Gliedertaxe und Invaliditätsgrad Dann bekommst Du Leistungen der Unfallversicherung
Finanztip-Expertin für Versicherungen
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Die private Unfallversicherung zahlt einen Teil der vereinbarten Versicherungssumme, wenn nach einem Unfall ein dauerhafter körperlicher Schaden bleibt. Mit entscheidend dafür, wie viel Geld es von der Versicherung gibt, ist der sogenannte Invaliditätsgrad. Er gibt an, wie schwer die Behinderung ist. Dabei spielt auch die sogenannte Gliedertaxe eine Rolle.
Versicherer sprechen von Invalidität, wenn Du wegen eines Unfalls eine dauerhafte Beeinträchtigung davonträgst. Doch bevor eine private Unfallversicherung zahlt, muss sie den sogenannten Invaliditätsgrad bestimmen. Der trifft eine Aussage über das Ausmaß der Beeinträchtigungen.
Den Invaliditätsgrad berechnet die Versicherung mit Hilfe der sogenannten Gliedertaxe. Das ist eine Tabelle, in der jeder Anbieter festlegt, welchen Grad der Beeinträchtigung er annimmt, falls ein Kunde einen bestimmten Körperteil verliert oder nicht mehr benutzen kann. Je höher die Versicherung den Invaliditätsgrad einstuft, desto höher fällt die Invaliditätsleistung der Versicherung aus. Eine Unfallrente zahlen dagegen die meisten Anbieter erst ab einem Invaliditätsgrad von 50 Prozent.
Wie eine Versicherung den Invaliditätsgrad bestimmt, zeigen wir Dir an einem Beispiel: Ein Heimwerker rutscht bei Holzarbeiten am Schuppen mit der Säge ab und der Daumen muss amputiert werden. Die Gliedertaxe seiner Unfallversicherung nimmt bei einem abgetrennten Daumen einen Invaliditätsgrad von 50 Prozent an. Bei einer vereinbarten Versicherungssumme von 100.000 Euro würde sie daher 50.000 Euro als Invaliditätsleistung bekommen.
Wie viel Geld die private Unfallversicherung nach einem Unfall zahlt, ist abhängig von der vereinbarten Versicherungssumme, aber auch von der Gliedertaxe.
Die Gliedertaxe ist eine Tabelle in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und Teil des Versicherungsvertrags. Die Versicherung ordnet mit der Gliedertaxe verschiedenen Körperteilen einen Prozentwert zu. So kann einem Auge beispielsweise ein Wert von 50 Prozent zugeordnet sein, einem kompletten Arm 70 Prozent und einem großen Zeh 5 Prozent. Aus diesem Prozentwert errechnet sich in Zusammenspiel mit der vereinbarten Versicherungssumme und der Progression, wie viel Geld die Versicherung nach einem Unfall zahlt.
Ein Beispiel: Ein Kunde hat eine Versicherungssumme von 100.000 Euro vereinbart. Die Gliedertaxe seines Tarifs legt für den Fuß einen Wert von 40 Prozent fest. Muss ihm nach einem Unfall tatsächlich ein Fuß amputiert werden, erhält er 40.000 Euro von der Versicherung. Falls er eine Progression vereinbart hat, kann die Summe auch größer ausfallen, denn die Progression sorgt dafür, dass die Versicherung bei schweren Behinderungen mehr zahlt.
Die Werte der Gliedertaxe gelten allerdings nur für den Fall, dass der Betroffene den entsprechenden Körperteil überhaupt nicht mehr benutzen kann. Ist die Funktion nur eingeschränkt, wird die Zahlung anteilig berechnet. Das bedeutet, ist nach einem Unfall auf einem Auge nur noch die Hälfte der Sehkraft vorhanden, halbiert die Versicherung den Prozentwert, der in der Gliedertaxe für das Auge angegeben ist.
Wie stark ein Körperteil in seiner Funktion beeinträchtigt ist, ermittelt ein Arzt. Sind mehrere Körperteile durch den Unfall betroffen, werden die einzelnen Invaliditätsgrade addiert. Im Ergebnis kann der Invaliditätsgrad 100 Prozent aber nicht übersteigen.
Nicht jeder Körperteil ist in der Tabelle für die Gliedertaxe aufgelistet. Doch auch Verletzungen an Kopf, Wirbelsäule oder inneren Organen können schwerwiegende Folgen haben. Deshalb wird in solchen Fällen der Invaliditätsgrad anders ermittelt. Dafür schätzt ein Arzt ein, wie stark die Verletzung die gesamte Leistungsfähigkeit des Betroffenen einschränkt. So kommt der Prozentwert zustande, der Einfluss darauf hat, wie viel die Versicherung zahlt.
Beim Abschluss einer privaten Unfallversicherung lohnt sich ein Vergleich der Gliedertaxe verschiedener Tarife. Denn jede Versicherung legt ihre eigenen Maßstäbe fest. Zwar gibt es Empfehlungen des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für die Gliedertaxe, gute Tarife leisten aber deutlich mehr. Während beispielsweise der vollständige Verlust einer Hand laut GDV-Empfehlung 55 Prozent Invalidität bedeutet, sind es bei guten Tarifen zwischen 70 und 100 Prozent. Das kann im Ernstfall einen Unterschied von mehreren Zehntausend Euro ausmachen.
Eine gute Hilfe für den Vergleich bietet eine Übersicht des Analysehauses Ascore. Das Unternehmen hat die Gliedertaxe von 105 Unfall-Tarifen untersucht und ausgewertet, welche Invaliditätsgrade die Versicherungen im Mittel für welchen Körperteil annehmen. Die Gliedertaxe eines leistungsstarken Tarifs sollte mindestens die genannten Mittelwerte erreichen und sie im besten Fall übertreffen.
Körperteil | Empfehlung des GDV | Durchschnittswerte |
---|---|---|
Stimme | 0 % | 85 % |
ein Auge | 50 % | 60 % |
Gehör auf einem Ohr | 30 % | 40 % |
Geruchssinn | 10 % | 15 % |
Geschmackssinn | 5 % | 12 % |
kompletter Arm | 70 % | 79 % |
Arm oberhalb Ellenbogen | 65 % | 75 % |
Arm unterhalb Ellenbogen | 60 % | 72 % |
komplette Hand | 55 % | 71 % |
Daumen | 20 % | 31 % |
Zeigefinger | 10 % | 22 % |
anderer Finger | 5 % | 11 % |
Bein über Mitte Oberschenkel | 70 % | 75 % |
Bein bis Mitte Oberschenkel | 60 % | 69 % |
Bein bis unterhalb Knie | 50 % | 65 % |
Bein bis Mitte Unterschenkel | 45 % | 61 % |
kompletter Fuß | 40 % | 54 % |
großer Zeh | 5 % | 10 % |
anderer Zeh | 2 % | 4 % |
Quelle: Morgen & Morgen Analyse, GDV-Musterbedingungen (Finanztip-Recherche vom 11. September 2023)
Entscheidend dafür, wie viel die Versicherung letztlich zahlt, ist das Zusammenspiel aus Gliedertaxe, Versicherungssumme und Progression. Letztere sorgt dafür, dass bei besonders schweren Verletzungen ein Vielfaches der Versicherungssumme ausgezahlt wird. Um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sich verschiedene Tarife hierbei unterscheiden, lohnt sich ein Blick auf die Auszahlungssumme für den Verlust von Daumen, Hand und Fuß. Anhand dieser drei konkreten Auszahlungen hast Du einen guten Vergleich, der sowohl die Progression als auch die Gliedertaxe beinhaltet. Worauf Du sonst noch bei der Versicherung achten solltest, erfährst Du in unserem Ratgeber zur Unfallversicherung.
Eine private Unfallversicherung ist jedoch nur selten sinnvoll, denn nur 2 Prozent aller schweren Behinderungen entstehen durch einen Unfall. Die große Mehrheit ist Folge einer Krankheit und genau dann schützt die Unfallversicherung nicht. Viel wichtiger ist deshalb eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Ist diese zu teuer oder bekommst Du keinen BU-Schutz, solltest Du Dich zu BU-Alternativen beraten lassen.
Die staatliche Erwerbsminderungsrente reicht nicht aus, eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist für fast jeden sinnvoll.
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