Gesetzliche Erbfolge Wer erbt, wenn es kein Testament gibt?

Expertin für Recht - Dr. Britta Beate Schön
Dr. Britta Beate Schön
Finanztip-Expertin für Recht

Das Wichtigste in Kürze

  • Gibt es kein Testament, erben die engsten Verwandten: zuerst alle Kinder jeweils zu gleichen Teilen.
  • Hatte die verstorbene Person keine Kinder, erben die Eltern, falls sie noch leben. Ansonsten die Geschwister zu gleichen Teilen. Schließlich Onkel und Tanten.
  • War die verstorbene Person verheiratet, erbt auch immer der Ehepartner – neben den Kindern in der Regel die Hälfte des Nachlasses. Von der Familie des Partners bekommen Angeheiratete nichts.

So gehst Du vor

  • Mach eine Skizze Deiner Familienverhältnisse. Orientiere Dich dabei an unserer Beispielgrafik.
  • Geht es Dir speziell um Deinen Ehepartner, lies im Ratgeber Ehegattenerbrecht weiter.
  • Als gesetzlicher Erbe kannst Du Dich mit Deinen Fragen an das Nachlassgericht wenden.

Jeder kann seine Erben selbst bestimmen. Wer aber ohne Testament oder Erbvertrag stirbt, für den bestimmt das Gesetz die Erbfolge. Und das ist in Deutschland der Regelfall, denn nach einer Umfrage von Yougov im August 2022 besaßen etwa 66 Prozent der Deutschen kein Testament. Dementsprechend entscheidet in rund zwei Dritteln der Todesfälle die gesetzliche Erbfolge, wer das Vermögen des Verstorbenen bekommt. Wir erklären Dir, wie Du herausfinden kannst, wer bei Euch in der Familie etwas erben wird, wenn es nach dem Gesetz geht.

Wie funktioniert die gesetzliche Erbfolge?

Wer als Erbe wie viel genau bekommt, richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis: Zunächst erben die nächsten Verwandten, also Kinder und Enkel, dann weiter entfernte Verwandte wie Geschwister, Neffen und Nichten. Schließlich erben Onkel und Tanten sowie Cousins und Cousinen. Nähere Verwandte schließen dabei grundsätzlich die weiter entfernten Verwandten von der Erbfolge aus. Das bedeutet konkret: Hat die verstorbene Person Kinder, dann erben die Geschwister des Verstorbenen nichts.

Ehepartner sind nicht verwandt miteinander, sie erben aber nach dem Gesetz immer neben den Verwandten. Wer zu welcher Quote erbt, wird im Erbschein dokumentiert.

Einteilung der Familie in Ordnungen

Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten richtet sich nach einem Ordnungssystem. Danach werden Verwandte in Ordnungen aufgeteilt:

  • 1. Ordnung (§ 1924 BGB): Kinder des Erblassers und Enkelkinder
  • 2. Ordnung (§ 1925 BGB): Eltern des Erblassers, Geschwister und Nichten und Neffen; auch geschiedene Elternteile der verstorbenen Person sind Erben zweiter Ordnung
  • 3. Ordnung (§ 1926 BGB): Großeltern des Erblassers, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen

Wie die Verwandtschaftsbeziehungen nach dem Gesetz eingeordnet werden, kannst Du auf dem Schaubild sehen.

Verwandte der vorhergehenden Ordnung schließen Verwandte einer nachfolgenden Ordnung aus (§ 1930 BGB). Das bedeutet Folgendes: Hatte der Verstorbene Kinder, erben weder die Eltern noch die Geschwister als Erben zweiter Ordnung. War der Verstorbene kinderlos, gibt es keine Erben erster Ordnung, sodass die Eltern des Erblassers als gesetzliche Erben zweiter Ordnung eingesetzt sind.

Innerhalb einer Ordnung gilt das sogenannte Repräsentationsprinzip. Das lässt sich mit einem Beispiel erklären: Stirbt der Großvater, dann erben dessen Kinder als Erben erster Ordnung; sie repräsentieren die Enkelkinder, die vom Großvater direkt nichts erben. Solange ein Bruder oder eine Schwester als Erben zweiter Ordnung noch leben, erben auch die Neffen und Nichten nicht. Andersherum treten die Kinder an die Stelle eines vorher verstorbenen Verwandten.

Ehegattenerbrecht erben neben den Verwandten

Neben den Verwandten erbt immer auch der noch lebende Ehegatte des Verstorbenen. Das Ehegattenerbrecht schränkt das Erbrecht der Verwandten ein (§ 1931 BGB).

Um zu berechnen, wer wie viel erbt, ist als Erstes der Erbteil des überlebenden Ehegatten wichtig. Denn davon hängt die Erbquote der übrigen Erben ab.

Der überlebende Ehegatte des Verstorbenen ist neben Verwandten

  • der ersten Ordnung zu einem Viertel und
  • neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte als gesetzlicher Erbe berufen.

In sehr vielen Familien erhöht sich der Erbanteil des Ehegatten auf die Hälfte, wenn die Eheleute in einer Zu­ge­winn­ge­mein­schaft gelebt haben (§§ 1931 Abs. 3, 1371 BGB). Das ist immer dann der Fall, wenn das Ehepaar keinen Ehevertrag aufgesetzt hat.

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Wer ist Erbe erster Ordnung?

Erben erster Ordnung sind die Nachkommen des Erblassers. Lebt zum Zeit­punkt des Todesfalls ein Kind des Erblassers, erbt dieses Kind neben dem überlebenden Ehegatten des Verstorbenen. Leben mehrere Kinder, teilen sie das Erbe unter sich und dem überlebenden Ehegatten auf. Innerhalb der ersten Ordnung werden die Erben nach sogenannten Stämmen eingeteilt. Jedes Kind bildet mit seinen Nachkommen einen Stamm. Und jeder Stamm erhält den gleichen Erbteil.

Sind die Kinder des Erblassers bereits verstorben, erben die Enkelkinder. Bei mehreren Enkelkindern erben diese wiederum anteilig. Ist eines der Kinder des Erblassers bereits verstorben, geht der Erbanspruch dieses Kindes auf die Enkelkinder über. Nichteheliche Kinder, die nach dem 1. Juli 1949 geboren sind, sind genauso erbberechtigt wie eheliche Kinder.

Erbfall mit Erben erster Ordnung

Ein Beispiel: Der Verstorbene war nicht verheiratet, hatte drei Kinder und vier Enkelkinder. Seine Mutter lebt noch. Eines seiner Kinder ist verheiratet und hat selbst zwei Kinder. Ein weiteres Kind ist ledig. Das dritte Kind ist schon vor Jahren verstorben, hat aber zwei Kinder hinterlassen. Das Schaubild zeigt den Stammbaum des Erblassers:

Wer erbt wie viel? Da die Mutter des Erblassers zur zweiten Ordnung gehört, aber Erben erster Ordnung vorhanden sind, erbt die Mutter nicht (§ 1930 BGB). Die Kinder des ersten Kindes erben als Enkel des Erblassers nicht, da das erste Kind zur Zeit des Erbfalls noch lebt (§ 1924 Abs. 2 BGB). Die beiden anderen Enkel sind Erben, da sie an die Stelle des vorher verstorbenen dritten Kindes treten (§ 1924 Abs. 3 BGB). Sie erben zusammen das, was das dritte Kind geerbt hätte, wenn es noch gelebt hätte.

Gesetzliche Erben sind damit die beiden noch lebenden Kinder und die beiden Enkelkinder, die von dem verstorbenen dritten Kind abstammen. Würden alle drei Kinder noch leben, so würde jeder ein Drittel erben – denn Kinder erben immer zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB). Ergebnis: Die beiden Kinder erben demnach je ein Drittel und die beiden Enkelkinder teilen sich das Drittel, das ihrer Mutter zustand, und erben damit je ein Sechstel.

Wann erben Geschwister?

Erben zweiter Ordnung sind immer die Vorfahren des Erblassers und deren Abkömmlinge. Das bedeutet: Hatte der Verstorbene keine Kinder oder sind diese schon vorher gestorben, ohne selbst Kinder zu haben, kommen die Erben zweiter Ordnung zum Zuge. Dann erben die Eltern, falls sie noch leben, und deren Abkömmlinge – die Geschwister des Verstorbenen. In der zweiten Ordnung werden die Erben nach sogenannten Linien bestimmt. Jeder Elternteil bildet zusammen mit seinen Nachkommen eine Linie. Jede Linie erbt zu gleichen Teilen.

Leben noch beide Eltern des Verstorbenen, erben sie zu gleichen Teilen jeweils die Hälfte des Nachlasses. Ist ein Elternteil bereits verstorben, treten an die Stelle des verstorbenen Elternteils dessen Nachkommen – in diesem Fall also die Geschwister des Erblassers und deren Kinder.

Erbfall mit Erben zweiter Ordnung

Ein Beispiel: Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Von seinen Eltern lebt nur noch die Mutter. Zudem hatte er einen Bruder, eine Schwester, die bereits verstorben ist, und einen Halbbruder aus der zweiten Ehe seines verstorbenen Vaters. Seine Schwester hatte zwei Kinder.

Wer erbt wie viel? In diesem Beispiel wird es etwas komplizierter. Da es keinen Erben erster Ordnung gibt – der Erblasser hatte keine Kinder –, kommen die Erben zweiter Ordnung an die Reihe. Dazu gehören die Eltern und die Geschwister (§ 1925 Abs. 1 BGB). Die Eltern des Erblassers erben nach Linien: Die eine Hälfte des Erbes bekommt die Linie der Mutter, die andere Hälfte geht an die Linie des Vaters. Weil die Mutter noch lebt, bekommen die Kinder nichts. Die Mutter erbt allein die Hälfte des Nachlasses.

Da der Vater nicht mehr lebt, treten an seine Stelle seine Nachfahren. Das sind der Bruder, die Schwester und der Halbbruder. Die drei Kinder des Vaters erben anstelle des Vaters dessen Hälfte. Der Halbbruder und der Bruder erben je ein Sechstel und anstelle der verstorbenen Schwester erben der Neffe und die Nichte je ein Zwölftel.

Ergebnis: Nach dem Gesetz entsteht eine Erbengemeinschaft mit fünf Erben der zweiten Ordnung: die Mutter des Verstorbenen erbt die Hälfte. Bruder und Halbbruder erben je ein Sechstel, die Nichte und der Neffe von der verstorbenen Schwester erben je ein Zwölftel.

Wann erben Tante und Onkel?

Eher selten kommen Erbfälle vor, bei denen weit entfernte Verwandte erben. Das ist möglich, wenn der Verstorbene keine eigenen Kinder oder Enkel hinterlässt, die Eltern des Erblassers bereits verstorben sind und weder Geschwister noch Nichten oder Neffen leben. Erst dann kommen die sogenannten Erben dritter Ordnung zum Zuge. Die Erbschaft fällt den Großeltern und deren Abkömmlingen zu. Ist ein Großelternteil bereits verstorben, was in der Regel der Fall ist, treten die Nachkommen der Großeltern, also die Tanten und Onkel des Erblassers und deren Abkömmlinge, die Cousins und Cousinen, an die Stelle des verstorbenen Großelternteils.

Erbfall mit Erben dritter Ordnung

Erbfälle mit Erben dritter Ordnung sind kompliziert. Um herauszufinden, wer wie viel erbt, benötigt man unbedingt eine Skizze, aus der sich die Familienverhältnisse ergeben. So auch bei nachfolgendem Beispiel.

Beispiel: Der Erblasser war nicht verheiratet, hat keine Kinder und seine Eltern leben nicht mehr. Es leben nur noch zwei Cousinen mütterlicherseits, ein Cousin väterlicherseits und eine Halbtante. Das ist die Tochter aus der zweiten Ehe des Großvaters.

Wer erbt wie viel? Da es keine Erben erster Ordnung gibt – der Erblasser hatte keine Kinder –, und die Eltern als Erben zweiter Ordnung bereits verstorben sind, erben die Großeltern und deren Abkömmlinge als Erben dritter Ordnung – und zwar nach Linien (§ 1926 BGB ). Würden die vier Großeltern noch leben, bekäme jeder ein Viertel. Das bedeutet für die väterliche Seite: Das Viertel der Großmutter bekommt der Cousin, genauso wie das Viertel des Großvaters. Damit steht ihm die Hälfte des Erbes zu. Das Viertel der Großmutter mütterlicherseits geht an die beiden Cousinen, jede bekommt ein Achtel. Das Viertel des Großvaters mütterlicherseits geht zur Hälfte an die Halbtante und zur Hälfte wieder an die Cousinen. Die bekommen damit beide drei Sechzehntel der Erbschaft. Es entsteht demnach also eine Erbengemeinschaft aus vier Personen.

Wie erben adoptierte Kinder?

Wer ein Kind adoptiert, wird dadurch rechtlich mit ihm verwandt. Ein adoptiertes minderjähriges Kind wird wie ein gemeinschaftliches Kind der Ehegatten behandelt (§ 1754 BGB). Es gehört damit zu den Erben erster Ordnung. 

Mit der Adoption erlischt das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den bisherigen Verwandten und damit auch alle sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten (§ 1755 BGB). Das Kind ist gegenüber den leiblichen Eltern nicht mehr erbberechtigt. Das bedeutet auch: Stirbt das Adoptivkind vor den neuen Eltern, erben die Adoptiveltern.

Für ein adoptiertes volljähriges Kind gelten besondere Regeln. So erlöschen anders als bei minderjährigen Adoptivkindern die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den leiblichen Eltern nicht (§ 1770 Abs. 2 BGB). Ein volljähriges adoptiertes Kind kann also gesetzlicher Erbe von bis zu vier Erbteilen sein: denen der leiblichen Eltern und denen der Adoptiveltern. Gegenüber den Verwandten der Adoptiveltern bestehen aber keine gesetzlichen Erbrechte.

Wann erbt der Staat?

Ist kein Testament oder Erbvertrag vorhanden und gibt es auch keine gesetzlichen Erben oder haben alle Erben die Erbschaft zum Beispiel wegen Überschuldung ausgeschlagen, erbt das Bundesland, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Lebte der Verstorbene vor seinem Tod im Ausland oder ist kein gewöhnlicher Wohnsitz feststellbar, erbt der Bund (§ 1936 BGB). Dabei haftet der Staat für Nachlassschulden nur beschränkt.

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