Schonvermögen beim Elternunterhalt
Dieses Vermögen bleibt unangetastet

Finanztip-Expertin für Recht
Wenn Deine Eltern in ein Pflegeheim müssen, ist das ein schwieriger Schritt – auch finanziell. Denn es entstehen jeden Monat hohe Kosten. Meist reichen Rente und Pflegeversicherung nicht aus, um den Heimaufenthalt zu bezahlen. Sind Rücklagen und Ersparnisse aufgebraucht, dann springt der Staat mit der Hilfe zur Pflege ein. Und was bedeutet das für Dich als Sohn oder Tochter? Musst Du Elternunterhalt zahlen, ist Deine eigene Altersversorgung in Gefahr oder gibt es Freibeträge?
Vor Inkrafttreten des Angehörigenentlastungsgesetzes zum Januar 2020 war das Thema Schonvermögen beim Elternunterhalt für viele erwachsene Kinder wichtig. Denn sie mussten für die Pflege der Eltern zahlen. Reichte das eigene Einkommen dafür nicht aus, mussten sie sogar auf Erspartes zurückgreifen.
Es gab keine pauschalen Vermögensfreibeträge im Gesetz. Vor diesem Hintergrund haben die Gerichte viele Einzelfälle zum Schonvermögen entschieden und dabei festgelegt, in welchem Ausmaß erwachsene Kinder ihr Vermögen für den Elternunterhalt heranziehen mussten.
Seit 2020 müssen sich nur noch erwachsene Kinder ab einem Jahreseinkommen von über 100.000 Euro brutto an den Pflegekosten beteiligen (§ 94 Abs. 1a SGB 12). Rund 90 Prozent der Kinder von pflegebedürftigen Eltern wurden damit finanziell entlastet: Sie müssen keinen Elternunterhalt zahlen, auch ihre Ersparnisse sind nicht in Gefahr.
Das Thema Schonvermögen betrifft Dich als erwachsenes Kind von pflegebedürftigen Eltern also nur unter drei Voraussetzungen:
Erst dann stellt sich die Frage, ob das Sozialamt von Dir verlangen kann, dass Du den Elternunterhalt aus Deinem Vermögen bezahlst, weil Deine hohen Einkünfte dazu nicht ausreichen.
Der Begriff Schonvermögen wird im Sozialrecht und Familienrecht verwendet. Wenn etwas als Schonvermögen eingeordnet wird, dann musst Du diesen Anteil Deines eigenen Vermögens nicht dazu verwenden, Deine Unterhaltspflichten zu erfüllen. Das Schonvermögen steht Dir uneingeschränkt zu; der Staat verlangt nicht, dass Du es für die Zahlung von Elternunterhalt antastest.
Am besten geschützt ist das Vermögen, das Du in ein selbst genutztes Eigenheim oder eine selbst bewohnte Eigentumswohnung investiert hast (BGH, Urteil vom 7. August 2013, Az. XII ZB 269/12).
Bei der Vermögensbewertung für den Elternunterhalt bleibt die Immobilie aber nicht völlig unberücksichtigt. Das würde zu einer Besserstellung von Immobilienvermögen führen.
Wenn Du im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung lebst, werden die ersparten Mietkosten als zusätzliches Einkommen hinzugerechnet. Dabei ist nicht die erzielbare Marktmiete anzusetzen, sondern die ersparten Mietkosten oder der sogenannte Wohnwert (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012, Az. XII ZR 17/11).
Wichtig: Das passiert allerdings erst, wenn Du die Jahreseinkommensgrenze von 100.000 Euro überschritten hast. Bei der Berechnung, ob Du die 100.000 Euro überschreitest, werden die ersparten Mietkosten nicht zum Gesamteinkommen hinzugezählt (§ 16 SGB IV).
Ist Deine Immobilie noch nicht abgezahlt, kannst Du Zins- und Tilgungsleistungen von den ersparten Mietkosten abziehen, obwohl sie eigentlich der Vermögensbildung dienen. Wer in einer noch nicht abgezahlten Immobilie wohnt, muss sich deshalb viel weniger als die ersparten Mietkosten anrechnen lassen.
Du kannst außerdem Rücklagen für Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten an einer selbst genutzten Immobilie bilden. Voraussetzung ist: die Rücklagen sind sinnvoll und angemessen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in einem Fall einen Betrag von rund 160.000 Euro an Rücklagen für den Elternunterhalt nicht berücksichtigt (Urteil vom 21. Juni 2012, Az. II-9 UF 190/11).
Hast Du Geld auf einem Tages- oder Festgeldkonto für ein neues Auto zurückgelegt, musst Du diese Rücklagen nicht für den Elternunterhalt antasten. Dazu musst Du aber regelmäßig mit dem Auto zu Arbeit fahren. Das zuständige Sozialamt kann Dich nicht zwingen, einen Kredit für einen neuen Wagen aufzunehmen, weil das unwirtschaftlich wäre (BGH, Urteil vom 30. August 2006, Az. XII ZR 98/04).
Die Rechtsprechung gestattet es Dir, zur eigenen Alterssicherung Beträge zurückzulegen. Das können Beiträge zu einer Lebensversicherung oder einer Riester-Rente sein. Solche Vermögenswerte musst Du nicht auflösen oder anbrechen, um Elternunterhalt zu zahlen.
Für angemessen hält der Bundesgerichtshof (BGH) ein Altersvorsorgevermögen, das 5 Prozent des gegenwärtigen Bruttoeinkommens entspricht, das sich mit jährlich 4 Prozent für jedes Deiner Berufsjahre verzinst. Dieser Zinssatz gilt laut BGH auch angesichts der derzeit gesunkenen Renditen – er darf nicht auf einen geringeren Prozentsatz herabgesetzt werden (Urteil vom 7. August 2013, Az. XII ZB 269/12).
Den Freibetrag für das Altersvorsorgevermögen kannst Du berechnen, indem Du Dein Jahresbruttoeinkommen und Deine geleisteten Berufsjahre heranziehst:
5 Prozent vom Jahresbruttoeinkommen x Anzahl der noch ausstehenden Berufsjahre
Diesen gesparten Euro-Betrag verzinst Du mit 4 Prozent pro Jahr. So erhältst Du Deinen individuellen Freibetrag.
Jahresbruttoeinkommen | davon 5 % | Berufsjahre | Verzinsung | Freibetrag |
---|---|---|---|---|
110.000 € | 5.500 € | 10 | 4 % | 68.675 € |
120.000 € | 6.000 € | 12 | 4 % | 93.761 € |
Quelle: Finanztip-Berechnung (Stand: Mai 2022)
Welche Berufsjahre in die Rechnung einbezogen werden, ist nicht ganz klar. Es gibt Gerichte, die pauschal von 35 Berufsjahren ausgehen, andere berechnen das Schonvermögen mit den tatsächlich zurückgelegten Berufsjahren.
Wie Du Dein Altersvorsorgevermögen anlegst, spielt keine Rolle. Die Anlage auf einem einfachen Sparkonto gilt bereits als Altersvorsorge (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juni 2012, Az. II-9 UF 190/11). Auch andere Ersparnisse wie Lebensversicherungen oder Wertpapiere bleiben als Schonvermögen unberührt.
Selbst eine Immobilie, die Du vermietet hast, kann als private Altersvorsorge geschützt sein, wenn Du nicht anderweitig vorgesorgt hast: Du musst die Immobilie nicht veräußern, wenn Du mit den Mieteinkünften Deine Altersversorgung sichern willst.
Übersteigt Dein tatsächliches Altersvorsorgevermögen den Freibetrag, wird der darüber hinausgehende Teil für den Elternunterhalt herangezogen.
Weitere Themen
Finanztip gehört zu 100 Prozent der gemeinnützigen Finanztip Stiftung. Die hat den Auftrag, die Finanzbildung in Deutschland zu fördern. Alle Gewinne, die Finanztip ausschüttet, gehen an die Stiftung und werden dort für gemeinnützige Projekte verwendet – wie etwa unsere Bildungsinitiative Finanztip Schule.
Wir wollen mit unseren Empfehlungen möglichst vielen Menschen helfen, ihre Finanzen selber zu machen. Daher sind unsere Inhalte kostenlos im Netz verfügbar. Wir finanzieren unsere aufwändige Arbeit mit sogenannten Affiliate Links. Diese Links kennzeichnen wir mit einem Sternchen (*).
Bei Finanztip handhaben wir Affiliate Links aber anders als andere Websites. Wir verlinken ausschließlich auf Produkte, die vorher von unserer unabhängigen Experten-Redaktion empfohlen wurden. Nur dann kann der entsprechende Anbieter einen Link zu diesem Angebot setzen lassen. Geld bekommen wir, wenn Du auf einen solchen Link klickst oder beim Anbieter einen Vertrag abschließt.
Ob und in welcher Höhe uns ein Anbieter vergütet, hat keinerlei Einfluss auf unsere Empfehlungen. Was Dir unsere Experten empfehlen, hängt allein davon ab, ob ein Angebot gut für Verbraucher ist.
Mehr Informationen über unsere Arbeitsweise findest Du auf unserer Über-uns-Seite.
Klickst Du auf eine Empfehlung mit *, unterstützt das unsere Arbeit. Finanztip bekommt dann eine Vergütung. Empfehlungen geben wir immer nur redaktionell unabhängig und nach strengen Finanztip-Kriterien. Mehr Infos