Für wie sicher haltet ihr US Staatsanleihen?

  • Hallo zusammen,


    ich beobachte in den letzten Wochen einen interessanten Wandel in der Diskussion von US-Staatsanleihen.

    Von "sicherste Anlage der Welt" über "muss man nicht diskutieren, das wäre das Ende des Finanzsystems, weil nicht sein kein was nicht sein darf" zu "Die USA könnten ernsthaft versuchen, einen Umtausch von hochverzinsten 10 jährigen Anleihen in 100 jährige niedrig verzinste Anleihen zu erzwingen".


    Ganz überwiegend wird von professionellen Beobachtern das letzte Szenario noch als eine Art Verschwörungstheorie abgetan... Wobei die gleichen Stimmen gleichzeitig vor einer weit über eine normale Rezession hinausgehende US-Finanzkrise bei nicht mehr haltbarer Staatsverschuldung warnen.


    Ich wundere mich glaube ich vor allem über den kongnitiven Spagat den einige da gerade anstellen. In US-Anleihen aus Sicherheitsgründen weniger oder nicht mehr irgendwie investiert sein zu wollen und gleichzeitig den Ausfall dieser Anleihen als ausgeschlossen zu betrachten erscheint mir... Wild?


    Die Auswirkungen eines solchen quasi Staatsbankrotts scheinen mir so weitreichend, dass es kaum möglich ist sich dagegen irgendwie abzusichern.


    Wie seht ihr das ? Würdet ihr - gäbe es kein Wechselkurs-Risiko - US-Staatsanleihen heute noch bedenkenlos kaufen?

  • Im Spiegel gibt es heute ein Interview mit einer US-Historikerin. Leider hinter der paywall


    https://www.spiegel.de/wirtsch…64-43f9-87af-f55775202fa8

    Da wird das genannte Szenario tatsächlich auch erwähnt. Danke.


    SPIEGEL: Wie soll das geschehen?


    Burns: Die erste Phase ist Disruption. Hohe Zölle sollen die existierende Wirtschaftsordnung erschüttern. Sie sollen alle Länder, Freund wie Feind, an den Verhandlungstisch bringen, um die Zölle zu senken. Unternehmen können den Zöllen aus dem Weg gehen, indem sie zum Beispiel ihre Fabriken in den USA aufbauen. Zusätzlich will die US-Regierung möglichst viele Länder dazu bringen, Währungsabkommen mit den USA zu schließen. Eine Idee ist es, die von den USA ausgegebenen Staatsanleihen so umzuschreiben, dass sie eine Laufzeit von 100 Jahren haben. Die USA sollen dann dafür lange Zeit keine Zinsen zahlen.

  • Wie seht ihr das ? Würdet ihr - gäbe es kein Wechselkurs-Risiko - US-Staatsanleihen heute noch bedenkenlos kaufen?

    Damit hast du den entscheidenden Faktor ausgeschlossen. Die USA sind in eigener Währung verschuldet und die FED hilft im Zweifelsfall dabei, an mehr Geld zu kommen. Ein klassischer Bankrott ist somit fast ausgeschlossen, auch wenn es natürlich zu massiver Geldentwertung kommen kann. Dass ein Zwangsumtausch der Staatsanleihen vor Gericht Bestand hätte, bezweifle ich stark. Wie auch so vieles anderes. Ich bin mir sicher, dass wir die nächsten Monate noch häufig sehen werden, dass die Executive Order von Trump von Gerichten wieder kassiert werden.

  • Die USA sind in eigener Währung verschuldet und die FED hilft im Zweifelsfall dabei, an mehr Geld zu kommen. Ein klassischer Bankrott ist somit fast ausgeschlossen, auch wenn es natürlich zu massiver Geldentwertung kommen kann

    Das ein Land mit Schulden in eigener Währung und eigener Zentralbank nicht klassisch bankrott gehen kann ist mir klar. Deswegen schrieb ich quasi Staatsbankrott.

    Es macht am Ende keinen riesigen Unterschied. Wenn der "liquidiste Markt der Welt" plötzlich keine Käuferseite mehr abgesehen von der Druckerpresse der Zentralbank hat, ist das so nah am Staatsbankrott wie irgendwie möglich.


    Aber für wie wahrscheinlich hältst du ein solches ja doch sehr extremes Szenario?

  • Man hat schon den Eindruck, dass man in Weißen Haus den Ernst der Lage noch nicht realisiert hat. Es fehlt in dem Land mit den vielen Nobelpreisträgern offenbar Kompetenz im Kabinett. Ich halte eine Weltwirtschaftskrise für möglich.

  • Man hat schon den Eindruck, dass man in Weißen Haus den Ernst der Lage noch nicht realisiert hat. Es fehlt in dem Land mit den vielen Nobelpreisträgern offenbar Kompetenz im Kabinett.

    The Donald versteht sich als Autokrat, der er aber momentan (noch?) nicht ist. Dem traue ich ohne weiteres zu, daß er der Sonne eine executive order schickt, sie solle gefälligst ab morgen eine Stunde früher aufgehen, anderenfalls er das Sonnenlicht mit Zoll belegen werde.


    Trump ist aktuell schlechter beraten als in seiner ersten Präsidentschaft, weil er sich gezielt mit Ja-Sagern umgeben hat. Adam Riese ist aber weder Republikaner, noch kann man ihn mit Macho-Gehabe einschüchtern. Die Zollgeschichte war eine Schnapsidee. Es war von vornherein klar, daß sie scheitern wird. Das hat man ihm dann schnell klargemacht, ganz schnell hat er also sein Dekret zurückgenommen, angeblich nur für 90 Tage, mit hoher Wahrscheinlichkeit für länger. Zum Ausgleich hat er den bösen Chinesen eins draufgetan. Da hat ihn dann einer beiseitegenommen und ihm geflüstert, daß das iPhone ein chinesisches Produkt ist, nicht etwa proudly manufactured in U.S., wie er glaubte. Schwupps - waren die Zölle auf elektronische Produkte wieder weg.


    Man darf mit den Amerikanern natürlich nicht spaßen, dazu sind sie militärisch zu stark. Wolodja hat sich mit dem Ukraine-Krieg verhoben, der ist auch längst nicht so mächtig, wie er sich wähnt. Xi dürfte sich ins Fäustchen lachen (aber natürlich nur hinter verschlossenen Türen, als Chinese zeigt man das nicht offen). Die USA verlieren an Macht, China hingegen wird immer mächtiger, mag der Kasper im oval office toben, so viel er will. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Xi Trump für voll nimmt.


    In vier Jahren ist er weg. Ich kann mir nicht vorstellen, daß weitere Kreise der Republikaner eine formal verfassungswidrige Kandidatur für eine dritte Amtszeit unterstützen würden - zumal The Donald dann mit 82 Jahren ja auch reichlich alt wäre.


    Ich rechne mit einer deutlichen Abkühlung der Wirtschaft in den kommenden Jahren. Die Unsicherheit, die der Mann streut, kostet schlichtweg Geld, und zwar überall auf der Welt. Eine Wirtschaftskrise erwarte ich nicht, schließlich will The Donald America ja great again machen und nicht etwa broke. Die Zollrücknahme erfolgte meines Erachtens nicht freiwillig, sondern da hat ihm offensichtlich jemand ins Steuer gegriffen.

  • Alles ist möglich. Falls US-Staatsanleihen de facto ausfallen sollten, dürfte es aber am Aktienmarkt erst recht ganz steil nach unten gehen (Finanzkrise).


    Würde ich noch US-Staatsanleihen kaufen? Zu aktuellen Preisen vermutlich nicht mehr, gegen angemessene Abschläge aber schon.


    Nach Trumps Wahl habe ich in einen ETF mit inflationsgeschützten US-Anleihen kürzerer Laufzeit umgeschichtet (TRIPS 0-5 years). Die haben in den letzten Wochen auch verloren, könnten aber von Zweitrundeneffekten der Zollpolitik wieder profitieren. Daher halte ich sie weiterhin.

  • Aber für wie wahrscheinlich hältst du ein solches ja doch sehr extremes Szenario?

    Fast unmöglich. Das hat was mit den internationalen Handels- und zugehörigen Geldströmen zu tun. Schon mal gefragt, warum zu den größten Gläubigern der USA ausgerechnet China und Japan gehören oder warum ausgerechnet deutsche Banken so in amerikanische Schrottimmobilien investiert waren? Dem Exportüberschuss steht ein entsprechender Geldfluss entgegen, aus Dollar werden aber nicht auf magische Weise Euro oder Yen, das kann man nur umtauschen. Und hält man den eigenen Wechselkurs künstlich niedrig, landen die ganzen Dollars bei der Zentralbank, die damit dann Staatsanleihen kauft.

    Ist jetzt alles nur ganz grob skizziert, es lohnt sich definitiv mal Michael Pettis zu lesen.

  • Da wird das genannte Szenario tatsächlich auch erwähnt. Danke.


    SPIEGEL: Wie soll das geschehen?


    Burns: Die erste Phase ist Disruption. Hohe Zölle sollen die existierende Wirtschaftsordnung erschüttern. Sie sollen alle Länder, Freund wie Feind, an den Verhandlungstisch bringen, um die Zölle zu senken. Unternehmen können den Zöllen aus dem Weg gehen, indem sie zum Beispiel ihre Fabriken in den USA aufbauen. Zusätzlich will die US-Regierung möglichst viele Länder dazu bringen, Währungsabkommen mit den USA zu schließen. Eine Idee ist es, die von den USA ausgegebenen Staatsanleihen so umzuschreiben, dass sie eine Laufzeit von 100 Jahren haben. Die USA sollen dann dafür lange Zeit keine Zinsen zahlen.

    Der berühmte Mar-a-Lago-Accord.


    Wobei eine Fabrik für das Endprodukt in den USA nicht viel hilft, wenn die Einzelteile von außen kommen. So bestehen die Bestseller Ford F150 und Chevy Silverado nur zu einem Drittel aus US-Teilen. Bei einem in Spartanburg gebauten BMW ist es genauso…

  • Die große Frage ist ja...warum sollte sich irgendjemand auf einen Deal mit Trump einlassen, wo er dich zeigt, dass er seine eigenen Abkommen nicht respektiert?

    Erpressung. Die Idee ist zumindest das in einen "großen Deal" einzubinden.

    Ne 100 jährige niedrig verzinste Anleihe wäre jedenfalls nicht so wertlos wie eine ausgefallene 10 jährige Anleihe.

  • Erpressung. Die Idee ist zumindest das in einen "großen Deal" einzubinden.

    Das hat bei Trump 1 noch funktioniert (NAFTA -> USMCA). Aber jetzt ist Trump auf alle gleichzeitig losgegangen, da bilden sich unheilige Allianzen sehr viel leichter.


    Ne 100 jährige niedrig verzinste Anleihe wäre jedenfalls nicht so wertlos wie eine ausgefallene 10 jährige Anleihe.

    Dazu müssten die USA noch sehr viel kaputter sein. Ein Zwangsumtausch hätte vor Gericht keinen Bestand.

    Und mal abgesehen von der Legalität eines Zwangsumtauschs...solange man ein derart massives Defizit fährt, bräuchte man auch nach dem Zwangsumtausch schnell wieder neue Anleihen. Nach dieser Enteignung würde sich aber auf dem freien Markt keiner mehr finden und die FED müsste Geld drucken, um das Defizit auszugleichen. Das geht auch einfacher und ohne böses Blut