Pilotprojet in Hessen - Finanzamt erstellt Steuererklärung

  • Natürlich wird ein solches Pilotprojekt nicht von Anfang an reibungslos laufen. Aber aktuell haben wir eine Reihe von Konstellationen, wo gerade Familien Geld verschenken, wenn sie keine Steuererklärung machen. Das mit dem automatischen Lohnsteuerjahresausgleich über den Arbeitgeber funktioniert ja auch nur, wenn kein Ehegattensplitting im Spiel ist. Dass man da mit Fristen großzügig umgehen muss und auch die Möglichkeit braucht, noch nachträglich Korrekturen vorzunehmen sollte hoffentlich auch den Behörden klar sein.

    Bei mir als Rentnerin ohne Mieteinnahmen würde das derzeit noch nicht funktionieren. Es gibt erhebliche außergewöhnliche Belastungen, Pauschbeträge für Behinderung neben Handwerkerrechnungen und haushaltsnahen Dienstleistungen. Last but not least führt die Günstigerprüfung bei den Kapitaleinkünften zu einer Steuererstattung. Wenn nun die GRV statt dessen Steuern abführen würde, wäre das aus meiner Sicht unerfreulich. Aber sehr wünschenswert wäre eine Vorabinformation, in der das Finanzamt die vorhandenen Daten übersichtlich aufschlüsselt. Wer dann noch Daten ergänzen will bzw. muss, könnte selektiv Anlagen ergänzen. Das wäre für Finanzamt und Steuerzahler sicher weniger Arbeit.

  • Tatsache ist, dass in der längeren Vergangenheit die Rente nicht steuerpflichtig war und nur Pensionäre eine steuerpflichtige Renteneinkünfte hatten. Durch die Steuerreform Anfang der 2000er Jahre kam das Thema Steuern für Rentner erstmals auf.

    Der erste Satz ist schlichtweg falsch. Rente war schon immer steuerpflichtig, bis Ende 2004 jedoch nur mit dem Ertragsanteil, was dazu geführt hat, dass Rentner regelmässig keine Einkommenssteuer zahlen mussten.

    Das Problem ist, dass sich durch sprachliche Ungenauigkeiten falsche Bilder in den Köpfen festsetzen.

    Ich zucke jedesmal zusammen, wenn mir jemand etwas von einem "steuerfreien" Minijob erzählt. Nur weil man die pauschale Versteuerung nicht unbedingt sieht, heisst es ja nicht, dass keine Steuern zu zahlen sind.

    Und dass die nachgelagerte Besteuerung regelmässig zu einer Entlastung der Steuerzahler führt, wird auch gerne übersehen. Dass das Netto im Januar 2005 ein gutes Stück höher war als im Dezember 2004 (bei gleichem Brutto) war regelmässig ab Februar 2005 vergessen.

  • Aber sehr wünschenswert wäre eine Vorabinformation, in der das Finanzamt die vorhandenen Daten übersichtlich aufschlüsselt.

    Das bekommst Du doch in Elster (und vermutlich in Steuerprogrammen). Gleich fertig in die richtigen Stellen für die Steuererklärung eingetragen. Du musst nur noch prüfen und ergänzen, was das Finanzamt eben nicht weiß.

  • Vielleicht ist Elster mittlerweile besser geworden. Meine ersten Gehversuche hatten mich vor Jahren zurück zur Papierversion geführt. Manches muss man ja erst über Listen strukturieren und Ergänzungen waren früher auch nicht wirklich möglich.

    Gerade in der Rentnergeneration soll es übrigens noch einen erheblichen Anteil papiergebundener Steuererklärungen geben. Insbesondere fehlt mir bei der elektronischen Variante, die Kopiervorlage fürs Folgejahr.

  • Gerade in der Rentnergeneration soll es übrigens noch einen erheblichen Anteil papiergebundener Steuererklärungen geben. Insbesondere fehlt mir bei der elektronischen Variante, die Kopiervorlage fürs Folgejahr.

    Also das konnte Elster schon immer. Du kannst die Erklärung des Vorjahres übernehmen und dir werden alle übernommenen Felder markiert. Ich übernehme grundsätzlich meine Erklärung aus dem Vorjahr und passe die dann entsprechend an.

  • Vielleicht ist Elster mittlerweile besser geworden. Meine ersten Gehversuche hatten mich vor Jahren zurück zur Papierversion geführt. Manches muss man ja erst über Listen strukturieren und Ergänzungen waren früher auch nicht wirklich möglich.

    Gerade in der Rentnergeneration soll es übrigens noch einen erheblichen Anteil papiergebundener Steuererklärungen geben. Insbesondere fehlt mir bei der elektronischen Variante, die Kopiervorlage fürs Folgejahr.

    Ich habe früher auch Elster benutzt, dann aber WISO Steuer für mich entdeckt. Was man nicht versteht, wird verständlich erklärt. Und die Datenübernahme aus dem Vorjahr klappt eins a, der Rest wird Punkt für Punkt abgefragt. Wenn man seine Einnahmen und Ausgaben kennt, kann das eine Sache von wenigen Minuten sein.

    PS Andere Steuerprogramme können das natürlich auch.

  • Rente war schon immer steuerpflichtig, bis Ende 2004 jedoch nur mit dem Ertragsanteil, was dazu geführt hat, dass Rentner regelmässig keine Einkommenssteuer zahlen mussten.

    Das Problem ist, dass sich durch sprachliche Ungenauigkeiten falsche Bilder in den Köpfen festsetzen.

    Ich zucke jedesmal zusammen, wenn mir jemand etwas von einem "steuerfreien" Minijob erzählt. Nur weil man die pauschale Versteuerung nicht unbedingt sieht, heisst es ja nicht, dass keine Steuern zu zahlen sind.

    Ein Minijob wird mit 2% pauschal vom Arbeitgeber versteuert. Gemessen an üblichen Steuersätzen und danach, daß typischerweise nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer die Steuer zahlt, ist es eine Spitzfindigkeit, von der Steuerpflicht von Minijobs zu sprechen.

    Und dass die nachgelagerte Besteuerung regelmässig zu einer Entlastung der Steuerzahler führt, wird auch gerne übersehen. Dass das Netto im Januar 2005 ein gutes Stück höher war als im Dezember 2004 (bei gleichem Brutto) war regelmässig ab Februar 2005 vergessen.

    Die Beiträge zur Rentenversicherung waren schon seit Jahrzehnten von der Steuer abzusetzen, nach einem komplizierten Verfahren und bereits bei recht durchschnittlichen Gehältern nur zum Teil.

    Mal angenommen, einer geht nach 40 Jahren jetzt in Rente, so konnte er in den ersten 20 Berufsjahren nur einen kleinen Teil seiner Rentenbeiträge von der Steuer absetzen, ab 2005 dann erst sprunghaft, dann kontinuierlich mehr.

    Ich traue mir nicht zu nachzurechnen, ob die Änderung der Besteuerung fair umgesetzt worden ist, wollte mir die Mühe des Nachrechnens ohnehin nicht machen, weil das ja nichts ändern würde.

  • Aktuell haben wir eine Reihe von Konstellationen, wo gerade Familien Geld verschenken, wenn sie keine Steuererklärung machen.

    Wer beim Tante-Emma-Laden kauft und nicht im Sonderangebot bei Lidl, verschenkt auch Geld. Es ist an vielerlei Stellen so, daß man Geld verschenkt, wenn man sich nicht informiert.

    Bei mir als Rentnerin ohne Mieteinnahmen würde das derzeit noch nicht funktionieren. Es gibt erhebliche außergewöhnliche Belastungen, Pauschbeträge für Behinderung neben Handwerkerrechnungen und haushaltsnahen Dienstleistungen. Last but not least führt die Günstigerprüfung bei den Kapitaleinkünften zu einer Steuererstattung.

    All das weiß das Finanzamt zum Glück nicht. Rein mal als Gedankenspiel: Wenn das Finanzamt jede Finanztransaktion aller Bürger kennen würde, könnte es auch für Dich in Deiner speziellen Konstellation eine korrekte Steuererklärung erstellen. Wolltest Du ersteres? Wenn nein, kannst Du die korrekte automatische Steuererklärung auch nicht haben.

    Wenn nun die GRV statt dessen Steuern abführen würde, wäre das aus meiner Sicht unerfreulich. Aber sehr wünschenswert wäre eine Vorabinformation, in der das Finanzamt die vorhandenen Daten übersichtlich aufschlüsselt. Wer dann noch Daten ergänzen will bzw. muss, könnte selektiv Anlagen ergänzen. Das wäre für Finanzamt und Steuerzahler sicher weniger Arbeit.

    Auf das wird es ja hinauslaufen: Das Finanzamt schickt eine vorausgefüllte Steuererklärung, die der Steuerbürger bei Bedarf ergänzen kann. Gerade für Rentner wäre es sicher eine Erleichterung, wenn die Steuer gleich von ihrem Hauptarbeitgeber, nämlich der DRV einbehalten würde, statt daß das Finanzamt die Steuer abfordert. Das wäre aber technisch schwieriger als der Einbehalt des Krankenversicherungsbeitrags, weil dieser in vielen Fällen aus jeder Rente separat errechnet werden kann, bei der Steuer aufgrund der Progression aber alle verschiedenen Einkünfte bekannt sein müssen.

  • Der erste Satz ist schlichtweg falsch. Rente war schon immer steuerpflichtig, bis Ende 2004 jedoch nur mit dem Ertragsanteil, was dazu geführt hat, dass Rentner regelmässig keine Einkommenssteuer zahlen mussten.

    Das Problem ist, dass sich durch sprachliche Ungenauigkeiten falsche Bilder in den Köpfen festsetzen.

    Ja, Referat Janders das ist korrekt - insoweit war die Wortwahl nicht korrekt.

    Renteneinkünfte waren schon immer steuerpflichtig. In der Vergangenheit (bis 2004) betraf das jedoch nur auf eine Minderheit, die Mehrheit hatte bei "normalen Renteneinkünften" mit dem Finanzamt und der Steuer nichts zu tun, es sei denn, es gab darüber hinaus noch weitere steuerpflichtige Einkünfte.
    Dieser Umstand hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verändert - und hier gebe ich auch Achim Weiss Recht, wenn er sagt, dass er lieber nicht nachzurechnen möchte, welche steuerliche Belastung bei der jetzigen Rentenzahlung entsteht und welche steuerlichen Vergünstigungen er in der Vergangenheit bei den Rentenbeiträgen hatte.
    Es könnte zu Frust führen ....

  • Die Beiträge zur Rentenversicherung waren schon seit Jahrzehnten von der Steuer abzusetzen, nach einem komplizierten Verfahren und bereits bei recht durchschnittlichen Gehältern nur zum Teil.

    Mal angenommen, einer geht nach 40 Jahren jetzt in Rente, so konnte er in den ersten 20 Berufsjahren nur einen kleinen Teil seiner Rentenbeiträge von der Steuer absetzen, ab 2005 dann erst sprunghaft, dann kontinuierlich mehr.

    Ich traue mir nicht zu nachzurechnen, ob die Änderung der Besteuerung fair umgesetzt worden ist, wollte mir die Mühe des Nachrechnens ohnehin nicht machen, weil das ja nichts ändern würde.

    Es gibt tatsächlich die Möglichkeit das nachzuprüfen und auch korrigieren zu lassen (soweit das Ergebnis meiner Recherche). Dafür bräuchte man freilich die kompletten Unterlagen seiner Berufstätigkeit und dazu einen Rentenfachmann. Selbst wenn Du ihn findest, wirst Du sicher mehr Geld abdrücken müssen für die Dienste als für einen Steuerberater. Selbst wenn es ungerecht wäre, wird das Ergebnis unterm Strich mau aussehen. Ich habe davon Abstand genommen, obwohl ich durch frühen Ruhestand nur wenig Steuervorteile hatte in den Arbeitsjahren und mir jetzt von meiner Rente zu viel besteuert wird. Der Aufwand wäre enorm, wenn man ihn überhaupt erbringen kann. Der steuerliche Vorteil überschaubar, die Kosten aber nennenswert.

  • Für Rentner und Pensionäre gibt es jetzt schon „Elster einfach“. Das geht superfix und wirklich einfach (und erfolgreich!) So was ähnliches würde ich mir auch für Arbeitnehmer wünschen, die nix großartiges zum Absetzen haben. Warum es da ein Modellprojekt braucht verstehe ich nicht.

  • Es gibt tatsächlich die Möglichkeit das nachzuprüfen [nämlich, daß die Rente einer Person doppeltbesteuert wird] und auch korrigieren zu lassen.

    Das glaube ich nicht, darum geht es mir auch nicht.

    Dafür bräuchte man freilich die kompletten Unterlagen seiner Berufstätigkeit und dazu einen Rentenfachmann. Selbst wenn Du ihn findest, wirst Du sicher mehr Geld abdrücken müssen für die Dienste als für einen Steuerberater. Selbst wenn es ungerecht wäre, wird das Ergebnis unterm Strich mau aussehen.

    Du machst mir den Mund wäßrig. Sowas soll tatsächlich gehen? Individuelle Rentenbesteuerung für eine Einzelperson? Kaum zu glauben! Gibt es irgendeinen Bericht von einem, der das erfolgreich durchgezogen hat? Ich habe interessehalber recherchiert, aber nichts gefunden.

    Ich habe davon Abstand genommen, obwohl ich durch frühen Ruhestand nur wenig Steuervorteile hatte in den Arbeitsjahren und mir jetzt von meiner Rente zu viel besteuert wird. Der Aufwand wäre enorm, wenn man ihn überhaupt erbringen kann. Der steuerliche Vorteil überschaubar, die Kosten aber nennenswert.

    Das weiß man eigentlich erst dann, wenn man es durchgezogen hat.

  • Für Rentner und Pensionäre gibt es jetzt schon „Elster einfach“. Das geht superfix und wirklich einfach (und erfolgreich!) So was ähnliches würde ich mir auch für Arbeitnehmer wünschen, die nix großartiges zum Absetzen haben. Warum es da ein Modellprojekt braucht verstehe ich nicht.

    Wobei man fairerweise sagen muss, dass man es als Angestellter und Mieter, der nur ein paar Kapitalerträge (die ja dankenswerterweise Weise entweder freigestellt oder versteuernt sind) schon hinbekommt, seine paar Sachen wie Pendlerpauschale, Homeofficepauschale, Nebenkosten, Spenden, etc. einzutragen bzw. Die Werte vom Vorjahr zu überschreiben.

    Da ist Elster mittlerweile echt gut geworden.

  • Das Problem der Standard-Elster-Formulare ist, dass sie jeden Sonderfall abdecken müssen. Dadurch werden sie endlos lang. Vor allem für diejenigen, die nicht vertraut sind mit der Behördensprache, ist es schwer, genau die 2-3 Zeilen eines 4-seitigen Formulars zu finden, die man ausfüllen möchte.

    Klar, beim zweiten Mal kann man auf übernehmen klicken und nur die Zahlen in den markierten Feldern prüfen/ändern. Aber das muss man erstmal wissen und sich tapfer beim ersten Mal durchkämpfen.

    Eine ordentliche Steuersoftware mag eine verständlichere Sprache nutzen und durch gezielte Fragen nur die passenden Felder herausfiltern, schreckt aber vielleicht durch ihre Gebühren einkommensschwächere Personen ab.

  • Das Problem der Standard-Elster-Formulare ist, dass sie jeden Sonderfall abdecken müssen. Dadurch werden sie endlos lang. Vor allem für diejenigen, die nicht vertraut sind mit der Behördensprache, ist es schwer, genau die 2-3 Zeilen eines 4-seitigen Formulars zu finden, die man ausfüllen möchte.

    Die "Standard-Elster" Software ist für mich persönlich eine Zumutung.

    Wobei man fairerweise sagen muss, dass man es als Angestellter und Mieter, der nur ein paar Kapitalerträge (die ja dankenswerterweise Weise entweder freigestellt oder versteuernt sind) schon hinbekommt, seine paar Sachen wie Pendlerpauschale, Homeofficepauschale, Nebenkosten, Spenden, etc. einzutragen bzw. Die Werte vom Vorjahr zu überschreiben.

    Da ist Elster mittlerweile echt gut geworden.

    Trotzdem ist da Vorsicht geboten - ich kann mich an eine Steuererklärung entsinnen, da hatte die Software nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Einkünfte aus dem Vorjahr übernommen, die ich dann im betreffenden Steuerjahr nicht mehr hatte.
    Die Suche nach dem Fehler hatte mich mehrere Stunden gekostet.

    Ja, ich weiß, das Problem sitzt immer vor dem PC :cursing:

    Eine ordentliche Steuersoftware mag eine verständlichere Sprache nutzen und durch gezielte Fragen nur die passenden Felder herausfiltern, schreckt aber vielleicht durch ihre Gebühren einkommensschwächere Personen ab.

    Für eine "normale" Steuererklärung mit Mieteinkünften etc. reicht das Programm, das jährlich kurz vor dem Jahresende von einem großen Discounter (A***) online zum Kauf angeboten wird. Das kostet keine € 10,00 und führt einen -für meine Begriffe- komfortabel durch das "Steuerdickicht".

  • Eine ordentliche Steuersoftware mag eine verständlichere Sprache nutzen und durch gezielte Fragen nur die passenden Felder herausfiltern, schreckt aber vielleicht durch ihre Gebühren einkommensschwächere Personen ab.

    Die für 4,99 € bei den beiden großen Discountern tut für diese Standardfälle, was sie soll. Sie bietet eben genau diese Führung durch den Dschungel, indem sie am Anfang ein paar Fragen stellt - Kinder ja/nein, selbstständig oder angestellt, Kapitalerträge ja/nein, Einnahmen aus Vermietung ja/nein - und dann nur noch nach den Infos fragt, die für diese Fälle benötigt werden.
    Und dazu schlägt sie die Pauschalen vor, die üblicherweise anerkannt werden (Arbeitsmittel, Kontoführung...). Allein darüber dürfte sich eine Erstattung ergeben, die die "Investition" von 4,99 € überkompensiert.

  • Statt einem derartigen "Pilotprojekt" - "Finanzamt erstellt Steuererklärung" - eines Bundeslandes (Hessen) fände ich (und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur ich ...) eine grundlegende sprich strukturelle Reform des deutschen Steuerrechts deutlich zielführender.


    Symptomatisch nach meinen Erfahrungen:

    Wenn mir beispielsweise ein renommierter Professor für Steuerrecht (!) sagt, daß er sich seine eigene Steuererklärung selbst nicht zutraut (er hat einige Nebeneinnahmen sowie einige Investments) und lieber einen Steuerberater in Anspruch nimmt und auch bezahlt (der gute Mann ist ansonsten sehr kostenbewußt und preissensibel), dann sagt dies einiges bzw. viel über das deutsche Steuerrecht aus ...

    Das deckt sich vollumfänglich mit meinen eigenen Erfahrungen - tendenziell komplexes, teilweise hochkomplexes und teilweise vermintes Terrain - über die Jahrzehnte hinweg. Seit dem Jahr 1974 bediene ich mich (notgedrungen) dabei professioneller sprich bezahlter Hilfe.

    Ob der Jurist und Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach mit seiner forsch-strammen Aussage gestern bei Markus Lanz richtig liegt, vermag ich nicht zu beurteilen (als Jurist kann man ihn aufgrund seiner profunden Kenntnisse und langjähriger Erfahrungen durchaus schätzen - von Ökonomie oder Steuern scheint er mir aber eher wenig Ahnung zu haben; "Judex non calculat" könnte da passen ...).

    "Von 165 Ländern sind wir auf Platz Nr. 165, was die Komplexität unseres Steuerrechts angeht. Wir haben das kompliziertes Steuerrecht der Welt"

    Nichtsdestotrotz oder auf welchem Platz auch immer Deutschland dabei landen mag: Jedenfalls dürfte sich Deutschland da in der Spitzengruppe der Länder wiederfinden, die Komplexität des Steuerrechts betreffend.

    Unabhängig davon: Eine Unternehmenssteuerreform ist seit sehr vielen Jahren ohnehin überfällig (die letzte stammt nach meiner Erinnerung aus dem Jahr 2008 und liegt damit 17 Jahre zurück ...), da die deutsche Unternehmensbesteuerung im internationalen Vergleich kaum noch als wettbewerbsfähig zu bezeichnen ist.

    In dem Kontext:

    Umso komplexer solche Systeme ausgestaltet sind (mit dem Ziel möglichst hoher Einnahmen bei dennoch möglichst hoher Einzelfallgerechtigkeit feinst-ziseliert bis ins Mikroskopische - das deutsche Steuerrecht und das SGB sind da idealtypische Beispiele) desto eher lohnt es sich dann sich dabei auf den Weg nach "Gestaltungen" - im Rahmen des Erlaubten im "regulatorischen Gestrüpp" - zu begeben. Was dann in der Regel auch passiert.

    Vorteilhaft kann sich diese Komplexität tendenziell eher für denjenigen auswirken, der sich professionelle Beratung leisten kann. Von anderen Aspekten - Fehlanreizen, Arbeits- und Zeitaufwand für steuerliche Belange, fehlender Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich usw. - ganz abgesehen.

    Eine grundlegende strukturelle Steuerreform wäre daher nach meinem Dafürhalten um Längen zielführender als solche "Pilot-" oder "Leuchtturmprojekte" eines einzelnen Bundeslandes.


    Wie bei so vielen Themen hierzulande dürfte da auch bei dem Thema inzwischen gelten:

    Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  • Vorteilhaft kann sich diese Komplexität tendenziell eher für denjenigen auswirken, der sich professionelle Beratung leisten kann. Von anderen Aspekten - Fehlanreizen, Arbeits- und Zeitaufwand für steuerliche Belange, fehlender Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich usw. - ganz abgesehen.

    Ob wir wirklich auf dem letzten Platz liegen, vermag ich nicht zu beurteilen, aber am unteren Ende sind wir ganz sicher zu finden.

    Die haarkleine Einzelfallgerechtigkeit ist nur eine Schein-Gerechtigkeit. Keine Gesetzgebung kann jeden Einzelfall abdecken und wenn der ganz spezielle Einzelfall einen Hauch neben der Einzelfallregelung liegt, ist man außen vor.

    Und das führt eben dazu, dass viele das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden. Ich sehe das nicht als Gefühl, sondern als Tatsache. Ein Jurist würde mich wohl belehren, dass das gesetzlich so vorgesehen ist. Kann ja sein, aber Recht und gerecht sind nicht zwangsläufig deckungsgleich.

  • Und das führt eben dazu, dass viele das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden.

    Ist es nicht gerade so, dass ein einfaches Steuersystem viele Ungerechtigkeiten beinhaltet? Das wollen wir vermeiden und daher gibt es immer kompliziertere Sonderlocken?

    Müssten wir nicht vielmehr sagen: Ja, wir akzeptieren viele Ungerechtigkeiten, damit es einfach und verständlich wird?

  • Müssten wir nicht vielmehr sagen: Ja, wir akzeptieren viele Ungerechtigkeiten, damit es einfach und verständlich wird?

    Ich denke, dass "einfach" kein Widerspruch zu "gerecht" ist. Das würde beides zusammen gehen, man müsste aber vermutlich vieles aus dem Steuersystem nehmen, was nur reingebracht wurde, um eine Lenkungswirkung zu erzielen. Ein Beispiel ist die Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen. Da ging es um Schwarzarbeit und nicht darum, dass es so toll ist, wenn ich meine Wohnung von einer Reinigungskolonne tipptopp halten lasse.