Gliedertaxe und Invaliditätsgrad Dann bekommst Du Leistungen der Unfall­ver­sicherung

Barbara Weber
Finanztip-Expertin für Ver­si­che­rungen

Das Wichtigste in Kürze

  • Die „Gliedertaxe“ ist eines der wichtigsten Merkmale der privaten Unfall­ver­sicherung.
  • Sie bestimmt, welchen Grad der Beeinträchtigung (Invaliditätsgrad) die Ver­si­che­rung annimmt, wenn nach einem Unfall Schäden an bestimmten Körperteilen bleiben.
  • Je nach Tarif kann sich die Gliedertaxe deutlich unterscheiden.
  • Je höher der Invaliditätsgrad, desto mehr Geld bekommst Du von der Unfall­ver­sicherung.

So gehst Du vor

  • Prüfe, ob Du eine Unfall­ver­sicherung brauchst, denn diese zahlt nur, wenn nach einem Unfall auch dauerhafte Schäden bleiben. Die meisten bleibenden Behinderungen sind jedoch Folge einer Krankheit. Eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung bietet daher besseren Schutz.
  • Bei der Wahl einer Unfall­ver­sicherung solltest Du die Gliedertaxe verschiedener Versicherer vergleichen. Die Unterschiede zwischen guten und schlechten Tarifen können im Ernstfall Zehntausende Euro ausmachen.
  • Eine gute Orientierung, welche Gliedertaxen üblich sind, bietet diese Tabelle.

Die private Unfall­ver­sicherung zahlt einen Teil der vereinbarten Ver­si­che­rungs­sum­me, wenn nach einem Unfall ein dauerhafter körperlicher Schaden bleibt. Mit entscheidend dafür, wie viel Geld es von der Ver­si­che­rung gibt, ist der sogenannte Invaliditätsgrad. Er gibt an, wie schwer die Behinderung ist. Dabei spielt auch die sogenannte Gliedertaxe eine Rolle.

Was ist der Invaliditätsgrad?

Versicherer sprechen von Invalidität, wenn Du wegen eines Unfalls eine dauerhafte Beeinträchtigung davonträgst. Doch bevor eine private Unfall­ver­sicherung zahlt, muss sie den sogenannten Invaliditätsgrad bestimmen. Der trifft eine Aussage über das Ausmaß der Beeinträchtigungen. 

Den Invaliditätsgrad berechnet die Ver­si­che­rung mit Hilfe der sogenannten Gliedertaxe. Das ist eine Tabelle, in der jeder Anbieter festlegt, welchen Grad der Beeinträchtigung er annimmt, falls ein Kunde einen bestimmten Körperteil verliert oder nicht mehr benutzen kann. Je höher die Ver­si­che­rung den Invaliditätsgrad einstuft, desto höher fällt die Invaliditätsleistung der Ver­si­che­rung aus. Eine Unfallrente zahlen dagegen die meisten Anbieter erst ab einem Invaliditätsgrad von 50 Prozent.

Wie eine Ver­si­che­rung den Invaliditätsgrad bestimmt, zeigen wir Dir an einem Beispiel: Ein Heimwerker rutscht bei Holzarbeiten am Schuppen mit der Säge ab und der Daumen muss amputiert werden. Die Gliedertaxe seiner Unfall­ver­sicherung nimmt bei einem abgetrennten Daumen einen Invaliditätsgrad von 50 Prozent an. Bei einer vereinbarten Ver­si­che­rungs­sum­me von 100.000 Euro würde sie daher 50.000 Euro als Invaliditätsleistung bekommen. 

Wie funktioniert die Gliedertaxe?

Wie viel Geld die private Unfall­ver­sicherung nach einem Unfall zahlt, ist abhängig von der vereinbarten Ver­si­che­rungs­sum­me, aber auch von der Gliedertaxe. 

Die Gliedertaxe ist eine Tabelle in den Allgemeinen Ver­si­che­rungs­be­din­gungen (AVB) und Teil des Ver­si­che­rungsvertrags. Die Ver­si­che­rung ordnet mit der Gliedertaxe verschiedenen Körperteilen einen Prozentwert zu. So kann einem Auge beispielsweise ein Wert von 50 Prozent zugeordnet sein, einem kompletten Arm 70 Prozent und einem großen Zeh 5 Prozent. Aus diesem Prozentwert errechnet sich in Zusammenspiel mit der vereinbarten Ver­si­che­rungs­sum­me und der Progression, wie viel Geld die Ver­si­che­rung nach einem Unfall zahlt.

Ein Beispiel: Ein Kunde hat eine Ver­si­che­rungs­sum­me von 100.000 Euro vereinbart. Die Gliedertaxe seines Tarifs legt für den Fuß einen Wert von 40 Prozent fest. Muss ihm nach einem Unfall tatsächlich ein Fuß amputiert werden, erhält er 40.000 Euro von der Ver­si­che­rung. Falls er eine Progression vereinbart hat, kann die Summe auch größer ausfallen, denn die Progression sorgt dafür, dass die Ver­si­che­rung bei schweren Behinderungen mehr zahlt.

Wenn ein Körperteil beeinträchtigt ist 

Die Werte der Gliedertaxe gelten allerdings nur für den Fall, dass der Betroffene den entsprechenden Körperteil überhaupt nicht mehr benutzen kann. Ist die Funktion nur eingeschränkt, wird die Zahlung anteilig berechnet. Das bedeutet, ist nach einem Unfall auf einem Auge nur noch die Hälfte der Sehkraft vorhanden, halbiert die Ver­si­che­rung den Prozentwert, der in der Gliedertaxe für das Auge angegeben ist.

Wie stark ein Körperteil in seiner Funktion beeinträchtigt ist, ermittelt ein Arzt. Sind mehrere Körperteile durch den Unfall betroffen, werden die einzelnen Invaliditätsgrade addiert. Im Ergebnis kann der Invaliditätsgrad 100 Prozent aber nicht übersteigen.

Nicht alle Körperteile sind geregelt

Nicht jeder Körperteil ist in der Tabelle für die Gliedertaxe aufgelistet. Doch auch Verletzungen an Kopf, Wirbelsäule oder inneren Organen können schwerwiegende Folgen haben. Deshalb wird in solchen Fällen der Invaliditätsgrad anders ermittelt. Dafür schätzt ein Arzt ein, wie stark die Verletzung die gesamte Leistungsfähigkeit des Betroffenen einschränkt. So kommt der Prozentwert zustande, der Einfluss darauf hat, wie viel die Ver­si­che­rung zahlt.

Gibt es unterschiedliche Gliedertaxen?

Beim Abschluss einer privaten Unfall­ver­sicherung lohnt sich ein Vergleich der Gliedertaxe verschiedener Tarife. Denn jede Ver­si­che­rung legt ihre eigenen Maßstäbe fest. Zwar gibt es Emp­feh­lungen des Gesamtverbands der deutschen Ver­si­che­rungswirtschaft (GDV) für die Gliedertaxe, gute Tarife leisten aber deutlich mehr. Während beispielsweise der vollständige Verlust einer Hand laut GDV-Empfehlung 55 Prozent Invalidität bedeutet, sind es bei guten Tarifen zwischen 70 und 100 Prozent. Das kann im Ernstfall einen Unterschied von mehreren Zehntausend Euro ausmachen.

Eine gute Hilfe für den Vergleich bietet eine Übersicht des Analysehauses Ascore. Das Unternehmen hat die Gliedertaxe von 105 Unfall-Tarifen untersucht und ausgewertet, welche Invaliditätsgrade die Ver­si­che­rungen im Mittel für welchen Körperteil annehmen. Die Gliedertaxe eines leistungsstarken Tarifs sollte mindestens die genannten Mit­tel­werte erreichen und sie im besten Fall übertreffen.

Vergleich der Gliedertaxe verschiedener Tarife in Prozent

KörperteilEmp­feh­lung
des GDV
Durchschnittswerte
Stimme0 %85 %
ein Auge50 %60 %
Gehör auf einem Ohr30 %40 %
Geruchssinn10 %15 %
Geschmackssinn5 %12 %
kompletter Arm70 %79 %
Arm oberhalb Ellenbogen65 %75 %
Arm unterhalb Ellenbogen60 %72 %
komplette Hand55 %71 %
Daumen20 %31 %
Zeigefinger10 %22 %
anderer Finger5 %11 %
Bein über Mitte Oberschenkel70 %75 %
Bein bis Mitte Oberschenkel60 %69 %
Bein bis unterhalb Knie50 %65 %
Bein bis Mitte Unterschenkel45 %61 %
kompletter Fuß40 %54 %
großer Zeh5 %10 %
anderer Zeh2 %4 %

Quelle: Morgen & Morgen Analyse, GDV-Musterbedingungen (Finanztip-Recherche vom 11. September 2023)

Entscheidend dafür, wie viel die Ver­si­che­rung letztlich zahlt, ist das Zusammenspiel aus Gliedertaxe, Ver­si­che­rungs­sum­me und Progression. Letztere sorgt dafür, dass bei besonders schweren Verletzungen ein Vielfaches der Ver­si­che­rungs­sum­me ausgezahlt wird. Um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sich verschiedene Tarife hierbei unterscheiden, lohnt sich ein Blick auf die Auszahlungssumme für den Verlust von Daumen, Hand und Fuß. Anhand dieser drei konkreten Auszahlungen hast Du einen guten Vergleich, der sowohl die Progression als auch die Gliedertaxe beinhaltet. Worauf Du sonst noch bei der Ver­si­che­rung achten solltest, erfährst Du in unserem Ratgeber zur Unfall­ver­sicherung

Besser abgesichert mit der Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung

Eine private Unfall­ver­sicherung ist jedoch nur selten sinnvoll, denn nur 2 Prozent aller schweren Behinderungen entstehen durch einen Unfall. Die große Mehrheit ist Folge einer Krankheit und genau dann schützt die Unfall­ver­sicherung nicht. Viel wichtiger ist deshalb eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung (BU). Ist diese zu teuer oder bekommst Du keinen BU-Schutz, solltest Du Dich zu BU-Alternativen beraten lassen.
 

Mehr dazu im Ratgeber Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung

  • Die staatliche Er­werbs­min­de­rungs­ren­te reicht nicht aus, eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung ist für fast jeden sinnvoll.

  • Von uns emp­foh­lene Makler: Hoesch & Partner, Buforum24, Zeroprov, Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung, P&F (früh-gewinnt.de).

Zum Ratgeber

Autoren
Julia Rieder

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