Dashcam Aufzeichnungen einer Dashcam sind als Beweis vor Gericht verwertbar
Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
Auf dem Weg zur Arbeit schneidet ein anderer Autofahrer Dich auf einer doppelten Linksabbieger-Spur, Du kannst nicht mehr bremsen, es kracht. Der Blechschaden ist erheblich. Der andere behauptet stur, Du seist für den Unfall verantwortlich. Aussage steht gegen Aussage, ein Gericht muss den Fall klären. Wie einfach wäre es doch, wenn Du dem Richter eine Videoaufnahme vorlegen könntest.
Sogenannte Dashcams oder Car-Cams sind kleine Kameras, die Autofahrer an der Windschutzscheibe oder auf dem Armaturenbrett befestigen. Auch manch Fahrradfahrer trägt so eine Kamera am Lenker oder Helm, um den Verkehr zu filmen. In Deutschland werden sie immer beliebter, da sie erschwinglich und leicht zu bedienen sind. Gerade Vielfahrer wollen sich damit absichern, falls sie in einen Unfall verwickelt werden. Sie hoffen, leichter beweisen zu können, wer sich verkehrswidrig verhalten hat. Datenschützer, Gerichte und Experten für Verkehrsrecht beschäftigen sich schon lange mit diesen Kameras.
In Deutschland verstößt der Einsatz solcher Kameras in der Regel gegen das Datenschutzrecht, da es sich dabei um eine unzulässige Videoüberwachung handeln kann (§ 6b BDSG). So sehen es die obersten Datenschutzbehörden in ihrem Beschluss vom Februar 2014. Die Videoüberwachung ohne konkreten Anlass etwa durch Autofahrer stelle einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der anderen Verkehrsteilnehmer dar. Schließlich werden dabei Autokennzeichen und die Gesichter von Passanten aufgenommen und gespeichert. Das Interesse des Autofahrers, für den Fall eines Verkehrsunfalls Videoaufnahmen als Beweismittel zur Hand zu haben, rechtfertige diesen Eingriff nicht.
Das Verwaltungsgericht in Ansbach hat das ähnlich gesehen (Urteil vom 12. August 2014, Az. AN 4 K 13.01634): Das Gericht musste den Bescheid des Bayerischen Landesamts für Datenschutz gegen einen Rechtsanwalt überprüfen. Die Behörde hatte ihm untersagt, die Kamera im öffentlichen Verkehrsraum permanent zu verwenden. Auch wenn der Bescheid aus formellen Gründen fehlerhaft war, stellte das Gericht fest, dass die Nutzung einer On-Board-Kamera ohne konkreten Anlass gegen das Datenschutzrecht verstößt. Und das kann grundsätzlich mit einem Bußgeld geahndet werden.
Die Rechtslage ändert sich nicht durch die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das neue Bundesdatenschutzgesetz (§ 4 BDSG-neu). Die neuen Regelungen gelten ab dem 25. Mai 2018.
Es gab lange Zeit keine klare Linie, ob Gerichte die Aufnahmen einer Kamera als Beweis verwerten dürfen oder nicht. Mittlerweile gibt es Klarheit durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 2018 (Az. VI ZR 233/17). Auch wenn die Aufnahmen gegen Datenschutzrecht verstoßen, können Gerichte sie dennoch in einem Zivilverfahren als Beweis verwerten.
Geklagt hatte ein Autofahrer, dem im zweispurigen Linksabbieger-Verkehr ein Auto von rechts reingefahren war. Die Kfz-Versicherung zahlte nur einen Teil seines Schadens, da ihn eine Mitschuld treffe. Der Fahrer war aber davon überzeugt, dass der andere Autofahrer die alleinige Schuld trägt, weil der seine Spur verlassen habe. Die Gerichte lehnten die Auswertung der Dashcam-Aufzeichnungen zur Klärung des Sachverhalts ab. Zu Unrecht, urteilten die Richter am Bundesgerichtshof. Sie hoben das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwiesen die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg zurück. Es bleibt abzuwarten, was die Aufzeichnungen der Dashcam im konkreten Fall ergeben und ob den Kläger wirklich kein Mitverschulden trifft.
Wer eine Kamera für das Auto oder das Fahrrad besitzt, steht auch nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs noch vor einem Dilemma. Datenschutzrechtlich sauber ist es nicht, eine Dashcam dauernd laufen zu lassen. Du riskierst ein Bußgeld von der Datenschutzaufsichtsbehörde. In einem Gerichtsverfahren kann eine Aufzeichnung aber die eigene Position durchaus stärken.
Um nicht gegen Datenschutzrecht zu verstoßen, solltest Du darauf achten, dass Deine Kamera die Aufnahmen in kurzen Abständen überschreibt und nicht dauerhaft speichert. Im Fall eines Unfalls kannst Du die Daten speichern, indem Du die regelmäßige Überschreibung ausschaltest.
Bietet Deine Dashcam diese Möglichkeit der regelmäßigen Überschreibung nicht, sollte die Kamera unbedingt eine Notfall-Aufnahme-Funktion haben. Die Kamera zeichnet dann nur anlassbezogen auf – etwa wenn es zu einer Vollbremsung oder zu einem Unfall kommt. Eine solche Nutzung wäre ebenfalls datenschutzrechtlich zulässig.
Dashcam-Aufzeichnung als Beweis zulässig | Dashcam-Aufzeichnung als Beweis nicht zulässig |
---|---|
BGH, Urteil vom 15. Mai 2018, Az. VI ZR 233/17 | LG Heilbronn, Urteil vom 3. Februar 2015, Az. I 3 S 19/14 |
OLG Nürnberg, Hinweisverfügung vom 10. August 2017, Az. 13 U 851/17 | AG München, Beschluss vom 13. August 2014, Az. 345 C 5551/14 |
OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Mai 2016, Az. 4 Ss 543/15 | |
AG Nürnberg, Urteil vom 8. Mai 2015, Az. 18 C 8938/14 | |
AG Nienburg, Urteil vom 20. Januar 2015, Az. 4 DS 520 Js 39473/14 | |
AG München, Urteil vom 6. Juni 2013, Az. 343 C 4445/13 |
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: 15. Mai 2018)
* Was der Stern bedeutet:
Finanztip ist kein gewöhnliches Unternehmen, sondern gehört zu 100 Prozent zur gemeinnützigen Finanztip Stiftung. Die hat den Auftrag, die Finanzbildung in Deutschland zu fördern. Alle Gewinne, die Finanztip ausschüttet, gehen an die Stiftung und werden dort für gemeinnützige Projekte verwendet – wie etwa unsere Bildungsinitiative Finanztip Schule.
Wir wollen mit unseren Empfehlungen möglichst vielen Menschen helfen, eigenständig die für sie richtigen Finanzentscheidungen zu treffen. Daher sind unsere Inhalte kostenlos im Netz verfügbar. Wir finanzieren unsere aufwändige Arbeit mit sogenannten Affiliate Links. Diese Links kennzeichnen wir mit einem Sternchen (*).
Bei Finanztip handhaben wir Affiliate Links jedoch anders als andere Websites. Wir verlinken ausschließlich auf Produkte, die vorher von unserer unabhängigen Experten-Redaktion ausführlich analysiert und empfohlen wurden. Nur dann kann der entsprechende Anbieter einen Link zu diesem Angebot setzen lassen. Geld bekommen wir, wenn Du auf einen solchen Link klickst oder beim Anbieter einen Vertrag abschließt.
Für uns als gemeinwohlorientiertes Unternehmen hat es natürlich keinen Einfluss auf die Empfehlungen, ob und in welcher Höhe uns ein Anbieter vergütet. Was Dir unsere Experten empfehlen, hängt allein davon ab, ob ein Angebot gut für Dich als Verbraucher ist.
Mehr Informationen über unsere Arbeitsweise findest Du auf unserer Über-uns-Seite.
Klickst Du auf eine Empfehlung mit *, unterstützt das unsere Arbeit. Finanztip bekommt dann eine Vergütung. Empfehlungen sind aufwändig recherchiert und basieren auf den strengen Kriterien der Finanztip-Expertenredaktion. Mehr Infos