Er­werbs­min­de­rungs­ren­te Für den Ernstfall zu wenig

Jan Scharpenberg
Finanztip-Experte für Rente

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te steht Dir zu, wenn Du krankheitsbedingt weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kannst. 

  • Eine Teilerwerbsminderungsrente kannst Du bekommen, wenn Du weniger als sechs Stunden am Tag arbeitsfähig bist.

  • Die Höhe der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te richtet sich nach den möglichen Arbeitsstunden und Deinen bisherigen Rentenansprüchen. Viel Geld ist es in der Regel nicht.

So gehst Du vor

  • Lass Dir beim Antrag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te helfen, zum Beispiel in den Beratungsstellen der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung.

  • Er­werbs­min­de­rungs­ren­ten sind in der Regel auf drei Jahre befristet. Stelle rechtzeitig einen Folgeantrag, damit keine Lücke entsteht.

  • Die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te reicht oft nicht zum Leben. Schließe daher lieber eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung ab. Für die Beratung dazu empfehlen wir Hoesch & Partner, Buforum24, Zeroprov, Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung sowie P&F.

Du leidest unter chronischen Rückenschmerzen? Zu viel Arbeitsstress hat Dich in einen Burnout getrieben oder Du hattest einen schlimmen Autounfall? Kannst Du nach einer schweren Erkrankung oder einem Unfall nicht mehr oder nur eingeschränkt arbeiten, erhältst Du auch wesentlich weniger oder gar kein Gehalt mehr. In einem solchen Notfall springt die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung ein. Du bekommst dann eine sogenannte Er­werbs­min­de­rungs­ren­te (EM-Rente). Doch die fällt nicht gerade üppig aus: Die Höhe der vollen Er­werbs­min­de­rungs­ren­te lag 2022 laut Ren­ten­ver­si­che­rung im Schnitt bei gerade einmal 950 Euro im Monat. 

Was sind die Voraussetzungen für eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te?

Wenn Du aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage bist zu arbeiten, bekommst Du eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te – aber nur unter den folgenden drei Voraussetzungen (§ 43 SGB VI):

Du kannst weniger als drei Stunden arbeiten

Die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung unterscheidet zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung. Die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te in voller Höhe erhältst Du nur, wenn Du aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als drei Stunden am Tag arbeiten kannst – egal in welchem Beruf. Es kommt also nicht darauf an, ob Du in Deinem jetzigen Beruf nicht mehr arbeiten kannst. Vielmehr prüft die Ver­si­che­rung, ob Du noch in irgendeiner Tätigkeit mehr als drei Stunden arbeiten kannst.

Du kannst weniger als sechs Stunden arbeiten

Kannst Du noch zwischen drei und sechs Stunden irgendeiner Arbeit nachgehen, zahlt die Ren­ten­ver­si­che­rung nur die Hälfte, die sogenannte Teilerwerbsminderungsrente. Denn es wird von Dir erwartet, dass Du Dir einen Teilzeitjob suchst. Welchen Beruf Du zuvor ausgeübt hast, ist dabei unerheblich. So kannst Du zum Beispiel als Akademiker auch auf Aushilfsarbeiten verwiesen werden. Wenn Du aufgrund der Arbeitsmarktlage keine Teilzeitstelle findest, kannst Du jedoch die volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te beantragen. (BSG, 10.12.1976, GS 2/75 – GS 4/75, GS 3/76). Das ist auch bekannt als Arbeitsmarktrente. Dafür prüft die Agentur für Arbeit, ob Dir der Arbeitsmarkt verschlossen ist, wie es im Fachjargon heißt. Mehr dazu liest Du bei den Besonderheiten der Teilerwerbsminderungsrente im letzten Kapitel

Vor der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te kommt die Reha

Es gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Die Ren­ten­ver­si­che­rung prüft zunächst, ob Deine Erwerbsfähigkeit durch Rehabilitationsmaßnahmen wiederhergestellt werden kann und Du bist verpflichtet, dies im Zweifelsfall auch mitzutragen. Eine Rehabilitationsmaßnahme kann bei der Ren­ten­ver­si­che­rung auch eine Umschulung bedeuten. Selbst wenn Du in Deinem eigentlichen Beruf erwerbsgemindert bist, muss das aus Sicht der Ren­ten­ver­si­che­rung nicht für ein anderes Tätigkeitsfeld gelten. Während der Reha zahlt Dir die Ren­ten­ver­si­che­rung keine Rente, sondern ein Übergangsgeld.

Du hast fünf Jahre eingezahlt

Die zweite Voraussetzung ist: Du musst mindestens fünf Jahre in Deinem Leben in die gesetzliche Ren­ten­ver­si­che­rung eingezahlt haben. Welche Phasen zu dieser sogenannten Wartezeit zählen, kannst Du weiter unten nachlesen.

Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren

Dritte Voraussetzung: In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung hast Du mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge bei der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung gezahlt. Die drei Jahre müssen aber kein zusammenhängender Zeitraum sein.

Sonderregelung für die Jahrgänge vor 1961

Wenn Du vor dem 2. Januar 1961 geboren bist, gelten für Dich günstigere Regeln: Du kannst die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch bekommen, wenn Du in Deinem erlernten oder zuletzt dauerhaft ausgeübten Beruf weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kannst. Die Ren­ten­ver­si­che­rung prüft zwar, ob eine andere, gleichwertige Tätigkeit zumutbar ist, kann Dich aber nicht auf jede beliebige Tätigkeit verweisen.

Er­werbs­min­de­rungs­ren­te für Selbstständige

Bist Du als Selbstständige oder Selbstständiger in der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung pflichtversichert, wie es zum Beispiel bei Handwerkern der Fall ist – oder freiwillig versichert, hast Du den gleichen Anspruch auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te wie Angestellte.

Allerdings verzichten einige Selbstständige und Freiberufler darauf und sichern sich privat mit einer Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung (BU) oder einer der BU-Alternativen ab. Denn für viele Selbstständige ist die Mitgliedschaft in der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung keine Pflicht.

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Wie hoch ist die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te?

Wie viel Er­werbs­min­de­rungs­ren­te Du bekommst, hängt von Deinem individuellen Rentenanspruch ab. Für die Höhe der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te spielt es eine Rolle, wie viele Jahre Du schon in die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung eingezahlt hast. Außerdem kommt es darauf an, wie viele Entgeltpunkte Du dabei gesammelt hast und wie lange Du bis zur regulären Altersrente noch arbeiten müsstest.

Die Entgeltpunkte – umgangsprachlich auch Rentenpunkte genannt – haben einen Wert. Der beträgt aktuell 39,32 Euro pro gesammeltem Punkt. 

Steigt der Wert der Rentenpunkte mit der Rentenerhöhung zum 1. Juli jeden Jahres, dann steigt auch Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. 

Beim Einschätzen Deiner Ansprüche hilft ein Blick in die Renteninformation, die Du einmal im Jahr von der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung bekommst: Dort steht, wie viel Rente Du derzeit bei voller Erwerbsminderung bekommen würdest.

Die durchschnittliche Auszahlung, also die Nettorente aller Er­werbs­min­de­rungs­ren­ten, betrug 2022 rund 950 Euro.

Was ist die Besonderheit der Erhöhung der EM-Renten 2024?

Sowohl die volle, als auch die Teilerwerbsminderungsrente, ist zum 1. Juli 2024 gestiegen – zusätzlich zur Erhöhung über den Rentenwert. Pauschal beträgt die Steigerung entweder 7,5 Prozent oder 4,5 Prozent. 

Welche pauschale Erhöhung für Deine Erwerbminderungsrente gilt, ist abhängig davon, wann Du diese das erste Mal bezogen hast. Wer zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 30. Juni 2014 in EM-Rente gegangen ist, bekommt den vollen Zuschlag von 7,5 Prozent. Einen geringeren Zuschlag von 4,5 Prozent gibt es für diejenigen, die zwischen 1. Juli 2014 und dem 31. Dezember 2019 in EM-Rente gegangen sind.

Allerdings kann die pauschale Erhöhung nicht wie geplant durchgeführt werden, hat die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund (DRV) mitgeteilt. Bist Du betroffen, musst Du Dir jetzt aber keine Sorgen machen. Denn Deine Erhöhung wirst Du als vereinfachten Zuschuss dennoch bekommen. Er wird, wie reguläre Erhöhung, auch entweder 4,5 oder 7,5 Prozent betragen. Der größte Unterschied ist, dass der Zuschuss nicht auf einen Schlag zum selben monatlichen Auszahlungstermin mit der EM-Rente fließt, sondern getrennt davon jeweils Mitte des Monats. Du bekommst also für einen gewissen Zeitraum zweimal im Monat Geld von der Ren­ten­ver­si­che­rung. 

Ab dem 1. Dezember 2025 wird dann die Erhöhung wie ursprünglich angedacht in einer Summe gezahlt. Ab diesem Zeit­punkt wird die Ren­ten­ver­si­che­rung auch prüfen, ob Dein bis dahin erhaltener Zuschuss in der richtigen Höhe geflossen ist. 

Gut für Dich: Sollte Dir die Ren­ten­ver­si­che­rung zu viel gezahlt haben, musst Du das Geld nicht wieder zurückzahlen. Es wird „keine rückwirkende Verrechnung“ mit den Zuschüssen geben, die bereits an Dich geflossen sind, wie uns die Ren­ten­ver­si­che­rung bestätigt hat. Es wird ab 1. Dezember 2025 nur geprüft, ob Dein Zuschuss zu niedrig ausgefallen ist. Einen Antrag zur Überprüfung brauchst und kannst Du dafür nicht stellen. 

Hintergrund der zwischenzeitlichen Umstellung von Erhöhung auf Zuschuss sind IT-Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Vorhabens. Die Programmierarbeiten hätten sich als komplexer und aufwendiger herausgestellt, als ursprünglich angenommen, teilte die DRV mit.

Wie werden Er­werbs­min­de­rungs­ren­te und Abzüge berechnet?

Die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te wird im Prinzip so berechnet wie die reguläre Altersrente. Je mehr Jahre und je mehr Geld Du in die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung eingezahlt hast, desto höher fällt auch Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te aus.

Für junge Menschen hätte das allerdings eine sehr geringe Er­werbs­min­de­rungs­ren­te zur Folge. Deswegen wird bei der Berechnung so getan, als hättest Du viel länger eingezahlt. Die Arbeitsjahre, die normalerweise noch vor Dir stünden, werden einfach bei der Berechnung mit einkalkuliert. Das ist die sogenannte Zurechnungszeit (§ 253a Abs. 1-4 SGB VI). Dabei wird Dein Einkommen aller bisherigen Ver­si­che­rungsjahre auch für die noch vor Dir liegenden Arbeitsjahre angenommen. Verringern die letzten vier Jahre Deinen Durchschnittswert, zum Beispiel weil Du in Teilzeit gearbeitet hast, werden diese Jahre nicht berücksichtigt. Hast Du beispielsweise vor Deiner Erwerbsminderung genau einen Entgeltpunkt pro Jahr auf deinem Rentenkonto gesammelt, ist das Dein Schnitt für die Zurechnungszeiten. Hättest Du beispielsweise noch 20 Arbeitsjahre vor Dir, würdest Du über die Zurechnungszeiten für jedes davon einen Entgeltpunkt auf Dein Rentenkonto bekommen.

Die Grenze für die Berechnung der Zurechnungszeiten liegt im Jahr 2024 bei 66 Jahren und einem Monat. Das heißt: Solltest Du beispielsweise heute mit 50 Jahren erwerbsunfähig werden, wird bei der Berechnung so getan, als hättest Du bis zu einem Alter von 66 Jahren und einem Monat gearbeitet. Die Grenze für die Zurechnungszeiten steigt bis zum Jahr 2031 schrittweise um einen Monat beziehungsweise zwei Monate pro Jahr bis auf 67 Jahre.

Tabelle: Grenzen für Zurechnungszeiten nach Jahren

Beginn der Er­werbs­min­de­rungs­ren­teZurechnungszeit bis
202265 Jahre, 11 Monate
202366 Jahre
202466 Jahre, 1 Monat
202566 Jahre, 2 Monate
202666 Jahre, 3 Monate
202766 Jahre, 4 Monate
202866 Jahre, 6 Monate
202966 Jahre, 8 Monate
203066 Jahre, 10 Monate
203167 Jahre

Quelle: Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung (Stand: Januar 2024)

Die genannten Zurechnungszeiten gelten jedoch nur für Versicherte, die seit Januar 2019 erstmalig eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te bekommen. Bei Erwerbsminderungsrentnern, deren Rente nur verlängert wird, gelten die jeweiligen Bestimmungen, die bei Eintritt in die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te in Kraft waren.

Welche Abzüge gibt es bei der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te?

Durch den vorzeitigen Rentenbeginn verringert sich die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te um einen individuellen Abschlag. Wie bei der regulären Altersrente gibt es auch bei der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te eine Altersgrenze für einen Renteneintritt ohne Abschlag. Diese liegt seit dem Jahr 2024 bei 65 Jahren. Für jeden Monat, den Du jünger bist als die Altersgrenze, werden Dir 0,3 Prozentpunkte der monatlichen Er­werbs­min­de­rungs­ren­te abgezogen. Der Abzug liegt bei höchstens 10,8 Prozent. Dieser Abzug ist die Regel, denn die meisten Er­werbs­min­de­rungs­ren­ten beginnen deutlich vor einem Alter von 60 Jahren. 

Vorsicht: Sollte Deine Erwerbsminderung im Alter von 63 Jahren oder höher beginnen, liegt die Überlegung nahe, gleich die Rente ab 63 in Anspruch zu nehmen. Diese kann aber auch niedriger sein als Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Das liegt daran, dass bei der Rente ab 63 Dein Rentenanspruch um bis zu 14,4 Prozent gemindert wird, weil Du vorzeitig in den Ruhestand gehst. Lass Dich daher vor Deiner Entscheidung unbedingt von der Ren­ten­ver­si­che­rung beraten.

Wenn Du vor der Auskunft von der Ren­ten­ver­si­che­rung einmal selbst überschlagen willst, wie hoch Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te ausfällt, ist das gar nicht so schwer. Du musst aber wissen, wie viele Entgeltpunkte Du schon hast und wie viele Du mit Zurechnungszeiten zusammenbekommst. Anschließend kannst Du Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te berechnen, indem Du die Werte in die Rentenformel eingibst und miteinander multiplizierst. Wie das funktioniert, siehst Du in unserer Grafik.

Vereinfachtes Beispiel: Höhe Er­werbs­min­de­rungs­ren­te

Er­werbs­min­de­rungs­ren­te bei 2.600 Euro Gehalt

Pascal ist 40 Jahre alt und arbeitet als LKW-Fahrer. Die Arbeit ist anstrengend und stressig. Pascal hatte einen schweren Bandscheibenvorfall. In seinem Beruf kann er nicht länger arbeiten. Er stellt einen Antrag auf volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Wie hoch würde diese ausfallen?

Pascal verdient im Monat 2.600 Euro brutto. Bisher hat er rund 18 Entgeltpunkte gesammelt. Weil er mit 18 angefangen hat zu arbeiten, ergibt sich daraus ein Schnitt von gut 0,8 Entgeltpunkten pro Jahr (18 Punkte geteilt durch 22 Arbeitsjahre).

Über die Zurechnungszeit werden ihm bis zu einer Grenze von 66 Jahren und einem Monat noch gut 20,9 Entgeltpunkte gutgeschrieben.

Pascal kommt so insgesamt auf 38,9 Entgeltpunkte, was bei dem aktuellen Rentenwert von 39,32 Euro einer monatlichen Rente von rund 1.530 Euro entspräche. Pascal nimmt die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te aber weit vor seiner Regelaltersgrenze in Anspruch und muss deswegen den Maximalabzug von 10,8 Prozent hinnehmen. Seine volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te läge deshalb brutto bei rund 1.365 Euro im Monat.

Bekäme Pascal nur eine teilweise Er­werbs­min­de­rungs­ren­te, würde sich dieser Wert halbieren.

Beziehst Du Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te früher, liegt sie oft unter dem Bedarf zur Grundsicherung. Sie reicht also zum Leben nicht aus. Wir empfehlen deshalb, frühzeitig eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung abzuschließen, um das fehlende Einkommen ausgleichen zu können. Aber Vorsicht: Wenn Du voll erwerbsgemindert bist, giltst Du nicht automatisch auch als berufsunfähig. Versicherer haben ihre eigenen Prüf-Regularien, die sich nur in manchen Fällen an der Erwerbsminderung orientieren.

Mehr dazu im Ratgeber Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung

  • Die staatliche Er­werbs­min­de­rungs­ren­te reicht nicht aus, eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung ist für fast jeden sinnvoll.

  • Von uns emp­foh­lene Makler: Hoesch & Partner, Buforum24, Zeroprov, Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung, P&F (früh-gewinnt.de).

Zum Ratgeber

Wann ist die Wartezeit für eine EM-Rente erfüllt?

Bei der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te gilt grundsätzlich eine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI). Diese hast Du zum Beispiel erfüllt, wenn du fünf Jahre lang in der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung versichert warst. Zusätzlich musst Du innerhalb von fünf Jahren vor der Erwerbsunfähigkeit mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt haben.

Sonderfall Schwangerschaft

Es kann vorkommen, dass Du wegen einer Schwangerschaft oder eines anderen Grunds nicht in der Lage warst, drei Jahre Pflichtbeiträge zu zahlen. Diesen Ausfall sieht die Ren­ten­ver­si­che­rung als unverschuldet an. In solchen Fällen wird die Fünf-Jahres-Grenze vor der Erwerbsunfähigkeit rückwirkend um die Zeit verlängert, die Du nicht einzahlen konntest.

Unter bestimmten Voraussetzungen zählen zur Wartezeit auch Phasen, in denen Du eine oder mehrere der folgenden Leistungen bezogen hast:

  • Krankengeld
  • Ar­beits­lo­sen­geld
  • Ar­beits­lo­sen­geld II (zwischen Januar 2005 und Dezember 2010)
  • Übergangsgeld

Außerdem werden folgende Zeiten hinzugerechnet:

  • Kindererziehung
  • nicht erwerbsmäßige häusliche Pflege
  • freiwillige Beitragszeiten
  • Zeiten aus einem Rentensplitting oder einem Versorgungsausgleich
  • Zeiten, die Du in einem Minijob beschäftigt warst

In den ersten Jahren Deines Berufslebens bist Du daher kaum abgesichert. Es gibt allerdings Ausnahmen, die Berufsanfängern immerhin ein wenig Schutz bieten.

Nach einer Ausbildung oder einem Studium gilt: Die Wartezeit ist ebenfalls vorzeitig erfüllt, wenn innerhalb von sechs Jahren nach Ende der Ausbildung eine volle Erwerbsminderung bei Dir eintritt und Du in den zwei Jahren davor mindestens zwölf Monate lang Pflichtbeiträge an die Ren­ten­ver­si­che­rung gezahlt hast (§ 53 Abs. 2 SGB VI).

Ist ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit die Ursache dafür, dass Du nicht mehr arbeiten kannst, reicht unter bestimmten Voraussetzungen schon ein einziger Beitrag zur Ren­ten­ver­si­che­rung für den Anspruch auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te aus. Bei Unfällen in der Freizeit bist Du bereits nach einem Jahr Beitragszahlung abgesichert.

Wie beantragst Du eine EM-Rente?

Eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te bekommst Du grundsätzlich erst mit Beginn des siebten Monats nach Eintritt der Erwerbsminderung. Bis dahin erhältst Du als Arbeitnehmer Krankengeld von der gesetzlichen Kran­ken­kas­se. Allerdings dauert es einige Zeit, bis der Antrag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te bearbeitet ist. Deshalb empfiehlt die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung, die Leistung innerhalb von drei Monaten zu beantragen, nachdem alle Voraussetzungen erfüllt sind.

Wenn Du eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te beantragen möchtest, musst Du einigen Papierkram bewältigen. Die Ren­ten­ver­si­che­rung fordert unter anderem folgende Angaben

  • Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte
  • Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte der vergangenen Jahre
  • eine detaillierte Beschreibung Deiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen
  • eine chronologische Aufstellung Deiner bisherigen Beschäftigungen inklusive Lohn- oder Gehaltsgruppe

Eine Übersicht aller benötigten Unterlagen findest Du bei der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung.

Falls Du beim Ausfüllen des Antrags auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te Hilfe brauchst, bekommst Du diese kostenfrei bei den Beratungsstellen der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung, dem Ver­si­che­rungsamt Deiner Gemeinde sowie von ehrenamtlich tätigen Versichertenältesten. Auch Sozialverbände wie der VdK oder der SoVD beraten ihre Mitglieder beim Beantragen der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te.

Möchtest Du die Unterlagen lieber alleine ausfüllen, kannst Du die notwendigen Formulare auf der Website der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung herunterladen und per Post an Deinen Ren­ten­ver­si­che­rungsträger senden.

Die Ren­ten­ver­si­che­rung prüft dann die Unterlagen und lässt die eigenen Sozialmediziner und Juristen beurteilen, ob alle medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te erfüllt sind.

Welche Krankheiten sind die häufigsten Ursachen?

Für eine Erwerbsminderung gibt es viele unterschiedliche gesundheitliche Gründe. Eine Orientierung kann die Übersicht der Ursachen für eine Be­rufs­un­fä­hig­keit bieten. Diese erhebt das Analysehaus Morgen & Morgen für Deutschland jährlich.

Aber bitte nicht falsch verstehen: Wenn Du unter einer der genannten Krankheiten leidest, heißt das nicht, dass Du automatisch Anspruch auf eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te hast.

Zum Beispiel kann der Antrag auf eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te wegen einer psychischen Erkrankung äußerst schwierig und erfolglos sein, obwohl dies die häufigste Ursache für eine Be­rufs­un­fä­hig­keit ist.

Beispiel für Streit über Er­werbs­min­de­rungs­ren­te

2019 landete ein solcher Fall vor dem Sozialgericht Dresden (SG Dresden, Urteil vom 27. September 2019, Az. S 4 R 876/18).

Ein 37-jähriger Mann mit vorwiegend psychischen Erkrankungen hatte die Ren­ten­ver­si­che­rung verklagt, weil diese ihm eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te verwehrte. Die Ren­ten­ver­si­che­rung begründete ihre Haltung damit, dass der Kläger seine Erkrankung nicht hatte behandeln lassen. Mit einer Therapie könne seine Arbeitsfähigkeit in ausreichendem Maß erhalten werden. Das sah das Gericht jedoch anders und gab dem Kläger recht. Die Ren­ten­ver­si­che­rung könne die Auszahlung der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te erst ablehnen, wenn der Antragsteller trotz Aufforderung zu einer Behandlung diese ablehne. Bis dahin sei die Auszahlung lediglich zu befristen, so das Urteil.

Wie beurteilt die Ren­ten­ver­si­che­rung Deine Krankheit?

Ein Arzt oder eine Ärztin erstellt im Auftrag der Ren­ten­ver­si­che­rung ein sogenanntes sozialmedizinisches Gutachten, um Deine Erwerbsminderung einzuschätzen. Diese Gutachten sind jedoch nicht standardisiert und die Vorgehensweise kann sich von Rententräger zu Rententräger unterscheiden.
Die Ren­ten­ver­si­che­rung gibt den ausführenden Ärzten für das Gutachten Leitlinien vor, die sich wiederum je nach Krankheitsbild unterscheiden.

Widerspruch einlegen, falls Dein Antrag abgelehnt wird

Rund 40 Prozent der Anträge auf eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te werden abgelehnt. Einen Ablehnungsbescheid musst Du aber nicht einfach hinnehmen. Du kannst innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Diesen solltest Du per Einschreiben verschicken. Alternativ kannst Du ihn auch direkt bei einer Auskunfts- und Beratungsstelle der Ren­ten­ver­si­che­rung vorbringen. Achte dann darauf, dass Du ein unterschriebenes Protokoll des Widerspruchs für Deine Unterlagen erhältst.

Wichtig ist, dass der Widerspruch innerhalb der Frist bei der Ren­ten­ver­si­che­rung eingeht. Eine ausführliche Begründung des Widerspruchs kannst Du gegebenenfalls nachreichen. Dafür solltest Du Dir fachkundige Unterstützung holen, zum Beispiel in der Rechtsberatung eines Sozialverbands oder von einem Fachanwalt für Sozialrecht. Auch offiziell zugelassene Rentenberater können Dir dabei helfen. Der Bundesverband der Rentenberater bietet dafür eine Online-Suche an. 

Hat das Widerspruchsverfahren nichts gebracht und wird die Rente weiterhin abgelehnt, bleibt Dir noch eine Klage vor dem Sozialgericht. Das Verfahren ist grundsätzlich kostenlos. Es ist jedoch empfehlenswert, sich von einem Fachanwalt für Sozialrecht vertreten zu lassen. Dessen Honorar musst Du selbst bezahlen, falls Du den Prozess verlierst.

Wie lange bekommst Du EM-Rente?

Er­werbs­min­de­rungs­ren­ten werden in der Regel befristet auf einen bestimmten Zeitraum gewährt. Dieser beträgt maximal drei Jahre, kann aber verlängert werden. Bei der vollen Er­werbs­min­de­rungs­ren­te insgesamt bis zur Höchstgrenze von neun Jahren. (§102 Abs. 2 SGB VI)

 Eine unbefristete, volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te erhältst Du nur, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich Dein Gesundheitszustand bessert. Das wird übrigens automatisch angenommen, wenn Du die maximale Befristungszeit von neun Jahren insgesamt erreicht hast. Wichtig: Die neun Jahre müssen ohne Pause am Stück vollendet sein.

Eine Teilerwerbsrente gibt es im Gegensatz zur vollen Er­werbs­min­de­rungs­ren­te prinzipiell nur befristet. 

Endet die befristete Rente bald und Du kannst weiterhin nicht arbeiten, dann solltest Du rechtzeitig einen Folgeantrag stellen. Die Bearbeitung kann sich durchaus über einige Monate hinziehen. 

Hat sich Dein Gesundheitszustand hingegen verbessert, kann die volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te auf die Hälfte gekürzt werden. Längstens erhältst Du eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te bis zur Regelaltersgrenze. Ab dann greift die normale Altersrente.

Wieviel darfst Du hinzuverdienen?

Generell kannst Du als Erwerbsrentner oder Erwerbsrentnerin noch arbeiten gehen und etwas dazuverdienen. Das ist aber auf zwei Arten begrenzt. Die erste Grenze ist die wichtigere und betrifft die Dauer Deiner Arbeitszeit. Die darf nämlich nicht höher liegen als Dein sogenanntes Restleistungsvermögen. Das ist die Zeit, die Du laut Deiner Erwerbsminderung pro Tag maximal arbeiten kannst.

Bei voller Er­werbs­min­de­rungs­ren­te sind das drei Stunden am Tag und bei halber Er­werbs­min­de­rungs­ren­te sechs Stunden pro Tag.

Bis zu sechs Monate kannst Du seit 2024 neben der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te über diese Grenzen hinausarbeiten, ohne dass Dir die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te aberkannt wird (§ 43 Abs. 7 SGB VI).

Dadurch sollst Du ermutigt werden, Dich selbstständig wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, wenn Dir eine Möglichkeit geboten wird. 

Arbeitest Du nach sechs Monaten im Job zusätzlich zur Er­werbs­min­de­rungs­ren­te pro Tag mehr als Deine Stundenbegrenzung, kann Dir Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te komplett aberkannt werden. Die Ren­ten­ver­si­che­rung kann nämlich dann davon ausgehen, dass Du doch leistungsfähiger bist als ursprünglich angenommen.

Die zweite Grenze betrifft die Höhe Deines Jahreslohns. Sofern Du eine volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te bekommst, kannst Du aktuell 18.558,75 Euro im Jahr hinzuverdienen. Alles, was darüber hinausgeht, wird zu 40 Prozent von Deiner Rente abgezogen. Das bedeutet, dass Du von jedem Euro, den Du über die Hin­zu­ver­dienst­gren­ze hinaus verdienst, effektiv nur 60 Cent erhältst.

Wenn Du eine Teilerwerbsminderungsrente bekommst, gilt eine deutlich höhere Hin­zu­ver­dienst­gren­ze. Sie wird für jeden Rentner individuell berechnet, muss aber mindestens 37.117,50 Euro im Jahr betragen. Den Grenzwert für die erste Zeit des Rentenbezugs findest Du in Deinem Rentenbescheid.

Wann Du das Geld verdienst, spielt innerhalb eines Kalenderjahres allerdings keine Rolle. Du kannst es an einem Tag oder über zwölf Monate verteilt bekommen.

Zusätzlich zur Verdienstgrenze gibt es für jeden Erwerbsminderungsrentner noch einen sogenannten individuellen Hinzuverdienstdeckel. Dazu wird Dein Einkommen der letzten 15 Jahre vor der Erwerbsminderung geprüft. Liegt Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te plus Zuverdienst über dem höchsten Jahreseinkommen dieses Zeitraums, wird Deine Rente um genau diesen Überschuss gekürzt.

Für die Verdienstgrenzen ist nicht nur das Arbeitseinkommen relevant. Es werden auch Sozialleistungen und Vergütungen aus dem Ehrenamt angerechnet.

Seit 2023 werden die Hin­zu­ver­dienst­gren­zen nicht mehr jährlich festgelegt, sondern über die Bezugsgröße indirekt an die Lohnentwicklung gekoppelt. Einfach ausgedrückt: Steigt künftig der durchschnittliche Lohn der Angestellten in Deutschland, dürfen Erwerbsminderungsrentner mehr dazuverdienen.

Welche Besonderheiten gelten für die Teilerwerbsminderungsrente?

Einige Besonderheiten hast Du schon in den vorherigen Kapiteln kennengelernt. Du weißt jetzt: 

  1. Es gelten andere Voraussetzungen in Bezug auf die Zeit, die Du täglich noch leisten kannst. Es müssen weniger als sechs Stunden tägliche Arbeit leistbar sein, statt weniger als drei. 
  2. Die Teilerwerbsminderungsrente fällt niedriger aus, da sich der Rentenfaktor in der Rentenformel halbiert. 
  3. Die Teilerwerbsminderungsrente wird generell nur befristet bewilligt. 
  4. Du kannst in einem Job neben der Teilerwerbsminderungsrente wesentlich mehr hinzuverdienen. 

Die Teilerwerbsrente hat noch eine Besonderheit, auf die wir an dieser Stelle genauer eingehen müssen. Normalerweise erfolgt der Wechsel von der Teilerwerbsminderungsrente in die volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te, wenn sich Dein Gesundheitszustand und damit Deine Arbeitsleistung weiter verschlechtert. So weit, so logisch. Mit der sogenannten Arbeitsmarktrente gibt es jedoch eine weitere Möglichkeit.

Die Arbeitsmarktrente ist die Bezeichnung für eine volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te, die Du bekommst, weil Dir der Arbeitsmarkt als Teilerwerbsminderungsrentner verschlossen ist. Heißt: Wenn auch für leichte Tätigkeiten kein Job für Dich verfügbar ist, hast Du Anspruch auf einen Wechsel von der Teilerwerbsminderungsrente in die volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Das hat das Bundessozialgericht bereits 1976 so entschieden.

Demnach gilt der Arbeitsmarkt als verschlossen, wenn Dir Jobcenter, Agentur für Arbeit und oder Ren­ten­ver­si­che­rung ein Jahr nachdem Du den Antrag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te gestellt hast, keinen passenden Teilzeitjob anbieten können. So ist beispielsweise festgelegt, dass der Job für Dich trotz gesundheitlicher Einschränkungen täglich von Deiner Wohnung aus erreichbar sein muss.

Übrigens bietet die Ren­ten­ver­si­che­rung noch vor der Reha ein Präventionsprogramm, damit Deine Gesundheit sich gar nicht erst so weit verschlechtert, dass Du in die unangenehme Lage kommst, Er­werbs­min­de­rungs­ren­te zu beziehen. Das Programm nennt sich RV-Fit und ist kostenlos. Wenn Du diesen Text also gerade schon mit einem leichten Ziehen im Rücken gelesen hast, oder andere Zipperlein verspürst, dann schau doch mal auf der RV-Fit-Seite der Ren­ten­ver­si­che­rung nach.

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