Scala Sparvertrag Die Sparkasse Ulm führt die Scala-Verträge fort

Expertin für Recht - Dr. Britta Beate Schön
Dr. Britta Beate Schön
Finanztip-Expertin für Recht

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Sparkasse Ulm hat zwischen 1993 und 2005 sogenannte Scala-Vorsorge-Sparverträge angeboten. Diese hatten eine variable Grundverzinsung und attraktive Bonuszinsen.
  • Die Sonderzins-Vereinbarung hatte eine Laufzeit von bis zu 25 Jahren. Zudem konnte der Sparer die Sparraten bis auf 2.500 Euro monatlich erhöhen.
  • In der anhaltenden Niedrigzinsphase sah sich die Sparkasse nicht mehr in der Lage, diese Verträge fortzuführen.
  • Nach mehreren Gerichtsverfahren hat sich die Sparkasse mit den Sparern einvernehmlich geeinigt.
  • Auch andere Banken und Sparkassen versuchen, langfristige Sparverträge zu beenden. Die VR Bank Nürnberg teilte nach Abmahnung durch den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mittlerweile mit, dass sie zuvor ausgesprochene Kündigungen von langfristigen, gut verzinsten Sparplänen zurücknehme.

Die Sparkasse Ulm hat mit ihren Scala-Verträgen für großen Wirbel gesorgt. Es ging zwar nur um rund 4.000 Kunden in Baden-Württemberg, aber im Prinzip hat das Geldinstitut einen empfindlichen Nerv aller Sparer in Deutschland getroffen: Die anhaltende Niedrigzinsphase verunsichert viele. Nicht nur Bausparkassen kündigen lukrative Altverträge, auch die Sparkasse Ulm wollte ihre hochverzinsten Spar-Verträge abändern – und das hat mehrere Gerichte beschäftigt. Anfang Februar 2016 haben sich beide Seiten einvernehmlich geeinigt.

Auch andere Institute versuchen, langlaufende Sparverträge loszuwerden. Sie kündigen ihren Sparern, zum Beispiel die Raiffeisenbank Nürnberg zum Ende des Jahres 2016.

Hintergrund zu den Scala-Verträgen

Das Geldinstitut in Ulm hat zwischen 1993 und 2005 Sparern besondere Spar-Verträge angeboten und damit reichlich Einlagen eingesammelt. Es handelte sich um Ratensparverträge mit variabler Grundverzinsung und festen, laufzeitabhängigen Zusatzzinsen.

In einem Werbeflyer zum „Vorsorgesparen Scala“ hatte die Sparkasse ein Beispiel angegeben, wonach ein Kunde, der monatlich 100 D-Mark anspart, nach 25 Jahren eine Summe von rund 70.000 Mark ausbezahlt bekommt. Zur Einzahlungssumme von insgesamt 30.000 Mark sollten rund 40.000 Mark Zinsen hinzukommen. Das entspricht einer effektiven Verzinsung von über 6 Prozent. Die Sonderzinsvereinbarung hatte eine Laufzeit bis zu 25 Jahren. Die Mindestrate belief sich auf 50 Mark, die Sparer konnten aber die Rate auf bis zu 5.000 Mark erhöhen.

Viele Verbraucher fanden diese Berechnung offenbar überzeugend: Rund 21.000 Kunden brachten ihr Geld monatlich zur Sparkasse Ulm. Seit Beginn der Niedrigzinsphase nutzten viele die Möglichkeit, die monatliche Sparrate zu erhöhen. Das ging einige Jahre gut, bis sich das Geldinstitut im September 2013 „wegen der besonderen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank“ nicht mehr in der Lage sah, die Verträge fortzuführen.

Anstatt die Verträge zu kündigen, unterbreitete die Bank ihren Kunden ein Angebot und hoffte auf Zustimmung. Als Alternative bot sie unter anderem für damalige Verhältnisse hohe Zinsen von 3,25 Prozent bei einer weiteren Laufzeit von knapp 7 Jahren oder Zinsen von 3,75 Prozent für weitere 4 Jahre. Etwa 14.000 Kunden entschieden sich für eine der Alternativen bei der Sparkasse.

Einige Verträge sind bereits ausgelaufen oder laufen demnächst aus; ungefähr 4.000 Kunden wollten beim alten Vertrag bleiben.

Das haben die Gerichte zu den Verträgen gesagt

Einige Fragen rund um die Scala-Verträge hat das Landgericht Ulm bereits in einem Urteil am 26. Januar 2015 entschieden (Az. 4 O 273/13). Um diese Fragen ging es:

Darf die Sparkasse eine Erhöhung der monatlichen Sparraten ablehnen?

Bis zum Herbst 2012 hat die Sparkasse Ratenerhöhungen akzeptiert, danach verweigert. Aus dem Werbeflyer ergebe sich kein Anspruch darauf, dass die Bank einer Ratenerhöhung zustimmen muss, erläuterte das Geldinstitut.

Die Richter entschieden, dass die Sparer jederzeit die Sparraten erhöhen dürfen. Der Werbeflyer gehöre nämlich zu den Vertragsdokumenten. Ein solches Ansinnen der Kunden ist auch kein Missbrauch geltenden Rechts.

Darf die Sparkasse den Vertrag ordentlich kündigen?

Obwohl die Sparkasse keinen Vertrag gekündigt hat, hatte sich das Landgericht Ulm im Januar 2015 mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Kündigung rechtlich zulässig ist. Die Kunden der Sparkasse waren erheblich verunsichert, ob der Vertrag weiterbestehen kann oder nicht. Deshalb wollten sie vom Gericht auch eine mögliche Kündigung rechtlich überprüfen lassen.

Urteil des Landgerichts Ulm - Die Antwort war eindeutig: Nein, die Sparkasse darf die Scala-Verträge nach Auffassung der Ulmer Richter nicht ordentlich kündigen. Das geht erst nach Ablauf der 25-jährigen Einzahlungszeit.

Über die Begründung kann man streiten. Letztlich geht es um die Frage, ob auf den Sparvertrag die Regeln des Darlehensrechts anzuwenden sind, da der Sparer dem Geldinstitut gewissermaßen einen umgekehrten Kredit gewährt. Dann müsste es aber der Sparkasse auch möglich sein, den Vertrag entsprechend zu kündigen (§ 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz BGB), meinte die Bank.

Die Richter stellten zwar fest, dass es sich bei dem Scala-Vertrag grundsätzlich um einen solchen Vertrag im Sinne der gesetzlichen Kündigungsvorschrift handele, die Anwendung würde aber dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Deshalb sei die gesetzliche Kündigungsregelung auf die Verträge der Sparkasse Ulm trotz des Wortlauts gerade nicht anzuwenden.

Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart - Die Sparkasse Ulm hatte gegen die Urteile Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat der Bank mittlerweile eine Absage erteilt und den Verbrauchern Recht gegeben (Urteile vom 23. September 2015, Az. 9 U 31/15 und 9 U 48/15). Die Kunden durften auf den Verkaufsprospekt vertrauen und können daher ihre Raten ohne Zustimmung der Sparkasse auf bis zu 2.500 Euro monatlich erhöhen. Die Sparkasse könne nicht vor Ablauf von 25 Jahren kündigen oder wegen der Niedrigzinsphase die Verträge einfach ändern, so das Gericht.

Wie sind die variablen Zinsen zu berechnen?

In weiteren Verfahren vor dem Landgericht Ulm ging es vor allem um Fragen der Verzinsung und darum, ob die Sparkasse die variablen Grundzinsen richtig berechnet hat. In den Verträgen fehlte eine wirksame Regelung, wie die Zinsen angepasst werden müssen. Der klagende Sparer hatte eine Zinsanpassung gefordert, die sicherstellt, dass die Zinsen nicht ins Minus fallen können. Das Gericht in Ulm hat am 7. August 2015 zugunsten der Verbraucher entschieden: Die Sparkasse muss die Zinsen somit neu berechnen (Az. 4 O 377/13). Dabei hat sie die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zu beachten, wie der Vertrag auszulegen ist, falls die Zinsänderungsklausel unwirksam ist (Urteil vom 17. Februar 2004, Az. XI ZR 140/03). Die Kläger können auf Zinsnachzahlungen hoffen.

Einigung mit den Kunden - Im Februar 2016 haben sich die Sparer mit der Sparkasse einvernehmlich geeinigt. Die Urteile sind deshalb nicht rechtskräftig geworden. Die noch bestehenden Verträge werden fortgeführt, andere Sparer haben sich für Alternativangebote entschieden.

Das könnten die Auswirkungen des Streits sein

Der Scala-Streit hatte überregionale Bedeutung. Auch andere Banken und Sparkassen haben nämlich Ratensparpläne mit festen Bonuszinsen angeboten und versuchen mittlerweile, diese zu kündigen. Zuletzt untersuchten die Martwächter Finanzen etwa die Kündigung von Sparverträgen durch die Volksbank Raiffeisenbank Nürnberg und erzielten einen Erfolg: In einem lokalen Pressegespräch teilte die Volksbank Raiffeisenbank Nürnberg eG mittlerweile mit, dass sie zuvor ausgesprochene Kündigungen von langfristigen, gut verzinsten Sparplänen zurücknimmt

Auch Kunden der Kreissparkasse Stendal berichten den Marktwächtern aktuell von Kündigungen. Wer von einer Kündigung betroffen ist, sollte sich dagegen wehren.

Alle, die heute monatlich einen festen Betrag über einen längeren Zeitraum sparen wollen, sollten sich über einen ETF-Sparplan informieren.

Mehr dazu im Ratgeber ETF-Sparplan

Zum Ratgeber

* Was der Stern bedeutet:

Finanztip gehört zu 100 Prozent der gemeinnützigen Finanztip Stiftung. Die hat den Auftrag, die Finanzbildung in Deutschland zu fördern. Alle Gewinne, die Finanztip ausschüttet, gehen an die Stiftung und werden dort für gemeinnützige Projekte verwendet – wie etwa unsere Bildungsinitiative Finanztip Schule.

Wir wollen mit unseren Emp­feh­lungen möglichst vielen Menschen helfen, ihre Finanzen selber zu machen. Daher sind unsere Inhalte kostenlos im Netz verfügbar. Wir finanzieren unsere aufwändige Arbeit mit sogenannten Affiliate Links. Diese Links kennzeichnen wir mit einem Sternchen (*).

Bei Finanztip handhaben wir Affiliate Links aber anders als andere Websites. Wir verlinken ausschließlich auf Produkte, die vorher von unserer unabhängigen Experten-Redaktion emp­foh­len wurden. Nur dann kann der entsprechende Anbieter einen Link zu diesem Angebot setzen lassen. Geld bekommen wir, wenn Du auf einen solchen Link klickst oder beim Anbieter einen Vertrag abschließt.

Ob und in welcher Höhe uns ein Anbieter vergütet, hat keinerlei Einfluss auf unsere Emp­feh­lungen. Was Dir unsere Experten empfehlen, hängt allein davon ab, ob ein Angebot gut für Verbraucher ist.

Mehr Informationen über unsere Arbeitsweise findest Du auf unserer Über-uns-Seite.

Mit Deinem Beitrag unterstützt Du uns bei der unabhängigen Recherche für unsere Ratgeber.

Fördere die finanzielle Bildung in Deutschland. Mit Deinem Beitrag hilfst Du uns, noch mehr Menschen zu erreichen.