Aufsichtspflichten von Eltern Wann Eltern für Schäden ihrer Kinder haften
Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
Kinder sollen spielen und toben. Dabei darf es auch mal hoch hergehen. Doch wer kommt für den Schaden auf, wenn der Nachwuchs das Auto des Nachbarn verkratzt oder es zu einem Fahrradunfall kommt? Kinder haften erst ab einem bestimmten Alter oder unter bestimmten Umständen. Auch die Eltern haften nach dem Gesetz nicht grundsätzlich für ihren Nachwuchs. Haben sie aber ihre Aufsichtspflicht verletzt, kann das anders sein.
Kinder unter sieben Jahren haften überhaupt nicht (§ 828 Abs. 1 BGB). Im Straßenverkehr gilt das sogar bis zum Alter von zehn Jahren (§ 828 Abs. 2 BGB).
Ob ein minderjähriges Kind, das älter als sieben Jahre ist, für den verursachten Schaden haftet, richtet sich nach der Einsichtsfähigkeit des Kindes. Entscheidend ist die Frage: Konnte der Nachwuchs die Gefahr selbst erkennen? Unter Umständen haftet er selbst. Dabei ist das Lebensalter ein Indiz: Je älter das Kind, desto eher haftet es selbst – und nicht die Eltern, so die Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch.
In einem Fall hatte ein Neunjähriger eine Scheune angezündet. Die Richter des Oberlandesgerichts Köln entschieden, dass der Junge alt genug war, um beurteilen zu können, dass ein kleines Stroh-Feuer die dort lagernden Strohballen und die gesamte Scheune in Brand setzen können (Urteil vom 30. November 2010, Az. 24 U 155/09).
In der Regel hat ein Kind kein Geld, um den Schaden zu begleichen, doch damit ist die Angelegenheit nicht aus der Welt. Gab es ein Urteil, wonach das Kind zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist, kann es für diesen Schaden 30 Jahre lang herangezogen werden – frühestens wenn es ein eigenes Einkommen hat (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
Eltern haften nur für den Schaden, den ihre Kinder verursacht haben, falls sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben (§ 832 BGB). Aber welche Aufsichtspflichten haben Eltern von minderjährigen Kindern? Das richtet sich danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um eine Schädigung Dritter zu verhindern.
Von Bedeutung sind dabei das Alter, der Charakter des Kindes und die konkrete Situation. Je jünger und unvernünftiger das Kind ist, desto mehr müssen Eltern es beaufsichtigen. Dabei gelten laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs folgende Grundsätze (Urteil vom 24. März 2009, Az. VI ZR 51/08):
In der Wohnung müssen Eltern Kleinkinder nicht ständig beobachten. Sie dürfen auch selbstständig zur Toilette gehen. Bei Dreijährigen reicht es, wenn Eltern in Hörweite sind.
Beispiel: Ein Kleinkind stand nachts auf und ging auf die Toilette. Es benutzte sehr viel Papier, verstopfte damit den Abfluss, was zu einer großen Überschwemmung führte. Beim Nachbarn in der Wohnung darunter tropfte es von der Decke. Es entstand ein Schaden von mehr als 15.000 Euro. Das Gericht sah darin keine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. April 2018, Az. I-4 U 15718).
Ab einem Alter von vier Jahren dürfen Kinder ohne ständige Überwachung im Freien spielen, etwa auf einem Spielplatz oder Sportgelände oder in einer verkehrsarmen Straße auf dem Bürgersteig. Sie müssen dabei nur gelegentlich beobachtet werden. Ein Kontrollblick alle 15 bis 30 Minuten ist ausreichend, damit die Eltern bei Bedarf eingreifen können.
Beispiel: Ein Kind zerkratzt parkende Autos mit Steinen. Die Eltern sind dafür verantwortlich, wenn ihr sechsjähriges Kind vor dem Haus spielt und fremde Autos mit Steinen zerkratzt. In einem Fall hatten die Eltern erst nach etwa 45 Minuten aus dem Wohnzimmerfenster geschaut, um einen Blick auf die spielenden Kinder zu werfen. Damit haben sie nach einem Urteil des Landgerichts Detmold ihr Kind nicht ausreichend beaufsichtigt. Eltern müssen ihre draußen spielenden Kinder im Vorschulalter etwa im Abstand von 15 bis 30 Minuten überwachen (Urteil vom 2. Oktober 2013, Az. 10 S 17/13).
Bei Kindern im Alter von sieben bis acht Jahren ist keine regelmäßige Kontrolle in so kurzen Abständen erforderlich. Kinder in diesem Alter können im Freien auch ohne Aufsicht spielen. Es genügt, dass die Eltern sich über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick verschaffen.
Da es immer auf den konkreten Einzelfall ankommt, gibt es eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen zu den aufsichtsrechtlichen Anforderungen, insbesondere zum Verhalten im Straßenverkehr. Dazu zwei Beispiele:
Ein fünfjähriges Kind auf dem Fahrrad fährt gegen ein Auto - Ein fünfjähriges Kind fuhr mit dem Fahrrad in einer Spielstraße gegen ein langsam fahrendes Auto und verursachte dadurch einen Schaden. Das Gericht verneinte die Haftung für die Eltern. Das Kind sei bereits im Fahrradfahren geübt und mit den Verkehrsregeln vertraut gewesen. Deshalb liege keine Aufsichtspflichtverletzung vor (Amtsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 2. Februar 2012, Az. 11 C 106/11).
Ein vierjähriges Kind auf dem Roller stößt mit einem Radler zusammen - Das Landgericht Nürnberg hatte den Unfall zwischen einem Kind und einem Radfahrer zu bewerten. Der Radfahrer überholte das Kind, das plötzlich einen Schlenker machte und stürzte. Es reichte, dass der Vater im Abstand von 20 Metern dem Kind folgte. Der Vater hatte damit seiner Aufsichtspflicht Genüge getan (Urteil vom 5. Mai 2011, Az. 8 O 9642/10).
Nutzen minderjährige Kinder einen Computer mit Internetzugang, haben Mütter und Väter auch eine Aufsichtspflicht. Viele Eltern haben bereits Erfahrung mit sogenannten Abmahnanwälten, die Unterlassung und Schadensersatz forderten, weil die Kinder illegale Internet-Tauschbörsen genutzt hatten.
Wichtig: Du haftest als Anschlussinhaber und als Elternteil in aller Regel nicht, wenn Du Dein Kind hinreichend belehrt hast. Das bedeutet: Es reicht aus, dass Du mit Deinem Kind die Regeln zur Internetnutzung besprochen und die Nutzung von Tauschbörsen verboten hast.
Das ist nicht leicht zu beweisen, zumal allgemeine Familien-Regeln zum „ordentlichen Verhalten“ im Internet nicht genügen (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015, Az. I ZR 7/14). Eine gute Möglichkeit ist, die aufgestellten Regeln zur Internetnutzung der Kinder schriftlich festzuhalten. Die Anwaltskanzlei Wilde Beuger Solmecke bietet dazu ein kostenfreies Muster an.
Du musst Dein Kind erst dann überwachen, den Computer überprüfen oder Deinem Kind den Zugang zum Internet verbieten, wenn Du konkrete Anhaltspunkte für eine illegale Nutzung des Internetanschlusses hast. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 15. November 2012, Az. I ZR 74/12).
Wie Du im Fall einer Abmahnung vorgehst, liest Du in unserem Ratgeber zum Thema Abmahnung wegen Filesharing oder Streaming.
Eine private Haftpflichtversicherung würde nicht zahlen, wenn weder das Kind noch die Eltern zur Verantwortung gezogen werden können. Es kann unangenehm sein, dem Nachbarn mitteilen zu müssen, dass die eigene Versicherung die Kosten für die neue Lackierung seines Wagens leider nicht übernimmt und er sie deshalb selber zahlen muss.
Mit einer Privathaftpflichtversicherung kannst Du einen weitergehenden Versicherungsschutz für Kind und Eltern vereinbaren, auch wenn das Kind an sich nicht haften würde. Du solltest überprüfen, ob Deine bestehende Versicherung auch für Schäden von kleinen Kindern eintritt, und bei Bedarf den Tarif oder die Versicherung wechseln. Worauf Du dabei achten solltest, erfährst Du im Artikel Familienhaftpflichtversicherung.
Außerdem kannst Du Dich auch selbst über Deine private Haftpflichtversicherung vor Schäden schützen, die fremde Kinder oder deren Eltern nicht bezahlen müssen oder nicht bezahlen können – etwa, weil diese keine Haftpflichtversicherung haben. Achte dafür auf die sogenannte Forderungsausfall-Klausel in Deinem eigenen Tarif.
Die private Haftpflichtversicherung ist unverzichtbar – sie kümmert sich um Schäden, die Du verursachst. Bei großen Schäden kann sie Dich vor dem finanziellen Ruin bewahren.
Von uns empfohlene Tarife sind Friday „Relax“ mit günstigen Beiträgen für alle, der Tarif „Einfach Besser“ der Haftpflichtkasse, besonders auch für Familien, und der Degenia-Tarif „T23-Optimum“, vor allem auch für Alleinerziehende.
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