Deckungszusage bei Rechtsschutzversicherung Anwaltskosten? So zahlt die Versicherung sie auch wirklich
Finanztip-Expertin für Versicherungen
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Ärger mit dem Vermieter oder Arbeitgeber? Ohne Rechtsschutzversicherung geben viele angesichts der hohen Gerichts- und Anwaltskosten klein bei, obwohl sie sich mit guten juristischen Argumenten durchaus wehren könnten. Doch wenn Du glaubst, mit einer Rechtsschutzversicherung auf der sicheren Seite zu sein, musst Du aufpassen. Der erste Schritt, bevor Du Dich in einen Rechtsstreit begibst: Hol Dir die sogenannte Deckungszusage bei Deiner Versicherung ein. Wir erklären Dir, was es damit auf sich hat und was Du beachten musst.
Damit Deine Rechtsschutzversicherung die Anwalts- und Gerichtskosten in einem Rechtsstreit übernimmt, musst Du Dir zuvor die sogenannte Deckungszusage holen. Das bedeutet: Die Versicherung bestätigt Dir, in welchem Umfang Du für den angegebenen Streitfall Versicherungsschutz hast. Erst wenn Dir die Versicherung die Deckung zusagt, musst Du die Kosten des Rechtsstreits nicht selbst tragen. Lediglich die eventuell vereinbarte Selbstbeteiligung musst du zahlen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Deckungszusage zu bekommen:
Bei rechtlich komplizierteren Fällen kann es sinnvoll sein, dass Dein Rechtsanwalt den Antrag für die Deckungszusage übernimmt. Er kann in komplizierten Fällen die Erfolgsaussichten möglicherweise besser darstellen als Du. Bekommst Du oder der Anwalt eine Ablehnung, kann es sich auch lohnen, noch einmal persönlich nachzuhaken.
Wichtig: Achte darauf, dass Du bei Strafbefehlen und Bußgeldbescheiden die Einspruchsfrist von zwei Wochen einhältst, während Du auf die Zusage durch Deine Rechtsschutzversicherung wartest. Bei Bescheiden im Verwaltungs- und Sozialrecht hast Du meist vier Wochen Zeit zu reagieren. Ansonsten werden die Bescheide rechtskräftig. Auch bei einer Kündigungsschutzklage gegen Deinen Arbeitgeber musst Du grundsätzlich in dieser Frist nach Zugang des Kündigungsschreibens Klage erheben.
Sagt Dein Versicherer zu, die Kosten zu übernehmen, musst Du kein Geld vorstrecken – weder einen Kostenvorschuss an den Anwalt noch eventuelle Gerichtskosten. Oft erteilt die Versicherung allerdings zunächst nur eine Deckungszusage für außergerichtliche Tätigkeiten des Anwalts. Willst Du danach vor Gericht ziehen, musst Du das nochmals mit der Rechtsschutzversicherung abstimmen.
Eine einmal erteilte Deckungszusage kann der Anbieter in der Regel nicht mehr zurückziehen. Unabhängig davon, ob Du den Rechtsstreit gewinnst oder verlierst, muss er die Kosten tragen (OLG Celle, 05.07.2010, Az. 3 U 83/10). Mit einer Ausnahme: Stellt sich nachträglich heraus, dass Du bestimmte Informationen falsch oder nicht weitergegeben hast, kann der Rechtsschutzanbieter eine zunächst erteilte Deckungszusage zurückziehen oder einschränken.
Wichtig: Wenn Du Dich in einen Rechtsstreit begibst, bevor Du eine Deckungszusage erhalten hast, besteht die Gefahr, dass Du auf den Kosten ganz oder teilweise sitzen bleibst.
Wer nur eine erste Einschätzung zu einer eher allgemeinen Rechtsfrage braucht, kann sich zunächst an die anwaltliche Telefonberatung seines Versicherers wenden. Diese ist bei den meisten Versicherern kostenfrei und es fällt keine Selbstbeteiligung an. Auch gilt eine solche Erstberatung bei den allermeisten Versicherern nicht als kündigungsrelevanter Schadensfall. Die konkreten Regelungen dazu findest Du in den Allgemeinen Vertragsbedingungen unter „Kündigungsregeln“, „Kündigungsrecht“ oder „Ende des Vertrags“.
Anhand Deiner Angaben prüft die Versicherung, ob diese fünf wichtigen Kriterien erfüllt sind:
Je nachdem, wie die Versicherung die einzelnen Kriterien beurteilt, gibt sie eine Deckungszusage oder lehnt ab. Die Kriterien geben einen gewissen Interpretationsspielraum und sind zum Teil auch sehr subjektiv. Allerdings ist es für die Versicherer inzwischen schwieriger geworden, die Deckung im Einzelfall abzulehnen. Es gibt dazu viele Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH).
Entscheidend ist, aus welchen Rechtsschutzkomponenten Dein Vertrag besteht. Hast Du zum Beispiel ein arbeitsrechtliches Problem, benötigst Du eine Privat- und Berufsrechtsschutzversicherung. Eine Privatrechtsschutz hilft Dir aber nicht unbedingt bei Verkehrsrechtsfragen.
Nachdem Du eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hast, gilt in den meisten Fällen drei Monate Wartezeit. Erst für Streitigkeiten, die nach diesen drei Monaten beginnen, kannst Du die Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen. Eine Ausnahme ist der Verkehrsrechtsschutz, dieser ist meist sofort abgedeckt.
Die Begründung, der Rechtsschutzfall habe sich schon vor Beginn des Versicherungsschutzes ereignet oder während der Wartezeit, ist ein häufiger Ablehnungsgrund der Versicherungen. Die Frage, wann die Rechtsstreitigkeit begonnen hat, ist immer wieder Anlass für Konflikte. Auch im Jahr 2023 war dieses Thema nach Auskunft des Ombudsmanns wieder Schwerpunkt der Beschwerden. Laut dem Jahresbericht 2023 betraf das etwa 500 Fälle – etwa so viel wie im Jahr zuvor.
Beispiel 1: Verbraucher und Verbraucherinnen, die zwischen Juli 1994 und Ende 2007 Lebens- und Rentenversicherungen abgeschlossen haben, sind nicht ausreichend über ihr Widerspruchs- und Rücktrittsrecht aufgeklärt worden. Wer den Vertrag nicht mehr möchte, kann ihn jederzeit widerrufen und rückabwickeln. Viele Betroffene haben sich dafür an ihre Rechtsschutzversicherungen gewandt. Diese lehnten die Deckung regelmäßig ab, mit der Begründung, dass die betroffene Lebensversicherung vor der Rechtsschutzversicherung abgeschlossen wurde. Die Versicherung sieht den Beginn des Rechtstreits also im Abschluss der Lebens- oder Rentenversicherung – zwischen 1994 und 2007. Diese Sichtweise ist laut Bundesgerichtshof nicht zulässig: Dieser hat entschieden, dass nicht die fehlerhafte Belehrung beim Abschluss einer Lebensversicherung entscheidend für den Startpunkt des Rechtsstreits ist. Vielmehr beginnt der Rechtsstreit, als der Versicherte seine Lebensversicherung rückabwickeln wollte und der Lebensversicherer dies nicht anerkannte (BGH, 24.04.2013, Az. IV ZR 23/12).
Rechtsschutzversicherer haben mit der sogenannten Vorerstreckungs-Klausel (§ 4 Abs. 3 Buchst a) ARB 2008) versucht, die Zeitpunkte für Rechtsstreitigkeiten möglichst früh zu definieren, damit sie nicht zahlen müssen. Mit Blick auf Beispiel 1 also in den Moment zu verlagern, in dem die Lebensversicherung abgeschlossen wurde. Aber auch diese Klausel im Versicherungsvertrag gilt nicht. Sie ist intransparent und unwirksam (BGH, 04.07.2018, Az. IV ZR 200/16). Versicherer können sich nicht mehr auf diese Klausel berufen, um den Versicherungsschutz abzulehnen.
Beispiel 2: Ein Versicherter will nun seine Rentenversicherung widerrufen, mit der Begründung, keine Belehrung erhalten zu haben. Der Lebensversicherer behauptet jedoch, er hätte die Belehrung erteilt. Damit verlegt er den Beginn des Streits nach vorne. Der Rechtstreit hat laut der Gegenseite also schon beim Abschluss der Rentenversicherung begonnen. Der Versicherte hätte dementsprechend keinen Rechtsschutz.
Eine zeitliche Zuordnung des Streitbeginns, die vor allem auf der Beurteilung der Gegenseite beruht, erklärte der Bundesgerichtshof jedoch für unwirksam (BGH, 31.03.2021, IV ZR 221/19). Somit ist nur die Einschätzung des Versicherten relevant.
Es gibt viele Rechtsfragen, bei denen die Versicherung in der Regel nicht zahlt, weil sich in den Versicherungsbedingungen sogenannte Risikoausschlüsse finden. Hierin liegt enormes Streitpotenzial, weil die Ausnahmen vom Versicherungsschutz den Versicherten nicht immer bekannt sind. Zu den typischen Risikoausschlüssen gehören folgende Bereiche:
Das ist eine Wertungsfrage. Die Versicherung schätzt anhand der eingereichten Unterlagen ein, ob Dein Rechtsfall vor Gericht Erfolg haben könnte. Beurteilt sie den Fall als nicht erfolgsversprechend, muss sie Gründe dafür angeben.
Ein Beispiel: Ein Versicherungsnehmer wollte Wirecard auf Schadensersatz verklagen. Die Rechtsschutzversicherung lehnte ab und verwies auf die sogenannte Schadensminderungsobliegenheit. Der Versicherte hatte also die Pflicht, mit seinem Verhalten den Schaden zu mindern – was er nicht tat. Die Versicherung sah daher nur geringe Erfolgsaussichten für einen Rechtsstreit. Der Versicherte sollte zunächst den Ausgang anderer Prozesse gegen Wirecard abwarten. Diese Begründung war unwirksam (OLG Karlsruhe, 07.04.2022, Az. 12 U 285/21). Der Versicherte bekam Recht, er konnte den Rechtsstreit gegen Wirecard mit Rechtsschutz führen.
Auch das ist eine Wertungsfrage. Der Versicherer geht von Mutwilligkeit aus, falls die möglichen Kosten Deines Rechtsstreits in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg stehen. Die Versicherung vermutet dann, dass es Dir nur ums Prinzip geht. Auch in solchen Fällen muss die Gesellschaft begründen, warum sie die Kosten nicht übernehmen will.
Von Versicherern kommt oft ein Einwand, wenn die Summe, um die es geht, eher klein ist. Aber das Argument zieht in vielen Fällen nicht. Allein die Tatsache, dass ein Rechtsschutzkunde sich mit jemandem um einen kleinen Betrag streitet, rechtfertigt noch nicht, den Fall wegen Mutwilligkeit abzulehnen (AG Stuttgart, 27.01.2003, Az. 13 C 4703/02).
Falls der Versicherer es ablehnt, die Kosten zu übernehmen, solltest Du nachhaken und Dir näher erläutern lassen, warum er ablehnt. Bewegt sich die Versicherung dann immer noch nicht, kannst Du die Entscheidung überprüfen lassen. Dafür hast Du drei Möglichkeiten:
Stichentscheid - Hat Deine Versicherung die Deckungszusage abgelehnt, kann Dein Anwalt eine Stellungnahme abgeben. Darin muss er begründen, warum er gute Erfolgsaussichten für Deinen Rechtsstreit sieht oder warum die Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen. Die Rechnung Deines Anwalts für diese Stellungnahme übernimmt die Versicherung. Die Entscheidung des Anwalts ist für beide Seiten bindend. Nach dem Stichentscheid durch den Rechtsanwalt kann die Versicherung keine weiteren Ablehnungsgründe nachschieben (OLG Hamm, 14.10.2015, Az. I-20 U 92/10). Voraussetzung: Dein Vertrag sieht diese Möglichkeit vor. In neueren Verträgen werden die Kosten für den Stichentscheid von der Versicherung übernommen, wenn sie die Deckungszusage wegen geringer Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit ablehnte.
Schiedsgutachten - Du kannst auch ein Schiedsgutachten erstellen lassen (§ 128 VVG). Den Gutachter in einem solchen Verfahren bestimmt die Rechtsanwaltskammer. Fällt die Entscheidung zu Deinen Gunsten aus, ist die Versicherung daran gebunden und muss die Kosten für den Gutachter übernehmen. Bestätigt der Gutachter allerdings, dass die Versicherung die Deckungszusage zu Recht abgelehnt hat, musst Du den Gutachter zahlen. Deshalb solltest Du als Versicherungskunde den Stichentscheid vorziehen, sofern Du zwischen beiden Verfahren wählen kannst.
Schlichtungsstelle - Es gibt auch die Möglichkeit, sich an die Ombudsperson für Versicherungen zu wenden. Seit 1. April 2024 steht mit Sibylle Kessal-Wulf eine Ombudsfrau an Spitze der Schlichtungsstelle. Sie überprüft, ob die Versicherung zu Recht die Kosten nicht übernimmt. Das Verfahren kostet nichts. Sollte die Ombudsperson gegen Dich entscheiden, kannst Du immer noch klagen. Bis zu einem Beschwerdewert von 10.000 Euro ist die Entscheidung der Ombudsperson für den Versicherer bindend.
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