Kapitalertragsteuer Wer die Anlage KAP ausfüllen muss - und wer es tun sollte

Jörg Leine
Finanztip-Experte für Steuern

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Anlage KAP in Deiner Steu­er­er­klä­rung kommt bei Kapitalerträgen ins Spiel, die Du zum Beispiel noch nicht versteuert hast. 
  • Steuerpflichtige Kapitalerträge sind Zinsen, Dividenden und Gewinne aus Wertpapier- und Fondsverkäufen. Davon zieht Deine Bank in Deutschland automatisch 25 Prozent Kapitalertragsteuer plus Soli und gegebenenfalls Kirchensteuer ab. In diesem Fall spricht man von der Abgeltungssteuer.
  • Allerdings sind Kapitalerträge bis 1.000 Euro seit 2023 pro Jahr und je Person steuerfrei. Das nennt sich Sparerfreibetrag. Mit einem Freistellungsauftrag oder einer Nicht­ver­an­la­gungs­be­schei­ni­gung kannst Du deshalb verhindern, dass die Bank die Steuer automatisch abführt.

So gehst Du vor

  • Du musst die Anlage KAP etwa ausfüllen, wenn Du Kapitalerträge auf ausländischen Konten und Depots, Zinsen aus Privatdarlehen oder Erstattungszinsen vom Finanzamt erhalten hast.
  • Du solltest die Anlage KAP zum Beispiel abgeben, wenn Du den Sparerpauschbetrag nicht ausgeschöpft hast, Dein Einkommen recht gering ist oder Du Gewinne und Verluste auf mehreren Depots miteinander verrechnen willst. 
  • Die Steu­er­er­klä­rung machst Du am besten mit einem Steuerprogramm oder einer Steuer-App.
  • Wir empfehlen für alle Fälle Wiso Steuer 2024 und Steuersparerklärung (Steuerjahr 2023)ohne Photovoltaik. Wenn Du nicht selbstständig bist, reicht meist unser Preis-Leistungs-Tipp Tax 2024.
  • Für sehr einfache Fälle bieten sich auch die Steuer-Apps Steuerbot, Wiso Steuer und Taxfix an, die uns in unserem ausführlichen Test besonders überzeugt haben.

Wer Kapitalerträge erzielt, muss darauf ab einer bestimmten Höhe Kapitalertragsteuer zahlen. Seit 2009 werden Zinsen, Dividenden und Gewinne aus Wertpapier- und Fondsverkäufen anders besteuert als die anderen Einkunftsarten, beispielsweise das Gehalt. Damals wurde zur Steuervereinfachung das System der Abgeltungssteuer eingeführt. 
Anmerkung: Der Gesetzgeber verwendet den Begriff Kapitalertragsteuer, das tun wir an dieser Stelle auch. Die Variante Kapitalertragssteuer mit einem doppelten „s“ ist aber laut Duden auch erlaubt.

Wie hoch ist die Kapitalertragsteuer?

Fast alle Kapitalerträge unterliegen pauschal 25 Prozent Abgeltungssteuer. Hinzu kommt der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent, der hier immer noch generell aufgeschlagen wird. Das sind insgesamt 26,375 Prozent. Für Kirchenmitglieder ist außerdem Kirchensteuer fällig. Diese beträgt in allen Bundesländern bis auf Bayern und Baden-Württemberg 9 Prozent. In den anderen beiden Bundesländern sind es 8 Prozent als Zuschlag auf die Steuer. Gesetzlich geregelt ist die Kapitalertragsteuer in Paragraf 32d Einkommensteuergesetz (EStG), die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Paragraf 20 EStG

Banken und Ver­si­che­rungen in Deutschland führen diese Steuern anonym an das zuständige Betriebsfinanzamt ab. In diesen Fällen sind die Zinsen, Dividenden und Gewinne aus Aktien- sowie Fondsverkäufen abgeltend versteuert. Das heißt: Viele brauchen sie nicht extra in ihrer Steu­er­er­klä­rung anzugeben und müssen daher auch nicht die Anlage KAP ausfüllen.

Aber es gibt auch Fälle, in denen die Anlage KAP erforderlich ist oder Du sie ausfüllen solltest, um Dir zu viel bezahlte Abgeltungssteuer vom Finanzamt zurückzuholen.

Das System mit Abgeltungssteuer und Freistellungsaufträgen funktioniert nur mit Erträgen, die Deinem Depot oder Konto in Deutschland gutgeschrieben werden. Ausländische Finanzinstitute führen für Dich keine Steuern an den deutschen Fiskus ab. Wohnst Du in Deutschland und erzielst Kapitalerträge bei ausländischen Banken, dann musst Du diese selbst in Deiner Steu­er­er­klä­rung angeben, damit das Finanzamt nachträglich Kapitalertragsteuer abziehen kann.

Hast Du ausländische Aktien oder Fonds, dann kommt es oft vor, dass der ausländische Staat Quellensteuer einbehält. Diese fällt von Land zu Land unterschiedlich hoch aus. Deine deutsche Depotbank darf in vielen Fällen davon 15 Prozentpunkte auf die deutsche Abgeltungssteuer anrechnen. Den restlichen Betrag kannst Du Dir unter Umständen vom ausländischen Staat erstatten lassen.

Wann wird keine Kapitalertragsteuer fällig?

Allen Personen steht seit 2023 ein Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro im Jahr zu, einem zusammenveranlagten Ehepaar 2.000 Euro. Bis dahin sind die Kapitalerträge steuerfrei und es ist keine Kapitalertragsteuer zu zahlen. Nur der Betrag oberhalb des Freibetrags für Kapitalerträge ist steuerpflichtig. 

Bis 2022 betrug der Freibetrag noch 801 beziehungsweise 1.602 Euro. Diese Werte musst Du für die Steu­er­er­klä­rung 2022 oder frühere Jahre berücksichtigen, wenn Du diese noch freiwillig abgeben möchtest. 

Mit einem Freistellungsauftrag bis zu dieser Höhe kannst Du verhindern, dass Deine Bank in Deutschland Kapitalertragsteuer abführt. Führst Du mehrere Konten oder Depots, dann solltest Du den Betrag dementsprechend aufteilen. Jedes Institut benötigt einen eigenen Freistellungsauftrag, dabei darf der Sparerpauschbetrag insgesamt nicht überschritten werden.

Oft passiert es jedoch, dass Anlegerinnen und Anleger die Aufträge ungeschickt verteilt haben und einen Steuerabzug hatten – trotz eines nicht ausgeschöpften Sparerpauschbetrags. Die zu viel bezahlte Kapitalertragsteuer können sie sich dann noch mit der Anlage KAP zurückholen.

Tipp: Hast Du mehreren Finanzinstituten Freistellungsaufträge erteilt? Erhältst Du Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne auf mehrere Konten und Depots? Damit Du den Überblick bewahrst und die freigestellten Beiträge möglichst optimal verteilst, stellen wir Dir eine Excel-Vorlage zur Verfügung.

Mustervorlage Freistellungsaufträge

Hier kannst Du Dir unsere Excel-Vorlage zur Kontrolle erteilter Freistellungsaufträge herunterladen:

Zum Download

Übrigens: Der Sparerpauschbetrag zählt im Steuerrecht zu den Werbungskosten. Wenn Du den Pauschalbetrag nutzt, kannst Du darüber hinaus keine weiteren Werbungskosten für Deine Einkünfte aus Kapitalvermögen absetzen.

Nicht­ver­an­la­gungs­be­schei­ni­gung vor allem für Rentner und Studenten

Sofern Du mit Deinem insgesamt zu versteuernden Einkommen nicht über den Grundfreibetrag von 11.604 Euro im Jahr 2024 kommst, musst Du keine Steuern darauf zahlen – auch nicht auf Kapitalerträge. 2023 lag die Grenze noch bei 10.908 Euro und 2022 bei 10.347 Euro. Das betrifft zum Beispiel Kinder mit eigenem Vermögen und kann auch der Fall sein, wenn Du studierst, schon in Rente bist oder einen Minijob hast. Hier kommen noch der Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro ab 2023 und der Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 Euro hinzu.

Falls Du darunter fällst, kannst Du beim Finanzamt eine Nicht­ver­an­la­gungs­be­schei­ni­gung beantragen. Die Bescheinigung gilt bis zu drei Jahre; Du musst sie der Bank vorlegen. Diese zieht dann von Deinen Kapitalerträgen keine Abgeltungssteuer ab. Ändern sich Deine persönlichen Verhältnisse, musst Du das dem Finanzamt mitteilen. Dann verliert die sogenannte NV-Bescheinigung ihre Gültigkeit.

Mit einem Freistellungsauftrag oder einer NV-Bescheinigung kannst Du den Abzug der Abgeltungssteuer vorweg verhindern.

Solltest Du das versäumt haben, kannst Du Dir mit einer Steu­er­er­klä­rung die einbehaltene Kapitalertragsteuer zurückholen.

Welche Anlage für welche Kapitalerträge?

Seit 2018 werden Erträge aus Investmentfonds grundlegend anders besteuert als zuvor. Die Investmentsteuerreform hat erstmals Auswirkungen in der Steu­er­er­klä­rung 2018.

Neben der entschlackten Anlage KAP gibt es seitdem zwei neue Formulare: Die Anlage KAP-INV musst Du ausfüllen, wenn Du Investmentanteile hältst, die bei einer ausländischen Bank oder Fondsgesellschaft verwahrt werden. Denn das ausländische Finanzinstitut führt keine Abgeltungssteuer an den deutschen Fiskus ab.

Die Anlage KAP-BET ist für Dich nur verpflichtend, wenn Du Kapitalerträge oder anrechenbare Steuern aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft hast.

Meist musst Du in der Steu­er­er­klä­rung keine Angaben über Deine Kapitalerträge machen und kannst deshalb auf die Anlage KAP verzichten. Hast Du nur Erträge aus einem inländischen Depot oder Konto, dann kümmert sich die Bank um die korrekte Besteuerung. Sie führt die Kapitalertragsteuer ab, die eine abgeltende Wirkung hat. Und damit ist für Dich steuerlich alles erledigt.

Außerdem erhältst Du in den ersten Monaten des Jahres für das Vorjahr eine Steuerbescheinigung. Diese beinhaltet alle Werte: Höhe der Kapitalerträge, abgeführte Kapitalertragsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag. Zudem kannst Du ihr entnehmen, in welche Zeilen der Anlage KAP Du diese Werte eintragen musst – für den Fall, dass Du diese ausfüllen möchtest. 

In manchen Situationen kann sich die Abgabe lohnen. Denn nur so kannst Du Dir vom Finanzamt zu viel bezahlte Kapitalertragsteuer zurückholen. Ehepaare müssen beachten, dass für jeden Partner eine Anlage KAP auszufüllen ist.

Die Reform der Fondsbesteuerung sorgt dafür, dass die meisten Steuerzahlenden weniger Arbeit mit der Steu­er­er­klä­rung haben, weil in- und ausländische Fonds gleichbehandelt werden. Wenn Du aber ein Auslandsdepot hast, dann musst Du Dich weiterhin selbst um die korrekte Besteuerung Deiner Kapitalerträge kümmern.

Unser Podcast zum Thema

Wann musst Du die Anlage KAP abgeben?

Wenn von Deinen Kapitalerträgen noch keine Kapitalertragsteuer einbehalten und ans Finanzamt abgeführt wurde, dann musst Du diese grundsätzlich in der Anlage KAP aufführen. Dies ist beispielsweise in folgenden Fällen erforderlich.

Du hast ein Auslandsdepot

Du hast das Geld in einem ausländischen Depot oder Konto angelegt. Ausländische Banken und Fondsgesellschaften behalten keine Abgeltungssteuer ein. Daher musst Du diese Kapitalerträge in Zeile 19 der Anlage KAP und in der Anlage KAP-INV detailliert eintragen. Angeben musst Du dort Deine kompletten Ausschüttungen (ab Zeile 4) und Ver­äuß­er­ungs­ge­winne für jeden einzelnen Fonds. Denn die Gewinnermittlung erfolgt fondsbezogen. Hast Du Fondsanteile zu unterschiedlichen Zeit­punkten gekauft, dann musst Du jede Tranche in einer eigenen Spalte erfassen.

Hinweis: Jedes Jahr gibt es neue Steuerformulare. Die Zeilenangaben in diesem Ratgeber beziehen sich auf die Steu­er­er­klä­rung 2023. Gute Steuerprogramme unterstützen Dich beim Ausfüllen Deiner Steu­er­er­klä­rung.

Mehr dazu im Ratgeber Steuersoftware

 Zum Ratgeber

Du bekommst Zinsen aus einem Privatdarlehen

Du hast Zinsen aus einem Privatdarlehen eingenommen? Die Abgeltungssteuer gilt auch bei Geschäften unter Angehörigen, wenn sie so abgewickelt werden, wie es unter Fremden üblich ist. Fällt eine Forderung endgültig aus, kann dies zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust führen (BFH, Urteil vom 24. Oktober 2017, Az. VIII R 13/15).

Du bekommst Erstattungszinsen vom Finanzamt

Hast Du im letzten Jahr Zinsen vom Finanzamt erhalten, dann musst Du ebenfalls die Anlage KAP abgeben. Denn es werden Steuern auf Zinsen, also die Abgeltungssteuer fällig. Das Finanzamt verzinst rückwirkend bis zum Jahr 2019 mit 0,15 Prozent monatlich, also 1,8 Prozent im Jahr, Steuerrückerstattungen nach einer Karenzzeit von 15 Monaten. Wegen der Corona-Pandemie ist die Karenzzeit zur Zeit deutlich länger. Die Erstattungszinsen musst Du in der Zeile 26 als „Zinsen, die vom Finanzamt für Steuererstattungen gezahlt wurden“ eintragen. Hinweis: Für Zeiträume vor 2019 beträgt der Zinssatz 6 Prozent im Jahr. 

Übrigens: Wenn Du Zinsen vom Finanzamt erhalten hast, dann musst Du eine Steu­er­er­klä­rung 2023 bis zum 2. September 2024 beim Finanzamt abgegeben haben.

Deine zusätzliche Kirchensteuer wurde noch nicht abgeführt

Wer Kirchenmitglied ist, muss auf die Erträge zusätzlich Kirchensteuer zahlen. In der Regel führt sie die Bank ab. Wer dem widersprochen hat, der muss die Kapitalerträge in der Anlage KAP angeben. Die Kirchensteuer wird dann über die Steu­er­er­klä­rung festgesetzt.

Um die Anlage KAP richtig ausfüllen zu können, benötigst Du Informationen von Deiner Bank. Kreditinstitute müssen jedem Anleger und jeder Anlergerin jährlich eine kostenlose Steuerbescheinigung ausstellen. Darin ist unter anderem aufgelistet:

  • die Höhe der Kapitalerträge
  • Gewinne aus Aktienveräußerungen
  • Er­satz­be­mes­sungs­grund­la­ge
  • Höhe des nicht ausgeglichenen Verlustes
  • Höhe des in Anspruch genommenen Sparerpauschbetrags
  • Kapitalertragsteuer
  • Solidaritätszuschlag
  • Kirchensteuer zur Kapitalertragsteuer
  • Summe der angerechneten ausländischen Steuer
  • Summe der anrechenbaren noch nicht angerechneten ausländischen Steuer sowie
  • Informationen zu ausländischen thesaurierenden Investmentfonds – inklusive der jeweils relevanten Zeile in der Anlage KAP.

Solltest Du Konten und Depots bei mehreren Banken und dadurch mehrere Steuerbescheinigungen haben, zähle die Beträge zusammen und trage die Summen ein.

Helfer für die Steu­er­er­klä­rung

Wann solltest Du die Anlage KAP einreichen?

Es gibt auch Situationen, in denen Du zwar die Anlage KAP nicht ausfüllen musst, es aber trotzdem tun solltest, um zu viel bezahlte Kapitalertragsteuer zurückzubekommen.

Du hast den Sparerpauschbetrag nicht ausgeschöpft

Hast Du entweder keinen oder zu niedrige Freistellungsaufträge gestellt und für das Jahr 2023 insgesamt nicht mehr als 1.000 Euro an Kapitalerträgen im Jahr eingenommen, dann kannst Du die darauf einbehaltene Kapitalertragsteuer zurückbekommen. Dafür musst Du in Zeile 7 die Kapitalerträge angeben. Gewinne aus Aktienverkäufen müssen zusätzlich noch in Zeile 8 eingetragen werden.

Ab Zeile 37 trägst Du die einbehaltene Kapitalertragsteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer ein. Damit das Finanzamt diese anrechnet, musst Du diese mit Deinen Original-Steuerbescheinigungen nachweisen.

In Zeile 16 gehört der in Anspruch genommene Sparerpauschbetrag. Falls dieser überhaupt nicht berücksichtigt wurde, trage dort 0 ein.

Der Fall, dass der Sparerpauschbetrag nicht ausgeschöpft wurde, kommt häufiger bei Frischverheirateten vor. Gemeinsam stehen beiden 2.000 Euro zu. Hattest Du beispielsweise 1.900 Euro Kapitalerträge und Deine Partnerin oder Dein Partner keine, so lässt sich der Abzug von Abgeltungssteuer nachträglich über die gemeinsame Steu­er­er­klä­rung korrigieren. Beide müssen eine eigene Anlage KAP ausfüllen.

Du verdienst wenig und kannst die Günstigerprüfung beantragen

Der Steuersatz von 25 Prozent für die Kapitalertragsteuer - zuzüglich Soli, also insgesamt 26,375 Prozent - ist für manche zu hoch. Zum Beispiel, wenn Du schon in Rente bist. Liegt Dein Grenzsteuersatz darunter, solltest Du mit der Anlage KAP in Zeile 4 die Günstigerprüfung beantragen. Die bereits von der Bank mit Abgeltungssteuer einbehaltenen Kapitalerträge werden dann stattdessen mit Deinem niedrigeren persönlichen Steuersatz versteuert. Das Finanzamt zahlt dann zu viel bezahlte Kapitalertragsteuer zurück. Geregelt ist das in Paragraf 32d Absatz 6 EStG.

Die spannende Frage ist jetzt, wann es sich recht sicher lohnt, die Günstigerprüfung zu beantragen. Das hängt natürlich immer vom Einzelfall ab. Aber wenn Du als Single 2022 etwas mehr als 20.000 Euro zu versteuerndes Einkommen hattest, etwa aus Gehalt oder einer Rente, kannst Du Dir das sparen. Achtung: Dieses zu versteuernde Einkommen ist nicht das jährliche Bruttogehalt. Denn davon gehen noch Vorsorgeaufwendungen wie Kran­ken­kas­sen- und Ren­ten­ver­si­che­rungsbeiträge ab und zudem noch weitere Posten, die sich im weitesten Sinne unter absetzbar zusammenfassen lassen.

Unterhalb der 20.000 Euro hängt es davon ab, wie hoch Deine zu versteuernden Kapitalerträge - immer abzüglich Sparerfreibetrag - sind. Dabei gilt: Je geringer das zu versteuernde Einkommen ist, desto höher können die Kapitaleinkünfte sein, um von der Günstigerprüfung profitieren zu können. 

  • Wenn Du 2022 zum Beispiel als Single 18.000 Euro zu versteuerndes Einkommen hattest und zusätzlich 1.000 Euro Kapitaleinkünfte nach Abzug des Freibetrags zu versteuern, lohnt sich die Günstigerprüfung für Dich, wenngleich Du da nur knapp 10 Euro einsparst. 
  • Hast Du aber ein steuerpflichtiges Einkommen von nur 10.000 Euro, etwa eine Rente, musst Du darauf ohne weitere Einkünfte gar keine Steuern zahlen. Hast Du aber zu versteuernde Kapitaleinkünfte, profitierst Du in sehr vielen Fällen von der Günstigerprüfung. Bei 10.000 Euro Kapitaleinkünften sind es rund 500 Euro Erstattung. Selbst bei 25.000 Euro Kapitalgewinnen würdest noch ein paar Euro sparen können. Immer vorausgesetzt, Du machst Deine Steu­er­er­klä­rung und beantragst die Günstigerprüfung. Denn von allein kommt das Geld nicht zu Dir.

Wichtig: Die Günstigerprüfung ist für Dich ohne Risiko. Stelle den Antrag immer, wenn Du mit Deinem Einkommen auch nur in der Nähe der genannten Grenze landest. Denn sollte Dein zu versteuerndes Einkommen höher sein, dann bleibt es dabei, dass Deine Kapitalerträge mit 25 Prozent plus Soli abgeltend besteuert wurden. Der höhere persönliche Steuersatz gilt nur für die anderen Einkünfte. Du kannst also mit Deinem Antrag auf Günstigerprüfung nichts verlieren.

Wurdest Du vor dem 2. Januar 1959 geboren, kannst Du mit dem Antrag auf Günstigerprüfung zudem vom Al­ters­ent­las­tungs­be­trag für Nebeneinkünfte wie Kapitalerträge für 2023 profitieren. Das Finanzamt berücksichtigt diesen Freibetrag automatisch im Steuerbescheid. Generell gilt: Du musst bis zum 1. Januar des Kalenderjahres, in dem Du den Al­ters­ent­las­tungs­be­trag in Anspruch nehmen willst, bereits 64 Jahre alt geworden sein.

Du kannst Verluste geltend machen

Die Anlage KAP solltest Du auch ausfüllen, wenn Du Gewinne und Verluste bei verschiedenen Banken miteinander verrechnen willst (Zeilen 12 und 13). Dafür benötigst Du eine Verlustbescheinigung der Bank. Beantragen musst Du diese bei Deiner Bank bis zum 15. Dezember des Steuerjahres.

Hast Du den Termin verpasst, musst Du mit der Verlustverrechnung warten. Die Bank schreibt den Verlust im Folgejahr fort und verrechnet diesen zunächst mit neuen Gewinnen. Verbleibt ein Verlust, kannst Du diesen im Folgejahr nutzen.

Für Verluste aus dem Verkauf von Aktien gilt, dass Du diese nur mit Gewinnen aus Aktiengeschäften verrechnen darfst. Ansonsten werden Verluste aus Kapitalanlagen mit anderen Kapitalerträgen verrechnet.

Diese Ungleichbehandlung bei der Verlustverrechnung hält der Bundesfinanzhof für verfassungswidrig (Beschluss vom 17. November 2020, Az. VIII R 11/18). Nun muss das Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvL 3/21) über die Verlustverrechnungsbeschränkung für Ak­tien­ver­äu­ße­rungs­ver­luste entscheiden (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG). Das wird sicherlich einige Jahre dauern. 

Erzielst Du aber Aktienverluste und möchtest diese mit anderen Kapitalerträgen wie Zinsen, Dividenden oder Fondserträgen verrechnen lassen, dann benötigst Du

  1. grundsätzlich eine Verlustbescheinigung Deiner Bank und musst
  2. die Verlustverrechnung in der Anlage KAP beantragen, indem Du dort alle Kapitalerträge und Verluste eines Jahres einträgst.

Sowohl die Bank als auch das Finanzamt werden die bisherigen Regeln der Verlustverrechnung weiterhin unverändert anwenden. Folglich wird das Finanzamt in Deinem Steuerbescheid einen Aktienverlust nur mit einem Aktiengewinn saldieren.

Falls Du eine Verrechnung mit anderen Kapitalerträgen wünschst, musst Du Dich mittlerweile nicht mehr selbst darum kümmern, dass Dein Steuerbescheid in diesem Punkt offen bleibt. Mit dem Schreiben des BMF vom 31. Januar 2022 haben jetzt alle Steuerbescheide einen Vorläufigkeitsvermerk bezüglich der Verlustverrechnungsbeschränkung für Ak­tien­ver­äu­ße­rungs­ver­luste. 

Sollte das Bundesverfassungsgericht in mehreren Jahren die Regel als verfassungswidrig einstufen, kannst Du dann mit einer Erstattung von zu viel bezahlter Abgeltungssteuer, Solidaritätszuschlag, gegebenenfalls Kirchensteuer zuzüglich Erstattungszinsen vom Finanzamt rechnen.

Folgendes Zahlenbeispiel zeigt Dir, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktienverlusten nachteilig sein kann:

Als Ehepaar führt Ihr ein gemeinsames Konto und Depot bei einer Bank. Ihr habt dort einen Freistellungsauftrag über 2.000 Euro eingerichtet, also über Euren gesamten Sparerpauschbetrag. Ihr wohnt in Nordrhein-Westfalen und seid kirchensteuerpflichtig. Ihr erzielt 2023 insgesamt 

  • Dividenden von 1.900 Euro,
  • Zinsen von 700 Euro und
  • nach dem Verkauf von Aktien einen Verlust von 800 Euro.

Weil Eure Bank den Aktienverlust nur mit einem im Jahr 2023 erzielten Aktiengewinn verrechnen darf, rechnet sie folgendermaßen:

1.900 Euro Dividenden + 700 Euro Zinsen – 2.000 Euro Sparerpauschbetrag = 600 Euro

Davon zieht die Bank 26,375 Prozent Abgeltungssteuer inklusive Soli ab, also: 158,25 Euro zuzüglich 14,24 Euro Kirchensteuer, insgesamt 172,49 Euro.

Ändern wir das Beispiel an zwei Stellen: Ihr bekommt die 700 Euro als Aktiengewinn statt als Zinsen, denn Eure gut laufenden Aktien brachten Euch einen Ver­äuß­er­ungs­ge­winn von 700 Euro. Und die 800 Euro Verlust resultieren nicht aus dem Verkauf von Aktien, sondern weil Ihr Euren Investmentfonds mit 800 Euro Verlust verkauft habt. Dann rechnet die Bank folgendermaßen:

700 Euro Aktiengewinn + 1.600 Euro Dividenden – 800 Euro Verlust aus Verkauf des Investmentfonds = 1.500 Euro Kapitalerträge bei dieser Bank; in Anspruch genommener Sparerpauschbetrag: 1.500 Euro. Die Bank zahlt Eure kompletten Kapitalerträge ohne steuerliche Abzüge aus, die Kapitalertragsteuer ist 0. Ihr hättet beim Sparerfreibetrag noch 500 Euro freies Volumen, zum Beispiel für einen weiteren steuerfreien Aktiengewinn in dieser Höhe.

Die einkommensteuerlichen Regeln beim Verlustabzug und der Verlustverrechnung erklären wir Dir in einem eigenen Ratgeber.

Du willst Steuerabzüge bei einer Ka­pi­tal­le­bens­ver­si­che­rung korrigieren 

Hast Du eine Ka­pi­tal­le­bens­ver­si­che­rung vor 2005 abgeschlossen, dann ist die Ver­si­che­rungsleistung für diesen Altvertrag steuerfrei, wenn

  • die Vertragslaufzeit mindestens zwölf Jahre beträgt
  • Du mindestens fünf Jahre lang Beiträge gezahlt hast und
  • der Todesfallschutz mindestens 60 Prozent der Beitragssumme umfasst.

Bei einem Neuvertrag ab 2005, bei dem die Leistung nach Ablauf von zwölf Jahren und frühestens zum 60. Lebensjahr und für Verträge ab 2012 ab dem 62. Lebensjahr ausgezahlt wird, musst Du die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Ver­si­che­rungsleistung und der Summe Deiner eingezahlten Ver­si­che­rungsbeiträge versteuern. Das ist die sogenannte Halbeinkünfteregelung

Die Ver­si­che­rung behält aber die Abgeltungssteuer immer vom vollen Unterschiedsbetrag ein. Weil Du aber nur die halben Kapitalerträge mit Deinem persönlichen Steuersatz versteuern musst, kannst Du das über die Steu­er­er­klä­rung korrigieren. Dazu trägst Du die Kapitalerträge in Zeile 30 der Anlage KAP ein. Eine deutsche Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft weist diese in einer Steuerbescheinigung aus. Das Finanzamt kürzt die Erträge für die hälftige Steuerfreistellung. Die bereits einbehaltene Kapitalertragsteuer trägst Du in den Zeilen 43 bis 45 der Anlage KAP ein, das Finanzamt verrechnet es als Steuervorauszahlung mit Deiner Steuerschuld.

Du hast ausländische thesaurierende Fonds verkauft

Hast Du in einen ausländischen thesaurierenden Fonds oder Exchange Traded Fund (ETF) investiert, so musstest Du Deine bis Ende 2017 angefallenen und wiederangelegten Dividenden, sogenannte „ausschüttungsgleiche Erträge“, Jahr für Jahr selbst in der Steu­er­er­klä­rung angeben. Das galt sogar, wenn Du das Depot in Deutschland führtest.

Diese grundsätzliche jährliche Steu­er­er­klä­rungspflicht entfällt für Erträge ab 2018, weil nun Vorabpauschalen greifen. Die Bank ermittelt jetzt auch die Steuer für im Ausland aufgelegte Fonds, die ihre Erträge nicht ausschütten, sondern im Fondsvermögen wieder anlegen. Das nennt sich thesaurierende Auslandsfonds.

Hast Du aber einen solchen Fonds verkauft, dann musst Du dem Finanzamt nachweisen, dass Du in den Vorjahren Deine ausschüttungsgleichen Erträge bereits versteuert hast. In der Anlage KAP beantragst Du in der Zeile 5 „eine Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge“. In Zeile 7 korrigierst Du Deine Kapitalerträge. Übernimm aus der Steuerbescheinigung die „Höhe der Kapitalerträge“. In die Korrekturspalte trägst Du den Wert ein, der sich nach Abzug der bereits versteuerten Dividenden ergibt.

An- und Verkaufsabrechnungen, Steuerbescheinigungen, Depotauszüge und die jeweiligen Anlagen KAP der vorherigen Steuerjahre solltest Du aufbewahren, bis Du alle Fondsanteile verkauft und mit dem Finanzamt abgerechnet hast.

Wenn Du den thesaurierenden Fonds erst ab dem Jahr 2018 gekauft hast, dann musst Du in der Steu­er­er­klä­rung nichts mehr angeben.

Was ist die Vorabpauschale?

Der Fiskus hat sich ein neues System ausgedacht, um sicherzustellen, dass Du während der Zeit, in der Du den thesaurierenden Fonds hältst, einen Mindestertrag versteuerst – sofern sich der Fonds im Jahr zuvor positiv entwickelt hat. Für alle thesaurierenden Fonds gilt: Statt der ausschüttungsgleichen Erträge gibt es jetzt eine Vorabpauschale, die einen fiktiven Mindestertrag darstellt.

Auf dieser Basis hat Deine Bank möglicherweise zu Jahresbeginn 2019 für die Vorabpauschale 2018 erstmals Abgeltungssteuer einbehalten. Diese wurde dann in der Steuerbescheinigung 2019 ausgewiesen. Die Vorabpauschale 2019 wurde dementsprechend Anfang 2020 besteuert und in der Steuerbescheinigung 2020 dargestellt. In den Jahren danach war die Vorabpauschale sehr gering oder gar 0, weil der Basiszins entsprechend klein war.

Das sah für das Jahr 2023 anders aus, der Basiszins wurde mit 2,55 Prozent festgelegt, sodass Du Anfang 2024 unter Umständen eine Steuern auf die Vorabpauschale zahlen musstest. Für das Jahr 2024 sinkt der Basiszins leicht auf 2,29 Prozent. 

Beachte die Teilfreistellung und Quellensteuer

Abgeltungssteuerpflichtige Kapitalerträge bei Fonds sind Dividenden, Vorabpauschalen und Ver­äuß­er­ungs­ge­winne. Deine deutsche Depotbank berücksichtigt bei der Berechnung auch die Teilfreistellung. So werden bei einem Aktienfonds mit einem mindestens hälftigen Aktienanteil 30 Prozent aller Erträge steuerfrei gestellt. Die Bank führt die Abgeltungssteuer nur auf den steuerpflichtigen Teil der Erträge ab – also auf 70 Prozent der Erträge bei Aktienfonds und Aktien-ETFs. Das Teilfreistellungssystem löst auch die komplizierte Anrechnung von ausländischen Quellensteuern ab.

Sichere Dir einen Freibetrag, wenn Du Fonds vor 2009 verkauft hast

Fonds, die Du vor 2009 gekauft hast, gelten als bestandsgeschützte Alt-Anteile. Eine Wertsteigerung bis Ende 2017 ist komplett steuerfrei; für die Zeit danach nur bis zu einem persönlichen Freibetrag von 100.000 Euro. Wie für alle Fonds hat Deine Bank zum 31. Dezember 2017 einen fiktiven Ver­äuß­er­ungs­ge­winn festgestellt, der dauerhaft steuerfrei ist.

Die danach aufgelaufenen Wertsteigerungen musst Du bei einem Verkauf nach der neuen Rechtslage zunächst versteuern. Die Bank stellt also einen Teil des Ver­äuß­er­ungs­ge­winns frei und führt Abgeltungssteuer auf den verbleibenden Betrag ab. Hast Du ab 2018 einen bestandsgeschützten Alt-Fonds verkauft, dann hat die Bank auf die ab Jahresbeginn 2018 aufgelaufene Wertsteigerung dementsprechend Abgeltungssteuer abgeführt.

Wichtig: Den Freibetrag von 100.000 Euro berücksichtigt jedoch nicht die Bank, sondern nur das Finanzamt. Du bekommst ihn nur angerechnet, wenn Du Deine Kapitalerträge aus der Steuerbescheinigung in die Zeile 7 einträgst und die Zeile 10 der Anlage KAP ausfüllst. Dahin gehört Dein Gewinn aus dem Verkauf bestandsgeschützter Alt-Anteile nach der Teilfreistellung. Du findest diesen im nachrichtlichen Teil der Steuerbescheinigung. Lohn der Mühe: Das Finanzamt erstattet Dir die abgeführte Abgeltungssteuer.

Deine Bank hat falsch abgerechnet

Es kann sein, dass Deine Bank beim Steuerabzug Fehler gemacht hat. Prüfe daher Deine Steuerbescheinigung genau. Wenn Dein Finanzinstitut zum Beispiel die fondsspezifische Teilfreistellung von Erträgen nicht korrekt berücksichtigt hat, dann trage den richtigen Betrag in die Korrekturspalte der Zeile 7 in der Anlage KAP ein. Du musst aber nachweisen, dass Dein Fonds die Voraussetzung für die entsprechende Teilfreistellung erfüllt.

Ähnliche Überlegungen gelten, wenn Du im vergangenen Jahr Fondsanteile verkauft hast, bei denen die Depotbank geschätzte Werte - die sogenannte Er­satz­be­mes­sungs­grund­la­ge - verwendet und diese auch nicht korrigiert hat. Über die Steu­er­er­klä­rung kannst Du eine Neuberechnung beantragen.

Es kann vorkommen, dass die Bank beim Wertpapierverkauf den Anschaffungspreis nicht kennt – zum Beispiel im Fall eines Depotwechsels. Sie wendet dann für die Versteuerung eine Er­satz­be­mes­sungs­grund­la­ge an. Meistens beträgt diese 30 Prozent. Die Kapitalertragsteuer fällt dann aber zu hoch aus. Dies kannst Du mit einem Antrag auf „Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge“ (Zeile 5) korrigieren lassen.

In diesem Fall sind weitere Einträge in der Anlage KAP nötig. Zum Beispiel die Kapitalerträge in Zeile 7, die Er­satz­be­mes­sungs­grund­la­ge in Zeile 11, der verbrauchte Sparerpauschbetrag ab Zeile 16 und die gezahlten Steuern ab Zeile 37.

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Wie funktioniert die Verlustverrechnung?

Zum Abschluss geht es noch um die Frage, was steuerlich passiert, wenn Du mit Deinen Investments Verluste machst. Um es gleich zu sagen: Es ist kompliziert

Denn die Besteuerung der Kapitalerträge fällt im Vergleich zu den anderen sechs Einkunftsarten aus dem Rahmen. Während zum Beispiel bei Arbeit­nehmern, Selbstständigen oder Gewerbetreibenden Gewinne und Verluste miteinander verrechnet werden – und nur das Endergebnis versteuert wird – ist das bei bestimmten Kapitalerträgen nur eingeschränkt möglich. Wie das genau funktioniert, zeigen wir Dir gleich. 

Zuerst erklären wir Dir die generellen Regeln, die gelten. Danach geht es darum, wie die Verrechnung konkret funktioniert und welche Rolle die sogenannten Verlustverrechnungstöpfe dabei spielen. 

Sieben Regeln bei der Verlustverrechnung

Nicht nur Du, auch Finanzämter und Banken müssen bei der Verlustverrechnung die geltenden gesetzlichen Vorgaben einhalten. Und das sind die recht komplizierten Regeln:

  1. Verkaufst Du eine Anlage mit Verlust, so kannst Du diesen niemals mit anderen Einkünften, beispielsweise Arbeitslohn, Rente oder aus einer Vermietung, verrechnen.
  2. Verkaufst Du Aktien mit Verlust, kann dieser nur mit einem Gewinn aus Aktiengeschäften saldiert werden. Du kannst also zum Beispiel nicht 3.000 Euro Aktienverluste mit 2.000 Euro Zinseinnahmen verrechnen. Diese Regel ist aber rechtlich höchst umstritten. Der Bundesfinanzhof (BFH) meint in seinem sogenannten Vorlagenbeschluss vom 17. November 2020, dass die Regel verfassungswidrig sei (Az. VIII R 11/18). Das Verfahren liegt nun seit mehr als drei Jahren unter dem Aktenzeichen 2 BvL 3/21 beim Bundesverfassungsgericht.
  3. Verkaufst Du Geldanlagen – außer Aktien und sogenannte Termingeschäfte – mit Verlust, kannst Du diesen aber mit anderen Kapitalerträgen verrechnen. Natürlich auch mit einem Gewinn aus dem Verkauf von Aktien.
  4. Seit 2020 ist es möglich, einen Totalverlust steuerlich geltend zu machen – zum Beispiel, wenn Aktien nach der Unternehmensinsolvenz nichts mehr wert sind. Das war zuvor ausgeschlossen. Eine Verrechnung ist aber nur mit anderen Kapitalerträgen möglich und auf 20.000 Euro im Jahr begrenzt. Ist Dein Totalverlust größer, musst Du alles, was über 20.000 Euro liegt, auf die Folgejahre vortragen. Entsprechende Angaben machst Du in den Zeilen 15 und/oder 25 der Anlage KAP. Am besten nutzt Du aber ein Steuerprogramm.
  5. Für Termingeschäfte gilt seit 2021 ebenfalls die auf 20.000 Euro pro Jahr begrenzte Verlustverrechnung. Zum Beispiel bei Derivaten wie Differenzkontrakte, sogenannte CFDs = Contracts for Difference. Optionsscheine und Zertifikate gehören ausdrücklich nicht dazu. Dies legte das Bundesfinanzministerium (BMF) in einem Schreiben vom 3. Juni 2021 fest. Die Verlustverrechnungsbeschränkung (Regel 4) könnte dennoch bei einem völlig wertlosen Knock-out-Zertifikat greifen. Verluste aus Geschäften mit CFDs, Futures, Forwards und Optionen kannst Du ausschließlich mit Gewinnen aus anderen Termingeschäften verrechnen; bis 2020 war noch eine Verrechnung mit anderen Kapitalerträgen möglich.

    Auch diese Regel ist umstritten – der BFH meint in seinem Beschluss vom 7. Juni 2024, dass sie verfassungswidrig sei (Az. VIII B 113/23 (AdV)). Im vorliegenden Fall hatte ein Anleger rund 250.000 Euro Gewinn, aber auch rund 227.000 Euro Verlust mit Termingeschäften gemacht. Da er nur 20.000 Euro der Verluste im betreffenden Jahr abziehen konnte, sollte er am Ende mehr als 52.000 Euro Kapitalertragsteuer zahlen. Dabei lag sein Gewinn aus den Geschäften nur bei rund 23.000 Euro. Der Mann klagte und das Finanzgericht Rheinland-Pfalz gab ihm recht, was der BFH bestätigte. 

    Aber: Es gibt damit noch keine endgültige Entscheidung darüber, ob diese Form der Besteuerung zulässig ist. Der BFH bestätigte „nur“, dass die sogenannte „Aussetzung der Vollziehung (AdV)“ rechtens ist. Damit muss der Anleger erstmal nicht die 52.000 Euro Steuern zahlen. Allerdings stehen seine Chancen, diese Summe überhaupt nicht zahlen zu müssen, auch dank der Begründung des BFH nicht schlecht. Ist Dein Steuerfall ähnlich, lege unbedingt Einspruch gegen Deinen Steuerbescheid ein und beantrage dabei die Aussetzung der Vollziehung. Berufe Dich dabei auf den BFH-Beschluss. Für den Einspruch hast Du einen Monat nach Eingang des Steuerbescheids Zeit.

    Beim BFH ist noch ein weiteres Verfahren zum gleichen Thema anhängig. Ein Ehepaar hatte vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg wegen der Versteuerung von Verlusten aus Termingeschäften geklagt und verloren (Urteil am 29. April 2024, Az. 10 K 1091/23). Das Revisionsverfahren ist seit Oktober 2024 beim BFH anhängig (Az. VIII R 11/24).

    Achtung: Die Politik hat mittlerweile auf das Problem reagiert und hat die Begrenzung der Verluste in den Punkten 4 und 5 auf 20.000 Euro im Jahr komplett abgeschafft. Das sieht das Jahressteuergesetz 2024 so vor. Die neue gesetzliche Regelung soll rückwirkend für alle offenen Fälle gelten. 

  6. Die Bank verrechnet in jedem sogenannten Verrechnungstopf Gewinne und Verluste vor einem freigestellten Sparerfreibetrag. Das können zum Beispiel 500 Euro laut Freistellungsauftrag sein. Im Steuerbescheid saldiert das Finanzamt zunächst Gewinne und Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und zieht dann seit dem Steuerjahr 2023 den Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro ab, bei einer Zu­sam­men­ver­an­la­gung 2.000. Zuvor waren es noch 801 beziehungsweise 1.602 Euro. Ein bereits auf Bankebene verbrauchter Teilbetrag, zum Beispiel 400 Euro bei einem Freistellungsauftrag über 500 Euro, verrechnet es entsprechend.
  7. Deine positiven Kapitalerträge, also Deine Gewinne, darfst Du mit anderen negativen Einkünften verrechnen, beispielsweise mit dem Lohn, einem Gewinn aus einer gewerblichen Tätigkeit oder aus Vermietung.

Banken führen bis zu vier Verlustverrechnungstöpfe

Natürlich solltest Du diese Regeln kennen und anwenden. Kümmern müssen sich darum aber vor allem die Banken. Diese müssen wegen dieser Regeln bis zu vier Verlustverrechnungstöpfe führen:

  1. Verrechnungstopf für Aktien
  2. Verrechnungstopf allgemein
  3. Verrechnungstopf für wertlose Kapitalforderungen (wertlos gewordene Aktien, Anleihen, Zertifikate oder andere Wertpapiere)
  4. Verrechnungstopf für Termingeschäfte (an der Eurex gehandelte Optionen, Forwards, Futures, Swaps, Devisentermingeschäfte und CFDs)

Im ersten Topf landen die Aktiengewinne und Aktienverluste. Die Verlustverrechnung erledigt zunächst Deine Depotbank. Sie muss Gewinne und Verluste aus allen Wertpapiergeschäften verrechnen – bereits während des Jahres. Ein verbleibender Verlust aus Aktiengeschäften wird aufs nächste Jahr vorgetragen. Sobald Du bei Deiner Bank steuerpflichtige Gewinne aus Aktienverkäufen erzielst, verrechnet sie dann den alten Verlust mit dem neuen Gewinn. Sobald Du aber eine Verlustbescheinigung beantragst, stellt sie den Verlust auf 0.

Für den Fall, dass Du einen Aktiengewinn erzielst, fließt dieser in den zweiten Topf, den allgemeinen Verrechnungstopf. Darin werden alle Gewinne und Verluste aus Fonds, Anleihen und anderen Anlagen gesammelt. Der Aktiengewinn wird mit diesem Ergebnis verrechnet. Bleibst Du unterm Strich im positiven Bereich, muss die Bank darauf Abgeltungssteuer samt Soli und gegebenenfalls Kirchensteuer einbehalten. Verbleibt hingegen ein Verlust, überträgt ihn die Bank ins nächste Jahr.

Wertlose Kapitalforderungen sammelt die Bank im dritten Verrechnungstopf. Dies soll laut des Schreibens des BMF zutreffen, wenn die Veräußerungskosten die Verkaufserlöse übersteigen.

Wegen der Beschränkungen bei Termingeschäften gibt es seit 2021 hierfür einen vierten Verlustverrechnungstopf. Hier werden die Gewinne und Verluste aus Termingeschäften gesammelt. Verluste können steuerlich nur noch mit Gewinnen aus Termingeschäften oder Erträgen aus sogenannten Stillhaltergeschäften verrechnet werden. Wobei die Bank pro Anleger oder Anlegerin nur Verluste bis insgesamt 20.000 Euro pro Jahr sofort berücksichtigen darf, den Rest trägt sie ins Folgejahr vor. Wenn dann der Verlust ebenfalls nicht komplett verrechenbar ist, dann wird der Überschuss immer weiter vorgetragen, immer vorbehaltlich der endgültigen höchstrichterlichen Entscheidung. Einen ersten, wichtigen Schritt hat der BFH mit dem oben ausgeführten Beschluss ja schon gemacht.

Wichtig: Bezüglich der Regeln 3 und 4 gilt: Du kannst den Verlust mit der Begrenzung auf 20.000 Euro erst mit der Steu­er­er­klä­rung im Folgejahr geltend machen.

Bei Ehepaaren mit Einzelkonten oder Einzeldepots bei einer Bank ist eine bankinterne Verlustverrechnung dann möglich, wenn ein gemeinsamer Freistellungsauftrag vorliegt. Der könnte auf 0 Euro lauten. Diese ehegattenübergreifende Verlustverrechnung führt sie zum Jahresende durch. Die Bank berücksichtigt hierbei den Freistellungsauftrag. Ohne diesen kann das Paar die Verlustverrechnung nur über eine gemeinsame Steu­er­er­klä­rung erreichen.

Du hast mehrere Konten oder Depots mit Gewinnen und Verlusten? Eine bankübergreifende Verlustverrechnung kannst Du nur über einen Weg erreichen: Du musst dann die Anlage KAP im Rahmen Deiner Steu­er­er­klä­rung vollständig ausfüllen. Zunächst verrechnet das Finanzamt die Verluste aus dem aktuellen Steuerjahr, dann einen etwaigen Verlustvortrag und anschließend mit dem Sparerpauschbetrag.

Bei den hier dargestellten Prinzipien der Verlustverrechnung geht es ausschließlich um Verluste aus seit 2009 erworbenen Kapitalanlagen. Seitdem gibt es das System der Abgeltungssteuer.

Autoren
Udo Reuß

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