Barunterhalt im Wechselmodell Wenn das Kind abwechselnd bei Vater und Mutter wohnt
Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Viele Eltern betreuen nach einer Trennung die Kinder heute gemeinsam. Das Wechselmodell scheint dafür eine gute Lösung zu sein. Wie funktioniert es und was bedeutet es für den Unterhalt?
Nach einer Trennung der Eltern leben die meisten Kinder entweder beim Vater oder bei der Mutter. Den anderen Elternteil sehen sie nur an jedem zweiten Wochenende und in der Hälfte der Ferien. Das ist das übliche Residenzmodell: Der eine betreut die Kinder, der andere zahlt für die Kinder.
Der Elternteil, bei dem das Kind nicht überwiegend wohnt, zahlt monatlich Unterhalt – den sogenannten Barunterhalt. Der andere kümmert sich um Kleidung, Wohnen, Essen, Krankenvorsorge, Taschengeld und Ähnliches. Damit leistet er Betreuungsunterhalt, auch Naturalunterhalt genannt.
Wie viel Barunterhalt der Vater oder die Mutter für die minderjährigen Kinder zahlen muss, ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle. Die Richter gehen bei der Einstufung davon aus, dass derjenige, der Unterhalt zahlt, sich an rund fünf Tagen im Monat um die Kinder kümmert und dabei auch Ausgaben für Essen, Wohnen und anderes hat. Solange Ihr den Umgang so geregelt habt, kann der Zahlende wegen seiner Ausgaben für die Kinder am Wochenende oder in den Ferien den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle nicht kürzen.
Vielleicht bedeutet für Euch das Wechselmodell den Idealfall: Ihr wollt beide durch die Trennung den engen Kontakt zu den Kindern nicht verlieren und die Betreuung der Kinder gerecht aufteilen. Die Kinder halten sich abwechselnd bei Euch beiden auf, zum Beispiel einige Wochentage bei der Mutter und einige Wochentage beim Vater. In diesen Fällen leistet Ihr beide Naturalunterhalt, das heißt: Ihr betreut beide die Kinder, kocht oder kauft ein. In der Praxis scheitert das Wechselmodell oft an wenig flexiblen Arbeitszeiten. Das Modell klappt auch nur, wenn beide Eltern nach der Trennung weiter an einem Ort wohnen oder in der Nähe.
Wichtig: Von einem Wechselmodell spricht man nur, wenn die Eltern sich wirklich zu gleichen Teilen um die Kinder kümmern, beide etwa 15 Tage im Monat. Deshalb liegt kein Wechselmodell vor, wenn einer von Euch das Kind an zehn Tagen im Monat bei sich hat und der andere sich an 20 Tagen um das Kind kümmert (BGH, 21.12.2005, Az. XII ZR 126/03).
Für ein echtes Wechselmodell ist Kooperation und Kommunikation der Eltern erforderlich. Das Kammergericht Berlin hat in einem Fall kein Wechselmodell angenommen, obwohl der Vater das Kind zu 45 Prozent betreute und die Mutter zu 55 Prozent. Da zwischen den Eltern aber praktisch überhaupt keine Kommunikation stattfand, lag kein echtes Wechselmodell vor. Der Vater musste weiterhin Barunterhalt zahlen (KG Berlin, 15.04.2019, Az. 13 UF 89/16).
Einen Punkt sollten Eltern auch bedenken. Gegen den Willen der Kinder könnt Ihr das Wechselmodell nicht durchsetzen. Ein funktionierendes Umgangsmodell, das dem Willen der Kinder entspricht, wird das zuständige Gericht nicht abändern, nur weil ein Elternteil die Betreuung der Kinder gerechter aufteilen möchte (OLG Frankfurt, 06.07.2021, Az. 3 UF 144/20).
Doch viele Familien leben zunehmend ein asymmetrisches Wechselmodell, bei dem ein Elternteil sich deutlich stärker in die Betreuung einbringt als beim Residenzmodell. Dafür plante die Bundesregierung eigentlich auch eine neue Aufteilung des Unterhalts im Rahmen einer Unterhaltsreform. Das asymmetrische Wechselmodell setzt voraus, dass der Vater oder die Mutter zwischen 30 und 49 Prozent der Betreuung übernimmt. Entscheidend für die Betreuungsquote sind die Übernachtungen der Kinder. Verbringt das Kind von 365 Nächten im Jahr mehr als 110 Tage bei dem einen Elternteil und den Rest des Jahres bei dem anderen, dann sollte der Mitbetreuende weniger Unterhalt zahlen müssen.
Das Unterhaltsrecht soll in diesem Punkt reformiert werden, um auch für solche Familien gerechte Lösungen vorzuhalten, die weder im klassischen Residenzmodell noch im strikten Wechselmodell ihre Kinder betreuen. Bisher liegt nur ein Eckpunkte-Papier des Bundesjustizministeriums vor, wonach der mitbetreuende Elternteil in einem solchen Fall seine Unterhaltszahlung um 15 Prozent kürzen darf. Ein Gesetzentwurf dazu fehlt allerdings. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Bundesregierung nach den Neuwahlen im Frühjahr 2025 die Unterhaltsreform weiterverfolgen wird.
Habt Ihr Euch für das klassische Wechselmodell entschieden, hat das Auswirkungen auf den Unterhalt. Nach der Rechtsprechung ist es nicht so, dass im Wechselmodell beide nur noch Naturalunterhalt leisten durch Wohnen, Essen, Kleidung undsoweiter. Nur weil Ihr Euch die Kinderbetreuung teilt, entfällt nämlich der Anspruch auf Barunterhalt nicht. Auch im Wechselmodell muss ein Elternteil Unterhalt zahlen. Die Höhe wird allerdings anders berechnet (BGH, 21.12.2005, Az. XII ZR 126/03).
Betreut Ihr Eure Kinder im Wechsel, könnt Ihr den Unterhalt in sieben Schritten berechnen, die der Bundesgerichtshof vorschlägt (BGH, 11.01.2017, Az. XII ZB 565/15).
Zu jedem Schritt der Berechnung findest Du das Beispiel einer Familie mit einem zwölfjährigen Kind, das die Eltern im Wechsel betreuen. Das Kindergeld in Höhe von 250 Euro wird an die Mutter überwiesen. Das Beispiel wird mit den aktuellen Zahlen berechnet, die ab 1. Januar 2025 gelten.
Um den jeweiligen Anteil zu berechnen, zieht Ihr vom bereinigten Nettoeinkommen jedes Elternteils den Betrag ab, den er behalten darf – den angemessenen Selbstbehalt. Der angemessene Selbstbehalt entspricht unabhängig vom Alter des Kindes 1.750 Euro (Stand: Januar 2025). So ergibt sich das insgesamt einsetzbare Einkommen.
Beispiel: Vater Andreas: 2.800 Euro (bereinigtes Nettoeinkommen ) - 1.750 Euro (angemessener Selbstbehalt) = 1.050 Euro; Mutter Bettina: 2.000 Euro (Nettoeinkommen) - 1.750 Euro (angemessener Selbstbehalt) = 250 Euro. Das ergibt in unserer Beispielfamilie insgesamt ein einsetzbares Einkommen von 1.300 Euro.
Achtung: Es kann vorkommen, dass Du statt des angemessenen Selbstbehalts nur den notwendigen Selbstbehalt abziehen darfst. Der liegt bei 1.450 Euro, wenn Du arbeitest. Das ist dann der Fall, wenn nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts der Bedarf des Kindes nach der ersten Einkommensgruppe nicht sichergestellt ist. Ein Elternteil hat nämlich höchstens den Unterhalt zu leisten, den er oder sie im Residenzmodell zahlen müsste. Näheres dazu findest Du in den Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte (zum Beispiel in Ziffer 13.3 der Düsseldorfer Leitlinien).
Wichtig: Diese Berechnung gilt nicht für alle Konstellationen, insbesondere wenn einer von Euch beiden deutlich weniger verdient als der andere.
Ist die Betreuung der Kinder so geregelt, dass sich der eine zwar hauptsächlich um die Kinder kümmert, der andere aber mehr als die üblichen zwei Wochenenden im Monat und die Hälfte der Ferien übernimmt, dann kann sich das auf den Unterhalt auswirken.
Es bleibt zwar grundsätzlich dabei, dass der derjenige, bei dem die Kinder überwiegend wohnen, keinen Unterhalt zahlen muss (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Wer zwischen 30 und 50 Prozent der Betreuung der Kinder übernimmt, kann den Barunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle aber eventuell kürzen. Und zwar um den Betrag, den der andere Elternteil durch die Mehrbetreuung spart.
Allerdings spart der eine oft nur Lebensmittelkosten ein. Viele andere Dinge, die vom Kindesunterhalt bezahlt werden, fallen durch einen längeren Aufenthalt der Kinder bei dem anderen Elternteil nicht weg. Das gilt insbesondere für die anteiligen Mietkosten, die bei der Mutter ja auch während des Aufenthalts beim Vater ungekürzt weiterlaufen. Oft ändert ein längerer Aufenthalt der Kinder bei Vater oder Mutter auch nichts daran, dass trotzdem einer allein für Kleidung, Schulbedarf und so weiter aufkommt, sodass er auch insoweit nichts spart.
Wenn Du Dich stärker an der Betreuung beteiligst, kannst Du auch durch die Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle finanziell entlastet werden. Deine außergewöhnlichen Aufwendungen können es erlauben, dass Du um eine Einkommensgruppe herabgestuft wirst. Im Ergebnis musst Du dann weniger Barunterhalt zahlen.
Beispiel: Anna verdient 3.600 Euro, sie betreut ihren siebenjährigen Sohn Bruno etwa zu 40 Prozent. Sie zahlt an den Vater Carsten Barunterhalt. Der Bedarf von Bruno beläuft sich nach der Düsseldorfer Tabelle auf 665 Euro. Aufgrund der Mitbetreuung wird der Unterhaltsbedarf des Kindes um eine Stufe herabgesetzt auf 638 Euro. Der Bedarf wird um das halbe Kindergeld reduziert (125 Euro), sodass sie statt 540 Euro nur noch 513 Euro im Monat an Kindesunterhalt an Carsten zahlen muss. Die Mitbetreuung wird mit rund 30 Euro im Monat berücksichtigt.
Die geplante, aber nicht umgesetzte Unterhaltsreform sollte für die Familien Rechtssicherheit bringen, bei denen sich beide Eltern um die Betreuung kümmern, aber nicht jeder genau die Hälfte übernimmt.
Eine pauschale Kürzung des Unterhalts sollte nach dem geplanten Unterhaltsrecht immer dann möglich sein, wenn die Eltern die Betreuung aufteilen und der eine zwischen 30 Prozent und 40 Prozent übernimmt. Entscheidend sollten die Übernachtungen der Kinder sein. Die Schulferien von 14 Wochen im Jahr werden zwischen den Eltern hälftig geteilt, das bedeutet: Jeder Elternteil betreut die Kinder während sieben Wochen, was 49 Nächten entspricht.
Beispiel: Clara (fünf Jahre) und David (sieben Jahre) verbringen jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag bei ihrer Mutter Evelyn. Zusätzlich übernachten sie in der Woche, in der sie das Wochenende nicht bei Evelyn verbringen, je an zwei Tagen bei ihr. Den Rest der Woche wohnen die Kinder bei ihrem Vater Frank. Die Schulferien von 14 Wochen verbringen sie zur einen Hälfte beim Vater, zur anderen Hälfte bei der Mutter.
Von den 52 Wochen eines Jahres haben die Kinder 14 Wochen Ferien. Die restlichen 38 Wochen teilen sich Evelyn und Frank die Kinderbetreuung – beide betreuen die Kinder an 19 Wochen, allerdings an unterschiedlichen Tagen.
Die Betreuungsquote berechnet sich so: 19 Wochenenden zu je 2 Nächten + 19 Wochen zu je 2 Tagen = 76 Nächte. Hinzukommen die 49 Nächte in den Ferien, so dass die Kinder insgesamt 125 Nächte bei Evelyn sind und 240 Nächte bei Frank. Evelyn betreut damit die Kinder zu 34 Prozent. Frank und Anna betreuen damit ihre Kinder in einem asymmetrischen Wechselmodell.
Anna soll durch die Mitbetreuung nach der Unterhaltsreform finanziell entlastet werden. Sie darf den Unterhalsbedarf pauschal um 15 Prozent kürzen. Die genaue Berechnung ist allerdings komplizierter. Wie viel Unterhalt Anna tatsächlich weniger zahlen muss, hängt auch vom Einkommen der beiden ab. Bisher wird diese Kürzung noch nicht angewandt, sie ist nur geplant.
Im Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums findet sich eine Beispielrechnung in sechs Schritten. Derjenige, der über 30 Prozent der Betreuung übernimmt, zahlt in dem Beispiel weniger Unterhalt. Ein Gesetzentwurf wurde noch nicht erarbeitet. Ob die Reform im Jahr 2025 von der neu gewählten Bundesregierung weiter verfolgt wird, ist unklar.
Weitere Informationen dazu, wie Ihr die Betreuung Eurer Kinder organisieren könnt und eine Muster-Elternvereinbarung, findet Ihr im Ratgeber Betreuungsmodelle. Ihr könnt Euch schon jetzt auf eine faire Lösung verständigen, die Betreuung festlegen und auch die Auswirkungen auf den Unterhalt.
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