Abfindung Ar­beits­lo­sen­geld Volles Ar­beits­lo­sen­geld trotz Abfindung

Expertin für Recht - Dr. Britta Beate Schön
Dr. Britta Beate Schön
Finanztip-Expertin für Recht

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Abfindung, die Du bei Beendigung Deines Arbeitsverhältnisses bekommst, wird nicht auf Dein Ar­beits­lo­sen­geld angerechnet.

  • Schließt Du einen Auf­he­bungs­ver­trag und scheidest mit Abfindung früher aus, ohne den Ablauf der Kündigungsfrist zu beachten, dann ruht Dein Anspruch auf Ar­beits­lo­sen­geld aber zunächst – damit Du nicht doppelt kassierst.

So gehst Du vor

  • Achte beim Auf­he­bungs­ver­trag darauf, dass Dein Arbeitsverhältnis nicht früher endet als im Fall einer Kündigung. Sonst riskierst Du eine Sperrzeit.

  • Kläre mit der Agentur für Arbeit, ob und wie sich die Entlassungsentschädigung konkret auf Dein Ar­beits­lo­sen­geld auswirkt.

Verhandelst Du gerade mit Deinem Arbeitgeber über einen Auf­he­bungs­ver­trag samt Abfindung? Dann stellst Du Dir wahrscheinlich die Frage, ob eine Abfindung auf das Ar­beits­lo­sen­geld angerechnet wird. Die Frage ist wichtig, falls Du nicht sofort eine neue Stelle findest. Damit Du keine Probleme bekommst, findest Du die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema schnell und einfach in diesem Ratgeber.

Welche Auswirkung hat eine Abfindung auf das Ar­beits­lo­sen­geld?

Bekommst Du wegen der Beendigung Deines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen – all diese Leistungen werden auch Entlassungsentschädigung genannt – dann kann das Auswirkungen auf Dein Ar­beits­lo­sen­geld haben.

Entlassungsentschädigungen sind sämtliche Leistungen, die Beschäftigte vom Arbeitgeber wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bekommen. Darunter fallen Abfindungen, aber auch Zahlungen, die in einem Sozialplan von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam festgelegt sind, falls das Unternehmen umstrukturiert und deshalb betriebsbedingte Kündigungen aussprechen muss.

Solche Leistungen werden nicht einfach auf das Ar­beits­lo­sen­geld angerechnet. Wie sich eine Entlassungsentschädigung genau auswirkt, erklären wir weiter unten.

Kündigungsfrist beachten

Endet das Arbeitsverhältnis durch einen Auf­he­bungs­ver­trag früher, als es bei Kündigung durch den Arbeitgeber geendet hätte, besteht allerdings das Risiko einer Sperrzeit. Dadurch kannst Du insgesamt Ar­beits­lo­sen­geld verlieren (§ 159 SGB III). Ohne Sperrzeit erhältst Du Dein volles Ar­beits­lo­sen­geld ohne Anrechnung der Abfindung.

Wie lang Deine Kündigungsfrist ist, ergibt sich aus Deinem Arbeits­vertrag oder dem anwendbaren Tarifvertrag. Wenn dort keine Frist vereinbart wurde, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 622 BGB). Je nachdem, wie lange Du schon bei Deinem Arbeitgeber gearbeitet hast, liegt die gesetzliche Frist zwischen einem und sieben Monaten.

Es gibt auch unkündbare Arbeitnehmer. Das sind zum Beispiel Mitglieder des Personalrats oder des Betriebsrats, Datenschutzbeauftragte oder Beschäftigte im Mutterschutz oder in der Elternzeit. Unkündbarkeit ergibt sich auch oft aus einem Tarifvertrag.

Beispiel: Ein Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, der älter als 40 Jahre ist und mindestens 15 Jahre für seinen Arbeitgeber tätig war, ist unkündbar.

Trennt sich jetzt ein Arbeitgeber von einem solchen zeitlich unbegrenzt unkündbaren Mitarbeiter zum Beispiel durch einen Auf­he­bungs­ver­trag, dann tritt an die Stelle der ordentlichen Kündigungsfrist die im Gesetz genannte fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten (§ 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III).

Was passiert, wenn das Arbeitsverhältnis früher endet?

Endet Dein Arbeitsverhältnis durch einen Auf­he­bungs­ver­trag mit Abfindung vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, dann ruht Dein Anspruch auf Ar­beits­lo­sen­geld bis zum Ablauf der ursprünglichen Kündigungsfrist, längstens ein Jahr (§ 158 SGB 3).

Ruhen bedeutet, dass sich der Zahlungsbeginn für das Ar­beits­lo­sen­geld in die Zukunft verschiebt. Denn der Gesetzgeber möchte nicht, dass Du doppelt kassierst durch Abfindung und Ar­beits­lo­sen­geld. Der Anspruch auf das volle Ar­beits­lo­sen­geld bleibt aber grundsätzlich erhalten – anders als bei einer Sperrzeit.

Beispiel: Die Firma A-GmbH kann ihrem Mitarbeiter Bastian frühestens zum 30. September 2023 kündigen. Bastian vereinbart mit der Personalabteilung, dass bereits am 31. Juli 2023 Schluss sein soll. Zusätzlich soll Bastian zwei Gehälter als Abfindung bekommen. Folge: Bastian bekommt Ar­beits­lo­sen­geld erst ab dem 1. Oktober 2023.

Ruht Dein Anspruch auf Ar­beits­lo­sen­geld, bist Du durch die Agentur für Arbeit nicht sozialversichert. Um Nachteile zu vermeiden, solltest Du Dich umgehend an Deine Kran­ken­kas­se wenden.

Wie lange ruht das Ar­beits­lo­sen­geld bei Abfindung?

Wie lange Du noch kein Ar­beits­lo­sen­geld bekommst, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde, hängt von drei Kriterien ab:

  • der Höhe der Entlassungsentschädigung,

  • dem Alter des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin und

  • der Dauer der Be­triebs­zu­ge­hörig­keit.

Im Ergebnis werden mindestens 25 Prozent und höchstens 60 Prozent der Entlassungsentschädigung oder Abfindung beim Ar­beits­lo­sen­geld berücksichtigt (§ 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB 3). Je älter Du bist und je länger Du bei Deiner Firma tätig warst, desto geringer ist der Teil der Abfindung, der beim Ar­beits­lo­sen­geld berücksichtigt wird und desto kürzer ruht der Anspruch. Wie das genau funktioniert, erklären wir Dir an folgenden Beispielen:

Beispiel 1: Claus ist 48 Jahre alt und war zwölf Jahre bei demselben Betrieb beschäftigt. Claus schließt am 15. April einen Auf­he­bungs­ver­trag, wonach das Arbeitsverhältnis am 30. April endet. Hätte der Arbeitgeber die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten, wäre das Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni beendet worden. Claus bekommt 10.000 Euro Abfindung. In den letzten zwölf Monaten hat er monatlich 3.000 Euro brutto verdient.

Von der Abfindung sind nach der folgenden Tabelle nur 40 Prozent zu berücksichtigen, also 4.000 Euro, da er zehn und mehr Jahre zum Unternehmen gehörte und am Ende des Arbeitsverhältnisses älter als 45 Jahre war.

Zugehörigkeit zum
Unternehmen
Alter am Ende des Arbeitsverhältnisses
 unter 40ab 40ab 45ab 50ab 55ab 60
10 und mehr Jahre50 %45 %40 %35 %30 %25 %

Rechnet man das zuletzt verdiente Gehalt von 3.000 Euro auf einen Kalendertag herunter, ergibt sich ein Betrag von 98,63 Euro (3.000 Euro x 12 Monate : 365 Tage = 98,63 Euro). Der zu berücksichtigende Teil der Entlassungsentschädigung von 4.000 Euro wird durch das kalendertägliche Entgelt geteilt. Das ergibt 40 volle Kalendertage. 

Der Anspruch auf Ar­beits­lo­sen­geld von Claus ruht daher ab dem 1. Mai für 40 Tage. Erst danach bekommt Claus Ar­beits­lo­sen­geld.

Anteilige Berücksichtigung der Abfindung

Anhand der folgenden Tabelle kannst Du selbst berechnen, welcher prozentuale Anteil der Abfindung in Abhängigkeit von Deinem Alter berücksichtigt wird, und wie lange der Anspruch auf Ar­beits­lo­sen­geld ruht.

Zugehörigkeit zum
Unternehmen

Alter am Ende des Arbeitsverhältnisses
 unter 40ab 40ab 45ab 50ab 55ab 60
weniger als 5 Jahre60 %55 %50 %45 %40 %35 %
5 und mehr Jahre55 %50 %45 %40 %35 %30 %
10 und mehr Jahre50 %45 %40 %35 %30 %25 %
15 und mehr Jahre45 %40 %35 %30 %25 %25 %
20 und mehr Jahre40 %35 %30 %25 %25 %25 %
25 und mehr Jahre35 %30 %25 %25 %25 %25 %
30 und mehr Jahre30 %25 %25 %25 %25 %25 %
35 und mehr Jahre25 %25 %25 %25 %25 %25 %

Quelle: § 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 SGB 3 (Stand: November 2023)

Du siehst: Es ist kompliziert zu berechnen, wie sich die Abfindung und das Alter des Betroffenen darauf auswirken, ab wann die Agentur für Arbeit Ar­beits­lo­sen­geld zahlt. Daher haben wir Dir noch ein weiteres ausführliches Beispiel zum besseren Verständnis aufgeschrieben.

Beispiel 2: Doris ist 55 Jahre alt und seit 14 Jahren bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Ihr Lohn pro Kalendertag betrug zuletzt 120 Euro brutto. Doris hat eine Abfindung in Höhe von 25.000 Euro erhalten und sich im Gegenzug damit einverstanden erklärt, dass das Arbeitsverhältnis 90 Tage früher endet als bei Anwendung der ordentlichen Kündigungsfrist.

Eigentlich müsste der Ar­beits­lo­sen­geldanspruch von Doris für die vollen 90 Tage ruhen – bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Abfindung wird aber nur zum Teil berücksichtigt:

Im ersten Schritt wird der Prozentsatz für die Anrechnung der Abfindung für Doris in der Tabelle abgelesen: 30 Prozent.

Zugehörigkeit zum
Unternehmen
Alter am Ende des Arbeitsverhältnisses
 unter 40ab 40ab 45ab 50ab 55ab 60
10 und mehr Jahre50 %45 %40 %35 %30 %25 %

 

Nur 30 Prozent von 25.000 Euro Abfindung sind zu berücksichtigen, also 7.500 Euro. Im nächsten Schritt wird berechnet, wie lange Doris hätte arbeiten müssen, um diesen Anrechnungsbetrag von 7.500 Euro zu verdienen. Bei 120 Euro brutto pro Kalendertag muss sie 62,5 Tage arbeiten, um den Anrechnungsbetrag zu erreichen. Statt 90 Tage ruht der Anspruch auf Ar­beits­lo­sen­geld in diesem Beispielsfall nur 62,5 Tage.

Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Entlassungsentschädigung auf den Ar­beits­lo­sen­geldanspruch findest Du in den fachlichen Weisungen auf der Seite der Agentur für Arbeit. Auch das Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit zu den Entlassungsentschädigungen ist hilfreich.

Abfindung und Bürgergeld

Wenn die Abfindung in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbart wurde und der Arbeitnehmer zu diesem Zeit­punkt bereits Bürgergeld erhält, wird die Abfindung als Vermögen berücksichtigt. Die Abfindung verringert dann eventuell den Anspruch auf Sozialleistungen (BSG, 03.03.2009, Az. B 4 AS 47/08 R).

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