Betriebsbedingte Kündigung Wenn Du aus betrieblichen Gründen gekündigt wirst
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Bevor Dein Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen darf, muss er einige Vorgaben beachten, zum Beispiel die Sozialauswahl. Wir erklären Dir, wann eine Kündigung rechtlich angreifbar ist und geben Dir Tipps, wie Du Dich am besten verhalten solltest.
Arbeitgeber begründen betriebsbedingte Kündigungen mit wichtigen Veränderungen im Unternehmen oder neuen Rahmenbedingungen. Das können neue Produktionsmethoden sein, Standortverlagerungen, Outsourcing oder auch die Corona-Pandemie. Die Folge: Arbeitsplätze fallen weg. Gibt es dann keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Mitarbeiter im Betrieb, bleibt nur noch die Kündigung.
Nach einer Studie der Anwaltskanzlei Ratis aus dem Jahr 2018 endeten mehr als 68 Prozent der untersuchten Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt. Das hängt auch damit zusammen, dass sich betriebsbedingte Kündigungen leichter durchsetzen lassen als personen- oder verhaltensbedingte. Arbeitgeber geben daher oft betriebliche Gründe an, obwohl der Anlass für die Kündigung eigentlich in der Person oder im Verhalten des Mitarbeiters liegt.
Aber: Bei der Auswahl der Mitarbeiter, die gehen müssen, muss der Arbeitgeber laut Kündigungsschutzgesetz (KSchG) auch soziale Aspekte berücksichtigen.
Damit Du Dich als Arbeitnehmer auf den besonderen Kündigungsschutz berufen kannst, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.
Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, darf der Arbeitgeber nur kündigen, falls der Stellenabbau betrieblich erforderlich ist und der konkrete Arbeitsplatz des Mitarbeiters weggefallen ist. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber beschließt, eine Abteilung oder eine Filiale zu schließen. Auch die Veränderung von Arbeitsabläufen kann bestimmte Arbeitsplätze wegfallen lassen, ebenso der Rückgang von Aufträgen.
Der Arbeitgeber muss im Zweifel vor dem Arbeitsgericht darlegen, inwieweit seine unternehmerische Entscheidung konkret zum dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes geführt hat. Das Arbeitsgericht überprüft jedoch nur, ob die Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen reicht nicht, um einen dauerhaften Wegfall von Arbeitsplätzen zu begründen. Der Arbeitgeber muss vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum die Auftragslage nicht nur kurzfristig schwankt, sondern auch die Prognosen schlecht sind (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012, Az. 2 AZR 548/10).
Zulässig ist eine betriebsbedingte Kündigung, wenn ein Arbeitsgeber zukünftig die Tätigkeiten des gekündigten Arbeitnehmers durch freie Mitarbeiter erledigen lassen will (BAG, Urteil vom 13. März 2008, Az. 2 AZR 1037/06).
Die betriebsbedingte Kündigung muss über die genannten Gründe hinaus außerdem dringlich sein, damit sie rechtlich haltbar ist. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigen kann (§ 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG). Das Unternehmen muss deshalb zunächst versuchen, den Mitarbeiter zu versetzen, oder ihm eine Änderungskündigung zukommen lassen.
Dabei kann die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in dem bisherigen Beschäftigungsbetrieb des gekündigten Arbeitnehmers bestehen, aber auch in einem anderen Betrieb des Unternehmens. Nicht in die Auswahl einzubeziehen sind jedoch andere Unternehmen des Konzerns. Es muss aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein, dass der Mitarbeiter weiter im selben Betrieb des Unternehmens arbeitet.
Welche Fähigkeiten und Qualifikationen derjenige mitbringen muss, um die freie Stelle zu bekommen, kann der Arbeitgeber frei entscheiden. Die Anforderungen müssen jedoch einen „sachlichen Bezug“ zu den auszuführenden Aufgaben haben (BAG, Urteil vom 24. Juni 2004, Az. 2 AZR 326/03).
Das heißt: Hat der Arbeitgeber einem Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt, weil er die Abteilung auflöst, und sucht er gleichzeitig neue Mitarbeiter für eine andere Abteilung, dann kann die Kündigung sozial ungerechtfertigt sein. Und zwar dann, wenn der gekündigte Arbeitnehmer die geforderten Qualifikationen erfüllt.
Bevor der Arbeitgeber also die Kündigung ausspricht, muss er überprüfen, ob er den Mitarbeiter irgendwo weiterbeschäftigen kann. Dabei sind folgende Möglichkeiten zu berücksichtigen:
Die Sozialauswahl beginnt mit der Feststellung, welcher Arbeitsplatz mit welchem Anforderungsprofil weggefallen ist. Dafür ist die Stellenbeschreibung wichtig.
Dann muss der Arbeitgeber ermitteln, welche Arbeitnehmer auf Arbeitsplätzen mit gleichem Anforderungsprofil beschäftigt sind. Dazu gehören Mitarbeiter mit einer vergleichbaren Berufsausbildung oder solche, die vergleichbare Tätigkeiten ausüben.
Aus der Gruppe der Mitarbeiter sind die unkündbaren Arbeitnehmer herauszunehmen. Dazu zählen Arbeitnehmer, die sich im Mutterschutz oder in Elternzeit befinden. Auch Betriebsratsmitglieder und Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen gehören grundsätzlich nicht in die Vergleichsgruppe. Besondere Leistungsträger oder Mitarbeiter, die für die Personalstruktur wichtig sind, darf der Arbeitgeber ebenfalls ausnehmen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG).
Um zu verhindern, dass immer die jüngeren Arbeitnehmer gekündigt werden, darf der Betrieb mehrere Altersgruppen bilden. In diesem Fall muss er aber aus beiden Altersgruppen proportional etwa gleich viele Mitarbeiter entlassen. Er darf dann nicht viel mehr ältere Arbeitnehmer kündigen (BAG, Urteil vom 26. März 2015, Az. 2 AZR 478/13).
Der Arbeitgeber darf nur dem Arbeitnehmer kündigen, der am wenigsten schutzbedürftig ist. Deshalb muss er innerhalb der Vergleichsgruppe eine Rangfolge aufstellen – nach sozialen Aspekten. Es gibt Sozialpunkte für die folgenden im Gesetz festgelegten Kriterien (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG):
Alle Kriterien sind grundsätzlich gleichrangig. Deshalb muss der Arbeitgeber die konkreten Daten der betroffenen Arbeitnehmer miteinander vergleichen. Einige Unternehmen entwickeln Richtlinien über die personelle Auswahl bei Kündigungen. Diese bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. In der Regel muss der zuletzt gekommene, junge Arbeitnehmer, der weder verheiratet ist noch Kinder hat, zuerst gehen.
Beispiel: Mitarbeiter A ist seit sechs Jahren im Unternehmen beschäftigt und Single. Mitarbeiter B ist seit vier Jahren im Unternehmen, verheiratet mit zwei Kindern. Die längere Betriebszugehörigkeit von Mitarbeiter A wiegt die drei Unterhaltsverpflichtungen von Mitarbeiter B nicht auf (BAG, Urteil vom 29. Januar 2015, Az. 2 AZR 164/14). Der Arbeitgeber müsste Mitarbeiter A zuerst kündigen, da er weniger geschützt werden muss.
Auf Wunsch des gekündigten Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber ihm die Gründe und Auswahlkriterien der betriebsbedingten Kündigung darlegen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG).
Der Arbeitgeber kann kündigen und anbieten, dass der Arbeitnehmer eine Abfindung bekommt, wenn er keine Kündigungsschutzklage erhebt. Im Gesetz steht, wie viel er dabei anbieten muss: ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten ist auf ein volles Kalenderjahr zu runden (§ 1a KSchG).
Ein solches Angebot in der Kündigung könnte so aussehen:
„Sie können sich gegen diese Kündigung wehren innerhalb einer Frist von drei Wochen, indem Sie eine Klage bei dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Wir gehen jedoch davon aus, dass Ihr Arbeitsplatz endgültig weggefallen ist.
Sollten Sie die Klagefrist verstreichen lassen, ohne Klage bei einem Arbeitsgericht erhoben zu haben, können Sie eine Abfindung beanspruchen. Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Nach unserer Berechnung ergibt sich damit ein Abfindungsanspruch in Höhe von xxx Euro.“
Der Monatsverdienst entspricht dem Bruttoentgelt des Arbeitnehmers, das ihm im letzten Monat vor der Kündigung zusteht. Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder Zeitzuschläge, die für einen längeren Zeitraum geleistet werden, muss der Arbeitgeber anteilig berücksichtigen (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007, Az. 1 AZR 340/06).
Beispiel: Der Arbeitnehmer ist zum Ablauf der Kündigungsfrist drei Jahre und acht Monate bei dem Arbeitgeber beschäftigt und hat im letzten Monat 3.000 Euro brutto verdient. Hätte der Arbeitgeber ihn noch bis Dezember beschäftigt, hätte er zusätzlich 1.200 Euro Weihnachtsgeld bekommen. Rechnet man das Weihnachtsgeld anteilig um, hat der Mitarbeiter einen Anspruch auf monatlich 3.100 Euro. Die Abfindung beläuft sich auf zwei Monatsverdienste in Höhe von 6.200 Euro.
Eine Abfindung ist kein Arbeitsentgelt, sondern eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (§ 14 SGB IV). Deshalb muss der Arbeitnehmer keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlen.
Durch die Abfindung kannst Du in eine höhere Steuerprogression geraten. Dies bedeutet, dass sich durch die Zahlung Dein Jahresbruttoverdienst erhöht und Du dadurch in die Stufe des nächsthöheren Steuersatzes rutschst. Du kannst aber beim Finanzamt einen Antrag auf die sogenannte Fünftel-Regelung stellen und so Steuern sparen.
Bevor der Arbeitgeber kündigt, bietet er meist einen Aufhebungsvertrag an. Das kann sich lohnen, wenn Du dadurch eine höhere Abfindung herausschlagen kannst. Lass Dich aber durch das Angebot nicht unter Druck setzen. Wäge die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrags ab.
Ein Aufhebungsvertrag kann zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Unterzeichnest Du einen Aufhebungsvertrag aber mit wichtigem Grund, etwa weil Du ansonsten ohnehin eine betriebsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber erhalten hättest, entfällt die Sperrzeit.
Das sollte im Aufhebungsvertrag klar formuliert sein. Eine entsprechende Klausel könnte so lauten:
„Der Abschluss dieses Aufhebungsvertrags erfolgt, um eine betriebsbedingten Kündigung zu vermeiden.“
Erkundige Dich bei der Agentur für Arbeit vor der Unterschrift, ob eine Sperrzeit in Deinem Fall entfällt. Wer auf der sicheren Seite sein und eine Sperrzeit vermeiden will, wartet die Kündigung ab.
Achtung: Sobald Du weißt, dass Du gekündigt bist, musst Du das sofort der Agentur für Arbeit melden. Verzögerst Du die Meldung, kann das ebenfalls zu Sperrzeiten führen.
Suche sofort einen Experten für Arbeitsrecht auf, falls Dein Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt hat. Denn Du musst innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung geklärt haben, ob Du eine Kündigungsschutzklage erheben willst. Wende Dich dazu möglichst an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Hat der Arbeitgeber keine Abfindung in der Kündigung angeboten, solltest Du Dich auf jeden Fall wehren. Kläre mit dem Anwalt auch die Kosten einer Klage. Denn selbst wenn Du in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht gewinnst, musst Du Deinen Anwalt selbst zahlen (§ 12a Arbeitsgerichtsgesetz). Das kann teuer werden.
Mit einer Arbeitsrechtsschutz-Versicherung schützt Du Dich vor den finanziellen Folgen eines Rechtsstreits und bist gegenüber Deinem Chef in einer deutlich besseren Position. Es bringt aber nichts mehr, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, wenn Du die Kündigung bereits in den Händen hältst. Du kannst erst nach drei Monaten Wartezeit die Leistungen des Versicherers in Anspruch nehmen.
Bist Du Mitglied einer Gewerkschaft, bist Du automatisch rechtsschutzversichert. Du kannst Dich an deren Arbeitsrechtsexperten wenden.
Wir haben im Sommer 2023 Rechtsschutztarife mit den Bausteinen Privat, Beruf und Verkehr untersucht. Unsere Empfehlungen aus diesem Test sind:
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