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Tipps & Tricks Daily

120 Jahre alt werden, damit sich eine private Ren­ten­ver­si­che­rung lohnt

Die gesetzliche Rente alleine ist zu wenig – aber private Zu­satz­ver­si­che­rung­en werden immer uninteressanter.

Philipp Heinemann
Finanztip-Experte

"Private Ren­ten­ver­si­che­rungen lohnen nur noch für Schildkröten!” Zu diesem relativ vernichtenden Ergebnis kommt die Verbraucherzentrale Hamburg, die private Ren­ten­ver­si­che­rungen auf den “Rentenfaktor” getestet hat. Dieser Rentenfaktor legt fest, wie viel Rente man im Monat bekommt pro 10.000€, die in der Ren­ten­ver­si­che­rung stecken. Einfach gesagt: Je höher der Faktor, desto mehr Rente bekommst Du später für das Geld, das Du angespart hast. 

Das Problem: Der Rentenfaktor für neue Verträge ist in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. Mittlerweile ist er häufig so niedrig, dass Du das eingezahlte Geld erst wieder rausbekommst, wenn Du über 100 Jahre alt wirst. Am schlimmsten ist es laut Verbraucherzentrale Hamburg bei der Allianz: Hier lohnt sich ein Produkt erst, wenn man mindestens 125 Jahre alt wird. 

Ein Beispiel: Siggi hat eine private Ren­ten­ver­si­che­rung mit einem Rentenfaktor von 25 abgeschlossen. Als er in Rente geht, sind 100.000€ in der Ren­ten­ver­si­che­rung drin. Er bekommt also 250€ im Monat Rente ausbezahlt. Die 100.000€ hätte er erst nach 400 Monaten, also nach gut 33 Jahren wieder rausbekommen. Würde Siggi mit 67 in Rente gehen, müsste er dafür über 100 Jahre alt werden. 

Noch länger dauert es für Siggi, wenn er die Inflation von 2% pro Jahr (Inflationsziel der EZB) mit einrechnet. Dann lässt sich Siggi zwar jeden Monat 250€ ausbezahlen, die sind aber jedes Jahr immer weniger wert. Nach zwei Jahren zum Beispiel nur noch rund 240€. Siggi bräuchte also noch mehr Monate, um sich wirklich das Gleiche kaufen zu können wie für seine 100.000€ mit 67. Nämlich genau 652,92 Monate (54 Jahre). Siggi müsste bei einem Renteneintritt von 67 Jahren mindestens 121 Jahre alt werden. 

Immerhin: Bei dieser Rechnung ist nicht die laufende Verzinsung mit einberechnet, die Siggi im Ruhestand auf das Kapital bekommt, das er sich noch nicht hat auszahlen lassen. Diese Zinsen sind aber nicht garantiert. Realistischerweise kannst Du davon ausgehen, dass die Verzinsung nach Abzug von Kosten des Versicherers für rund 1% Inflationsausgleich sorgt. Siggi aus unserem Beispiel müsste demnach nicht unbedingt 121 Jahre, sondern eher um die 110 Jahre alt werden, damit sich seine private Ren­ten­ver­si­che­rung auf jeden Fall lohnt. 

Soweit die Untersuchung der Verbraucherzentrale. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Versicherer in der Regel beim Rentenfaktor sehr vorsichtig kalkulieren. Genauso wie es vorkommen kann, dass Dein Versicherer Deinen Rentenfaktor nach unten setzt, kann er ihn auch nach oben korrigieren. Darauf solltest Du aber auf keinen Fall spekulieren. 

Was heißt das nun, wenn Du … 

… eine private Ren­ten­ver­si­che­rung abschließen möchtest? 
Überleg es Dir zweimal. Natürlich gibt es bessere und schlechtere Anbieter und Produkte. Wir bei Finanztip halten eine private Ren­ten­ver­si­che­rung nicht für nötig. Einerseits weil Du Dir damit die oft hohen Abschluss- und laufenden Gebühren eines solchen Vertrags sparst. Der enthält außerdem viele komplizierte Klauseln, die Du wahrscheinlich nie ganz verstehen wirst. Und Du solltest Deine Altersvorsorge immer so gut wie möglich verstehen. 

Andererseits weil Du mit einem weltweit gestreuten Aktien-ETF ab einer Anlagedauer von 15 Jahren eine starke Rendite (im langjährigen Schnitt 7% pro Jahr) erzielen kannst bei gleichzeitig niedrigeren Kosten. Und wenn Du im Alter maßvoll Geld aus dem ETF nimmst, kannst Du sehr lange davon leben – also auch kein großer Vorteil für eine private Ren­ten­ver­si­che­rung, die ja mit einer lebenslangen Rente wirbt. 

… bereits eine private Ren­ten­ver­si­che­rung hast? 
Es ist leider eine komplizierte Sache für Dich herauszufinden, ob sich Deine alte Rentenpolice noch lohnt oder nicht. Aber trau Dich ruhig mal an die Unterlagen heran: Leg mal mindestens drei Jahresabrechnungen nebeneinander und vergleiche Deine Einzahlungen mit den jeweiligen Vertragswerten sowie ggf. mit der Entwicklung der Fonds, sofern welche in der Ver­si­che­rung drin sind. Dann gewinnst Du zumindest einen Eindruck von den laufenden Kosten. Die Abschlusskosten sind meistens nach den ersten fünf Jahren abbezahlt. Und findest Du einen deutlich höheren Rentenfaktor als 25 in Deinem Vertrag, dann ist das durchaus ein Pluspunkt – aber nicht der einzig ausschlaggebende. Ist Dein Vertrag mehrere Zehntausend Euro wert, lohnt es sich für Dich unter Umständen, gegen ein Honorar eine Einschätzung eines Ver­si­che­rungsberaters oder einer Verbraucherzentrale einzuholen. 

Eine private Ren­ten­ver­si­che­rung empfehlen wir Dir also nicht unbedingt - ein paar andere Ver­si­che­rungen dafür aber schon. Welche das sind, erfährst Du hier.

 

mgr

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