Kurzzeit-Versicherungen Darf’s ein Wiesn- oder Jeckenschutz sein? Besser nicht
Finanztip-Expertin für Versicherungen
Das Wichtigste in Kürze
Bei Faschingsfeiern und im Straßenkarneval steht der Spaß im Vordergrund. Doch im Partygetümmel passieren auch immer wieder Unfälle. In Karnevalshochburgen wie Köln, Mainz oder Düsseldorf sind die Sanitäter während der närrischen Tage deshalb im Dauereinsatz und versorgen Feierwütige, die in Bierpfützen ausgerutscht sind oder von herumfliegender Kamelle verletzt wurden. Was liegt da näher, als sich gegen solche und andere unerwünschte Nebenwirkungen zu versichern?
Das dachte sich auch die Versicherungsgruppe die Bayerische, die gemeinsam mit dem Start-up Appsichern seit 2014 unter dem Namen „Jeckenschutz“ beziehungsweise „Wiesnschutz“ eine Kurzzeit-Versicherung anbietet. Bei der Police, die übers Smartphone und im Netz jeweils für 24 Stunden abgeschlossen werden kann, handelt es sich um eine kombinierte Unfallversicherung – mit einigen Extras. So enthält der Schutz auch eine Zahnzusatzversicherung bis 2.000 Euro. Geht der Ausweis oder die Geldkarte verloren, übernimmt der Versicherer die Kosten für Ersatzdokumente bis 100 Euro, sofern der Vorfall polizeilich gemeldet wurde. Die Versicherungsbedingungen sind bei den Policen für Oktoberfest und Karneval identisch.
Ein Abschluss der Wiesn-Police ist nur für die Dauer des Oktoberfests möglich. Der Schutz schließt die An- und Abreise aus Deutschland ein. Der „Jeckenschutz“ beginnt nicht eher als mit dem Auftakt der Karnevalssaison am 11. November und endet spätestens am Aschermittwoch. Nahe an der Zielgruppe werben die Anbieter damit, dass Unfallfolgen unter Alkoholeinfluss mitversichert sind. Sinnvoll ist das Paket dennoch nicht.
Mit 5,99 Euro am Tag ist der Kurzzeit-Unfallschutz ziemlich teuer: Fünf Tage auf dem Oktoberfest schlagen bereits mit 29,95 zu Buche. Aufs Jahr gerechnet wären das knapp 2200 Euro. Andere Versicherer bieten einen guten Unfallschutz bereits für rund 150 Euro im Jahr – mitunter auch für Unfälle unter Alkoholeinfluss. Auch die Versicherungssumme der im „Wiesn-“ oder „Jeckenschutz“ enthaltenen Unfallversicherung ist mit 50.000 Euro sehr gering. Zum Vergleich: Eine gute Unfallversicherung zahlt bei schweren Gesundheitsschäden zehnmal so viel.
Ohnehin zählt eine Unfallversicherung nicht zu den wichtigsten Policen, sie macht nur bei einem erhöhten Unfallrisiko Sinn. Ob ein Unfallschutz für Dich infrage kommt und wie Du einen günstigen Anbieter findest, erfährst Du in unserem Ratgeber Unfallversicherung.
Auch in den anderen Bereichen der Kurzzeit-Policen sind die Versicherungssummen niedrig angesetzt. Hat der Faschings- oder Wiesnbesucher einen tödlichen Unfall, zahlt die Bayerische 10.000 Euro. Unfallbedingte kosmetische Operationen sind bis zu einer Summe von 10.000 Euro versichert. Die Kosten für einen medizinisch bedingten Krankenrücktransport werden nur innerhalb Deutschlands und nur bis 2.000 Euro mitgetragen.
Das Angebot hat noch weitere Nachteile: So sind – wie bei einer Unfallversicherung üblich – die Unfallfolgen nur versichert, falls sie zu bleibenden gesundheitlichen Schäden führen. Kleinere Verletzungen wie ein verstauchter Knöchel oder ein gebrochener Arm werden von der Oktoberfest- oder Karnevalsversicherung also überhaupt nicht abgedeckt.
Neben der Bayerischen hat nun die HDI Karnevalisten ebenfalls als potentielle Kunden für sich entdeckt. Mit dem „Tolle-Tage-Schutz“ bietet sie seit Ende 2016 eine Kurzzeit-Unfallversicherung für die närrische Zeit an. Wie die Bayerische zahlt sie maximal 50.000 Euro für schwere Unfälle, die beim Besuch von Karnevals- und Faschingsveranstaltungen passieren. Im Todesfall erhalten die Hinterbliebenen 10.000 Euro. Zahnersatz und kosmetische Operationen nach einem Unfall sowie Bergungs- und Rettungskosten übernimmt die HDI bis 2.000 Euro. Der Tolle-Tage-Schutz kostet 5,55 Euro für 24 Stunden oder 11,11 Euro für drei Tage.
Selbst wer keine Unfallversicherung besitzt, ist mit den Kurzzeit-Policen schlecht beraten. Die Versicherungssumme von 50.000 Euro ist viel zu gering, um die Kosten abzudecken, die entstehen, wenn jemand nach einem Unfall schwerbehindert bleibt. Und verlorene Dokumente, wie Ausweis oder Kreditkarte, lassen sich auch aus eigener Tasche ersetzen. Darüber hinaus genügt der übliche Versicherungsschutz beim Wiesn-Besuch oder der Karnevalsfeier vollauf: Wird dem Besitz oder der Gesundheit eines anderen versehentlich ein Schaden zugefügt, zahlt nämlich die Haftpflichtversicherung des Verursachers.
Ein zusätzlicher „Jecken-“ oder „Wiesnschutz“ ist darum, wie ein Münchner sagen würde, „scho a gscheiter Schmarrn“. Ein ziemlicher Blödsinn also.
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