Flug stornieren, verpassen oder nicht antreten Hol Dir Dein Geld zurück, wenn Du nicht fliegen kannst
Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
Wer einen Flug nicht antritt oder verpasst hat, kann Steuern, Zuschläge, Entgelte und Flughafengebühren zurückverlangen, auch wenn in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Airline (ABB) etwas anderes steht.
Pauschale Gebühren für die Bearbeitung einer Stornierung sind unzulässig.
Den vollständigen Ticketpreis muss die Airline laut Bundesgerichtshof nicht erstatten, auch wenn sie den Sitzplatz noch weiterverkaufen konnte.
So gehst Du vor
Schon mal erlebt? Du verpasst den Flieger, weil Du zu spät am Flughafen warst? Oder Du kannst den lange im Voraus gebuchten Flug nicht nutzen, weil Dir irgendetwas dazwischenkommt oder Du krank wirst. Flex-Tickets kannst Du vielleicht umbuchen, andere Flüge nicht. Was gilt, wenn Du den Flug stornieren musst? Wir erklären Dir, ob Du Geld zurückbekommst und wie das funktioniert.
Wer seinen Flug verpasst, ihn storniert oder nicht antritt, kann von der Airline einen Teil der Ticketkosten, die sogenannten Flugnebenkosten, zurückverlangen.
Denn eine Stornierung des Flugs oder ein Nichtantritt ist rechtlich nichts anderes als eine Kündigung des Vertrags mit der Airline. Wenn wir in der Alltagssprache von „stornieren“ sprechen, meinen wir rechtlich damit „kündigen“. Als Fluggast kannst Du Deinen Flugbeförderungsvertrag jederzeit bis zum Abflug kündigen, denn es handelt sich dabei genau genommen um einen Werkvertrag (BGH, 16.02.2016, Az. X ZR 97/14).
Folge der Kündigung: Die Airline darf den Ticketpreis behalten, sie muss sich jedoch das anrechnen lassen, was sie sich an Kosten durch die Kündigung gespart hat (§ 648 Satz 2 BGB). Und diese Ersparnis muss sie dem Fluggast zurückzahlen.
Für jeden nicht angetretenen oder verpassten Flug können Fluggäste sämtliche Steuern, Entgelte, Zuschläge und Flughafengebühren zurückverlangen. Die muss die Fluggesellschaft nämlich selbst erst zahlen, wenn der Passagier den Flug angetreten hat.
Fliegt der Gast nicht mit, spart sich die Airline die Abgaben; sie muss sie deshalb erstatten, aber nicht automatisch, sondern erst, wenn er sie einfordert (§ 648 Satz 2 BGB).
Schon bei der Buchung muss die Airline den Preis genau aufschlüsseln in Flughafengebühren, Steuern, Zuschläge, Entgelte sowie den Ticketpreis (EuGH, 06.07.2017, Rs. C-290/16). So weißt Du genau, wie viel Du zurückfordern kannst. Die Flughafengebühren und Steuern können einen großen Anteil vom Gesamtticketpreis ausmachen. Die einzelnen Gebühren sind nicht immer leicht zu erkennen. Oft finden sich Eurobeträge in der Rechnung mit unterschiedlichen Kürzeln wie zum Beispiel: DE - Sicherheitsgebühren Deutschland, OY - Luftverkehrsabgabe, QO - Passkontroll- und Zollgebühren, RA/RD - Servicegebühr/ Ausreisesteuer, XR - Flughafensteuer, YQ/YR - Treibstoffzuschlag.
Beispiel: Bei einem Flug von Berlin nach Lissabon mit der TAP Air Portugal im Jahr 2023 belief sich der Basistarif auf 360 Euro. Hinzukamen rund 204 Euro an Steuern, Flughafen- und anderen Gebühren.
Du kannst selbst dann Erstattung verlangen, wenn die Fluggesellschaft, die von der Beförderung abhängigen Kosten nicht in ihre Preiskalkulation einbezogen und entsprechend ausgewiesen hat (BGH, 01.08.2023, Az. X ZR 118/22).
Manche Airlines weigern sich grundsätzlich, Steuern und Gebühren zu erstatten. Ob das zulässig ist, bewerten die Gerichte nicht einheitlich. Easyjet schreibt zum Beispiel in seinen ABB, dass für alle Passagiere englisches Recht gelten soll: Nach englischem Recht muss die Airline Steuern und Gebühren nicht erstatten, wenn der Fluggast storniert. Eine solche Rechtswahl kann zulässig (OLG Frankfurt, 13.12.2018, Az. 16 U 15/18). Die Wahl von irischem Recht durch Ryanair, wonach wie im englischen Recht keine Gebühren erstattet werden müssen, ist unwirksam, weil dadurch Rynanair-Kunden ein Nachteil entsteht (OLG Köln, 29.01.2021, Az. 9 U 184/20).
Das Amtsgericht Nürnberg hatte die Frage, wann die Rechtswahl einer Fluggesellschaft gegenüber einem Verbraucher zulässig ist, dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt (14.09.2020, Az. 240 C 2134/20). Bevor dieser ein Urteil sprechen konnte, hatten sich die Parteien schon geeinigt. Die Frage ist dementsprechend nach wie vor nicht höchstrichterlich geklärt, ob sich die Airline durch die Wahl des Rechts eines anderen Landes die Erstattung von Gebühren und Steuern sparen kann. Das ist auch relevant für Flüge mit amerikanischen Airlines.
Tipp: Auf welches Recht sich Deine Fluggesellschaft bezieht, kannst Du in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen sehen. Willst Du sichergehen, dass Du kostenfrei stornieren kannst, solltest Du auf jeden Fall einen flexiblen Tarif buchen. Die sind in der Regel aber auch teurer als unflexible Tarife.
Der Kerosion- oder Treibstoffzuschlag macht bei einigen Fluggesellschaften einen erheblichen Anteil an den Ticket-Kosten aus. Die Lufthansa bezeichnet diesen Zuschlag als nationalen oder internationalen Zuschlag.
Beispiel: Ein Flug von München nach Florida und zurück kostete 2023 bei der Lufthansa rund 556 Euro. Das Ticket selbst war günstig (166 Euro), an Steuern und Gebühren fielen rund 168 Euro an. Der größte Anteil am Ticketpreis entfiel auf den nationalen beziehungsweise internationalen Zuschlag – der belief sich auf 223 Euro.
Viele Airlines erstatten die Kerosin- oder Treibstoffzuschläge nicht, wenn der Fluggast die Reise nicht antritt. Eine Erstattung ist meist im Kleingedruckten ausgeschlossen. Das ist oft unwirksam (AG Erding, 11.10.2018, Az. 4 C 2612/18; 23.06.2020, Az. 9 C 6848/19). Deshalb stehen Dir aus unserer Sicht auch solche Zuschläge zu, wenn Du nicht fliegst.
Denn anerkannt ist, dass die im Gesamtpreis enthaltenen Entgelte, einschließlich eines Treibstoffzuschlages zu erstatten sind, wenn der Flug nicht angetreten wird (OLG Düsseldorf, 23.07.2020, Az. I-16 U 99/20; LG Memmingen, 28.09.2022, Az. 13 S 249/22).
Die reinen Flugkosten werden in aller Regel nicht erstattet, weil nämlich die Fluggesellschaft in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) die Kündigung ausgeschlossen hat.
Aber in einigen Fällen kannst Du bis zu 95 Prozent des Ticketpreises zurückverlangen. Hat die Airline Deinen Sitzplatz noch anderweitig vergeben, muss sie sich diese Erlöse anrechnen lassen, da sie wirtschaftlich keinen Schaden erlitten hat. Allerdings müssen Kunden oft hart um dieses Geld kämpfen. Und das klappt auch nicht bei allen Tarifen. Eine Erstattung ist möglich, wenn die Kündigung nicht wirksam in den AGB ausgeschlossen wurde. Dann gilt Folgendes: Die Fluggesellschaft muss 95 Prozent des Ticketpreises erstatten, wenn sie nicht darlegt, dass sie den Platz nicht an eine andere Person verkauft hat (AG Köln, 23.06.2018, Az. 122 C 154/17).
Das Amtsgericht Köln verurteilte zum Beispiel eine Fluggesellschaft zur Erstattung von 95 Prozent des Ticketpreises. Dabei handelte es sich bei einer geplanten Familienreise nach Amerika immerhin um fast 3.500 Euro (AG Köln, 19.09.2016, Az. 142 C 222/16).
Die Airline muss nachweisen, ob und – wenn ja – zu welchem Preis sie die stornierten Flugtickets an Dritte weiterverkaufen konnte. Legt die Fluggesellschaft keine Abrechnung vor, muss sie den Ticketpreis erstatten. Dann ist davon auszugehen, dass das Unternehmen nach der Stornierung das Flugticket weiterverkaufen konnte (LG Frankfurt/Main, 06.06.2014, Az. 2-24 S 152/13).
Erklärt die Fluggesellschaft nur, der Flug sei nicht ausgebucht gewesen und legt dazu die Buchungszahlen beim Abflug vor, muss sie bis zu 95 Prozent des Ticketpreises erstatten (§ 648 Satz 3 BGB). Denn das reicht als Beweis nicht aus. Sie muss nach einem Urteil des Amtsgerichts Köln vielmehr darlegen, wie sich der Buchungsstand zwischen Stornierung und Flug entwickelt hat (19.09.2016, Az. 142 C 222/16).
Oft bieten Airlines allerdings verschiedene Tarife für einen Flug an – einen Tarif, den die Kunden stornieren können, und einen günstigeren Tarif, den die Kunden nicht stornieren können. Das Landgericht Köln hatte folgenden Fall zu beurteilen: Zwei Fluggäste hatten sich aus verschiedenen Angeboten für einen nicht stornierbaren und deshalb besonders günstigen Flug entschieden. Dann stornierten sie den Flug.
Die Richter lehnten eine Erstattung des Ticketpreises ab, weil die Fluggäste durch ihre Buchung zum Ausdruck gebracht hatten, dass sie auf das Kündigungsrecht verzichteten. Dementsprechend wurde der Reisepreis zu Recht nicht erstattet (LG Köln, 14.03.2017, Az. 11 S 263/16; 07.02.2017, Az. 11 S 15/16).
Die Kläger wollten das Urteil nicht akzeptieren und legten es dem Bundesgerichtshof vor. Der gab der Fluggesellschaft Recht. Sie musste den Ticketpreis nicht erstatten, da sie laut BGH wirksam die Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen hatte (20.03.2018, Az. X ZR 25/17).
Keine Airline erstattet von sich aus Steuern und Gebühren, wenn Du Deinen Flug stornierst oder nicht antrittst. Einige Airlines, etwa die Lufthansa, bieten die Möglichkeit an, online die Erstattung zu beantragen.
Wenn Du die Erstattung nicht online beantragst, solltest Du die Airline schriftlich auffordern, Dir die Gebühren und Zuschläge zurückzuzahlen. Du kannst dazu unser Musterschreiben Flugstornierung verwenden. Versende es am besten als Einwurf-Einschreiben, um einen Nachweis zu haben, dass es tatsächlich angekommen ist.
Hier kannst Du Dir unser Musterschreiben für die Erstattung bei Flugstornierung herunterladen:
Auch wenn Du das Ticket über einen Flugvermittler im Internet wie Opodo, Kiwi oder Fluege.de oder über ein Reisebüro gebucht hast, solltest Du Dich mit Deiner Erstattungsforderung direkt an die Fluggesellschaft wenden. Hast Du Dein Ticket über eine Flugsuchmaschine gebucht, hast Du das Ticket sowieso direkt bei der Fluggesellschaft gebucht. Sie ist also auch in diesem Falle Dein erster Ansprechpartner. Bei einigen Fluggesellschaften funktionieren Erstattungsforderungen ohne Schwierigkeiten, bei anderen musst Du hartnäckig sein.
Warum es noch weitere Vorteile hat, über eine Flugsuchmaschine und nicht über einen Flugvermittler zu buchen, erfährst Du in unserem Ratgeber zu günstigen Flügen.
Weigert sich die Airline zu zahlen, kannst Du Dich kostenlos an die Schlichtungsstelle für öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden. Auf deren Website findest Du ein Online-Formular Flug. Ist Deine Beschwerde zulässig, prüfen sie Deinen Sachverhalt und unterbreiten nach Würdigung aller Argumente einen Schlichtungsvorschlag.
Du kannst Dein Geld auch mithilfe einer Rechtsanwaltskanzlei einfordern und notfalls vor Gericht ziehen. Dafür solltest Du am besten eine Kanzlei mit Schwerpunkt Reiserecht beauftragen. Eine Rechtsschutzversicherung deckt die Kosten dafür normalerweise ab. Wenn Du tatsächlich klagen musst und den Prozess gewinnst, muss die Fluggesellschaft die Prozesskosten übernehmen und Deinen Anwalt zahlen.
Die Fluggasthelfer wie Flightright, EU-Claim und andere bieten für die Einforderung der Steuern und Gebühren bei Ticketstornierung keine Unterstützung an. Diese Unternehmen haben sich auf die Durchsetzung von Entschädigungsforderungen bei Flugverspätung und Flugannullierung spezialisiert. Der Anbieter RightNow, den wir bis Oktober 2022 empfohlen haben, bietet derzeit keine Unterstützung bei Ticketstornierung an.
Du kannst Deine Ansprüche auch rückwirkend für die vergangenen drei Jahre einfordern. Wenn Du zum Beispiel 2023 einen Flug gebucht, bezahlt und später storniert hast, kannst Du noch bis zum 31. Dezember 2026 Geld zurückverlangen. Danach sind Deine Ansprüche verjährt.
Eine Reiserücktrittsversicherung zahlt nur unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn Du oder ein naher Angehöriger erkrankt. Entscheidend sind die jeweiligen Versicherungsbedingungen, die sich von Versicherung zu Versicherung unterscheiden können. Stellt sich die Fluggesellschaft quer, erhältst Du möglicherweise von der Versicherung problemlos die Stornokosten ersetzt.
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Viele Fluggesellschaften berechnen eine Gebühr dafür, dass sie das Storno bearbeiten. Ryanair beispielsweise verlangt eine Verwaltungsgebühr von 20 Euro. Bei der ungarischen Airline Wizz Air gibt es Stornierungsgebühren von 65 Euro. Solche Gebühren sind allerdings aus unserer Sicht nicht zulässig, da die Fluggesellschaft damit allgemeine Betriebskosten auf den Fluggast abwälzt, der das Ticket nicht genutzt hat (BGH, 21.04.2016, Az. I ZR 220/14; KG Berlin, 12.08.2014, Az. 5 U 2/12).
Das bedeutet für Dich: Stellt die Airline Dir eine Stornierungsgebühr in Rechnung oder verrechnet sie die Gebühr mit der Erstattung, musst Du das nicht hinnehmen. Denn Du bekommst weniger Geld zurück, als Dir tatsächlich zusteht. Beharrt die Airline auf ihrem Standpunkt, bleibt nur der Weg über die Schlichtungsstelle (SÖP) oder eine Klage.
Wir haben im Sommer 2023 Rechtsschutztarife mit den Bausteinen Privat, Beruf und Verkehr untersucht. Unsere Empfehlungen aus diesem Test sind:
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