Privatinsolvenz Schuldenfrei in drei Jahren mit Verbraucherinsolvenz

Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Raus aus der Schuldenfalle nach nur drei Jahren – das ist mit einer Verbraucherinsolvenz möglich. Wachsen Dir die Schulden über den Kopf oder kennst Du jemanden, der in einer solchen Misere steckt, dann solltest Du Dich über die Möglichkeit einer Privatinsolvenz informieren. Denn je eher Du die Probleme angehst, desto schneller kannst Du wirtschaftlich wieder neu anfangen. Was eine Insolvenz für Dich bedeutet und wie das Verfahren funktioniert, erklären wir in diesem Ratgeber.
Nach Untersuchungen von Creditreform sind derzeit 6,16 Millionen Privatleute in Deutschland überschuldet. Trotz der Corona-Pandemie sind es so wenig Menschen wie noch nie. Das ist eine gute Entwicklung, auch wenn es immer noch zu viele Haushalte sind, die in der Schuldenfalle stecken und unter Armut leiden.
Die Verbraucherinsolvenz ist ein Weg raus aus den Schulden – diese werden gelöscht, obwohl Du sie nicht vollständig zahlen konntest. Das nennt sich Restschuldbefreiung. Um die Schulden loszuwerden, musst Du allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen und ein besonderes Verfahren durchlaufen. Im Jahr 2021 beantragten nur knapp 80.000 Menschen Privatinsolvenz – sehr wenige, wenn man die Zahl mit den geschätzten Überschuldungen vergleicht.
Eine Privatinsolvenz kannst Du grundsätzlich nur beantragen, wenn Du keine selbstständige, wirtschaftliche Tätigkeit ausübst oder ausgeübt hast. Eine Ausnahme besteht für Selbstständige, die nicht mehr als 20 Personen oder Firmen Geld schulden. Zudem dürfen keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen (§ 304 Abs. 2 InsO).
Nach der Reform des Insolvenzrechts dauert es seit Oktober 2020 nur noch drei Jahre, bis Du Deine Schulden los bist – und zwar ohne dass Du einen bestimmten Teil der Schulden zahlen musst. Vorher konnte es bis zu sechs Jahre dauern, wenn ein Schuldner die Kosten des Verfahrens nicht aufbringen konnte.
Für Anträge, die zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 gestellt wurden, gilt eine Übergangsregelung: Die sechs Jahre reduzieren sich. Wer zum Beispiel am 5. Januar 2020 Insolvenz beantragt hat, dessen Verfahren verkürzt sich auf fünf Jahre und sieben Monate, bis er von seinen restlichen Schulden befreit werden kann.
Der Weg in die Privatinsolvenz will gut überlegt sein. Du solltest Dir die Vor- und Nachteile klar vor Augen führen und mit einem Berater Deine konkrete Situation besprechen. Das sind die fünf wichtigsten Argumente, die für eine Verbraucherinsolvenz sprechen:
Eine Privatinsolvenz bringt auch Nachteile mit sich, die Du kennen solltest. Nur dann kannst Du Vor- und Nachteilen miteinander abwägen und entscheiden, ob die Privatinsolvenz der richtige Weg ist.
Wahrscheinlich kennst Du aber die genannten Probleme aus Deinem Alltag mit den Schulden ohnehin schon. Dann ist es umso sinnvoller für Dich, den Weg über die Restschuldbefreiung zu gehen – und nach drei Jahren wieder Aussicht auf ein neues Leben zu haben.
Du solltest Dir zunächst einen Schuldnerberater oder Rechtsanwalt suchen. Einige bieten ihre Unterstützung auch kostenlos an. Im Schuldneratlas des Statistischen Bundesamts findest Du einen Berater in Deiner Nähe. Du musst Dich jedoch auf Wartezeiten einstellen. Je eher Du das Thema angehst, desto besser. Weitere Informationen dazu findest Du in unserem Ratgeber Schuldnerberatung.
Das Verfahren der Verbraucherinsolvenz gliedert sich in sechs Stufen, die Du aber nicht alle durchlaufen musst. Vielleicht gelingt es Deinem Berater schon, ohne Gericht eine einvernehmliche Lösung mit Deinen Gläubigern zu finden. Dann erübrigen sich alle weiteren Schritte.
Vor dem eigentlichen Insolvenzverfahren muss ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren stattfinden (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Ziel ist es, eine Einigung mit Deinen Gläubigern zu finden. Dazu musst Du mit einer Schuldnerberatungsstelle oder einem Rechtsanwalt Deine ganzen Schulden ermitteln. Leichter fällt das, wenn Du die Unterlagen zu Deinen Schulden alle in einem Ordner abheftest.
In einem zweiten Ordner solltest Du aktuelle Nachweise sammeln über Dein Einkommen, Unterlagen zu Deinem Vermögen wie zum Beispiel zu Deinen Lebensversicherungen oder einen Grundbuchauszug, falls Du Haus- oder Grundstückseigentümer bist.
Du erarbeitest mit Deinem Berater einen Schuldenbereinigungsplan. Das ist aufwendig und mühsam, aber Voraussetzung für eine Lösung. Dein Schuldnerberater schreibt alle Gläubiger an, erklärt ihnen Deine Situation und bietet Ratenzahlungen an. Im Gegenzug bittet er sie darum, auf einen Teil der Schulden zu verzichten.
Damit eine außergerichtliche Einigung funktioniert, müssen alle Gläubiger zustimmen. Diese Variante ist für Dich am günstigsten, da weder Gerichtsgebühren noch Kosten für den Treuhänder anfallen. Sie ist aber auch nur sehr selten möglich, denn die wenigsten Gläubiger sind bereit, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.
Ist die außergerichtliche Einigung gescheitert, stellst Du als nächstes einen Insolvenzantrag. Dazu legst Du den Schuldenbereinigungsplan vor und erklärst, warum die außergerichtliche Einigung nicht geklappt hat. Das Insolvenzgericht prüft nun, ob ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren Erfolg verspricht. Andernfalls kann es darauf verzichten und das Insolvenzverfahren sofort eröffnen.
In der Praxis wird das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren selten durchgeführt. Denn wenn der Hauptgläubiger schon im Vorfeld nicht bereit ist, auf einen Teil der Forderungen zu verzichten, wird er auch dann nicht einverstanden sein, wenn ein Gericht anfragt. Im Jahr 2021 wurde in weniger als 1 Prozent der Insolvenzen ein Schuldenbereinigungsplan angenommen. Bei Erfolg kommt es nicht zur Privatinsolvenz, sondern zu einer Art Vergleich.
Hat der Schuldenbereinigungsplan keine Einigung gebracht, eröffnet das Gericht auf Antrag das Insolvenzverfahren.
Dafür gibt es ein Antragsformular, das seit April 2021 verwendet wird. Den 45 Seiten umfassenden Antrag musst Du mit Deinem Berater oder Anwalt durcharbeiten. Dabei musst Du ein Verzeichnis über Dein Vermögen erstellen und eine Liste mit all Deinen Gläubigern und Schulden.
Das Gericht prüft zunächst, ob die Verfahrenskosten gedeckt sind oder einem Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten stattgegeben wird. Die Stundung bewirkt, dass alle Verfahrenskosten erst nach der Restschuldbefreiung von Dir verlangt werden können. Die Eröffnung Deines Verfahrens wird auf der Website insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht.
Nach der Eröffnung wird ein Treuhänder bestimmt, den Du auch selbst vorschlagen kannst (§ 288 InsO). Vielleicht kennt Dein Rechtsanwalt oder Berater einen Treuhänder, mit dem er bisher gute Erfahrungen gemacht hat. Der Treuhänder versucht, das vorhandene Vermögen zu verwerten. Alles, was im Fall einer Zwangsvollstreckung pfändbar wäre, gehört zur Insolvenzmasse. Da Du auch alles Organisatorische mit dem Treuhänder klären musst, ist es wichtig, dass Du mit ihm gut auskommst.
Nach Eingang des Antrags trittst Du für drei Jahre Dein Einkommen an den Treuhänder ab – der Zeitraum nennt sich Abtretungsfrist (§ 287 Abs. 2 InsO). Du musst also den pfändbaren Anteil Deines Einkommens an den Treuhänder abführen. Wie hoch dieser Anteil ist, kannst Du der Pfändungstabelle entnehmen. Die Pfändungsgrenze steigt entsprechend, wenn Du für Kinder oder Deinen Ehepartner Unterhalt zahlen musst.
In dieser Phase darfst Du keine neuen, unangemessenen Schulden machen, ansonsten riskierst Du, dass das Gericht Dir die Restschuldbefreiung versagt.
Falls Du während der Wohlverhaltensphase etwas erbst, musst Du die Hälfte davon an den Treuhänder abgeben. Einen Lottogewinn musst Du in voller Höhe abliefern (§ 295 Nr. 2 InsO).
Während des Insolvenzverfahrens hast Du die Pflicht zu arbeiten. Bist Du arbeitslos, musst Du nachweisen, dass Du Dich um Arbeit bemüht und keinen zumutbaren Job abgelehnt hast (§ 287b InsO).
Wenn sich während der Wohlverhaltensphase an Deinen Vermögensverhältnissen etwas ändert, weil Du zum Beispiel geerbt hast oder Du einen anderen Geldgeber gefunden hast oder wenn Deine Gläubiger signalisieren, dass sie jetzt verhandlungsbereit sind, kannst Du einen erneuten Einigungsversuch unternehmen und die Insolvenz vorzeitig beenden. Das kann funktionieren, da Gläubiger nach Insolvenzeröffnung manchmal einigungsbereiter sind als vorher.
Drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Gericht über die Restschuldbefreiung (§ 300 Abs. 1 InsO). Für die Verfahren seit dem 1. Oktober 2020 gibt es keine Mindestquote mehr – vorher mussten Schuldner mindestens 35 Prozent der Schulden begleichen. Du musst auch nicht sämtliche Verfahrenskosten innerhalb der drei Jahre gezahlt haben. Hast Du Deine Verpflichtungen erfüllt und sprechen keine Gründe dagegen, wird Dich das Gericht von den restlichen Schulden befreien.
Unterhalt, den der Schuldner pflichtwidrig nicht gezahlt hat, ist von der Restschuldbefreiung nicht erfasst (§ 302 InsO). Deine Unterhaltsschulden musst Du also trotz Restschuldbefreiung weiterzahlen. Gleiches gilt für hinterzogene Steuern, sofern eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt. Hast Du ein zinsloses Darlehen von jemandem bekommen, um damit die Kosten des Insolvenzverfahrens zu bezahlen, bleibt dieses trotz Restschuldbefreiung weiter bestehen.
Die Schufa und auch andere Auskunfteien speichern die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.
Neu: Die Informationen zur Restschuldbefreiung und die damit zusammenhängenden Schulden löscht die Schufa auf den Tag genau nach sechs Monaten. Das ist eine deutliche Verbesserung für alle Betroffenen, denn bis zum 27. März 2023 wurden die Daten weitere drei Jahre gespeichert. Deshalb war es auch nach einer erfolgreichen Verbraucherinsolvenz immer noch schwierig, Verträge abzuschließen oder eine neue Wohnung anzumieten.
Der Druck der Rechtsprechung war groß. Nun ist die Schufa den drohenden Urteilen zuvorgekommen und kündigte die neue Speicherpraxis an. Denn die Frage, ob die Schufa die Schulden und die Restschuldbefreiung länger speichern durfte als das staatliche Register, beschäftigte die Gerichte – bis hin zum Bundesgerichtshof und Europäischen Gerichtshof.
Ausgangspunkt war ein Urteil des OLG Schleswig (02.07.2021, Az. 17 U 15/21). Demnach kann ein Betroffener sechs Monate nach Erteilung der Restschuldbefreiung die Löschung der Daten von der Schufa verlangen. Als Grund führen die Richter unter anderem an, dass die Schufa nach der Datenschutz-Grundverordnung kein berechtigtes Interesse an einer längeren Speicherung habe.
Doch die Oberlandesgerichte sind sich in dieser Frage nicht einig: Laut Oberlandesgericht Koblenz kommt eine Verkürzung der Frist auf nur sechs Monate nicht in Betracht (29.09.2022, Az. 12 U 450/22). Auch nach einem Urteil aus Frankfurt darf eine Wirtschaftsauskunftei Insolvenzdaten länger aufbewahren als das amtliche Insolvenzbekanntmachungsportal (OLG Frankfurt a.M., 27.09.2022, Az. 7 U 16/22).
Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur erlaubten Dauer der Datenspeicherung wurde mit Spannung erwartet. Am 28. März 2023 erklärte das Gericht, es werde das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten und erst danach entscheiden. (VI ZR 225/21).
Der Generalanwalt des EuGH sprach sich bereits am 16. März 2023 für eine verkürzte Speicherung der Restschuldbefreiung durch die Schufa aus. Ob der EuGH der Empfehlung folgt, wird sich erst in seinem Urteil zeigen – wahrscheinlich im Sommer 2023 (C-26/22 und C-64/22).
Um jahrelange Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, hat sich die Schufa entschlossen, bereits ab dem 28. März 2023 die Daten zur Restschuldbefreiung nur noch sechs Monate zu speichern. Die kürzere Speicherdauer ist für alle Betroffenen ein wichtiger Schritt zurück in ein selbstbestimmtes, wirtschaftliches Leben ohne Schulden.
Übrigens: Im Rahmen der Insolvenzreform sollte in einem ersten Entwurf die Frist für die Speicherung der Information über die Restschuldbefreiung auf ein Jahr verkürzt werden. Der Vorschlag fand in der alten Bundesregierung allerdings keine Mehrheit.
Eine Privatinsolvenz gibt es nicht gratis. Du musst den Treuhänder bezahlen, die Gerichtskosten übernehmen und eventuell einen Anwalt oder Schuldnerberater entlohnen.
Die Gerichts- und Treuhändergebühren werden nach der Insolvenzmasse berechnet. Das ist unter anderem der Betrag, den der Treuhänder monatlich von Deinem Gehalt bekommt, wenn Du mehr verdienst als das, was Dir gesetzlich bleiben muss. Falls Du weder Vermögen noch Arbeit hast, musst Du mit Mindestgebühren von etwa 2.000 Euro rechnen. Es gibt die Möglichkeit, den Betrag zu stunden oder in Raten zu zahlen.
Neben Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen bieten auch kostenfrei arbeitende Schuldnerberatungsstellen Privatpersonen Hilfe bei Überschuldung an. Du kannst versuchen, Dir vom Amtsgericht einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe zu holen, damit der Staat die Anwaltskosten übernimmt. Da es aber auch kostenlose Beratungsangebote gibt, verweisen viele Gerichte darauf und lehnen Beratungshilfe ab.
Selbst wenn Du Beratungshilfe bekommst, werden nur die Kosten bis zur Erteilung der Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs übernommen. Antragstellung und Vertretung im Eröffnungsverfahren sind nicht inbegriffen.
Auch Prozesskostenhilfe gibt es im Insolvenzverfahren nicht. Sofern Du Dich an einen Anwalt wendest, solltest Du ein pauschales Honorar vereinbaren. Dann weißt Du vorher, was auf Dich zukommt.
Um Deine Finanzen im Blick zu haben, solltest Du Deine Einnahmen und Ausgaben kennen. Der Finanztip-Haushaltsrechner hilft Dir dabei.