Erbverzichtsvertrag Auf das Erbe verzichten: Wann ist das sinnvoll?

Expertin für Recht - Dr. Britta Beate Schön
Dr. Britta Beate Schön
Finanztip-Expertin für Recht

Das Wichtigste in Kürze

  • An einem Erbverzicht sind immer zwei Personen beteiligt: der sogenannte Erblasser und der zukünftige Erbe. 
  • Wer als Erblasser seinen Nachlass gestalten will, kann zum Beispiel einem Erben eine Abfindung auf dessen Erbteil zahlen und dafür einen Erbverzicht verlangen. Die Folge: Der Verzichtende bekommt im Todesfall nichts, auch keinen Pflichtteil. 
  • Als Erbe kommst Du um einen Erbverzicht wahrscheinlich nicht herum, wenn Du Deinen Erbteil schon zu Lebzeiten möchtest, die anderen Erben aber nicht. Damit Du nicht bessergestellt wirst, verlangt der Erblasser vielleicht von Dir, einen Erbverzicht zu unterschreiben. 

So gehst Du vor

  • Du bist Erblasser: Überleg Dir genau, wie Du Deinen Nachlass aufteilen möchtest. Falls Du den Pflichtteilsanspruch einer Person ausschließen willst, kann ein Erbverzicht gegen Abfindung für Dich die Lösung sein.
  • Du bist Erbe: Sollst Du auf Dein gesetzliches Erbe verzichten, weil Du schon zu Lebzeiten etwas bekommen hast, überlege Dir, ob sich der Erbverzicht für Dich lohnt. 
  • Gilt für beide: Lass Dich zu den Gestaltungsmöglichkeiten und den Vor- und Nachteilen eines Erbverzichts rechtlich beraten.

Warum sollte jemand auf sein Erbe verzichten? Es gibt gute Gründe dafür. Wenn der Verzichtende eine Abfindung für sein Erbrecht bekommt, kann er das Geld zum Beispiel früher investieren. Ein Erbverzicht hat allerdings weitreichende rechtliche und finanzielle Folgen. Deshalb solltest Du diesen Schritt genau überlegen und abwägen, ob sich ein Verzicht für Dich lohnt. Wir erklären Dir, was es zu beachten gibt.

Was ist ein Erbverzicht?

Der Erbverzicht ist ein Vertrag zwischen einer Person, die etwas vererben wird, und einem möglichen Erben, der damit auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet.

Gesetzliche Erben sind in der Regel der Ehepartner und die Kinder. Der Verzichtende ist durch den Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen; er wird also so behandelt, als hätte er zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt. Das bedeutet, dass er durch die Verzichtserklärung im Todesfall gar nichts bekommt (§ 2346 BGB). Der Erbverzicht ändert damit unmittelbar die gesetzliche Erbfolge, denn einzelne Erben fallen weg und der Erbteil von anderen Erben erhöht sich.

Was ist der Unterschied zwischen Erbverzicht und Enterbung? 

Der Hauptunterschied zwischen einem Erbverzicht und einer Enterbung besteht darin, dass der Enterbte von seiner Enterbung in der Regel nichts weiß.

Wer eine Person von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen will, kann sie in einem Testament enterben. Der oder die Enterbte muss damit nicht einverstanden sein. Aber die enterbte Person hat dennoch Anspruch auf einen Teil des Vermögens: auf den gesetzlichen Pflichtteil. Der beläuft sich immer auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. 

Ein Beispiel: Armin ist verheiratet und hat drei Kinder. Er schreibt in sein Testament, dass seine Ehefrau und die beiden Söhne erben sollen, die jüngste Tochter Birgitta soll nichts bekommen. Durch das Testament ist die Tochter enterbt. Nach gesetzlicher Erbfolge würde Birgitta ein Sechstel des Nachlasses ihres Vaters erben. Da ihr Vater Armin sie aber enterbt hat, kann sie nur den Pflichtteil von ihrer Familie verlangen, der sich auf ein Zwölftel beläuft.

Der Pflichtteil lässt sich nur in sehr seltenen Ausnahmefällen entziehen, zum Beispiel wenn der Erbe dem Erblasser nach dem Leben trachtet (§ 2333 BGB). 

Mit einem Erbverzicht kann man einen Erben hingegen ganz ausschließen, er bekommt auch keinen Pflichtteil. Darin liegt der eigentliche Sinn und Zweck des Erbverzichts. Allerdings muss der Verzichtende in einem Vertrag zustimmen. In den meisten Fällen bekommt er für den Verzicht eine Abfindung. So lässt sich mit einem Erbverzichtsvertrag das gesamte Vermögen auf eine einzelne Person übertragen. 

Dass der Erbverzicht vor dem Erbfall – also bevor geerbt wird – erfolgen muss, hat er mit der Enterbung in einem Testament gemeinsam. So ein Testament muss nicht notariell beurkundet sein, die dort festgehaltene Enterbung ist also im Gegensatz zum Erbverzicht jederzeit abänderbar. Außerdem bleibt der Pflichtteil, der dem Erbe oder der Erbin zusteht, trotz Enterbung bestehen.

Wichtig: Der Erbverzicht wirkt sich auf das Erbrecht der Kinder der Person aus, die verzichtet. Verzichtest Du zum Beispiel als Tochter auf Dein gesetzliches Erbrecht, so trifft die Verzichtserklärung auch Deine Kinder. Außer dieser Punkt wird in dem Verzichtsvertrag anders geregelt (§ 2349 BGB). Das kann Folgendes bedeuten: Verstirbst Du vor dem Erblasser, erben Deine Kinder wegen des Erbverzichts nichts, auch wenn sie das vielleicht ungerecht finden (OLG Köln, 02.06.2021, Az. 2 Wx 145/21).

Was ist der Unterschied zwischen Enterbung und Ausschlagung?

Enterbung und Ausschlagung unterscheiden sich ganz wesentlich im Zeit­punkt. Als Erbe kannst Du Dein Erbe erst nach dem Tod des Erblassers ausschlagen, etwa weil der Nachlass überschuldet ist. Verzichten auf Dein Erbe kannst Du nur vor dem Erbfall. Die Ausschlagung ist eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, der Erbverzicht ist immer ein Vertrag.

Mehr dazu, wann es sinnvoll sein kann, das Erbe auszuschlagen, liest Du in diesem Ratgeber zur Erbausschlagung.

Wann ist ein Erbverzicht sinnvoll?

Für einen Erbverzicht kann es gute Gründe geben. Sie sind allerdings meist sehr unterschiedlich. Als Person, die verzichtet, hast Du vermutlich ganz andere Interessen und Motive als der Erblasser.

Warum will der Erblasser einen Erbverzicht?

Familienvermögen lässt sich aus Sicht des Erblassers – also der Person, die vererbt – durch Erbverzichtsverträge besser zusammenhalten. Schon zu Lebzeiten werden gesetzliche Erben abgefunden, die im Fall einer Enterbung zumindest Anspruch auf ihren Pflichtteil hätten. Der Erbverzicht ist daher ein geeignetes Instrument, wenn es zum Beispiel um den Erhalt eines Familienunternehmens geht.

Wer das Familienheim erhalten will, kann mit seinen Erben und Erbinnen besprechen, wer das Haus erben soll. Sollte das Familienheim einen Großteil des Vermögens ausmachen, kann es zu Auseinandersetzungen kommen. Der eine Erbe will Bargeld und verlangt die Auszahlung seines Erbteils, die anderen möchten die Immobilie behalten. Dann droht der Verkauf. In einer solchen Konstellation kann der Erblasser anbieten, dass derjenige, der an der Immobilie nicht interessiert ist, eine Abfindung bekommt – wenn er im Gegenzug auf sein Erbe verzichtet.

Der Frieden in der Familie kann auch ein Motiv für den Erblasser sein, seinen Nachlass frühzeitig zu regeln. Mit einem Erbverzicht lässt sich eine Erbengemeinschaft verhindern, besonders wenn Streit vorprogrammiert ist. Typische Konstellationen finden sich in Patchwork-Familien mit erbberechtigten Kindern aus verschiedenen Ehen, die sich schon zu Lebzeiten nicht verstanden haben.

Wann kann sich ein Erbverzicht für Dich lohnen?

Für Dich als zukünftiger Erbe kann die Verzichtserklärung auch interessant sein. Sie ist aber in der Regel das notwendige Übel, wenn Du etwa schon zu Lebzeiten Geld von Deinen Eltern bekommst. Wenn Du Aussicht auf eine Erbschaft hast, das Kapital aber schon früher benötigst, kannst Du Dich schon vor dem Erbfall abfinden lassen. So bekommst Du Deinen Anteil am Nachlass vorzeitig und im Gegenzug verzichtest Du auf Dein Erbrecht. 

Da die Abfindung meist Jahre vor dem Todesfall ausgezahlt wird, kann es aber vorkommen, dass sich Erben, die verzichten, im Nachhinein ärgern, weil sie zu wenig vom Erbe abbekommen haben.

Möglich ist auch, dass Dir Deine Eltern schon zu Lebzeiten ein Haus oder eine Eigentumswohnung schenken wollen. Damit Du aber nicht bessergestellt wirst als Deine Geschwister, sollst Du im Gegenzug auf Dein Erbe verzichten. Die Schenkung geht Hand in Hand mit einem Erbverzicht. Der entgeltliche Erbverzicht ist damit eine Möglichkeit, die vorweggenommene Erbfolge zu gestalten. Besonders wichtig: Du kannst nicht nur auf einen Teil des Erbes verzichten, sondern nur auf Deine Position als gesetzlicher Erbe.

Ob sich der Erbverzicht lohnt, weißt Du immer erst nach dem Todesfall. Bevor Du einen Erbverzicht unterschreibst, solltest Du die Zahlung, die Du auf Deinen Erbteil bekommst, ungefähr mit Deinem Erbteil vergleichen. Dazu musst Du allerdings wissen, wie viel Vermögen im Nachlass vorhanden ist. 

Ein Beispiel: Christoph schenkt seiner Tochter Doro 250.000 Euro. Dafür musste sie auf ihr Erbe verzichten. Doro ging davon aus, dass sich das Vermögen ihres Vaters auf rund 1 Million Euro beläuft. Die Schenkung entsprach damit ungefähr ihrem gesetzlichen Erbteil. Das tatsächliche Vermögen von Christoph lag aber bei 2 Millionen Euro, schon zu dem Zeit­punkt, als sie den Verzichtsvertrag beim Notar unterschrieben haben. In dieser Konstellation kann Doro versuchen, den Erbverzicht anzufechten. Es kommt immer auf den Einzelfall, ob das Erfolg hat.   

Mach Dir bewusst, dass Du hier nicht in die Zukunft sehen kannst: Sollte der Erblasser zwischen Deinem Erbverzicht und Deiner Abfindung eher Vermögen verlieren, weil zum Beispiel die Kosten für ein Pflegeheim anfallen, bist Du mit der Abfindung vielleicht gut beraten gewesen. Hat der Erblasser allerdings selbst nach Deinem Erbverzicht nochmal geerbt oder im Lotto gewonnen, hat sich Deine Entscheidung eher nicht gelohnt. Es bleibt also spekulativ.

Entscheidend ist aber, dass Dir Dein Erbteil oder die Abfindung frühzeitig zur Verfügung steht. Du kannst das Geld so verwenden und anlegen, wie Du möchtest. 

Wie muss der Vertrag für den Erbverzicht aussehen?

Damit ein Erbverzichtsvertrag wirksam ist, muss er von einem Notar oder einer Notarin beurkundet werden (§ 2348 BGB). Beim Vertragsabschluss müssen beide Vertragsparteien anwesend sein. Der Verzichtende darf auch einen Stellvertreter schicken.

Beispiel für einen Erbverzichtsvertrag

Anhand unseres Beispiels für einen Erbverzicht kannst Du Dir ein Bild davon machen, was in einem Erbverzichtsvertrag geregelt werden kann. Das Beispiel kann als Muster für Eure Erbverzichtserklärungen dienen.

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Was kostet ein Erbverzicht?

Die Notarin oder der Notar stellt für die Beurkundung eines Erbverzichts eine doppelte Gebühr in Rechnung. Wie viel er genau kostet, hängt von der Höhe des Vermögens ab, auf das verzichtet werden soll (§ 102 Abs. 4 GNotKG).

Beläuft sich der Verzicht zum Beispiel auf 10.000 Euro, fallen Gebühren von 150 Euro an, zuzüglich Mehrwertsteuer. Geht es bei dem Verzicht um einen Pflichtteil von 100.000 Euro, kostet das 330 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Mit dem Notarkostenrechner der Bundesnotarkammer kannst Du ausrechnen, was ein Verzichtsvertrag über unterschiedliche Summen kosten würde.

Wichtig: Bekommst Du eine Abfindung für einen Pflichtteilsverzicht, so ist die Zahlung wie eine Schenkung unter Lebenden erbschaftssteuerpflichtig (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG). Weitere Infos findest Du im Ratgeber zur Schenkungssteuer

Wann ist ein Erbverzicht unwirksam?

Ein Erbverzicht kann unwirksam sein, wenn der Verzichtende nicht aus freien Stücken unterschrieben hat, überrumpelt wurde oder weil der oder die Verzichtende die Bedeutung des Verzichts nicht erkannt und verstanden hat. Das nennt sich im Fachjargon dann sittenwidriges Rechtsgeschäft.

Zur Veranschaulichung ein Fall zum sittenwidrigen Erbverzicht, der gerichtlich entschieden wurde (§ 138 BGB).

Darum ging es: Ein Sohn aus erster Ehe seines Vaters ist gerade 18 Jahre alt geworden. Zwei Tage nach seinem Geburtstag und nach einer Ausfahrt mit dem Familien-Sportwagen hat er einen Vertrag mit seinem Vater unterschrieben. Darin hat er mit sofortiger Wirkung auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Als Abfindung wollte der Vater seinem Sohn den Sportwagen überlassen, allerdings nur unter drei Bedingungen: Er sollte bis zu seinem 25. Geburtstag auf das Auto warten; seine Ausbildung zum Zahntechniker bis zu einem festen Datum mit sehr gut abschließen; und vier Jahre später seine Meisterprüfung ebenfalls mit sehr gut bestehen. Erfüllte er eine dieser Voraussetzungen nicht, sollte er gar keine Abfindung für seine Verzichtserklärung bekommen. Auch wenn der Vertrag zwischen dem Vater und seinem Sohn von einem Notar beurkundet wurde, war er unwirksam. Er war sittenwidrig und damit nichtig (OLG Hamm, 08.11.2016, Az. 10 U 36/15). 

Denn: Der Sohn war nicht in der Lage zu verstehen, was der Erbverzicht für ihn bedeutet. Er war geschäftlich unerfahren, sehr jung und wurde überrumpelt. Durch die sehr konkreten Auflagen setzte der Vater seinen Sohn stark unter Druck. Allein die Abfindung war an Bedingungen geknüpft. Das zeigt, dass es dem Vater in erster Linie um seine eigenen Ziele und Vorstellungen ging – und nicht um das Wohl seines Sohnes.  

Unwirksam ist ein Erbverzicht auch, wenn er ohne notarielle Beurkundung abgeschlossen wurde. Der Formmangel kann auch nicht dadurch geheilt werden, dass die Abfindung gezahlt wird. Der Erbverzicht bleibt nichtig.

Kannst Du einen Erbverzicht rückgängig machen?

Hast Du einmal einen Erbverzichtsvertrag unterschrieben, kannst Du ihn nicht mehr widerrufen.

Du kannst ihn nur durch einen Auf­he­bungs­ver­trag wieder rückgängig machen. Es reicht nicht, wenn nur Du erklärst, dass Du den Verzicht aufheben möchtest. Du musst Dich darauf mit dem künftigen Erblasser oder der Erblasserin einigen. Der Vertrag muss genau wie der Verzichtsvertrag notariell beurkundet werden, ansonsten gilt er nicht (§ 2351 BGB).

Nach dem Tod des Erblassers lässt sich der Erbverzicht nicht mehr rückgängig machen. Auch die Kinder des Verzichtenden können den Vertrag nicht mehr aufheben, nachdem der Verzichtende verstorben ist.

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