Das Wichtigste in Kürze
- Kurzarbeiter-, Arbeitslosen- und Elterngeld sowie andere Lohnersatzleistungen unterliegen dem sogenannten Progressionsvorbehalt und erhöhen deshalb den Steuersatz.
- Hast Du in einem Jahr mehr als 410 Euro an steuerfreien Lohnersatzleistungen erhalten, musst Du im Folgejahr eine Steuererklärung abgeben.
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Viele staatliche Sozialleistungen sind steuerfrei. Sie können dennoch Deine Steuerlast erhöhen. Das liegt am Progressionsvorbehalt. Er führt dazu, dass Du für dein zu versteuerndes Einkommen meist einen höheren Steuersatz hast als wenn Du keine solche steuerfreien Lohnersatzleistungen beziehst. Warum das so ist und wann Du auch noch eine Steuererklärung machen musst, sagen wir Dir in diesem Ratgeber.
Was ist der Progressionsvorbehalt?
Der Progressionsvorbehalt sorgt dafür, dass einige steuerfreie Einkünfte wie das Arbeitslosengeld den Steuersatz Deines steuerpflichtigen Einkommens erhöhen können.
Umgekehrt gilt für bestimmte negative Einkünfte wie ausländische Verluste, dass diese den Steuersatz senken können. In diesem Fall spricht man vom negativen Progressionsvorbehalt.
Für welche Leistungen gilt der Progressionsvorbehalt?
Alle steuerfreien Einkünfte unter Progressionsvorbehalt sind im Einkommensteuergesetz aufgezählt (§ 32b EStG). Die Liste umfasst zum Beispiel die folgenden Lohnersatzleistungen:
- Arbeitslosengeld I
- Elterngeld
- Mutterschaftsgeld und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld
- Kurzarbeitergeld
- Aufstockungsbeträge des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld
- Insolvenzgeld
- Übergangsgeld für Behinderte
- Krankengeld und Kinderkrankengeld
- Verletztengeld
- Entschädigungen für Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz
- Aufstockungsbetrag bei Altersteilzeit
Dem Progressionsvorbehalt unterliegen auch bestimmte im Ausland erzielte Einkünfte, die gemäß Doppelbesteuerungsabkommen hierzulande steuerfrei sind.
Die Aufzählung in Paragraf 32b EStG ist abschließend. Das heißt: Alles, was dort nicht aufgeführt ist, beispielsweise Arbeitslosengeld II, steht nicht unter Progressionsvorbehalt.
Warum gibt es den Progressionsvorbehalt?
Der Progressionsvorbehalt stellt das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Steuerrecht sicher. Deshalb haben wir in der Einkommensteuer einen progressiven Tarifverlauf. Das heißt, der Steuersatz steigt mit dem zu versteuernden Einkommen.
Auch die steuerfreien Einnahmen, die diesem Progressionsvorbehalt unterliegen, verbessern die Leistungsfähigkeit des Empfängers oder der Empfängerin. Um das zu berücksichtigen, aber gleichzeitig die Lohnersatzleistungen steuerfrei zu belassen, ermittelt das Finanzamt einen besonderen Steuersatz.
Wie wird der besondere Steuersatz beim Progressionsvorbehalt ermittelt?
Die prinzipielle Berechnung des besonderen Steuersatzes ist nicht so kompliziert. Du rechnest wie folgt:
- Schritt 1: zu versteuerndes Einkommen + Lohnersatzleistungen = Gesamteinkommen
- Schritt 2: Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes für dieses Gesamteinkommen - das ist dann auch schon der besondere Steuersatz
- Schritt 3: Anwendung dieses höheren, besonderen Steuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen - ohne die Lohnersatzleistungen
Das bedeutet, dass “nur” das steuerpflichtige Einkommen höher besteuert wird als ohne Lohnersatzleistungen.
Wie wirkt sich der Progressionsvorbehalt aus?
Welche steuerlichen Folgen der Progressionsvorbehalt hat, zeigt ein Beispiel mit Kurzarbeit für die Einkommensteuer im Jahr 2024:
Michael ist Single und hat nach Abzug von Werbungskosten und Sonderausgaben ein zu versteuerndes Einkommen (zvE) von 30.000 Euro. Hierfür müsste er 4.412 Euro Einkommensteuer zahlen.
Im Lauf des Jahres 2024 erhält er aber zusätzlich 15.000 Euro Kurzarbeitergeld. Das steht unter Progressionsvorbehalt. Deshalb muss das Finanzamt für das Gesamteinkommen von 30.000 + 15.000 = 45.000 Euro den Durchschnittssteuersatz berechnen.
Für 45.000 Euro beträgt die Einkommensteuer 9.121 Euro. Das ergibt einen besonderen Steuersatz von 20,2689 Prozent - mit der Rechnung 9.121 Euro x 100 / 45.000 Euro.
Dieser besondere Steuersatz wird nun auf das zu versteuernde Einkommen von 30.000 Euro angewendet, woraus sich eine Einkommensteuer von 6.080 Euro ergibt. Wir haben die Rechnung und die Ergebnisse für Dich in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Tabelle zum Beispiel Kurzarbeit im Jahr 2024
zu versteuerndes | Kurzarbeitergeld | Gesamt- | Steuer- | Einkommen- |
|---|---|---|---|---|
| 30.000 € | 0 € | 30.000 € | 14,71 % | 4.412 € |
| 30.000 € | 15.000 € | 45.000 € | 20,27 % | 6.080 € |
| Differenz |
| 1.668 € |
Quelle: Finanztip-Berechnung mit BMF-Steuerrechner (Stand: 1. Dezember 2025)
Das Kurzarbeitergeld führt in diesem Fall dazu, dass Michaels Steuer um 1.668 Euro höher ausfällt als ohne Lohnersatzleistung. Hinzu kommt eventuell noch eine Mehrbelastung bei der Kirchensteuer und bei sehr hohen Einkommen beim Solidaritätszuschlag.
Wichtig: Das Beispiel funktioniert analog mit anderen Lohnersatzleistungen wie Kranken- und Elterngeld.
Du siehst: Es kann schnell passieren, dass Du bei erhaltenen Lohnersatzleistungen mehr Steuern zahlen musst. Und abgerechnet wird auch bei der Steuer am Schluss, also mit der Steuererklärung. Das bedeutet unter Umständen eine Steuernachzahlung. Das sollten Bezieher von Lohnersatzleistungen berücksichtigen und, falls möglich, Geld dafür zurücklegen.
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Gibt es einen Progressionsvorbehalt-Rechner?
Ja, Du kannst schnell berechnen, wie viel der Progressionsvorbehalt konkret bei Dir ausmacht. Generell hängt das vor allem von der Höhe Deines steuerpflichtigen Einkommens und Deiner Lohnersatzleistungen ab.
Du hast zwei Möglichkeiten zu erfahren, wie sich der Progressionsvorbehalt auf Deine persönliche Steuerlast auswirkt:
- Entweder Du wartest bis zum Steuerbescheid im folgenden Jahr, was natürlich mit einer bösen Überraschung enden kann.
- Oder Du nutzt den Progressionsvorbehalt-Rechner des Bayerischen Landesamts für Steuern. Alternativ kannst Du auch den Steuerrechner des Bundesfinanzministeriums nutzen.
Beachte dabei, dass sich der Rechner eher für einfache Sachverhalte eignet. Zudem musst Du Dein zu versteuerndes Einkommen kennen oder zumindest abschätzen können. Ein Progressionsvorbehalt-Rechner bietet Dir aber auf jeden Fall einen ungefähren Anhaltspunkt, ob Du im nächsten Jahr Steuern nachzahlen musst.
Wann musst Du Steuern nachzahlen?
Die Frage, ob Du Steuern nachzahlen musst, hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel:
- wie viel Lohnsteuer bereits abgeführt wurde
- wie lange Du in Kurzarbeit warst
- ob Du während der Kurzarbeit überhaupt nicht oder noch teilweise arbeitest
- welche Ausgaben Du steuerlich absetzen kannst
- ob Ihr Euch einzeln oder zusammen als Ehepaar veranlagen lässt
Wenn ein Partner oder eine Partnerin Lohnersatzleistungen erhalten hat, kann es sein, dass unterm Strich weniger Steuern zu zahlen sind, wenn beide jeweils eigene Steuererklärungen abgeben. Dies kannst Du mit einem Steuerprogramm im konkreten Fall berechnen. Auch die Wirkung des Progressionsvorbehalts kannst Du damit näherungsweise berechnen.
Musst Du eine Steuererklärung machen?
Ja, in den meisten Fällen musst Du eine Steuererklärung machen, wenn Du steuerfreie Lohnersatzleistungen erhalten hast. Das passiert, wenn Du in dem Jahr mehr als 410 Euro Leistungen bezogen hast, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
Denn dann fällst Du unter die sogenannte Pflichtveranlagung. Die Abgabefrist für die Steuererklärung endete für das Steuerjahr 2024 bereits am 31. Juli 2025.
Hast Du 2025 Lohnersatzleistungen von mehr als 410 Euro erhalten, musst Du die Steuererklärung für das Jahr 2025 spätestens am 31. Juli 2026 abgegeben haben. Alle Termine findest Du in unserem Ratgeber zur Frist der Steuererklärung.
Achtung: Es hat keinen Zweck, die Lohnersatzleistungen in den Steuererklärung zu verschweigen oder gar keine Steuererklärung zu machen. Denn Arbeitgeber und andere Stellen, die Lohnersatzleistungen auszahlen, müssen die Zahlungen an die Finanzverwaltung melden. Deshalb liegen diese dem Finanzamt in der Regel als elektronische Daten vor.
Wie kannst Du Lohnersatzleistungen erhöhen?
Du kannst es bei einigen Lohnersatzleistungen schaffen, dass diese höher ausfallen, als Du annimmst. Das ist möglich, wenn Du Deine Steuerklasse änderst. Klassische Beispiele dafür sind das Kurzarbeitergeld, das Elterngeld und das Arbeitslosengeld.
Dabei nutzt Du generell aus, dass die Basis für die Berechnung der jeweiligen Lohnersatzleistung Dein Nettolohn ist. Und dessen Höhe hängt von der Wahl der Steuerklasse ab.
Warum ist die Wahl der Steuerklasse bei Kurzarbeit wichtig?
Das Kurzarbeitergeld wird nach einem pauschalierten Nettolohn berechnet. Folglich hängt die Höhe des Kurzarbeitergeldes von der auf der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse ab.
Verheiratete haben die Wahl zwischen mehreren Steuerklassen: 3 und 5, 4 und 4 sowie 4 mit Faktor. Wenn bei einem Ehepaar bei einem Partner Kurzarbeit ansteht, dann sollte dieser eine steuergünstigere Lohnsteuerklasse haben, zum Beispiel 3 oder 4. In der Steuerklasse 5 fällt der Nettolohn viel niedriger aus und dementsprechend auch das Kurzarbeitergeld. Bereits abgerechnete Monate können nicht rückwirkend korrigiert werden.
Betroffene sollten daher zum frühestmöglichen Zeitpunkt bei ihrem Finanzamt einen „Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung inklusive der Anlage Steuerklassenwechsel“ stellen und damit die Steuerklasse ändern. Im Folgemonat sollten dann bei beiden Ehepartnern die neuen beantragten Steuerklassen auf der jeweiligen elektronischen Lohnsteuerkarte stehen. Seit 2020 können Steuerpflichtige mehrmals im Jahr die Steuerklasse ändern lassen.
Warum solltest Du bei Steuerklasse 5 handeln?
Kurzarbeitende Mütter und Väter mit Steuerklasse 5 sollten auf jeden Fall einen Steuerklassenwechsel in die 3 oder 4 erwägen. Denn bei ihnen steht kein Kinderfreibetrag auf der Lohnsteuerkarte, nur beim Partner. Folglich zahlt der Arbeitgeber nur 60 Prozent Kurzarbeitergeld aus. Den erhöhten Satz für Eltern von 67 Prozent bekommst Du, wenn der Kinderfreibetrag eingetragen ist. Das ist bei Steuerklasse 3 und 4 möglich.
Alternativ kannst Du oder der Arbeitgeber eine Bescheinigung bei der Agentur für Arbeit beantragen, in der Deine Kinder eingetragen sind.
Was solltest Du bei Eltern- und Arbeitslosengeld beachten?
Der Progressionsvorbehalt greift bei anderen Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosen- und Elterngeld auf die gleiche Art und Weise. Interessant ist auch hier die Möglichkeit, mit ein bisschen steuerlichem Geschick wie beim Kurzarbeitergeld die monatlichen Beträge für das Eltern- oder Arbeitslosengeld erhöhen zu können.
Wenn Du also absehen kannst, dass Du in absehbarer Zukunft Vater, Mutter oder arbeitslos wirst, wechsle rechtzeitig in eine günstigere Steuerklasse. Das geht natürlich nur, wenn Du verheiratet bist oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bist. Mehr dazu liest Du im Ratgeber Steuerklasse ändern.
Was ist negativer Progressionsvorbehalt?
Einkünfte unter Progressionsvorbehalt können auch negativ sein. Bringen Dir zum Beispiel Geldanlagen im Ausland Verluste ein, werden diese bei der Berechnung des Steuersatzes von Deinem zu versteuernden Einkommen abgezogen. Es kommt zu einem negativen Progressionsvorbehalt.
Das gilt auch, wenn der Staat gezahlte Transferleistungen zurückfordert. Dann drückt der negative Progressionsvorbehalt Deinen Steuersatz und mindert somit Deine Steuerlast.
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