüsste ich gar nicht wie das geht.

  • Zeitlich nahe beieinanderliegende Kauf- und Verkaufsorders desselben Wertpapiers können als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO gedeutet werden, weil Sie hier eine Aktion durchführen, die ohne Berücksichtigung der steuerlichen Effekte keinen Sinn hat. Alex777 : Die Kapitalerträge werden eben nicht abgeltend besteuert weil diese Aktion dazu dient einen Freibetrag auszunutzen der ansonsten verfallen wäre.

    Bei Nachfragen des Finanzamts sollten Sie andere Gründe nennen können, warum Sie das gemacht haben. Das ist einfacher wenn Sie die Kauf- und Verkaufsorders zeitlich etwas weiter auseinanderlegen.

  • Zeitlich nahe beieinanderliegende Kauf- und Verkaufsorders desselben Wertpapiers können als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO gedeutet werden, weil Sie hier eine Aktion durchführen, die ohne Berücksichtigung der steuerlichen Effekte keinen Sinn hat.

    Aktuell werden die Transaktionen jedes Steuerbürgers noch nicht vollständig ans Finanzamt gemeldet und dort mittels Computerhilfe (KI ...) durchsucht. Aber wer weiß? Vielleicht kommt das in einigen Jahren noch. Wäre ja ein sozialverträglicher Zweck, unser Staat braucht schließlich Steuern zur Erfüllung seiner Aufgaben.

    Augenblicklich ist das noch Zukunftsmusik, die Finanzbehörden verfügen noch nicht über die Ressourcen, diese Vorstellung umzusetzen. Es bleibt nur die Drohung, daß der Steuerbürger solche Sachen nicht machen möge, weil man ihm die steuerliche Wirkung der Maßnahme aberkennen könnte, wenn man ihm zufälligerweise auf die Spur käme.

    Noch ist Deutschland ein vergleichsweise liberaler Rechtsstaat, aber der Weg zum Überwachungsstaat ist nicht so weit, wie manche Leute irrig glauben.

    Vielleicht kommt der Staat ja auf den Gedanken, die Geldinstitute als Büttel einzustellen, wie er es bezüglich der Geldwäsche ja bereits getan hat. Dann braucht er nicht selbst die nötigen Ressourcen bereitzustellen.

  • Es wird angedeutet, dass je nachdem, wie man es gestaltet, es als Steuerhinterziehung ausgelegt werden könnte

    Denk mal an Folgendes:
    Wenn dein Nachbar dir hilft und du ihm dafür ein paar Euro gibst, dann ist da eine konkrete Steuerhinterziehung.
    Wenn du deinem Nachbarn für eine Tätigkeit etwas bezahlst, dann muss dies versteuert werden, so sagt es das Gesetz.

  • Habe mir das Video auch nicht angesehen, aber vermutlich geht es darum Wertpapiere im Minus zu verkaufen, dadurch seinen Verlustverrechnungstopf zu füllen und anschließend das gleiche oder ähnliches Wertpapier wieder zu kaufen.

    Man hat dann quasi keinen Nachteil, sondern den Vorteil dass die Verluste mit den nächsten Gewinnen verrechnet werden. Man zahlt z.B. auf die nächste Ausschüttung weniger Steuern.

    Der Nachteil ist, dass man je nach Beträgen seinen 1.000€ Freibetrag nicht nutzt (verschenkt).

  • Bei Nachfragen des Finanzamts sollten Sie andere Gründe nennen können, warum Sie das gemacht haben. Das ist einfacher wenn Sie die Kauf- und Verkaufsorders zeitlich etwas weiter auseinanderlegen.

    Ich setze das Order-Limit immer um einen Cent verschieden, weil ich die Zahl so schön finde. Das gefällt mir einfach besser.

    Ich meine übrigens, dass dem Finanzamt nur die Summe der freigestellten Erträge, nicht aber die Transaktionen oder die Absolute Höhe gemeldet werden.

  • In diesem Jahr habe ich Anfang des Jahres bzw. nach dem Trump Dip alles getax-loss-harvested was irgendwie ging. Sogar meine bereits gezahlte Steuer auf die Vorsbpauschale habe ich mir per Steuerausgleich zurück geholt und anschließend re-investiert. Da hab ich 20 Anteile meines Wunsch-ETF für bekommen. Du „bezahlst“ halt ggf. mit einem neuen (tieferen) Anschaffungspreis und damit höherer latenter Steuerlast.

    Also egal ob man nun einfach seinen Pauschbetrag nutzen mag, oder sich sogar in der unterjährigen Verrechnung seine Steuer zurück holt. Die Aktion geht in beide Richtungen wunderbar.

    Mein Ziel war es selbstredend die Depotstruktur möglichst meiner Zielvorstellung anzunähern. Dazu sind regelmäßige rebalancings einfach erforderlich.

  • Mir ist das ja eh viel zu aufwändig, aber dennoch hat mich die Aussage überrascht und ich kann das kaum glauben. Wie seht ihr das?

    Hatte das auch schon früher gehört, aber weitgehend ignoriert, weil ich am Jahresende den restlichen Freibetrag dann beim Rebalancing verbrauche und den Rest dann mit den Sparplänen. So könnte ich jederzeit nachweisen das ich ja in ein anderes Produkt umgeschichtet habe.

    Ob das dann vor Gericht ausreichen würde...wer weiss, ist ja wie auf Hoher See und so ;)

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    Wenn man es nicht aufschreibt... Ist es nie passiert :saint:

  • Das Thema kommt immer wieder hoch. Ich habe aber noch von keinem Fall gehört, in dem ein Kleinanleger deshalb vor Gericht kommt. Und wenn ich mir anschaue, wie schonungslos andere Fälle *hust* Cum-Ex *hust* aufgeklärt werden, dann wird da auch nicht viel kommen...

    bei Cum Ex braucht man sich danach einfach nicht mehr erinnern.... dann passts schon ;)

  • In meinem YouTube-Feed wurde mir heute dieses Video von Überfluss vorgeschlagen und ich habe es mir angeschaut.

    Ich auch, im Original ist es etwa 8 Minuten lang, das geht noch.

    Ab 1:38 geht es um das Ausnutzen des jährlichen Freistellungsauftrages durch Verkauf und Neukauf.

    Der Nutzer fragte:

    Macht es Sinn, ETFs jedes Jahr im Rahmen des Freibetrags zu verkaufen und direkt wieder zu kaufen, um FiFo zu entgehen?

    Es wird angedeutet, dass je nachdem, wie man es gestaltet, es als Steuerhinterziehung ausgelegt werden könnte (Minute 2:02).

    Mir ist das ja eh viel zu aufwändig, aber dennoch hat mich die Aussage überrascht und ich kann das kaum glauben. Wie seht ihr das?

    Steuerhinterziehung ist das nicht, das sagt Thomas Kehl auch nicht. Er spricht von Gestaltungsmißbrauch, und das kann man sicherlich so sehen. Letztlich wird einem der Richter sagen, ob er hier zulässige Steuergestaltung oder Gestaltungsmißbrauch sieht. Ich sehe das als Steuergestaltung, die berühmte juristische Sekunde spielt im Rechtswesen ja häufig eine Rolle.

    Ich glaube nicht, daß man aktuell irgendwelche Komplikationen mit dem Finanzamt befürchten müßte, den Finanzämtern dürften die Ressourcen dafür fehlen.

    Dem FIFO-Verfahren entgeht der Frager damit nicht, da wirft er zwei Dinge durcheinander, die man getrennt sehen muß.

    Groß aufwendig ist das Verfahren nicht, es wird zur Ausnutzung des Sparerpauschbetrags immer wieder empfohlen. Mit Einführung der Vorabpauschale hat es allerdings an Bedeutung verloren, da nunmehr auch bei thesaurierenden Papieren Gewinn anfällt (wenngleich fiktiver), somit der Bedarf, den Sparerpauschbetrag vollzumachen, geringer geworden ist.

    Die zweite Frage im Video paßt zur ersten:

    Macht es Sinn, Teile von ETFs ausschüttend anzulegen, um den Freibetrag besser auszunutzen?

    Man muß im konkreten Fall immer nachrechnen. Die Vorabpauschale ist ein Gamechanger; früher war es regelmäßig sinnvoll, des Steuerstundungseffekts wegen in thesaurierende Papiere zu investieren; heute ist es oftmals sinnvoll, in Ausschütter zu investieren, weil es von der Abwicklung her einfacher ist.

    Interessant fand ich eine weitere Frage:

    Ich habe einen Bausparer, der bald zuteilungsreif ist. Sinnvoller Schritt, damit 80% meines Konsumkredits abzubezahlen?

    Thomas antwortet: Rechnerisch ja, allerdings ist das nicht zulässig, weil für die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens die wohnwirtschaftliche Verwendung des Geldes nachgewiesen werden muß. Allerdings gebe es reichlich Finanzprodukteverkäufer, die dem Kunden das blanko bescheinigten. So einen hatten wir hier im Forum ja auch mal. Er hat mit diesem Argument aggressiv Bausparverträge beworben, bis man ihn dauerhaft gesperrt hat.