Erbe ausschlagen Erben? Nein, danke!
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So gehst Du vor
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Wenn es ums Erben geht, haben viele Menschen die romantische Vorstellung von ungeahnten Reichtümern, Häusern in bester Lage und prall gefüllten Bankkonten. Doch in der Realität sieht das oft anders aus. Als Erbe wirst Du nicht immer reich, musst Dich aber trotzdem um viele Dinge kümmern, zum Beispiel um die Wohnungsauflösung. Tatsächlich kann der Nachlass aus lauter Schulden bestehen oder aus einer baufälligen Immobilie. In solchen Fällen hast Du die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen. Dabei gibt es allerdings einiges zu beachten.
Niemand ist dazu verpflichtet, ein Erbe anzutreten. Jeder hat die Möglichkeit, nein zu der Hinterlassenschaft zu sagen. Dieses Recht schützt den Erben oder die Erbin. Denn er oder sie bekommt nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden des Verstorbenen. Für diese haften Erben mit ihrem eigenen Privatvermögen (§ 1967 BGB).
Es gibt typische Konstellationen, in denen es sinnvoll sein kann, das Erbe auszuschlagen. Wir haben Dir fünf mögliche Gründe aufgelistet:
1. Du erbst nur Schulden
Hat der Verstorbene nichts als Schulden hinterlassen, solltest Du die Erbschaft ausschlagen. Eine überschuldete Erbschaft kann unter Umständen den finanziellen Ruin für Dich bedeuten. Denn die Gläubiger der verstorbenen Person freuen sich.
2. Die geerbte Immobilie ist sanierungsbedürftig
Wenn Du ein Haus erbst, das alt ist und lange nicht renoviert wurde, solltest Du Dir genau überlegen, ob Du die Immobilie haben willst. Denn es kommen Folgekosten auf Dich zu: neues Dach, moderne Elektrik, Austausch einer Gas- oder Ölheizung oder eine Altlasten-Entsorgung. Es gibt außerdem Dämmpflichten nach dem Gebäudeenergiegesetz, die Erben im Blick haben müssen. Dazu findest Du wichtige Informationen im Ratgeber Energiegerecht sanieren. Prüfe also genau, ob Du Dir die Immobilie leisten kannst, ob Du selbst einziehen oder Dich um eine Vermietung kümmern willst. Lohnt sich der ganze Sanierungsaufwand um die Immobilie nicht, kann die Ausschlagung der Erbschaft eine Überlegung wert sein. Vielleicht kannst Du das Haus auch verkaufen.
3. Du steckst in der Privatinsolvenz
Befindest du dich als Erbe oder Erbin im Verfahren der Verbraucherinsolvenz, fällt eine Erbschaft zur Hälfte an den Insolvenzverwalter (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Wenn Du das nicht möchtest, kannst du das Erbe ablehnen. Deinen Anteil bekäme dann der nächste in der Erbfolge und der Insolvenzverwalter ginge leer aus.
4. Du bist verschuldet
Bist Du als Erbe selbst überschuldet, aber nicht in einer Privatinsolvenz, hast Du vielleicht wenig Lust, mit der Erbschaft Deine Schulden zu bezahlen. Auch Miterben haben in der Regel wenig Verständnis dafür, dass sie den Erbteil auszahlen müssen, damit der verschuldete Erbe seine Schulden tilgt. Verständlich, dass Du deshalb darüber nachdenkst, das Erbe auszuschlagen. Deinen Anteil bekämen dann die nächsten in der Erbfolge, zum Beispiel Deine Kinder. Das, was die verstorbene Person über Jahrzehnte angespart hat, würde so weiter in der Familie bleiben. Beachte trotzdem: Bist Du verschuldet, kann es auch die Chance auf einen Neustart für Dich sein, die Schulden mit dem Erbe zu bezahlen.
5. Du willst Erbschaftsteuer für die Kinder sparen
In bestimmten Konstellationen in einer Familie kann es wegen der Erbschaftsteuer sinnvoll sein, dass Du als Ehepartner zugunsten der Kinder die Erbschaft ausschlägst. Damit diese den steuerlichen Freibetrag möglichst zweimal voll ausnutzen können. Das kann bei Erbfällen mit gesetzlicher Erbfolge vorkommen. Aber ganz besonders beim sogenannten Berliner Testament, wenn so viel Vermögen da ist, dass der Freibetrag von 500.000 Euro überschritten ist. Das Berliner Testament heißt übrigens nur so, das gibt es nicht nur in der Stadt Berlin.
Ein Beispiel: Adrian und Bea sind verheiratet, sie haben zwei erwachsene Kinder. Die Ehepartner haben sich gegenseitig in einem Berliner Testament zu Alleinerben erklärt. Die beiden Kinder sollen erst dann erben, wenn auch der länger lebende Elternteil verstirbt. Adrian verstirbt zuerst und hinterlässt ein Vermögen von 800.000 Euro. Bea ist Alleinerbin und muss Erbschaftssteuer zahlen, da sie mehr als den Freibetrag von 500.000 Euro erbt. Sie verfügt aber über eigene Rücklagen und ist selbst gut abgesichert. Schlägt sie die Erbschaft aus, erben beide Kinder. Denen steht je ein Freibetrag von 400.000 Euro zu. Die Familie muss in diesem Fall keine Erbschaftssteuer zahlen.
Mit der Ausschlagung lassen sich die steuerlichen Nachteile des Berliner Testaments korrigieren. Noch besser kommt eine Familie bei der Steuer in der Regel weg, wenn die ältere Generation rechtzeitig Vermögen auf die Kinder überträgt. Das nennt sich vorweggenommene Erbfolge. Worauf Du dabei achten musst, liest Du in unseren Ratgeber zur Schenkungssteuer.
Bevor Du die Erbschaft ausschlägst, solltest Du Dir einen genauen Überblick über den Nachlass verschaffen. Es bleibt Dir nicht erspart, Kontoauszüge und andere Papiere zu durchforsten. Nur so kannst Du eine Vermögensübersicht erstellen. Seid Ihr mehrere Personen, die gemeinsam erben, könnt Ihr die Aufgaben aufteilen oder gemeinsam erledigen.
Zum Erbe gehören: Bankguthaben, Wertpapiere, Wertgegenstände, Grundstücke und Immobilien. Aber auch Bestattungskosten, Kredite, Unterhaltsrückstände oder Pflichtteilsansprüche. Die Kosten für eine Testamentseröffnung oder eine Nachlassverwaltung können hinzukommen.
Zwei Möglichkeiten hast Du, Dir einen Überblick über das Erbe zu verschaffen:
Selbst erstellen - Um nichts zu vergessen, kannst Du die ausführliche Vorlage des Oberlandesgerichts Dresden verwenden. Mit dem pdf-Dokument kannst Du Dein Nachlassverzeichnis erstellen, ohne dass weitere Kosten anfallen.
Tool verwenden - Etwas komfortabler ist das kostenpflichtige Tool des Erblotsen für ein digitales Nachlassverzeichnis zur Erbaufteilung. Für den Ausdruck der Übersicht verlangt der Anbieter 39 Euro.
Du hast zwar als Erbe ein Recht darauf, Auskunft über die Kontoverhältnisse des Verstorbenen zu bekommen. Allerdings wollen Banken dafür die Sterbeurkunde oder den Erbschein sehen. Die Sterbeurkunde bekommst Du beim zuständigen Standesamt. In der Regel gibt es dafür auf der zugehörigen Website Online-Anträge. Beachte aber: Der Erbschein kann für Dich zum Problem werden. Denn wer einen Erbschein beantragt, hat das Erbe bereits angenommen und kann es nicht mehr ausschlagen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat deshalb entschieden, dass Banken und Sparkassen nicht immer einen Erbschein verlangen dürfen (08.10.2013, Az. XI ZR 401/12). Es reicht, wenn der Erbe seine Erbenstellung nachweist. Das funktioniert mit einem notariellen Testament oder mit einem Erbvertrag. Zusätzlich musst Du noch das Protokoll vorlegen, das das Gericht das Testament oder den Erbvertrag eröffnet hat. Am einfachsten ist es, wenn Du bereits zu Lebzeiten über eine Kontovollmacht oder eine Vorsorgevollmacht des Erblassers – der Person, von der Du erben wirst – verfügst. Die sollte über den Tod hinaus gelten. So kannst Du ganz ohne Erbschein die aktuellen Kontostände herausfinden.
Wichtig: Du kannst immer nur das ganze Erbe ausschlagen. Es ist nicht erlaubt, das Wertpapierdepot anzunehmen und gleichzeitig das sanierungsbedürftige Elternhaus abzulehnen.
Wenn Du die Erbschaft ausschlägst, bekommst Du gar nichts, auch nicht den Pflichtteil, der Dir bei einer Enterbung nach dem Gesetz zusteht.
Du musst Dich an bestimmte Vorschriften halten, wenn Du Dein Erbe ausschlagen möchtest. Es reicht nicht, der Familie zu sagen, dass Du nichts haben willst.
Du kannst Dein Erbe ausschlagen und dazu einen Brief aufsetzen. Du solltest kurz aufschreiben, warum Du das Erbe nicht antreten möchtest. Du könntest zum Beispiel schreiben, dass die Hinterlassenschaft überwiegend aus Schulden besteht. Du kannst unser Muster verwenden oder eine Notarin oder einen Notar um Hilfe bitten.
Lade Dir unser Musterschreiben für eine Erbausschlagung herunter:
Ein einfaches Schreiben – das du zum Beispiel einem Deiner Miterben übergibst – reicht allerdings nicht, damit Du wirksam als Erbe oder Erbin ausscheidest. Deine Ausschlagungserklärung muss öffentlich beglaubigt werden. Das bedeutet: Du legst Deine Erklärung beim Nachlassgericht vor und lässt sie beglaubigen. Das geht auch in einem Notariat.
Oder Du erklärst die Ausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht zur sogenannten Niederschrift (§ 1945 BGB). Dazu musst Du persönlich zum Gericht gehen und Dein Anliegen dort erklären. Der Rechtspfleger hält das schriftlich fest und gibt Dir die Aufzeichnung zur Unterschrift. Zu dem Termin solltest Du die Sterbeurkunde am besten gleich mitbringen.
Zuständig ist jeweils das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte. Deine Erbausschlagung nimmt das Amtsgericht entgegen. Die Abteilung des Amtsgerichts, die sich mit Erbangelegenheiten beschäftigt, nennt sich auch Nachlassgericht. Es handelt sich dabei nicht um zwei verschiedene Institutionen.
Lebst Du in einer anderen Stadt als die verstorbene Person, kannst Du die Ausschlagungserklärung aber auch bei einem Amtsgericht abgeben, in dessen Nähe Du wohnst (§ 344 Abs. 7 FamFG). Es beurkundet Deine Erklärung auch und leitet sie dann an das Gericht weiter, welches die Erbangelegenheit bearbeitet.
Ist der Verstorbene Deutscher oder Deutsche, lebte aber im Ausland, ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg der richtige Ansprechpartner, sofern Du die Erbschaft nicht annehmen willst.
Du hast nicht viel Zeit, Dich für oder gegen die Erbschaft zu entscheiden. Wenn Du sie nicht haben willst, muss die entsprechende Erklärung innerhalb von sechs Wochen beim zuständigen Nachlassgericht oder dem Gericht, in dessen Nähe Du wohnst, vorliegen (§ 1944 BGB). Sonst gilt das Erbe als angenommen.
Aber Achtung: Die Sechs-Wochen-Frist beginnt mit dem Tag, an dem Du von der Erbschaft erfahren hast. Laut Gesetz beginnt die Frist mit der sogenannten Kenntnis.
Auch wichtig: Du bekommst nicht immer Post vom Gericht, selbst wenn Du Erbe oder Erbin wirst. Du wirst nur dann angeschrieben, wenn der Verstorbene ein Testament oder einen Erbvertrag beim Gericht hinterlegt hatte. Dann beginnt die Frist für die Ausschlagung nicht, bevor das Gericht den letzten Willen der verstorbenen Person eröffnet hat und Dich darüber informiert.
Hat der oder die Verstorbene kein Testament und auch keinen Erbvertrag gemacht, gilt automatisch die gesetzliche Erbfolge. Die Frist beginnt in dem Moment zu laufen, in dem Du weißt, dass Du Erbe oder Erbin geworden bist und warum. Das kann wichtig sein, wenn Du als Erbe nur nachgerückt bist, weil bereits jemand anderes ausgeschlagen hat. Das Gericht geht immer davon aus, dass Du selbst weißt, ob Du etwas erbst, wenn ein naher Verwandter gestorben ist.
Nur in Ausnahmefällen verlängert sich die Frist: Nämlich dann, wenn der Verstorbene zum Beispiel im Ausland lebte oder wenn sich der Erbe an dem Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, selbst im Ausland aufhielt (§ 1944 Abs. 3 BGB). Was genau mit einem Auslandsaufenthalt gemeint ist, steht nicht im Gesetz. Ein Tagesausflug nach Dänemark ist aber nach der Rechtsprechung kein Auslandsaufenthalt, der die Frist verlängern würde (BGH, 16.01.2019, Az. IV ZB 20/18).
Ist der Erbe noch nicht 18 Jahre alt, kann er die Erbschaft nicht selbst ablehnen. Das müssen seine gesetzlichen Vertreter tun – also meist die Eltern. Zusätzlich muss das Familiengericht die Ausschlagung genehmigen. Das kann dauern, allerdings wird die Bearbeitungszeit bei der Sechs-Wochen-Frist nicht eingerechnet.
Wenn Du die Erbschaft ausschlägst, rückt jemand anderes an Deine Stelle (§ 1953 BGB). Die Erbschaft fällt dann demjenigen zu, der Erbe geworden wäre, wenn Du zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hättest. Wer das ist, gibt die gesetzliche Erbfolge vor.
Hat der Verstorbene ein Testament gemacht, kann sich auch daraus ergeben, wer nachrückt. Wenn Du die Erbschaft ausschlägst und selbst Kinder hast, dann sind Deine Kinder in der Erbfolge nach Dir an der Reihe. Volljährige Kinder müssen dann ebenfalls ausschlagen, wenn sie die Erbschaft nicht wollen. Die Erbschaft ist dann wie eine heiße Kartoffel, die von einem Erben an den nächsten in der Erbfolge weitergegeben wird.
Rücken minderjährige Kinder durch eine Erbausschlagung der Eltern in der Erbfolge nach, dann können die Eltern gleich einen Antrag auf Ausschlagung für ihren Nachwuchs stellen. Wichtig: In diesem Sonderfall muss das Familiengericht die Ausschlagung nicht zusätzlich genehmigen.
Möchte niemand die Hinterlassenschaft haben, landet das überschuldete Erbe am Ende beim Staat. Er wird das Vermögen verwerten, das vorhanden ist, und damit vielleicht einen Teil der Schulden tilgen. Für die Schulden haftet der Staat nicht. Die Gläubiger des Verstobenen gehen in diesem Fall leer aus.
Schlägt einer von den Erben die Erbschaft aus, müssen die anderen Erben die Beerdigung bezahlen, wenn sie die Erbschaft angenommen haben. Schlagen alle Erbberechtigten aus, geht die Erbschaft an den Staat. Aber die Kosten für die Beerdigung übernimmt er nicht automatisch.
Die Stadt oder Gemeinde kann die Kosten der Beerdigung mit der Erbschaft bezahlen. Reicht die Erbschaft aber nicht, kann der Staat die Beerdigungskosten den Nachkommen in Rechnung stellen – auch wenn diese das Erbe ausgeschlagen haben. Wer also die Erbschaft ausgeschlagen hat, kommt nicht unbedingt um die Kosten der Beerdigung herum.
Welche Personen die Kosten tragen müssen, wenn keine Erben vorhanden sind, ergibt sich aus den Bestattungsgesetzen der Bundesländer. Dann müssen in gesetzlich festgelegter Reihenfolge Ehepartner, Kinder, Eltern oder Geschwister für die Beerdigung zahlen. Das gilt auch, wenn die Angehörigen die Erbschaft ausgeschlagen haben oder es keinen Kontakt oder familiäre Verbindungen mehr gab (VG Bayreuth, 08.08.2017, Az. B 5 K 17.273).
Wer nicht genug Einkommen und Vermögen hat, um die Beerdigung eines verstorbenen Angehörigen zu bezahlen, kann sich an das Sozialamt wenden. Das übernimmt in solchen Fällen die erforderlichen Kosten (§ 74 SGB 12).
Eine Ausschlagung beim Nachlassgericht kostet mindestens 30 Euro (KV 21201 Nr. 7 GNotKG). Aber: Für den Fall, dass Du das Erbe ablehnst, das sich finanziell eigentlich lohnt, um zum Beispiel den Kindern Erbschaftsteuern zu sparen, fallen eventuell höhere Kosten an. Je höher der Wert der Erbschaft, desto teurer ist die Ausschlagung (§ 103 Abs. 1 GNotKG): Bei einer Erbschaft von 10.000 Euro fällt eine Gebühr von 37,50 Euro an. Bei 100.000 Euro Erbschaft kostet die Ausschlagung gegenüber dem Gericht 136,50 Euro. Und bei 200.000 Euro fallen 217,50 Euro an.
Ist die Frist zur Ausschlagung abgelaufen, dann gibt es so gut wie kein Zurück mehr. Nur in besonderen Einzelfällen ist es möglich, dass Du vom Erbe doch noch zurücktreten kannst.
Unter bestimmten Umständen kannst Du die Annahme der Erbschaft anfechten (§ 1957 Abs. 1 BGB), zum Beispiel wenn Du nichts von einem hohen Kredit des Verstorbenen wusstest und überzeugt warst, dass der Nachlass schuldenfrei oder zumindest nicht überschuldet ist (OLG Köln, 15.05.2017, Az. 2 Wx 109/17).
Aber so einfach ist das nicht: Eine Anfechtung ist zum Beispiel ausgeschlossen, wenn ein Erbe die Erbschaft angenommen hat, ohne eine konkrete Vorstellung vom Nachlass gehabt zu haben. Stellt sich dann später heraus, dass der Nachlass überschuldet ist, kann der Erbe die Annahme nicht mehr rückgängig machen (OLG Düsseldorf, 17.10.2016, Az. I-3 Wx 155/15).
Wissen die Erben zum Beispiel nichts von Steuerschulden, können sie die Erbschaft nicht wieder loswerden. Eine Anfechtung ist auch ausgeschlossen, wenn jemand bei dem geerbten Grundstück zu Unrecht davon ausging, dass es sich um Bauland handelt, obwohl es nur ein Acker war.
Hast Du die Sechs-Wochen-Frist verstreichen lassen, weil Du sie nicht kanntest oder dachtest, sie sei länger, kannst Du anfechten (§ 1956 BGB). Dazu brauchst Du aber im Regelfall eine gute anwaltliche Unterstützung.
Und wie ist es im umgekehrten Fall? Stell Dir vor, Du hast eine Erbschaft ausgeschlagen, weil sie überschuldet war. Und dann stellt sich heraus, dass der Verstorbene doch ein reicher Mensch war. Manchmal ist es möglich, die Erbausschlagung anzufechten. Dazu brauchst Du aber ebenfalls einen guten Grund.
Findest Du heraus, dass der Verstorbene weitaus weniger Schulden hat als zunächst angenommen, ist das kein Anfechtungsgrund. Stellt sich im Nachhinein ein angeblich überschuldeter Nachlass als wertvoll heraus, darf der Erbe nur dann anfechten, wenn eine Behörde die Ausschlagung empfohlen hatte (OLG Düsseldorf, 27.01.2020, Az. 3 Wx 167/19).
Wer als Kind die Erbschaft ausschlägt, weil die Mutter allein erben soll, kann seine Erklärung nicht anfechten, wenn nach dem Tod des Vaters mehrere Halbgeschwister auftauchen. Das bedeutet: Pech gehabt (OLG Hamm, 21.4.2022, Az. 15 W 51/19).
Wusstest Du nichts von einem Haus oder einem Wertpapierdepot, das zum Nachlass gehört, dann darfst Du Deine Ausschlagung anfechten. Die Grenzen sind nicht immer klar zu ziehen. Es ist auch in einer solchen Situation sinnvoll, sich anwaltlich beraten zu lassen. Die Kosten für die Beratung sind gut angelegt, weil es rechtlich kompliziert ist, eine Anfechtung zu begründen.
Nachdem Du Deinen Irrtum erkannt hast, kannst Du innerhalb von sechs Wochen Deine Ausschlagung anfechten und damit rückgängig machen (§ 1954 Abs. 1 BGB). Du musst Dich dazu gegenüber dem Nachlassgericht schriftlich erklären und die Anfechtung gut begründen.
Ein Erbe abzulehnen, ist nicht die einzige Möglichkeit, sich vor den Schulden des Verstorbenen zu schützen.
Wichtig: Bevor Du leichtfertig eine Erbschaft ausschlägst, solltest Du andere Möglichkeiten in Betracht ziehen. Bei einem größeren, eher unübersichtlichen Nachlass solltest Du juristischen Rat einholen.
Sieht es danach aus, dass nach Abzug aller Schulden noch etwas übrig bleibt, kann eine sogenannte Haftungsbeschränkung helfen. Dann werden die Schulden des Verstorbenen aus dem vorhandenen Erbe bezahlt, Du selbst stehst aber finanziell nicht in der Pflicht. Dann müsstest Du die Erbschaft nicht ausschlagen, um keinen Ärger wegen der Schulden des Verstorbenen zu haben. Selbst nach Annahme der Erbschaft kannst Du Dein Risiko begrenzen. Dazu stehen Dir vier Möglichkeiten zur Verfügung:
Wenn nicht klar ist, was an Vermögen und Schulden vorhanden ist, kannst Du eine sogenannte Nachlassverwaltung beim Gericht beantragen. Das Gericht setzt dann einen Nachlasspfleger ein, der den gesamten Nachlass ordnet. Er bezahlt alle Schulden mit dem Geld, das vorhanden ist. Was übrig bleibt, steht Dir als Erbe zu.
Das Verfahren kostet allerdings etwas: Für die Nachlasspflegschaft wird eine Jahresgebühr fällig. Sie beträgt 10 Euro je angefangene 5.000 Euro Nachlasswert, mindestens jedoch 200 Euro (Nr. 12311 KV GNotKG).
Ein Beispiel: Der Nachlasswert beträgt 80.000 Euro. Die Jahresgebühr beträgt folglich 200 Euro und lässt sich wie folgt berechnen:
1. Schritt: 80.000 Euro : 5.000 Euro = 16
2. Schritt: 16 x 10 Euro = 160 Euro
Da 160 Euro weniger als die Mindestgebühr sind, musst Du Gerichtskosten von 200 Euro im Jahr bezahlen.
Zudem erhält der vom Gericht eingesetzte Nachlasspfleger eine Vergütung. Die Höhe der Vergütung legt das Gericht fest, sie hängt davon ab, wie zeitaufwendig und komplex die Pflegschaft ist. Die Gerichte erkennen Stundensätze von Nachlasspflegern zwischen 70 Euro und 110 Euro an. Ob der Stundenlohn angemessen ist, hängt auch von der Ausbildung des Nachlasspflegers ab.
Die Nachlassverwaltung schützt Dich aber auch: Du kommst für die Schulden des Verstorbenen nicht mit Deinem privaten Vermögen auf, hast aber dennoch die Chance, etwas ausgezahlt zu bekommen (§ 1975 BGB). Stellt sich heraus, dass der Nachlass nicht einmal die Kosten der Verwaltung deckt, kann das Nachlassgericht die Nachlassverwaltung aufheben (§ 1988 II BGB).
Für den Fall, dass Du die Erbschaft nicht ausgeschlagen hast, sich aber später herausstellt, dass das Erbe überschuldet ist, kannst Du eine Nachlassinsolvenz beantragen (§ 1980 BGB). Das ist dann die letzte Rettung vor den Schulden.
Das Verfahren kostet Gerichtsgebühren und ist aufwendig. Es bewirkt aber, dass Du für die Schulden nicht haftest. Einen Musterantrag für dieses Verfahren findest Du auf der Website der Justiz in Nordrhein-Westfalen.
Bei einer Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz fallen Gebühren an. Reicht das Erbe zur Deckung dieser Kosten nicht aus, kannst Du Dich dennoch gegen die Gläubiger wehren. Dazu musst Du beweisen, dass das Erbe nicht reicht, um die Schulden zu begleichen.
Am einfachsten ist es, wenn Du bei Gericht einen Antrag auf Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz stellst. Das Gericht wird den Antrag dann ablehnen, weil nicht genug Vermögen vorhanden war, um die Kosten des Verfahrens zu decken (§ 1982 BGB, § 26 InsO). Diesen Gerichtsbeschluss kannst Du all denjenigen vorlegen, die Schulden bei Dir als Erbe eintreiben wollen.
Wenn es Gläubiger gibt und sie an Dich herantreten, um die Schulden des Verstorbenen einzutreiben, musst Du erst mal nicht zahlen. Die Schonfrist beträgt drei Monate, nachdem Du die Erbschaft angenommen, also nicht ausgeschlagen, hast (§ 2014 BGB). Danach musst Du aber die Forderungen bezahlen. Du kannst vielleicht eine Ratenzahlung vereinbaren. Die Drei-Monats-Einrede bringt Dir nur einen kurzen zeitlichen Aufschub.
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