Widerspruch Grundsteuerbescheid So wehrst Du Dich gegen eine zu hohe Grundsteuer
Finanztip-Experte für Steuern
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Wer ein Grundstück hat, muss dafür Grundsteuer zahlen. Und hatte deshalb in den letzten zwei Jahren richtig was zu tun: Grundsteuererklärung machen, Bescheide verstehen und bei Fehlern dagegen vorgehen. Wenn Du also noch nicht so vertraut mit dem Thema und der großen Grundsteuerreform bist, schau zuerst bei unserem Ratgeber zur Grundsteuer vorbei. In diesem Ratgeber zeigen wir Dir aus Aktualitätsgründen zuerst, wie das mit dem Widerspruch beim finalen Grundsteuerbescheid funktioniert. Danach erklären wir Dir alles zum Thema Einspruch zu den ersten Bescheiden inklusive Klagen und Urteilen.
Mit unserem Grundsteuer A bis Z hast Du alle wichtigen Begriffe zur Grundsteuer leicht erklärt auf einer Seite zum Ausdrucken.
In der Alltagssprache unterscheiden wir kaum zwischen Einspruch und Widerspruch. In der Amtssprache gibt es bei der Grundsteuer aber schon einen Unterschied:
Aber keine Sorge: Falls Du die Begriffe verwechseln solltest, entsteht Dir auch kein Nachteil.
Kommen wir nun zum Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid und zur schlechten Nachricht vorweg. Die Chancen auf einen erfolgreichen Widerspruch sind gering. Woran liegt das?
Im Grundsteuerbescheid, den Du Ende 2024 oder Anfang 2025 erhältst, stehen im Prinzip drei wichtige Zahlen: Das sind der Grundsteuermessbetrag, der Hebesatz und am Ende die zu zahlende Grundsteuer.
Die Höhe des Grundsteuermessbetrags hast Du bereits in einem Bescheid erhalten. Wenn Du gegen diesen und/oder den Bescheid über den Grundsteuerwert keinen fristgerechten Einspruch eingelegt hast, sind diese als Grundlagenbescheide bindend. Du kannst also auf keine Weise mehr gegen einen überhöhten Grundsteuermessbetrag vorgehen.
Den Hebesatz legt Deine Gemeinde oder Stadt fest. Dir bleibt also nur zu prüfen, ob die drei Zahlen richtig sind. Wie Du das machst, kannst Du ausführlich im Ratgeber zum Grundsteuerbescheid nachlesen.
Wir empfehlen, nur dann einen Widerspruch einzulegen, wenn etwas mit den drei genannten Zahlen nicht stimmt. Ist das der Fall, solltest Du zuerst auf die Frist achten. Generell beträgt diese einen Monat, das gilt auch für einen Einspruch.
Die Frist beginnt drei Tage nach dem Datum auf dem Bescheid. Fällt dieser Tag auf Sonnabend, Sonntag oder einen Feiertag, verschiebt sich der Fristbeginn auf den nächsten Werktag. Das gleiche gilt auch für das Fristende.
Beispiel: Kerstins Bescheid trägt das Datum 18. September 2024. Die Frist würde deshalb eigentlich am 22. September beginnen. Da das ein Sonntag ist, beginnt die Frist erst am Montag, 23. September. Ihr Widerspruch muss deshalb am 23. Oktober 2024 bei ihrer Gemeinde oder ihrer Stadt sein, die den Bescheid geschickt hatte.
In Deinem formlosen Schreiben sollten Dein Name, Deine Adresse und das Aktenzeichen oder die Steuernummer stehen. Schreibe genau, wogegen Du Widerspruch erheben willst, also etwa „Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid vom …“. Teile mit, warum Du Widerspruch einlegst, benenne also den Grund. Schicke das Schreiben per Post an Deine Gemeinde- oder Stadtverwaltung.
Wichtig: Anders als bei einem Einspruch ist dieser Widerspruch nicht generell kostenlos. Nur wenn Du Recht bekommst, zahlst Du nichts, im anderen Fall wird Dir eine Gebühr auferlegt. Wie hoch diese in Deinem Fall ist, steht in der Gebührenordnung Deiner Stadt oder Gemeinde. Das beginnt oft bei rund 20 Euro, kann aber auch deutlich höher sein. Erfrage die Gebühr deshalb unbedingt vorab bei Deiner Kommune oder recherchiere im Internet dazu.
Auch an dieser Stelle gibt es eher schlechte Nachrichten. Denn die ersten Bescheide über den Grundsteuerwert oder die Äquivalenzbeträge und den Grundsteuermessbetrag dürften in den allermeisten Fällen längst da sein. Und da auch für diese die Frist von einem Monat gilt, ist es für einen Einspruch in der Regel schon zu spät. Falls Du zu den wenigen gehörst, wo das noch nicht passiert ist, prüfe die entsprechenden Bescheide gründlich und lege im Zweifel Einspruch ein. Nutze für die Prüfung unseren Ratgeber zum Grundsteuerbescheid. Dort findest Du auch alle Fachbegriffe im Bescheid ausführlich erklärt.
Dafür reicht auch hier ein formloses Schreiben. Darin sollten Dein Name und Deine Adresse stehen, zudem das Aktenzeichen oder die Steuernummer.
Schreibe genau, wogegen Du Einspruch erheben willst, also etwa „Einspruch gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert vom …“. Teile dem Finanzamt dann mit, warum Du Einspruch erhebst, benenne also den Grund oder die Gründe. Das können sein:
Fehlt Dir die Zeit für eine genaue Prüfung, kannst Du den Einspruch auch ohne Begründung innerhalb der Frist abschicken. Im Regelfall wird Dich das Finanzamt dann auffordern, den Einspruch innerhalb einer vorgegebenen Frist zu begründen. Das passiert auch, wenn Du im Einspruch als Grund verfassungsrechtliche Bedenken angibst. In diesen Fällen gewinnst Du auf jeden Fall schon mal Zeit für eine genauere Prüfung.
Schicke das Schreiben per Post an das zuständige Finanzamt oder wirf es in den Briefkasten im Finanzamt. Nutze dazu am besten unseren Musterbrief zum Einspruch, den Du am Ende dieses Kapitels herunterladen kannst.
In allen Fällen gilt, dass ein Einspruch für Dich kostenlos ist. Entweder korrigiert das Finanzamt den Bescheid, vielleicht auch nur teilweise. Oder es weist den Einspruch zurück. In diesem Fall hilft dann nur noch die Klage vor einem Finanzgericht, für die Du auf jeden Fall professionelle Hilfe hinzuziehen solltest. Wende Dich zum Beispiel an den Bund der Steuerzahler, der in Deinem Fall möglicherweise Chancen für eine Musterklage sieht.
In den folgenden Kapiteln beschäftigen wir uns mit einer neuen Möglichkeit, die eigene Grundsteuer zu senken sowie mit den vielen Einsprüchen, die es gab. Zudem zeigen wir Dir, wie der aktuelle Stand bei den Einsprüchen, Klagen und Urteilen bezüglich der neuen Grundsteuer ist.
Die Erfolgaussichten bei einem solchen Einspruch waren aber lange sehr gering. Erst mit zwei Beschlüssen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Mai 2024 kam plötzlich Bewegung in die Sache (Az. II B 78/23 (AdV), Az. II B 79/23 (AdV)). Wir schildern die beiden Fälle ausführlich weiter unten im Kapitel zu Klagen und Urteilen. Der wichtigste Punkt an dieser Stelle in diesen Entscheidungen zu zwei Einzelfällen versteckte sich aber weit unten in der Begründung des Gerichts.
Der BFH beschäftigte sich in den vorliegenden Fällen auch mit der Frage, ob die pauschale Bewertung mit Durchschnittswerten von Grundstücken immer vom Recht gedeckt ist. Denn genau das passiert bei der Ermittlung der neuen Grundsteuer. So ist zum Beispiel der Bodenrichtwert, der ein Maß für den Wert des Grundstücks ist, immer für ein relativ großes Gebiet gleich. Ebenso spielt bei der Berechnung des Grundsteuerwerts eine theoretische Nettokaltmiete eine Rolle. Auch das ist ein Wert, der im Einzelfall erheblich in der Realität abweichen kann.
Das Gericht ist deshalb der Meinung, dass Betroffene die Chance erhalten müssten, einen niedrigeren Wert nachweisen zu können – allerdings nur, wenn dieser deutlich unter dem vom Finanzamt ermittelten ist. Mindestens 40 Prozent müsse der vom Finanzamt ermittelte Grundsteuerwert über dem selbst nachgewiesenen Verkehrswert der Immobilie liegen. Das heißt im Umkehrschluss, dass der selbst bestimmte Verkehrswert mindestens rund 29 Prozent unter dem Grundsteuerwert liegen müsste.
Ein Beispiel: Der Grundsteuerwert beträgt 700.000 Euro. Dann darf der Verkehrswert maximal 500.000 Euro sein, um die eben genannte Bedingung zu erfüllen.
Die elf Bundesländer, die das Bundesmodell für die Grundsteuer nutzen, haben die Forderungen des BFH schnell umgesetzt. Das sind: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Mit gleichlautenden Beschlüssen haben die obersten Finanzbehörden dieser Länder am 24. Juli 2024 genau beschrieben, was ab sofort für Betroffene möglich sein soll. Wir fassen das für Dich zusammen und sagen Dir, wie Du vorgehen kannst.
Wie kannst Du den Nachweis erbringen?
Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: der Kaufpreis für das Grundstück, wenn dieses im Jahr 2021 oder 2022 verkauft worden ist oder ein Sachverständigengutachten.
Auch hier gibt es zwei Möglichkeiten:
Da ab 2025 die neue Grundsteuer fällig ist, haben die Finanzbehörden auch noch eine Regelung für die sogenannte Aussetzung der Vollziehung. Denn es kann ja durchaus sein, dass die Prüfung des Gutachtens sich länger hinzieht - Du aber schon vor einer endgültigen Entscheidung die neue höhere Grundsteuer zahlen müsstest.
Für die Aussetzung der Vollziehung musst Du nur schlüssig darlegen, dass Dein Grundsteuerwert mindestens 40 Prozent höher als der Verkehrswert ist. Ein Gutachten ist an dieser Stelle noch nicht erforderlich, wird das Finanzamt aber zeitnah anfordern. Solange noch keine Entscheidung getroffen wurde, soll das Finanzamt 50 Prozent des Grundsteuerwerts von der Vollziehung aussetzen.
Beispiel: Du sollst ab 2025 auf Basis Deines Grundsteuerwerts 400 Euro pro Jahr Grundsteuer zahlen. Das Verfahren über Deinen Nachweis eines deutlich geringeren Verkehrswerts ist noch nicht abgeschlossen. Dann solltest Du vorerst nur 200 Euro Grundsteuer zahlen müssen.
Schon Mitte 2023 gab es laut Handelsblatt mehr als drei Millionen Einsprüche, eine gigantische Zahl. Das ist in etwa so viel, die die Finanzämter mit allen anderen Einsprüchen im Schnitt sonst pro Jahr zu tun haben.
Bereits Anfang Februar 2023 hatten wir von Finanztip die Finanzbehörden in allen 16 Bundesländern gefragt, wie viele Grundsteuererklärungen schon bearbeitet wurden und wie viele Einsprüche es gab. Ergebnis: Rund neun Millionen der abzugebenden Erklärungen und damit etwa ein Viertel wurden bis dahin bearbeitet und entsprechende Bescheide zu Grundsteuerwert oder Äquivalenzbeträgen sowie Grundsteuermessbetrag versendet.
Zudem gab es Anfang Februar schon rund 350.000 Einsprüche, obwohl mit Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen große Flächenländer keine Angaben dazu machten. Finanztip prognostizierte damals, dass auf die Finanzämter mindestens 1,5 Millionen Einsprüche zukommen dürften. Und wie wir sehen, wurde es noch schlimmer.
Anfang September 2023 kündigten der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland und der Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt) an, gegen die Untätigkeit der Finanzämter gerichtlich vorzugehen. Nach Angaben der beiden Verbände würden Millionen Einsprüche gegen die Bescheide zur Grundsteuer seit über einem halben Jahr nicht bearbeitet. Mit Folgen: Denn eine Klage beim Finanzgericht kann erst eingereicht werden, wenn der Einspruch bearbeitet – und abgelehntworden ist.
Die Verbände unterstützen deshalb in vier Musterfällen Untätigkeitsklagen gegen die jeweiligen Finanzämter, um dann die verfassungsrechtliche Überprüfung bis vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Die ersten vier Fälle stammen aus den Ländern Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Dabei geht es laut Pressemitteilung um hohe Miet- und Bodenrichtwerte im Bundesmodell, was Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit begründet.
Es gab einige Experten, die einen generellen Einspruch empfohlen haben. Dazu gehört zum Beispiel der Verfassungsrechtler Professor Gregor Kirchhof. Er hatte in einem Focus-Interview schon im Dezember 2022 dazu geraten, in allen Bundesländern außer Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen Einspruch einzulegen. Das meint also Baden-Württemberg und die elf Länder, die das sogenannte Bundesmodell nutzen.
Allerdings dürfte das Finanzamt den Einspruch entweder schnell ablehnen oder liegenlassen, egal, wie gründlich die Verfassungswidrigkeit begründet ist. Danach bliebe in diesem Fall nur der teure Gang zum Finanzgericht. An dieser Stelle kann eine Rechtsschutzversicherung hilfreich sein.
Deshalb sagen auch sehr viele Sachkundige, dass ein Einspruch nur eingelegt werden sollte, wenn es tatsächlich einen offensichtlichen Grund dafür gibt. Dazu gehört der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Hartmut Schwab. Nach seiner Meinung könnten sich die allermeisten Bürger einen Einspruch sparen. „Ich verspreche mir davon gar nichts, außer Papierkrieg“, sagte er in der Tageszeitung Welt. Schwab betonte aber auch, dass bei erkannten Fehlern unbedingt Einspruch eigelegt werden sollte. Er ist zudem der Meinung, dass das Bundesverfassungsgericht selbst bei Zweifeln keine Rückabwicklung der bis dahin geleisteten Steuerzahlungen verlangen dürfte.
Es dauerte gar nicht so lange, bis es Klagen gegen die neue Grundsteuer gab, die erste noch Ende 2022. Wir listen Dir hier alle wichtigen Klagen und Entscheidungen auf und erklären, was Sie für Dich bedeuten könnten. Dieses Kapitel wird fortlaufend ergänzt.
Der Bund der Steuerzahler und mehrere Verbände haben bereits um die Jahreswende 2022/23 gemeinsam mit Eigentümern die ersten beiden Klagen gegen einen Bescheid über den Grundsteuerwert in Baden-Württemberg eingereicht.
Mit den Musterklagen sollen grundsätzliche Fragestellungen zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Landesgrundsteuergesetzes geklärt werden, heißt es in einer Pressemitteilung vom 8. Dezember 2022. In einer zweiten Pressemitteilung vom 19. Januar 2023 wird vor allem auf die Ungenauigkeit des Bodenrichtwerts abgehoben. Hintergrund ist unter anderem, dass es in Baden-Württemberg bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts keine Rolle spielt, ob auf gleich großen Grundstücken eine Villa, ein kleines Einfamilienhaus oder ein fünfstöckiges Mehrfamilienhaus steht. In allen Fällen ist der Grundsteuerwert gleich. Die Klagen wurden unter den Aktenzeichen 8 K 2368/22 und 8 K 2491/22 beim Finanzgericht Baden-Württemberg eingereicht.
Am 11. Juni 2024 hat das Finanzgericht Baden-Württemberg in zwei Urteilen entschieden, dass das Landesgrundsteuergesetz verfassungsgemäß ist. Das betrifft eines der beiden gerade erwähnten Verfahren (Az. 8 K 2368/22) sowie ein weiteres (Az. 8 K 1582/23). Die Revision gegen die Urteile an den Bundesfinanzhof wurde zugelassen, sodass die Urteile noch keine Rechtskraft haben.
Generell hatten die oben genannten Verbände in Baden-Württemberg Betroffenen mit Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit geraten, Einspruch gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert einzulegen, sich auf die beiden laufenden Verfahren mit den Aktenzeichen zu berufen und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Finanztip schließt sich dieser Empfehlung für Baden-Württemberg an. Wenn Du unser Musterschreiben verwendest, ergänze dieses mit den eben genannten Angaben, dem Aktenzeichen und dem Ruhen des Verfahrens.
„Das Bundesmodell ist verfassungswidrig!“ Das ist das Ergebnis eines Rechtsgutachtens des Verfassungsrechtlers Professor Gregor Kirchhof, heißt es am 18. April 2023 in einer Pressemitteilung des Bundes der Steuerzahler und des Verbands Haus & Grund Deutschland. Diese hatten das Gutachten beauftragt und sehen es als Basis für bald folgende Musterprozesse. Geplant seien diese in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und in Nordrhein-Westfalen, dort gleich zwei. Unter den Aktenzeichen 3 K 3142/23 beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg und 4 K 1205/23 beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz gibt es mittlerweile zwei Klagen, teilt der Bund der Steuerzahler in einer Pressemitteilung vom 11. Dezember 2023 mit. Dort heißt es auch, dass Eigentümer sich auf diese Musterklagen berufen und Einspruch gegen ihren Feststellungsbescheid über den Grundsteuerwert beim Finanzamt einlegen sowie das Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen beantragen können.
Kirchhof sieht an mehreren Stellen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform. Die wichtigsten Punkte sind:
Der Bund der Steuerzahler und der Verband Haus & Grund plädieren dafür, dass sich die betroffenen elf Bundesländer für ein Grundsteuersystem der Länder Bayern, Hamburg, Hessen oder Niedersachsen entscheiden sollten. Die notwendigen Daten seien vorhanden und der Vollzug weitgehend vorbereitet.
Wenn Deine Immobilie oder Dein Grundstück in einem der eben genannten fünf Bundesländern liegt – und Du über einen Einspruch nachdenkst: Beziehe Dich dann auf die Musterklagen und beantrage wie in Baden-Württemberg das Ruhen des Verfahrens.
Geklagt hatten die Eigentümer eines Einfamilienhauses gegen die die Regelungen des neuen Grundsteuergesetzes und der Sächsischen Sondervorschriften. Das Finanzgericht schmetterte die Argumente der Kläger bezüglich der Grundsteuerwerte und des Grundsteuermessbetrages aber in allen Punkten ab (Az. 2 K 574/23). Immerhin ist noch die Revision vor dem Bundesfinanzhof möglich.
In Rheinland-Pfalz gab es zwei Klagen, eine wegen einer überhöhten Nettokaltmiete, die andere wegen eines überhöhten Bodenrichtwerts. Der 4. Senat des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz entschied am 23. November 2023 (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23), dass die Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen ist.
Das bedeutet, dass in diesen beiden Fällen – und nur in diesen – auch der eigentliche Grundsteuerbescheid für die Grundsteuer ab 2025 auszusetzen ist. Das heißt auf der anderen Seite aber nicht, dass diese Bescheide dann automatisch nicht „gelten“ und das ganze Verfahren an sich gegen die Verfassung verstößt. Es ist lediglich ein Etappensieg für die Kläger. Das Finanzgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.
Auch dort „gewannen“ die betroffenen Hausbesitzer, denn der BFH wies in zwei Beschlüssen vom 27. Mai 2024 die Beschwerden des Finanzamts als unbegründet zurück (Az. II B 78/23 (AdV), Az. II B 79/23 (AdV)). Allerdings äußerte sich das Gericht nicht über die Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuer an sich, sodass der Fall recht sicher beim Bundesverfassungsgericht landen wird.
Die Entscheidung des BFH hat damit ausschließlich Auswirkungen für die Betroffenen. Da die sogenannte Aussetzung der Vollziehung (AdV) für diese bestätigt ist, müssen sie nach dem aktuellen Stand keine neue Grundsteuer ab 2025 zahlen.
Wichtig: Diese beiden Beschlüsse führten dazu, dass Du Dich immer noch gegen eine zu hohe Grundsteuer wehren kannst, wenn Du den elf Bundesländern des Bundesmodells nachweisen kannst, dass der Verkehrswert Deines Grundstück mindestens 40 Prozent unter dem Grundsteuerwert liegt. Ausführliche Informationen dazu findest weiter oben in Kapitel 4.
In Sachsen klagt derzeit ein Eigentümer von vier vermieteten Eigentumswohnungen in Chemnitz gegen die neue Grundsteuer, mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler und dem Verband Haus & Grund. Laut einer Pressemitteilung vom 11. Juli 2024 des Verbandes handelt es sich um ein gut instand gehaltenes, denkmalgeschütztes Gebäude in einem Sanierungsgebiet. Damit seien bei weitem nicht die Mieten zu erzielen, die das Finanzamt laut Grundsteuergesetz bei der Berechnung angesetzt hat.
Der Verband Haus & Grund bezieht sich in seiner Mitteilung auch auf den oben genannten Aspekt des BFH, also generell die fehlende Möglichkeit, einen geringeren Wert der Immobilie nachweisen zu können. Ein Aktenzeichen gibt es noch nicht.
Es folgen zwei weitere Entscheidungen, die nochmals deutlich zeigen, dass die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuer unterschiedlich zu beantworten sein könnte.
So hat das Finanzgericht Nürnberg keine ernsthaften Zweifel an den speziellen Grundsteuer-Regelungen im Freistaat Bayern (Beschluss vom 8. August 2023, Az. 8 V 300/23). Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat zwar beschlossen, dass eine Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheides nur ausnahmsweise in Betracht kommt, ließ aber die Frage nach Verfassungsmäßigkeit offen (Beschluss vom 1. September 2023, Az. 3 V 3080/23).
Seit Februar 2024 gibt es beim Niedersächsischen Finanzgericht ein Klageverfahren, in dem es um die Verfassungsmäßigkeit des Niedersächsischen Grundsteuergesetzes geht (Az. 1 K 38/24). Die Frage ist also, ob das spezielle Grundsteuer-Modell des Bundeslandes verfassungswidrig ist - oder eben nicht.
Da es offenbar recht viele solcher Einsprüche gab, hat das Landesamt für Steuern Niedersachsen angeordnet, dass es sich dabei um ein Musterverfahren handelt und alle bisherigen und künftigen Einsprüche ruhen sollen. Die Allgemeinverfügung (Nds. Ministerialblatt Nr. 387 v. 4. September 2024) sagt dazu aus, dass das bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts so sein soll. Das betrifft Einspruchsverfahren gegen Bescheide über die Grundsteueräquivalenzbeträge und damit verbundene Einsprüche gegen Bescheide über den Grundsteuermessbetrag. Achtung: Hast Du nur gegen den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag Einspruch eingelegt, profitierst Du nicht von dieser Regelung. Das Ruhen des Verfahrens besagt generell auch nichts darüber aus, wie das Verfahren selbst ausgeht.
Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen ist die neue Grundsteuer nicht zu beanstanden. Das entschied das Finanzgericht Köln am 19. September 2024(Az. 4 K 2189/23). Es handelt sich dabei um die erste Entscheidung in NRW in einem Verfahren, in dem es um die Bewertung einer Immobilie für die neue Grundsteuer geht. Die Klage hatte sich gegen einen Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts zum 1. Januar 2022 nach dem Bundesmodell gerichtet.
Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen.
An dieser Stelle sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Einsprüche und Klagen ausdrücklich nichtautomatisch bedeuten, dass Du mit Deinem Einspruch persönlich davon profitierst.
Es ist erstens sehr unwahrscheinlich, dass sich bis 2025 an der rechtlichen Lage etwas ändert, weshalb die neue Grundsteuer ab 2025 fällig werden dürfte – Ausnahme sind die beiden oben genannten Fälle in Rheinland-Pfalz.
Zweitens bedeutet eine Klage nicht, dass diese auch erfolgreich ist.
Und drittens: Selbst wenn in ein paar Jahren das Bundesverfassungsgericht sagt, dass das Bundesmodell und die Regelungen in den Bundesländern wie Baden-Württemberg und Niedersachsen grundgesetzwidrig sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es rückwirkend Abänderungen geben wird. Es sei daran erinnert, dass das höchste Gericht 2018 festgestellt hatte, dass die Grundsteuer mindestens seit 2002 verfassungswidrig ist, aber trotzdem alles bis zum Jahr 2025 so blieb wie zuvor.
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