Wer sich bei seiner Krankenkasse gegen die Ablehnung einer gewünschten Leistung wehrt, hat gute Chancen: Zwei von fünf Widersprüchen sind erfolgreich. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Geldratgebers Finanztip basierend auf Daten von 22 Krankenkassen. Ob Kuren, Psychotherapie oder ein Rollstuhl: Einige Leistungen müssen Versicherte bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragen – nicht immer werden sie genehmigt.
Finanztip hat in der aktuellen Untersuchung für 22 Krankenkassen mit insgesamt rund 35 Millionen Versicherten ermittelt, wie Widersprüche im Jahr 2021 ausgingen. Das Ergebnis: In 40 Prozent der erledigten Fälle waren Versicherte mit ihrem Widerspruch ganz oder teilweise erfolgreich. Die Entscheidung der Kasse wurde nach erneuter Prüfung hingegen in 37 Prozent der Fälle bestätigt. Knapp 20 Prozent der Widersprüche nahmen die Versicherten zurück.
Widerspruch: Formloses Schreiben reicht
Für den Widerspruch reicht ein formloses Schreiben mit Aktenzeichen und Datum der Kassenentscheidung. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats bei der Kasse eingehen, eine ausführliche Begründung können Versicherte nachreichen. „Am besten lassen sich Patienten von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin dabei unterstützen, zu erklären, warum die beantragte Leistung in ihrem Fall notwendig ist“, empfiehlt Julia Rieder, Versicherungsexpertin bei finanztip.de. Beruft sich die Kasse auf ein Gutachten des Medizinischen Diensts, etwa um das Krankengeld einzustellen, sollten Versicherte das Gutachten vor der Begründung anfordern.
Kein Risiko für Versicherte
Nach dem Widerspruch prüft die Krankenkasse den Fall erneut. Die Unabhängige Patientenberatung beklagt, dass einige Kassen vor der Entscheidung über den Widerspruch Schreiben verschicken, die suggerieren, die Versicherten hätten keine Aussicht auf Erfolg. Auch das Bundesamt für Soziale Sicherung als Krankenkassenaufsicht hat derartiges Verhalten bereits gerügt. Krankenversicherungsexpertin Julia Rieder rät deshalb: „Der Widerspruch ist für Versicherte ohne Risiko. Sie sollten ihn nicht leichtfertig zurücknehmen. Denn damit haben sie keine Chance mehr, gegen die Entscheidung der Krankenkasse vorzugehen, auch nicht vor Gericht.“
Mehr Transparenz ist dringend nötig
Dass eine Krankenkasse beantragte Leistungen ablehnt, ist nicht ungewöhnlich. Recht regelmäßig passiert das zum Beispiel bei Kuren oder Reha-Anträgen. Bei den von Finanztip untersuchten Kassen wurde 2021 immerhin etwa jeder siebte Antrag aus dem Bereich Kur und Reha abgelehnt. Zwischen den Kassen gibt es dabei teils deutliche Unterschiede. Während die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland beispielsweise eine Ablehnungsquote von 27 Prozent angibt, liegt diese bei der AOK Bayern bei 11 Prozent.
Versicherte haben jedoch keine Möglichkeit, Daten aller Krankenkassen zu vergleichen. „Es fehlt an Transparenz im Krankenkassen-Markt“, moniert Rieder. Zwar veröffentlichen einige Kassen freiwillig Zahlen zu Widersprüchen und Leistungsablehnungen. Die drei größten deutschen Krankenkassen – TK, Barmer und DAK – stellten Finanztip die angefragten Daten für die Auswertung nicht oder nur teilweise zur Verfügung. Die Bundesregierung will die Krankenkassen laut Koalitionsvertrag dazu verpflichten, ihre Service- und Versorgungsqualität anhand einheitlicher Mindestkriterien offenzulegen. Bisher wurde dieses Versprechen aber noch nicht umgesetzt.
Mehr Informationen
- Ratgeber Widerspruch
- Rundschreiben zum Widerspruchsverfahren des Bundesamts für Soziale Sicherung
- Finanztip hat Daten von allen elf Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) sowie von elf weiteren bundesweit tätigen Kassen ausgewertet (Audi BKK, Big Direkt, BKK24, BKK VBU, Energie-BKK, Heimat Krankenkasse, HEK, HKK, IKK Classic, Pronova BKK, Viactiv). Sie stehen für rund 35 Millionen der gut 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland.