Kfz-Versicherung und Reparaturkosten Ver­si­che­rung muss auch Kosten einer Markenwerkstatt zahlen

Expertin für Recht - Dr. Britta Beate Schön
Dr. Britta Beate Schön
Finanztip-Expertin für Recht

Das Wichtigste in Kürze

  • Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherungen müssen grundsätzlich die Kosten für eine Reparatur übernehmen – unabhängig davon, ob Geschädigte den Schaden reparieren lassen oder nicht.
  • Dabei können auch die Kosten einer Markenwerkstatt in Rechnung gestellt werden.
  • Die Ver­si­che­rung darf einwenden, sie werde nur die Kosten einer günstigeren, nicht markengebundenen Werkstatt ersetzen, sofern diese mühelos erreichbar ist und einen vergleichbaren Qualitätsstandard hat.
  • Verbraucher können sich dagegen wehren, falls das Auto nicht älter als drei Jahre ist oder sie es bisher immer in einer Markenwerkstatt haben warten lassen. Dann darf die Ver­si­che­rung den Anspruch nicht kürzen.

Du stehst im Stau, der nachfolgende Fahrer passt nicht auf – Auffahrunfall. Wie hoch der Schaden ist, kann ein Laie schwer beurteilen. Deshalb ist der Weg zu einer Fachwerkstatt nötig. Die Experten machen einen Kostenvoranschlag. Danach wird in der Regel abgerechnet. Einige Versicherer versuchen allerdings, die Reparaturkosten zu kürzen.

Welche Reparaturkosten ersetzt die Haft­pflicht­ver­si­che­rung?

Geschädigte können das Geld für eine Reparatur von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers verlangen. Das ist gesetzlich festgeschrieben (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Als Unfallopfer musst Du der Ver­si­che­rung beweisen, dass deren Kunde Dir einen Schaden zugefügt hat. Ein Unfallprotokoll der Polizei und Zeugenaussagen reichen aus, um den Unfallhergang zu belegen. Zudem musst Du darlegen, wie hoch der Schaden ist. Das lässt sich in der Regel durch ein Sachverständigengutachten dokumentieren, das Du in Auftrag gibst.

Entscheidend ist, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Dann kann der Versicherer auf sogenannter Totalschadenbasis  abrechnen. Der Geschädigte bekommt dann den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und nicht die Reparaturkosten. Es gibt eine Ausnahme: Höhere Reparaturkosten muss die Ver­si­che­rung dann übernehmen, wenn der Halter des kaputten Autos die Reparatur tatsächlich fachgerecht vornehmen lässt und die Kosten den Wiederbeschaffungswert um höchstens 30 Prozent übersteigen.

Liegt kein wirtschaftlicher Totalschaden vor, kannst Du entscheiden, ob Du Deinen Wagen reparieren lässt oder nicht. Du kannst Dir auch allein die Reparaturkosten nach dem Kostenvoranschlag oder dem Sachverständigengutachten bezahlen lassen.

Darf ich die Werkstatt frei wählen?

Sofern Du Dich als Geschädigter für die Reparatur entscheidest, kannst Du wählen, wie und wo Du die Reparaturarbeiten durchführen lassen: in einer markengebundenen Fachwerkstatt oder in einer freien Kfz-Werkstatt.

Ist das Fahrzeug schon ein paar Jahre alt und der Schaden nicht besonders hoch, bietet sich eine möglichst preisgünstige Reparatur an. Auch wenn Du die um einiges günstigere, nicht markengebundene Werkstatt beauftragst, hast Du Anspruch auf den Betrag, der bei einer markengebundenen Fachwerkstatt angefallen wäre. Der Unterschied zwischen den beiden Kostenvoranschlägen kann ganz beträchtlich sein. Du musst der Ver­si­che­rung die tatsächliche Rechnung nicht vorlegen.

Bekomme ich die Reparaturkosten, auch wenn ich auf Reparatur verzichte?

Auch wenn Du Dich dazu entscheidest, den Schaden nicht reparieren zu lassen, muss die Haft­pflicht­ver­si­che­rung die sogenannten fiktiven Reparaturkosten ersetzen. Das gilt genauso, falls Du den Unfallwagen ohne Reparatur verkaufst. Dabei kannst Du grundsätzlich die Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt einfordern, die ein Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH, Urteil vom 29. April 2003, Az. VI ZR 398/02; Urteil vom 20. Oktober 2009, Az. VI ZR 53/09; Urteil vom 22. Juni 2010, Az. VI ZR 302/08 und Az. 337/09).

Wann muss der Versicherer die Kosten für eine Fachwerkstatt zahlen?

Häufig wendet der Haftpflichtversicherer ein, er werde nur die Kosten einer günstigeren, mühelos zugänglichen, nicht markengebundenen Werkstatt ersetzen. Das ist zulässig. Es gibt dazu aber vier wichtige Ausnahmen, bei denen der Haftpflichtversicherer die Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzen muss und nicht kürzen darf:

  1. Nicht älter als drei Jahre
    Ist Dein Auto nicht älter als drei Jahre, kannst Du auf den Ersatz der Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt bestehen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009, Az. VI ZR 53/09).
  2. Immer in der Fachwerkstatt repariert
    Wurde der Wagen in der Vergangenheit immer in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert, musst Du Dich nicht auf eine günstigere Referenzwerkstatt verweisen lassen. Das gilt auch, wenn das Auto älter als drei Jahre ist (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009, Az. VI ZR 53/09).
    Sofern Du Dein Auto regelmäßig in die Inspektion gibst, solltest Du Dir das auch in einem Service-Heft bestätigen lassen. Will die Ver­si­che­rung bei einem Schaden die Kosten kürzen, kannst Du ohne großen Aufwand das Service-Heft vorlegen.
  3. Günstigere Werkstatt ist zu weit vom Wohnort entfernt
    Liegt die von der Ver­si­che­rung benannte, günstigere Werkstatt weit von Deinem Wohnort entfernt, ist sie nicht mühelos erreichbar. Das Amtsgericht Frankfurt am Main beurteilte eine Distanz von 20 Kilometern zur günstigeren Werkstatt schon als nicht zumutbar (Urteil vom 27. August 2010, Az. 380 C 3652/09). Eine Entfernung von 130 Kilometern ist auf jeden Fall unzumutbar, auch wenn die Ver­si­che­rung die Transportkosten übernimmt (BGH, Urteil vom 28. April 2015, Az. VI ZR 267/14).
  4. Referenzwerkstatt hat keine marktüblichen Preise
    Die von der Ver­si­che­rung benannte Referenzwerkstatt ist nur deshalb kostengünstiger, weil keine marktüblichen Preise, sondern vertraglich vereinbarte Sonderkonditionen mit der Ver­si­che­rung zugrunde liegen (BGH, Urteil vom 28. April 2015, Az. VI ZR 267/14; Urteil vom 22. Juni 2010, Az. VI ZR 337/09). Das ist schwer zu beweisen. In dem konkreten Fall war am Büroeingang der Werkstatt ein Hinweisschild mit der Aufschrift angebracht: „Schadenservice Spezial-Partnerwerkstatt VHV Ver­si­che­rungen". Das allein reicht aber noch nicht aus, um darzulegen, dass vereinbarte Sonderkonditionen in der Werkstatt gelten.

Muss der Versicherer die Mehrwertsteuer ersetzen?

Der Versicherer hat die Umsatzsteuer auf die Reparaturkosten zu ersetzen, sofern sie tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB). Lässt der Geschädigte die Reparatur in einer Werkstatt erledigen, kann er verlangen, die angefallene Umsatzsteuer in vollem Umfang ersetzt zu bekommen.

Repariert er den Wagen selbst oder bedient er sich fremder Hilfe, erhält er die Steuer nur in der Höhe, in der sie zur Reparatur angefallen ist, etwa wenn er Umsatzsteuer beim Kauf von Ersatzteilen gezahlt hat. Verzichtet er auf die Reparatur, kann er auch keine Umsatzsteuer von der Ver­si­che­rung verlangen.

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Welche Reparaturkosten ersetzt die Kaskoversicherung?

Auch Kaskoversicherte können bei einem Unfall wählen, ob sie den Wagen reparieren lassen oder nicht. Verzichten sie auf eine Reparatur, können sie fiktiv auf Basis des Sachverständigengutachtens abrechnen. Der Versicherer muss dabei die Kosten einer Markenwerkstatt übernehmen, falls diese im Einzelfall erforderlich sind. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fall, sofern

  • nur in der Markenwerkstatt eine vollständige und fachgerechte Instandsetzung des Fahrzeugs möglich ist oder
  • es sich um ein neueres Fahrzeug handelt oder
  • der Kaskoversicherte bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen.

Kann der Kaskoversicherte eine dieser drei Konstellationen beweisen, muss die Ver­si­che­rung die Kosten der Markenwerkstatt bezahlen (BGH, Urteil vom 11. November 2015, Az. IV ZR 426/14). In dem Fall hatte die Kaskoversicherung die Rechnung immerhin um 3.000 Euro gekürzt.

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