Kündigung Bausparvertrag Wann Kündigungen gut verzinster Bausparverträge rechtens sind
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Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Der Bausparvertrag ist ein Massenprodukt: Im Jahr 2014 gab es in Deutschland etwa 30 Millionen Bausparverträge. Das bedeutet rechnerisch, dass etwa drei Viertel der deutschen Haushalte einen Bausparvertrag abgeschlossen haben. Viele dieser Verträge sind als Geldanlage durchaus attraktiv. So erzielen Bausparverträge, die vor gut 20 Jahren geschlossen wurden, Zinsen um die 3 Prozent. Das schaffst Du heute weder mit Tagesgeld, Festgeld oder sicheren Staatsanleihen.
Im aktuellen Niedrigzinsumfeld haben die Bausparkassen aber mit diesen Verträgen ein Problem. Die hoch verzinsten Alt-Verträge drücken die Erträge. Die Folge: Die Anbieter kündigen sie. Das machen sie aber nicht wie in der Vergangenheit, weil die Verträge überspart sind, sondern weil sie seit mindestens zehn Jahre zuteilungsreif sind.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Geldinstituten Recht gegeben. Sie dürfen alte Bausparverträge kündigen, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind (Urteile vom 21. Februar 2017, Az. XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16).
Auf die Bausparverträge sei Darlehensrecht anzuwenden, denn während der Ansparphase sei die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens komme es zu einem Rollenwechsel. Der Zweck des Bausparens bestehe darin, durch Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen. Mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife habe der Bausparer diesen Anspruch auf das Darlehen erlangt, das Darlehen ist damit vollständig gewährt und die Bausparkasse habe es damit empfangen.
Hat der Bausparer weiter gespart, dann diente das nicht mehr dem Vertragszweck. Das bedeutet, dass den Bausparkassen ein gesetzliches Kündigungsrecht zusteht, wenn seit Eintritt der Zuteilungsreife zehn Jahre vergangen sind (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom Februar 2017 eher nebenbei auf eine mögliche Ausnahme hingewiesen: Verträge mit Zins- oder Treuebonus. Das sind Verträge, in denen der Bausparer eine gewisse Zeit auf das zugeteilte Bauspardarlehen verzichten konnte und dafür einen Zinsbonus erhielt.
Bei diesen Verträgen sei erst mit Erlangen des Bonus der Zweck des Vertrages erreicht, das Darlehen erst zu diesem Zeitpunkt vollständig empfangen im Sinne von Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (BGH, Urteil vom 29. Februar 2017, Az. XI ZR 272/16, RdNr. 84).
Es gibt allerdings viele verschiedene Bausparverträge mit Zinsbonus, die unterschiedlich gestaltet sind. Wie ein solcher Ausnahmefall mit Zinsbonus aussehen muss, damit die Bausparkasse trotz Zuteilungsreife nicht kündigen kann, war bisher noch nicht ganz klar.
Der BGH hat nun entschieden, dass Bausparkassen grundsätzlich auch Verträge mit der Option auf einen Zinsbonus zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündigen können (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018, Az. XI ZR 135/17). Die bloße Option, auf das Darlehen zu verzichten, um den Bonus zu bekommen, ändere nichts daran, dass die bis zur erstmaligen Zuteilungsreife erbrachten Ansparleistungen weiterhin zweckgebunden seien, um einen Anspruch auf ein Bauspardarlehen zu erlangen. Der Vertragszweck sei durch die Option auf den Zinsbonus nicht verändert worden, urteilte der Bundesgerichtshof.
Anders gelagert seien nur solche Fälle, in denen der Bausparer zeitlich begrenzt auf die Gewährung des Darlehens verzichtet, „bei dem der Vertrag nach Ablauf des Verzichtszeitraums fortgesetzt wird und bei dem die Ansparleistungen während der Karenzzeit zusätzlich einem reinen Sparzweck dienen“. Denkbar ist das vor allem bei Verträgen, die allein mit dem Ziel der Geldanlage beworben wurden. Der Vertragszweck könnte dadurch entscheidend verändert sein.
Bei diesen Fällen beginnt die gesetzliche Zehn-Jahres-Frist nicht mit Zuteilungsreife. Bausparkassen können solche Verträge erst dann kündigen, wenn die Voraussetzungen für den Bonus länger als zehn Jahre erfüllt sind.
Es kommt somit darauf an, welche Regelungen in den Allgemeinen Bausparbedingungen zum Zins- oder Treuebonus stehen. Hast Du einen Vertrag mit Zinsbonus und bekommst die Kündigung, solltest Du prüfen lassen, ob die Bausparkasse tatsächlich kündigen durfte. Dazu kannst Du Dich an eine Verbraucherzentrale wenden oder an einen Rechtsanwalt, der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert ist. Besonders die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat sich mit diesem Thema intensiv befasst.
Alle Bausparer, die noch einen laufenden Vertrag haben, müssen wissen, dass die Bausparkasse den Vertrag zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündigen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht ihr ein gesetzliches Kündigungsrecht zu.
Hat Dir die Bausparkasse einen Vertrag mit Zinsbonus gekündigt, solltest Du die Kündigung und die Vertragsbedingungen prüfen lassen. Es kommt für die Zehn-Jahres-Frist nämlich nicht in jedem Fall auf die Zuteilungsreife an, sondern unter Umständen auf die Voraussetzungen für den Zinsbonus. Die Kündigung der Bausparkassen kann deshalb unwirksam sein.
Hat die Bausparkasse Dir allein aus wichtigem Grund gekündigt (§§ 490 Abs. 3, 314 BGB) oder den Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage beendet (§§ 490 Abs. 3, 313 BGB), hast Du hingegen gute Chancen. Das Landgericht Aachen hat solche Kündigungen der Aachener Bausparkasse für unwirksam erklärt (Urteil vom 18. Juli 2017, Az. 10 O 158/17).
Alle anderen Bausparer sollten sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einstellen und sich zu gegebener Zeit um eine andere Form der Geldanlage für das Ersparte kümmern, sofern sie das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen wollen.
Weitere Ratgeber: Tagesgeld, Festgeld, Indexfonds
Bausparkassen kündigen Altkunden bereits seit 2007. Vornehmlich traf es Bausparer, die den Vertrag voll bespart hatten, also die Bausparsumme längst erreicht haben. Die Bausparsumme ist die wichtigste Kenngröße des Vertrags. Sie gibt die Höhe an, über die der Vertrag abgeschlossen wurde, und setzt sich zusammen aus dem angesparten Guthaben und dem dann nach einigen Jahren aufgenommenen Darlehen.
Beispiel: Eine Frau schließt einen Bausparvertrag über 36.000 Euro ab. Die Mindestbausparsumme beläuft sich auf 18.000 Euro. Nach einer gewissen Zeit ist der Vertrag dann „zuteilungsreif“. Das bedeutet, dass die Kundin ein Darlehen für eine Baufinanzierung in Höhe von 18.000 Euro in Anspruch nehmen kann, weil sie genug angespart hat. Will sie dann allerdings keine Immobilie finanzieren, kann sie weitersparen. Je größer das angesparte Guthaben, desto geringer ist die mögliche Darlehenssumme. Wenn die volle Bausparsumme erreicht ist, die Kundin also 36.000 Euro angespart hat, ist spätestens Schluss: Die Differenz zwischen dem Guthaben und der vereinbarten Bausparsumme beträgt null, sie kann kein Darlehen mehr in Anspruch nehmen.
Voll besparte Verträge haben die Bausparkassen mit der Begründung gekündigt, dass die Bausparsumme erreicht worden und der Zweck der Anlage damit entfallen sei. Ein Darlehen könnten die Kunden nicht mehr in Anspruch nehmen. Solche Kündigungen sind rechtens. Bausparkassen dürfen Verträge beenden, bei denen die Bausparsumme erreicht ist (§ 488 Abs. 3 BGB). Das haben mehrere Gerichte entschieden (OLG Frankfurt, Urteil vom 2. September 2013, Az. 19 U 106/13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Oktober 2011, Az. 9 U 151/11; LG Heilbronn, Urteil vom 23. Juli 2013, Az. 6 O 118/13/Bi; AG Reutlingen, Urteil vom 15. Januar 2014, Az. 13 C 1266/13; LG Aachen, Urteil vom 24. Juli 2014, Az. 1 O 78/14). Denn Zweck des Bausparens ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern ein Bauspardarlehen zu bekommen.
Die Ombudsleute der privaten Bausparkassen haben ebenfalls bereits im Jahr 2008 entschieden, dass eine Bausparkasse grundsätzlich berechtigt ist, einen voll- beziehungsweise übersparten Bausparvertrag zu kündigen. Das hat auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bestätigt.
Laut den aktuellen Allgemeinen Musterbausparbedingungen (ABB) dürfen die Bausparkassen mit einer Frist von drei Monaten kündigen, wenn die Bausparsumme erreicht ist (§ 15 Abs. 2a ABB). Der Verband der privaten Bausparkassen hat diese Bedingungen am 20. August 2013 veröffentlicht. Es handelt sich dabei um Musterbedingungen, die jede Bausparkasse ändern kann.
Dieser Fall ist noch nicht höchstrichterlich geklärt: Wird die Bausparsumme nur erreicht, indem die Bausparkasse die Bonuszinsen einberechnet, kann sie nicht nach Paragraf 488 Absatz 3 BGB kündigen. Das hat das OLG Celle bestätigt und die Kündigungen in zwei Fällen für unwirksam erklärt. Grund: Entscheidend für das Entstehen der Bonuszinsen sei eine Erklärung des Bausparers. Seine Erklärung könne nicht durch die Bausparkasse ersetzt werden (OLG Celle, Urteile vom 14. September 2016, Az. 3 U 207/15, 3 U 86/16).
Der Bundesgerichtshof hatte angekündigt, über die beiden Verfahren am 25. Juli 2017 zu verhandeln (Az. XI ZR 537/16, XI ZR 540/16). Der Termin wurde allerdings aufgehoben, da sich die BHW-Bausparkasse mit den Sparern auf einen Vergleich geeinigt hat und somit ein Urteil verhindern konnte.
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